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Pirkheimer.

Der kriegerische

nossen.

Pirkheimer, Historia belli Sintensis: „Die Schweizer ruhten inzwischen vom Kriegslärm aus. Denn keine Macht war so gross, dass sie nach der Unterdrückung des Burgunders hätte wagen dürfen, jene herauszufordern. Sie liessen zwar wiederholt bald dem Maximilian, bald dem Franzosen auf ihre Bitten Hülfe zugehen; nicht nur desshalb, weil sie ihre Jungmannschaft in kriegerischer Zucht zu üben wünschten, sondern auch, weil sie beide fürchteten oder eher hassten und der Erfolg jedes Theiles ihren Argwohn erregte.

Und in Wahrheit haben alle Deutschen die Waffen und die Gefechtsart, die sie jetzt haben, von den Schweizern angenommen." (Oechsli, Quellenbuch).

Diese Stellen mögen genügen um darzuthun, dass Sinn der Eidge- die Schweizer von dazumal im Kriege ebensosehr gefürchtet wie in der Politik geachtet und wegen ihrer Staatstüchtigkeit geschätzt waren. Ein wenig wild, huomini per natura feroci, rusticani, wie sie Guicciardini nennt, waren sie freilich, aber es war die Wildheit einer von sittlicher Kraft getragenen, nur gesunden Völkern eigenen Energie, wach gehalten durch beständigen Kampf. Wenn wir diese Periode eidgenössischen Ruhmes mit einem Wort kennzeichnen wollen, so können wir sagen, es war die Zeit der Kriege. Der Krieg hatte den Bestand der ersten Bünde gesichert, der Krieg hatte den Kreis der Eidgenossenschaft immer mehr erweitert, und im Kriege kam die Ueberlegenheit der Schweizer über die anderen Staaten zur Geltung. Die Verhältnisse riefen dem Kriege. Die ungezügelte Thatenlust, das unbegrenzte Selbstvertrauen eines gesunden, jugendlichen Volkes, dazu ein wenig productives Land und ringsumher verwirrte Zustände und schwache Staaten, dies alles drängte und lockte die Eidgenossen zu einer energischen Expansionspolitik. Alles schien wie dazu gemacht, um

sie zu grossen Eroberungen anzuspornen. Dass sie die Gunst der Umstände zur Vergrösserung ihres Gebietes nicht besser benutzten, lässt sich daraus erklären, dass es den fremden Mächten gelang, den Strom der nationalen Entwicklung von seiner natürlichen Richtung ab und auf das unfruchtbare Feld internationaler Interessen hinüberzuleiten.

der Eidgenossen,

assimiliren, die

nalen Kraft auf

Gebiete.

Indess der letzte Grund, warum die eidgenössische Das Unvermögen Politik diese Wendung nehmen musste, ist keineswegs sich fremde Völin der politischen Unfähigkeit der damaligen Volksführer kerschaften zu zu suchen, sondern lag zweifellos in der Verfassung des daherige Ablenkdamaligen Staatenbundes selbst und in dem Unvermögen ung ihrer natiodesselben, fremde Elemente in sich aufzunehmen und in fremdländische sich aufgehen zu lassen. Von Bedeutung und dauerndem. Nutzen konnten Eroberungen nur dann werden, wenn die Bewohner der eroberten Gebiete zu Mitbürgern angenommen wurden, und so mit dem Zuwachs an Land zugleich ein Zuwachs an staatserhaltender Kraft erfolgte. Dazu aber waren unsere Vorfahren, namentlich die Länderkantone, von Haus aus viel zu sehr auf den Alleingenuss ihrer politischen Rechte und Vortheile bedacht. Unter solchen Umständen begreifen wir, dass die Eidgenossen, statt sich zu viele Unterthanen zu erwerben. die mit der Zeit lästig und gefährlich werden konnten, leicht sich bewegen liessen, ihre Interessen in den Angelegenheiten anderer Staaten zu suchen. Der eigentliche Grund, warum es den fremden Mächten gelang,

die Kräfte der schweizerischen Nation sich zu nutze zu machen, lag somit, wie schon gesagt, im schweizerischen Bunde selbst.

bloss auf die interna

So verderblich diese ausländische Politik in der Einfluss der Eidgenossenschaft Folge ward, in dieser ersten Periode zeigt sich der Glanz der momentanen, grossartigen Erfolge. stützt auf ihre militärische Ueberlegenheit spielten

Ge- tionale Politik die Ende des 15. und

Anfangs des 16.

Jahrhunderts. Schweizer damals die entscheidende Rolle in der euroMöglichkeit einer gelegentlich päischen Politik. Sie waren sich ihrer Macht und ihres neutralen Po Einflusses wohl bewusst, und was sie als ihr Interesse

litik.

erkannten, das vertraten sie mit demjenigen Grad von Muth und Entschiedenheit, den nur das Gefühl des eigenen Werthes verleihen kann. Indessen wäre es grundfalsch, anzunehmen, die Schweizer hätten sich Ende des 15. und Anfangs des 16. Jahrhunderts kopfüber in den Strudel der ausländischen Politik gestürzt und in allen Streitigkeiten zwischen anderen Staaten, aus reiner Lust zu politisiren, Partei ergriffen. Wenn sie kein Interesse an einer internationalen Verhandlung hatten, oder wenn ihr Vortheil ihnen gar gebot, sich in dieselbe nicht einzumischen, waren sie politisch genug, sich davon fern zu halten. Auch unsere Vorfahren vom 15. und 16. Jahrhundert, so tapfer, mächtig und kriegslustig sie waren, wussten den grossen Vortheil zu würdigen, der für einen Staat darin liegt, dass das blosse Vorhandensein seiner Macht seinen Ansprüchen Nachdruck verschafft, ohne dass er genöthigt ist, dieselbe zwingend anzuwenden und Bündnisse zum Schutze seiner Interessen einzugehen. Die oft gehörte Behauptung, die Eidgenossen hätten in jenen Zeiten die Neutralität schon desshalb nicht gekannt, weil sie eine Grossmacht waren, ist durchaus unrichtig und zeugt von einer falschen Auffassung der Neutralität überhaupt. Diese kann mächtigen, einflussreichen Staaten unter Umständen ebensowohl conveniren, wie den schwachen und wir werden im Nachfolgenden darzuthun suchen, dass die Eidgenossen auch in dieser Periode ihrer höchsten Macht zu verschiedenen Malen sich neutral verhalten und das Recht der Neutralität für sich oder ihre Verbündeten beansprucht haben.

maligen Verhält

Freilich muss auch hier wieder betont werden, dass Die in den dawir die Erscheinungen auf dem Gebiete der Neutralität nissen begründete in früheren Zeiten zu erklären suchen, nicht das heutige Unklarheit der jeweils geübten Neutralitätsrecht in vergangenen Jahrhunderten zu finden Neutralität. wähnen. Der an sich sehr einfache Gedanke der Neutralität, dem wir Ende dieser Periode begegnen, ist in den meisten Fällen durch die Verwickelung und Verwirrung fast unkenntlich gemacht, welche, wie den Verhältnissen des Mittelalters überhaupt, so auch der damaligen internationalen Stellung der Eidgenossenschaft eigen waren. In Folge der vielen Bündnisse und Verträge der Schweiz mit den umliegenden Staaten und den daherigen besonderen Verpflichtungen gegen einen jeden derselben, konnte die Neutralität nicht consequent durchgeführt werden. Allein um dieser Zeit gerecht zu werden, dürfen wir nicht vergessen, dass noch lange nachher die Neutralität als mit besonderen Begünstigungen, welche in früheren Verträgen stipulirt worden, durchaus vereinbar erachtet wurde. Wenn wir uns gegenwärtig halten, dass das Völkerrecht, wie alles Recht, jeweils ein Produkt seiner Zeit ist, wird es, nachdem wir die einschlägigen politischen Verhältnisse kurz beleuchtet, leicht sein, in folgenden Fällen, die wir den eidgenössischen Abschieden entnehmen, den Grundgedanken der Neutralität zu erkennen1).

1) Es liesse sich hier die Frage einwerfen, ob denn die Schweiz vor dem Westphälischen Frieden als ein selbstständiger, unabhängiger Staat betrachtet werden könne, dem es zustand, neutral zu sein oder nicht. Dieser Einwand ist durch die Ereignisse der Geschichte genugsam beantwortet und könnte umgekehrt werden in die Frage, ob das römische Reich deutscher Nation Anfangs des 16. Jahrhunderts überhaupt ein Staat in irgend welcher Form gewesen sei. Es genügt uns zu konstatiren,

II. Fälle geübter bezw. gewollter Neutralität. A. Vertragliche Neutralitätsbestimmungen

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zwischen der Schweiz und Oesterreich 1478.

(E. A. III, p. 661). In der Urkunde, durch welche die ewige Erbeinung v. 1477, zwischen den Eidgenossen und Oesterreich 1478 am 24. Januar erneuert wurde, kommt Folgendes in Bezug auf die Neutralität vor: Zu dem anderen. Dass wir obgenannte Ertzherzog und Ertzherzoginn Maximilian und Erben vnnd Nachkommen, auch die Unseren, vnnsere Landschafften, vnnser zugehafften vnnd zugewandten der obgenannten Fürsten, Herren, Stetten vnnd Ländern, alle Ihre Erben, Nachkommen, zugehafften, zugewandten und Landschaften, nun hiefür zu Ewigen Zeitten, Sie habendt yoch Krieg oder nitt, vss allen vnnseren Landen, Herrschaften, Märkten, Stetten, Schlössern und Gebieten, in allen dingen, welcherley das sin mag vnnd ist, zu Wasser vnnd zu Lande veylen gemeinen Kauf fründlich zugohn, vnnd die Ihren in allen Ihren Gescheften vnnd gewerben, zu unns vnnd Ihnen wandeln lassen, vnd dessgleichen die Ehe genannte Fürsten, Herren, Stett vnnd Länder, Ihre Erben, Nachkommen, Underthanen, zugehafften vnnd zugewandten, Ihr Fürstenbund vnnd den vnnseren vnnd vnnseren zugewandten vnnd zugehafften harwiderum auch thun sollindt, vnnd dass Jedwedertheil dem andern des vor sein soll in keinen wegen."

dass die Eidgenossen seit den frühesten Zeiten, trotz wiederholter formeller Anerkennung des Reiches, das wichtigste Recht der Souveränetät, das Recht Krieg zu führen, stets selbstständig ausgeübt und dem Auslande gegenüber sich thatsächlich stets als unabhängiger Staat gerirt haben.

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