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Nr. 15) sind es Christus und Petrus, welche als hungrige und müde Wanderer zu einem armen Manne kommen, der, um sie zu bewirthen, sein einziges Schaf schlachtet, wofür er dann freilich mit einer ganzen Heerde belohnt wird.

Bei Boccaccio (V. 9) hat Federigo degli Alberighi der geliebten Frau, die ihn mit ihrem Besuch beglückt, nichts zu bieten, befindet sich also in derselben Lage wie der Täuberich im Pantschatantra und wie Ovid's Philemon und Baucis. Er opfert ihr daher, zwar nicht sich selbst, aber sein theuerstes Besitzthum, seinen einzigen Lieblingsfalken und bekommt dafür den verdienten höchsten Lohn die geliebte Frau, wie König Usinara für seine Aufopferung von Indra mit der Aufnahme in's Himmelreich belohnt wird.

Den einfachen Kern der Legende hat Boccaccio' mit so schönen Zügen ausgestattet, er hat das Uebernatürliche daraus so geschickt entfernt, die Vorgänge so glücklich motivirt, dass man kaum an die Einfachheit des Ursprungs der Novelle glauben kann, und nach einer andern Quelle suchen möchte, die man aber nicht findet.

Von einem Falken und lange Zeit unerwiederter endlich aber doch belohnter Liebe erzählt auch das Fabliau von Guillaume au Faucon (Legrand III 41 Barbazan II 407 Montaiglon Raynaud II 92). Der Inhalt ist aber doch ganz anders als im Dekameron und das Fabliau kann durchaus nicht als Quelle der Novelle betrachtet werden.

§ 5. Bevor ich zu den andern orientalischen Erzählungssammlungen übergehe, muss ich noch ein Werk erwähnen, das manchmal (selbst noch von Dunlop) mit dem Pantschatantra verwechselt wurde. Es ist diess der Hitopadesa

(heilsame Rath), welcher eigentlich nur ein Auszug aus den ersten drei Büchern des Pantschatantra ist. Es finden sich aber darin auch einige Erzählungen aus dem vierten und fünften Buche, und wurde vom Compilator auch eine andere Sammlung benutzt, deren Titel er aber nicht angibt. (Einleitung Str. 7.)

Es unterscheidet sich dieser Auszug hauptsächlich dadurch vom Pantschatantra, dass in ihm, seinem Titel entsprechend, weniger Gewicht auf die Erzählungen als auf die Sprüche, Lehren und weisen Rathschläge gelegt wird, wie es auch in der Einleitung (Str. 2 in Müller's Uebersetzung) angedeutet wird:

„Diese Hitopadesa benannte heilsame Lehre bietet Ge„wandheit in der Sanskritsprache, stete Abwechslung in den „Sprüchen und Kenntniss der Lebensweisheit dar."

Dieses Ueberwiegen des didaktischen Theils dürfte auch die Ursache sein, weshalb dieses Werk in Indien weniger gelesen und auch viel später nach Europa verpflanzt wurde als das Pantschatantra.

Die erste Ausgabe des Sanskrittextes erschien 1804 in Serampore. Weitere Ausgaben erschienen 1810 in London, 1829 in Bonn (durch Schlegel und Lassen) 1872 in Bombay. Die erste Uebersetzung in eine europäische Sprache ist die englische von Ch. Wilkins; (Bath 1787), ihr folgten die von William Jones (London 1799) und von Francis Johnson (London 1848.) Max Müller veröffentlichte 1864 in London eine Textausgabe mit englischer Interlinearübersetzung. Ihm haben wir auch die erste deutsche Uebersetzung (Leipzig 1844) zu verdanken. Ausserdem wurde der Hitopadesa noch ins Deutsche übersetzt von G. M. Dursch (Tübingen 1853), August Bolz (1868) und L. Fritze (Breslau 1874) und ins Französische von Edouard Lancereau (Paris 1855.) 1)

1) Brunet II 447, Grässe II 447, Benfey I S, 19 Note 2 und die Vorreden von Müller und Lancereau zu ihren Uebersetzungen,

§ 6. Ebenfalls indischen, und nach Benfey (1 592) wahrscheinlich buddhistischen Ursprungs ist die Sammlung, welche gewöhnlich den Titel Die sieben Weisen führt. Ihr Sanskritoriginal ist zwar bis jetzt nicht aufgefunden worden, aber der arabische Geschichtschreiber Masudi aus dem zehnten Jahrhundert unserer Zeitrechnung, nennt den indischen Weisen Sendabad als Verfasser dieses Werks und in der hebräischen Uebersetzung, welche wahrscheinlich die älteste der erhaltenen ist, wird der Schauplatz der Erzählung, welche den Rahmen der übrigen bildet, nach Indien verlegt.1) Wir finden in diesem Werke viele Erzählungen des Pantschatantra wieder; allein es unterscheidet sich von Letzterem durch das festere Gefüge des Rahmens. Während nämlich im Pantschatantra die Rahmenerzählungen ganz unwichtig, ohne Interesse für den Leser und oft ohne Abschluss sind, bekommt die Rahmenerzählung in den sieben Weisen eine grosse Bedeutung, das Schicksal der in ihr handelnden Personen interessirt uns, der Zweck des Werkes tritt uns in jeder Erzählung klar und bestimmt vor Augen.

So wie das Pantschatantra hat auch dieses Werk eine pädagogische Tendenz. Während aber dort die Erziehung eines Prinzen im Allgemeinen der Zweck war, sollen durch dieses Werk hauptsächlich nur einige heilsame Lehren eingeprägt werden, nämlich: Respekt vor Lehrern und Erziehern, Vorsicht im Handeln und Urtheilen und Sichinachtnehmen vor den Ränken böser

Frauen. Diesem Zwecke dienen sowohl die Rahmenerzählung,

1) Sengelmann S. 16, Grässe II 462, Brockhaus bei D'Ancona LI, Dunlop Cap. 7 S. 189a, Liebrecht S. 196, Kellers Einleitung zum Romans des sept sages S. II. III. IV. Benfey I S. 38. 164. Wir vermissen noch immer ein ausführliches Werk über die,,Sieben Weisen" nach Art des Benfey'schen über das Pantschatantra, wie er es uns einst hoffen liess. (Pantsch. I 406.) Auch Adelbert von Keller, unter den Deutschen der erste Pfadfinder auf diesem Gebiete, hatte einst Aehnliches versprochen. Nun sind diese Hoffnungen mit ihrem Ableben geschwunden! Vielleicht übernimmt einer der lebenden Meister in diesem Fache der Kundige wird leicht errathen wen ich meine die schwierige Aufgabe ?

als die eingeschobenen Erzählungen: Es ist nämlich der Inhalt der Erstern ungefähr folgender: Ein König lässt seinen Sohn von der ersten verstorbenen Frau in der Fremde erziehen. Nach einer bestimmten Zeit fordert er seine Rückkehr, der Erzieher liest aber in den Sternen, dass der Prinz nur dadurch einer grossen Gefahr am Hofe seines Vaters entgehen kann, dass er sich für eine gewisse Zeit (gewöhnlich sieben Tage) stumm stellt. Am Hofe seines Vaters angekommen, befolgt der Prinz gewissenhaft den Rath seines Erziehers, und es werden verschiedene Versuche angestellt, um den vermeintlich Stummen zu heilen. Bei dieser Gelegenheit verliebt sich die Königin, seine Stiefmutter, in ihn und sucht ihn zu verführen. Der Prinz weist sie schnöde ab, und die ergrimmte Königin verklagt ihn hierauf beim Könige, dass er ihr Gewalt anthun wollte. Der Prinz, der noch immer nicht reden darf, kann sich nicht vertheidigen, und wird daher ohne viele Umstände zum Tode verurtheilt.

Nun treten der Erzieher des Prinzen und seine andern Lehrer (die sieben weisen Meister) oder sieben Räthe des Königs auf, und suchen durch passende Erzählungen den König zum Aufschub der Hinrichtung zu bewegen, während die Königin durch Erzählungen entgegengesetzter Tendenz den König gegen seinen Sohn zu erbittern und die Hinrichtung zu beschleunigen sucht.

Durch acht Tage schwankt der Kampf unentschieden, bis endlich der fatale Termin verstrichen ist, der Prinz zur bestimmten Stunde das Schweigen bricht und seine Unschuld beweist, worauf er freigesprochen und die böse Stiefmutter bestraft wird.

In einigen Versionen findet der Prinz selbst durch seine astrologischen Kenntnisse das Mittel des Sichstummstellens.

In dem deutschen Märchen „Die sechs Schwäne“ (Grimm (K. u. H. M. Nr. 49) erlöst die Schwester ihre Brüder dadurch, dass sie sich sechs Jahre lang stumm stellt. Selbst

als sie von ihrer Schwiegermutter verleumdet zum Tode verurtheilt wird und ihr Leben durch ein Wort retten könnte, bleibt sie, sowie der verleumdete Prinz in gleicher Lage, stumm. Erst als die vom Schicksal bestimmte Zeit abgelaufen ist, fängt sie zu reden an und offenbart dem Könige, wie sie verleumdet worden, worauf die böse Schwiegermutter bestraft wird.

Aehnlich sind das mährisch-wallachische Märchen: „Der gläserne Berg" (bei Wenzig, Westslavischer Märchenschatz 112) und das norwegische: „Die zwölf wilden Enten" (bei Asbjörnson und Moe II S. 18.)

§. 7. Ueber den Weg, auf dem die Sieben Weisen aus dem Oriente nach Europa gekommen sind, haben wir nur mehr oder weniger begründete Vermuthungen. Es sind uns nämlich Versionen desselben in vier orientalischen Sprachen (persisch, arabisch, syrisch und hebräisch) und ausserdem eine griechische, welche Keller (S. XXV) das Mittelglied zwischen den orientalischen und occidentalischen Bearbeitungen nennt, erhalten.

Die orientalischen Versionen, obwohl von einander mehr oder weniger verschieden, haben doch sehr viel gemeinsames und sie von den zahlreichen occidentalischen Versionen unterscheidendes, so dass wir nicht mit Bestimmtheit sagen können, auf welcher von ihnen die lateinische beruht, welche die Quelle fast aller andern europäischen Bearbeitungen ward.

Um nun zu der bei dem jetzigen Stande unserer Kenntniss grösstmöglichen Klarheit über die Fortpflanzung dieses Werk's zu gelangen, dass nach Görres (in seiner Schrift über die deutschen Volksbücher) in Rücksicht auf Celebrität und Grösse des Wirkungskreises, die heiligen Bücher erreicht und

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