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Ausführung, in der That aber ohne diese, gewor= den ist. Wer aber Verwaltungsgeschäfte in unterer Stelle kennt, der weiß auch, daß derjenige der eigentliche Herr dieser Geschäfte ist, der mit den betreffenden Sachen und Menschen in unmittel bare Berührung kommt. Die Oberbehörde, welche sich an den Beamten als den eigentlich Verwaltenden zu halten meint, befindet sich daher im Irrthum. Es beruht demnach dies ganze System der Verwaltung auf einem unwahren Grunde, und, indem sich das ganze Getriebe derselben in eine Scheinthätigkeit von Actenanfertigung verliert, vermag es dem Lande in der That gar nichts zu leisten. Dazu kommt noch, daß, während eine genaue Kenntniß der localen und persönlichen Ver= hältnisse am wenigsten bei der unteren Verwaltung entbehrt werden kann, diese durch Versehungen im späteren Alter geradezu abgeschnitten wird. Der Beamte, der bisher Justizsachen betrieben hat, wird nun in gänzlich unbekannten Verhältnissen auf ihm völlig fremde Geschäfte angewiesen. Das Gemeindewesen kann unter diesen Verhältnissen nimmermehr gedeihen. Die Gemeindevorsteher müssen nothwendig der Autorität ermangeln, weil diese nur der Beamte selbst, nicht aber der Amtsunterbediente verschaffen kann. Dazu kommt endlich noch, daß eine so schwierige und mißliche Stellung, wie die des Beamten, nur zu oft den Händen eines völlig unerfahrnen jungen Mannes, der als Hülfsarbeiter die Functionen eines ältern Beamten versieht, anheim fällt. Die Verbesserung des bisherigen Systems der Verwaltung muß hiernach darin bestehen, daß man den Beamten in die Lage bringt, wo er wirklich Herr derjenigen Geschäfte ist, die ihm unmittelbar übergeben sind, und dagegen es klar stellt, daß in den Geschäften,

die er nicht-selbst besorgen kann, seine Thätigkeit auch eine ganz andre Bedeutung hat, und sich auf allgemeine Anordnung und Anregung, so wie auf Schlichtung von Streitigkeiten und Beschwer= den beschränkt.

Endlich kommt der Verf. auf das Institut der Amtsvertretung, welche der Beamte bei gewissen Geschäften der Verwaltung hinzuzuziehen hat. Er warnt dabei davor, aus der Verhandlung mit den Amtsvertretern nicht wiederum ein todtes Cen= tralinstitut zu machen, durch welches etwa den ein= zelnen Kreisen die Gegenstände ihrer eigenthümlichen Interessen und ihrer Thätigkeit entzogen wer= den könnten. Er verlangt vielmehr, daß den einzelnen Gemeinden das Ihrige sorgsam gewahrt, und daß niemals das, was lediglich eine specielle Bedeutung hat, durch solche allgemeine Berathung erledigt werde. Dabei müsse aber auch das ver= schiedenartige Verhältniß der einzelnen Gemeinden nothwendig berücksichtigt werden. Bei den kleinen Dörfern, welche in einigen Provinzen vorkommen, werde es rathsam sein, Manches auf die Amts= vertretung zu übertragen, was in einer größeren Kirchspielsgemeinde in dieser selbst ohne Anstoß er= Ledigt werden könne. Der Verf. tadelt es, daß man in anderen Ländern versucht hat, Alles auf eine einzige Form zurückzuführen; und dann von anderer Seite wieder das Institut der Sammt= gemeinde als etwas ganz Unzweckmäßiges, mit dem wahren Gemeindeleben Unvereinbares behan= delt ist. In Hannover ist dieser Streit zum Glück gar nicht entstanden. Es kommen hier beide Formen von Alters her vor und so verschiedenartig entwickelte Verhältnisse, daß über die Nothwendig= keit beider Formen neben einander Niemand zweifelhaft sein kann. Der Verf. führt dann im Ein

zelnen aus, wie auf ersprießliche Weise der Ge= meindevorstand und der Gemeindeausschuß zu ge= stalten und was der Amtsversammlung vorzube= halten und wie nach Verschiedenheit der Geschäftszweige auch eine Verschiedenheit in der Form ihrer Behandlung nothwendig sei. Mit besonderer Ausführlichkeit und Gründlichkeit erörtert er auch hier die Behandlung des Domicil-, Trauscheinsund Armenwesens. Das Ergebniß dieser Erörte= rung ist, daß es auch hier einer einheitlichen, nach allen Seiten geschlossenen Einrichtung nicht bedarf, ja daß eine solche nicht einmal als wünschenswerth erscheint. Für nothwendig hält der Verf. nur, daß sowohl das strenge weltlich politische Element seinen berechtigten Ausdruck finde, als auch, daß das sittlich religiöse Element bestimmte Form er= halte, um zu jenem in das richtige Verhältniß zu treten. Jener Ausdruck finde sich in der Gemeinde, zu dieser Form gewähre die Kirche den Boden. Er will hiernach dasjenige, was sich auf das Domicil bezieht, die Aufnahme von Fremden, den Anbau von Wohnstellen, die Ertheilung von Trau= scheinen der weltlichen Gemeinde beilegen, das Armenwesen, die eigentliche Unterstützung der Hülfs= bedürftigen aber der Kirche lassen. Eine Gleichheit der Domicil- und Armenbezirke hält er nicht für nothwendig und eben so wenig den größeren Umfang des einen oder des andern. Alles dieses bedürfe nur zweckmäßiger Verwaltungsthätigkeit. Die Mittheilung seiner Ansichten über die künftige Entwicklung der Gemeindeverhältnisse schließt der Verf. mit der Bemerkung, daß er bei seinen Organisations-Plänen für die Landgemeinden eine gewisse Gleichheit vorausgeseht habe, wie solche in denjenigen Gemeinden, welche aus Bauerhöfen der verschiedensten Klassen zusammengeseht seien, wirk

lich bestehe. Er verkennt aber nicht, daß besondere Schwierigkeiten dann entstehen, wenn größere Güter zu der Gemeinde gehören, wie es seit Aufhebung der Eremtionen häufig der Fall ist. Um diesen Schwierigkeiten abzuhelfen, scheint ihm im Interesse der Gemeinden nichts anders übrig zu bleiben, als dem Gutsbesißer eine besondere Stimme im Gemeindevorstande einzuräumen. Eine solche Anordnung, sagt er, mag immer den Schein der Bevorzugung und Ungleichheit in sich tragen, daran darf man sich nicht stoßen; es gibt keine schlim= mere Ungleichheit, als wenn dasjenige, was inner= lich ungleich und verschieden von Bedeutung ist, äußerlich mit dem Scheine der Gleichheit überkleidet wird."

Am Schluß des Werks räumt der Verf. ein, daß seine Andeutungen manches Allgemeine und Unbestimmte enthielten. Das liege aber in seiner ganzen Ansicht. Wer nur abstracte Normen ge= ben wolle, könne leicht bestimmte Säße und For men aufstellen. Wer aber die Verhältnisse eines einzelnen Bezirks in der Weise durchforsche und zusammenstelle, wie es hier in Rücksicht des Gan= zen versucht worden sei, der werde bald genug fin= den, welche allgemeinen und bestimmten Andeutungen in seinem Kreise Anwendung finden könn= ten und wie sich solche im Concreten bestimmt ge= stalten müßten. Ebenso wenig verkennt er, daß der Augenblick der Durchführung seiner Gedanken nicht günstig sei, hält aber mit Recht dafür, daß, wenn sie überhaupt wahr seien, die sich ihr ent= gegenstellenden Schwierigkeiten der Umstände würden überwunden werden. Diese Schwierigkeiten sind nach seiner Ansicht Symptome einer Krankheit, nicht aber diese selbst. Die Krankheit setzt er mit Recht in dem innern 3wiespalt der ver

schiedenen Klassen und Stände. Den Grund dieses 3roiespalts scheint er uns aber etwas zu äußerlich aufzufassen, wenn er ihn darin findet, daß Bürger und Bauern mit liberalen oder revolutio= nären Theorien und Systemen spielen und dem Adel seine Vorzüge beneiden, daß der lektere die Unhaltbarkeit seiner Vorzüge nicht anerkennen will und nach Wiedererlangung der verlorenen strebt, und daß der Staatsdiener in seiner Carriere den einzigen berechtigten Weg zur Einsicht und Wirksamkeit im öffentlichen Leben erblickt, und Alles, was diese Carriere beeinträchtigt oder sich von ihr losmacht, mit Ungunst verfolgt. Uns scheint vielmehr der eigentliche innere Grund jenes Zwiespalts darin zu liegen, daß zu den veränderten Verhält= nissen und Zeitansichten die älteren Stände und Staatseinrichtungen, wie sie sich vor Jahrhunderten gebildet haben, nicht mehr passen, ohne daß schon andere haltbare Formen an die Stelle ge= treten wären, und daß wir uns also gegenwärtig in einer Uebergangsperiode befinden. Eine solche wird aber auch immer die Zeit der Herrschaft der Theorien seien, wie die Geschichte aller Nationen und namentlich auch des deutschen Volks vom Mittelalter an zeigt. Meistens geht auch hier die Theorie der Praxis nicht voran, sondern sucht nur dem, was in der Gestaltung begriffen ist, eine wissenschaftliche Unterlage zu geben, und trägt allerdings dadurch zur weiteren Entwicklung und festeren Gestaltung der durch ganz andere Gründe, als durch fie, hervorgerufenen Verhältnisse bei. Wenn nun nicht etwa die Gährung, welche sich jezt im ganzen deutschen Volke zeigt, als der Codeskrampf des dahin schwindenden eigenthümlichen Lebens desselben zu betrachten ist, welches etwa jenseits des Oceans in Vermischung mit anderen

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