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„er auch ein Feind. Treuherzigkeit ist stets preiswerth bei „Büssern frei von Weltlichkeit; nie bei Leuten, die Glück „suchen, am wenigsten bei Königen." (Buch III Str. 8 und 63 S. 215. 221 vergl. auch Benfey I 298. 319).

List und Betrug werden als die Waffen des Schwachen gegen den Starken gepriesen:

„Durch jedes mögliche Mittel, „rette der Schwache sein Leben."

sei es recht oder ungerecht, (Buch I Str. 403 S. 102).

Das Los des Höflings und Ministers wird mit düstern Farben geschildert, dabei aber wiederholt gelehrt, wie man sich per fas et nefas in der Gunst des Fürsten und im Besitz der Macht erhalten soll. Das ganze erste Buch, das den Titel: „Verfeindung von Freunden" führt, gibt Unterricht, wie man durch Betrug und List einen Minister aus der Gunst des Königs verdrängen und sich an seine Stelle setzen soll.

„Die, welche Fürstendienst nennen ein Hundeleben, reden „falsch; der Hund bewegt sich freiwillig, der Fürstendiener „auf Befehl.“

„Am Boden liegen, keusch leben, Abmagerung und schmale Kost: darin sind Diener gleich Büssern: Sünd' und Tugend „der Unterschied." (Buch I. Str. 300, 301 und die vorher

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gehenden S. 76.)

Auf Reichthum wird grosses Gewicht gelegt, weniger auf die Art, wie man ihn erlangt. Fast die ganze erste Erzählung des zweiten Buches dient dazu, die Vortheile des Reichthums und die Nachtheile der Armuth zu schildern. Doch werden mitunter auch Freigebigkeit und Genügsamkeit gepriesen. 1)

Eine sehr schlechte Meinung hat der Verfasser von den Frauen. Er schildert sie als unersättlich genusssüchtig, treulos, voller Trug und Heuchelei, und warnt die Männer wiederholt vor dem Umgang mit diesen Wesen, die er (Buch I Str.

1) Buch V. Str. 21. 22. 23. S. 328. Buch I. Str. 2. 3. 4. 5. S. 4. Str. 7. 8. 11. S. 5 Buch II Str. 157-163 S. 199.

204 S. 43) „Der Gefahren Strudel, der Unverschämtheit Wohn„ung, der Waghalsigkeiten Residenz, der Sünden Vorraths„kammer, die Behausung von hundert Listen" u. s. w. nennt. Aeusserungen wie:

„Feuer wird nicht satt der Späne, der Flüsse nicht der „Ocean, der Todesgott nicht aller Wesen, die Schönäug'ge der „Männer nicht. Keinen gibt's, den sie verschmähen, selbst „das Alter hält sie nicht ab; einerlei ob schön ob hässlich, „es ist ein Mann! sie lieben ihn." (Buch I. Str. 153. 159. S. 29.) „Sesamschminke, Thoren und Weiber und Krebse, „sowie Fische auch, Indigo und Trunkenbolde lassen nimmer „was sie gefasst." (Buch I. Str. 291. S. 74.) „So lange ist „der Mann hier in allen Werken der Meister selbst, als er sich nicht von Frau'nreden wider Willen fortreissen lässt." (Buch II. Str. 150. S. 196.) Darum mit aller Kraft halte, „wer auf sein eigenes Wohl bedacht, von allen Frauen auf „Erden auch nur den Namen sich vom Leib.“ (Buch IV. Str. 56. S. 309, ferner Buch I. Str. 201, 202, 203, 205, 206 bis 211. S. 43, 44. Str. 228. S. 52.)

sind nicht das Derbste, was wir über die Frauen im Pantschatantra und in dessen Auszug Hitopadesa finden.

Wir dürfen nicht vergessen, dass der Ursprung des Werks ein buddhistischer ist, und Buddha hat gesagt (Benfey I. S. 442): „Jedes Weib wird sündigen, wenn ihm Gelegenheit gegeben wird, es im Geheimen zu thun.“

Nur selten finden wir darin etwas Gutes von den Frauen, wie z. B.:

„Nicht das Haus ist Haus, sagt man, die Hausfrau wird „das Haus genannt. Denn ein Haus, das ohne Hausfrau, ,wird wildem Walde gleich geachtet." (Buch III. Str. 152. S. 248.)

Diese schlechte Meinung von den Frauen und dieses Schimpfen über das schöne Geschlecht finden wir auch in vielen occidentalischen Werken des Mittelalters, aber dem indi

schen Werk eigenthümlich und uns Europäern ganz sonderbar vorkommend ist die Art, wie die Thierwelt darin geschildert wird. Der indische Glaube an die Seelenwanderung brachte es mit sich, dass man die Thiere als dem Menschen sehr nahestehend, gleichsam als heruntergekommene Verwandte betrachtete. Die europäischen Thierfabeln wurden daher, als sie nach Indien kamen, bedeutend verändert. Der in den europäischen Fabeln deutlich hervortretende wahre oder allgemein angenommene Charakter der verschiedenen Thiere verschwindet hier fast ganz: Der Fuchs ist nicht klüger, der Esel nicht viel dümmer als die andern Thiere, in jeder Thiergattung gibt es kluge und dumme, grausame und gutmüthige Individuen; es werden aus ihnen Menschen mit Thiernamen. Wir hören Thiere über die Gesetze des Manu und über die Höllenstrafen disputiren, wir begegnen büssenden Schakalen, Löwen, die den Göttern Opfer bringen und einem mit Perlen und Rubinen geschmückten Krokodil. Wanze und Mönch gebrauchen dieselben Höflichkeitsphrasen, 1) und wir vergessen beim Lesen der Thiergeschichten oft ganz, dass von Thieren und nicht von Menschen die Rede ist. Ja mitunter vergessen dies selbst die Thiere und sprechen, als ob sie Menschen wären. So sagt die Krähe: „Selbst unter den Thieren erblickt man Vertrauen, bei denen, die stets Gutes thun“ (Hitopadesa Buch I. Str. 80 S. 33) und der Schakal: „Was ausgesprochen wird, versteht auch ein Thier." (ibid. II. Str. 46. S. 71.) Sehr häufig kommen auch Thiere als Erzähler menschlicher Begebenheiten vor; so wird die weiter unten zu erwähnende der zwölften Novelle des Dekameron ähnliche Erzählung von einer Maus, der Krähe und der Schildkröte mitgetheilt. Es war aber ausser dem Glauben an die Seelenwanderung noch ein anderes Moment, welches bei dieser Modi

1),,Komm! Willkommen! Setz' dich hier nieder! Warum hab' ich dich so lang' nicht ,,gesehn? Wie geht es? Bist du etwa krank? Dein Wohlsein! Ich bin erfreut, dich zu ,,sehen." (Buch I. Str. 283. S. 71 und Buch II. Str. 63. S. 171,)

fication der Thierfabeln im Oriente mitwirkte. Bei dem despotischen Regierungssystem des Orients mussten Charakter und Sitten der Fürsten und ihrer Minister von dem allergrössten Einflusse auf das Wohl und Wehe ihrer Unterthanen sein, und es konnte daher für Diener Gottes und weltliche Weise kein verdienstlicheres Werk geben, als zur guten Erziehung der Fürsten und ihrer Diener beizutragen. Lehrbücher der Lebensweisheit und Erziehungskunst, Fürstenspiegel und dergleichen wurden daher ein wichtiger Zweig der orientalischen Literatur.

Nun war es aber selbst für Bonzen, Brahmanen und Derwische, geschweige für gewöhnliche Menschenkinder nicht immer ganz ungefährlich, einem asiatischen Despoten oder dessen Vezieren ganz offen die Wahrheit zu sagen und man zog es daher vor, um mit Polizei und Censur nicht in unliebsame Berührungen zu kommen, die guten Lehren in Gleichnisse und Fabeln einzukleiden. Am gefahrlosesten war es dann den Schauplatz des Erzählten in die Thierwelt zu verlegen, wobei man ungenirt alles Böse vom despotischen Löwen und schurkischen Schakal, und die Leiden der armen bedrückten Hasen, Lämmer u. s. w. erzählen konnte. 1) Allein die einfachen Verhältnisse der Thierwelt reichten für die Darstellung menschlicher und besonders höfischer Verhältnisse und Intriguen nicht aus. Man erlaubte sich daher den wahren Charakter der Thiere ausser Acht zu lassen und liess sie in Beziehungen treten, reden und handeln, wie es nur Menschen können. Man konnte sich dies um so eher erlauben, als es die dem Wunderbaren und Wunderlichen geneigten phantasiereichen Orientalen weniger als uns Europäer choquirte.

1) Nunc fabularum cur sit inventum genus,

Brevi docebo. Servitus obnoxia,

Quia, quae volebat, non audebat dicere,
Affectus proprios in fabellas transtulit,
Calumniamque fictis elusit jocis.

(Phaedrus, fabul. lib. III Prologus,)

Dem Pantschatantra eigenthümlich ist auch das Mangelhafte und Unvollständige der Rahmenerzählung, für die wir nicht das geringste Interesse gewinnen können und die verwirrende und ungeschickte Ineinanderschachtelung der Erzählungen, welche zur Erläuterung und Bekräftigung der gegebenen Lebensregeln und gebräuchlichen Redensarten dienen sollen.

§ 3. Das Werk, wie es uns jetzt vorliegt, besteht, wie schon der Titel besagt, aus 5 Büchern oder Abschnitten: I. Verfeindung von Freunden. II. Erwerbung von Freunden. III. Krieg der Krähen und Eulen. IV. Verlust von schon Besessenem. V. Handeln ohne sorgfältige Prüfung. Es bestand aber ursprünglich aus einer grössern Zahl von Abschnitten

wahrscheinlich dreizehn, und hatte daher auch einen andern Titel. Wann es geschrieben wurde, lässt sich nicht mit Bestimmtheit angeben, doch nimmt Benfey an, dass es nicht vor dem zweiten Jahrhundert vor Chr. und nicht nach dem sechsten nach Chr. entstanden ist. (Benfey I. S. XI. XIV-XVI. 37. 193.)

Dieses vollständige, ursprünglich buddhistische Werk erlitt, aber später, nach Verdrängung des Buddhismus aus Indien, eine grosse Veränderung. Unter brahmanischen Einflüssen wurde alles rein Buddhistische entfernt, fünf Abschnitte wurden abgetrennt und durch Einschiebungen und Umarbeitung daraus das Pantschatantra gebildet. (Benfey Einleitung zu Kalilag und Damnag S. VII. VIII.)

Das ursprüngliche Werk existirte aber auch noch längere Zeit daneben, und die darauf beruhenden Bearbeitungen und Uebersetzungen enthalten daher-mehr Abschnitte als die jetzt vorhandenen Sanskrittexte des Pantschatantra. (Benfey I. 541-543. 593.)

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