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mol 18.73.5

1872 70.13.

Minct fund.

(Vol 34.-28.1)

EINLEITUNG.

Don Juan oder le Festin de Pierre ist eins der wichtigsten und interessantesten Dramen der Molièrischen Bühne. Es wird ihm aber in Deutschland nicht die Beachtung zu Theil, die es verdient, während es jetzt in Frankreich einer grossen Popularität sich erfreut, seitdem es 1847 wieder in seiner ursprünglichen Gestalt auf die Bühne des Théâtre Français gekommen ist, die es wohl nicht wieder verlassen wird. Das Stück ist von grosser Bedeutung für die Weltlitteratur, denn Molière hat in ihm einem in der romanischen Welt sehr verbreiteten Typus ein neues Gepräge gegeben. Der Dichter, indem er sich des mittelalterlichen spanischromantischen Stoffes bemächtigte, hat ihn zu einem Gemälde des modernen Lebens verwendet und aus dem naiven Wüstling und Weiberverführer, aus dem ruchlosen Raufbold, den er vorfand, einen reflectirten Egoisten und gewissenlosen Genussmenschen, einen alles Höhere leugnenden Nihilisten gemacht, der mit dem Glanz eleganter Vornehmheit, ritterlichen Wesens und einer über alle Vorurtheile erhabenen frivolen Bildung umgeben, überall der Sieger ist und alles seinem Uebermuth und seinen sinnlichen Gelüsten unterwirft. Seitdem der Stoff durch Molières Hände Don Juan.

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gegangen, haben alle späteren Bearbeiter des Don JuanThema's, ein Zamora und Zorilla, ein Goldoni und Da Ponte, der Textschreiber Mozarts, ein Shadwell und Byron, ein Mérimée und Dumas, und vor allem auch Richardson im Lovelace seiner Clarissa der Gestalt des Helden die vom französischen Dichter ihr zuerst geliehene Färbung gegeben. Die deutschen Bearbeiter standen, wenn sie auch manche Molièrische Nüance beibehielten, mehr unter dem Einfluss der Mozart'schen Musik und des Goetheschen Faust und gaben dem Thema eine mehr philosophische Bedeutung und ein mehr romantisches Colorit; so Grabbe in seinem Faust und Don Juan und Lenau in seinem Fragmente. Schon der Umstand wäre hinreichend, dem Stück ein grosses Interesse zu leihen, wenn es nicht, einfach als Charactercomödie gefasst, zu den hervorragendsten Schöpfungen des Dichters gehörte. Doch betrachten wir zuvörderst in Kürze die Quellen, auf denen es beruht und die Veranlassung, aus der es hervorging.

Der Stoff des ersten spanischen Dramas, des Prototyps aller späteren Don Juan-Dramen ist einer Sage entnommen, die sich in den Andalusischen Chroniken findet. Don Juan de Tenorio, ein zu den vornehmsten Familien Sevillas gehöriger Edelmann, der wegen seiner Ausschweifungen berüchtigt war, tödtete den Gouverneur Gonzalo de Ulloa, nachdem er seine Tochter verführt hatte. Dieser hohe Beamte wurde in seiner Familiengruft, in der Franciscanerkirche daselbst, begraben, und ihm wurde ein Monument mit einer Statue errichtet. Die Familie war in Verzweiflung, konnte aber wegen der vornehmen Geburt Don Juans keine Genugthuung erlangen und verzehrte sich schweigend in Schmerz und Rachegefühl. Don Juan, dadurch noch kühner gemacht, setzte seine Frevelthaten fort und wagte es sogar, in die Kirche zu dringen und dort die Statue des Gouver

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neurs zu beschimpfen; diese belebte sich plötzlich, packte ihn und schleuderte ihn, indem die Quadersteine des Estrichs sich öffneten in die unterirdischen Flammen der Hölle. So erzählten die Mönche. Nach einer andern Version hatten diese ihn unter dem Vorwande eines verliebten Stell dicheins in nächtlicher Stunde in die Kirche gelockt, und in dieser war er auf unerforschliche Weise verschwunden und nie wieder gesehen worden. Das Volk glaubte an jene wunderbare Rache der Statue und hielt diesen Glauben fest in seiner Tradition. So wurde im Anfange des sechzehnten Jahrhunderts Don Juan de Tenorio ein Held der Legenden. Das Gerücht von seinen Unthaten verbreitete sich immer mehr, und er wurde das Symbol aller Scheusslichkeiten.

Zur Zeit des glänzendsten Aufschwungs der spanischen Litteratur, im Beginn des siebenzehnten Jahrhunderts bemächtigte sich ein Prior des Klosters der Barmherzigen Brüder Namens Tellez, der unter dem Pseudonym Tirso de Molina als Dramatiker eine hervorragende Stelle neben Lope de Vega, Calderon, Alarcon und Moreto einnimmt und mehr als hundert Stücke geschrieben hat, dieser Sage und schuf daraus ein buntbewegtes, lebensreiches Drama voll hochpoetischen Schwungs, in dem der Keim zu allen späteren Don Juan-Dramen liegt. Er nannte es: El Burlador de Sevilla y convidado de piedra, der Spötter von Sevilla und der steinerne Gast. Es war wie alle damaligen spanischen Stücke, in drei Jornadas (Tage) eingetheilt.

Ich gebe aus diesem buntverzweigten Drama, in dem zwei Könige, der König von Neapel und der König von Castilien vorkommen, die mit dem Molièrischen Stücke Nichts zu schaffen haben, und das reich ist an Characteren, satirischen Zeitanspielungen, theatralischen Situationen und Incidenzien, nur eine kurze Analyse von dem, was sich speciell auf den spanischen und französischen Helden be

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zieht. Die Handlung beginnt in Neapel. Es ist Nacht, wir sind im königlichen Palast. Die Herzogin Isabella, betrogen und überfallen durch Don Juan, der sich für ihren Verlobten, den Herzog Octavio ausgegeben hat, erfüllt den Palast mit ihrem Hülfegeschrei. Der König eilt herbei und befiehlt, den Verführer ins Gefängniss zu werfen, aber damit ist sein Oheim, der ihn unter einer scharfen Strafrede entschlüpfen lässt, nicht einverstanden. Don Juan geht nach Spanien und erleidet an der Küste dieses Landes bei Tarragona Schiffbruch. Er wird mit seinem Diener durch die Fischerin Tisbea, die Hülfe herbeiruft, gerettet und verführt dieselbe:

Tisbea.

Ich gebe Dir nach, wenn Du mir versprichst, mein Mann zu werden.

Don Juan. Ich schwöre bei Deinen schönen Augen, die mich tödten, indem sie mich ansehen, dass ich dein Gatte sein will.

Tisbea. Bedenke, mein Geliebter, dass es einen Gott und einen Tod giebt!

Don Juan (bei Seite). Bis dahin hat's noch Zeit. (laut) So lange Gott mir das Leben leiht, werde ich Dein Sclave sein. Da hast Du mein Wort und meine Hand."

Die betrogene Tisbea, deren Schmerz sich in leiden-schaftlichen, hochpoetischen Worten ausspricht, stürzt sich vor Verzweiflung ins Meer. Dann finden wir Don Juan in Sevilla wieder. Der Marquis de la Mota zieht ihn daselbst ins Vertrauen seiner Liebe zu Donna Anna, der Tochter des Gouverneurs Gonzalo de Ulloa. Er macht's mit dieser gerade so, wie er es mit Isabella in Neapel gemacht hat. Er tödtet den alten Commandeur, der auf das Hülfegeschrei seiner Tochter herbei geeilt ist, und dieser sagt ihm sterbend: Meine Rache wird dich erreichen! Don Juan, zur Flucht gezwungen, begegnet darauf einem

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