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enthaltenen Kohlensäure bewiesen sein sollte. Der nach der Entstehung des Apfels fragende Mensch begnügt sich als Kind vielleicht damit, dass er vom Baume komme oder weiter: zu wissen, dass dieser in gemässigten Klimaten wächst. Wenn Microscopiker, wird er den Embryo betrachten oder als Chemiker das Albumin analysiren und wird, bei welchem Stadium er auch stehen bleibt, dasselbe für den speciellen Fall, als ein befriedigendes, ansehen. Die Begriffe des Baumes, des Wachsthums, des Keims sind solche, die mehr weniger fassbare Ideen einer oder der andern Art in ihm erzeugen oder wenigstens Ideen, welche er für gewöhnlich die geistige Arbeit scheuen wird, noch weiter aufzulösen und da sie eben aus einer grossen Summe sich gegenseitig ergänzender Beobachtungen abgeleitet sind, so können sie auch practische Bedeutung in wissenschaftlichen Forschungen erhalten, gleich den unbekannten Grössen der Algebra, für deren nominelle Bezeichnung die Formel gesucht wird. Je weiter entfernt von directen Beobachtungen, je mehr abdestillirt, desto leichter können sie dagegen, schon ihrer Unbestimmtheit wegen, zu Missbräuchen verführen, wofür die Phantasien über die Lebenskraft ein nahe liegendes Beispiel bieten. Die Ideen des Ewigen und Unendlichen aber, als letzte, und deshalb aus den relativen Verhältnissen völlig losgelöste Abstractionen sind in der That von jeder Controle absolvirt und so zu aller Art von Spuk höchst brauchbar, wie einst die mythologischen Popanze.

Das Denken geht in unendlichen Reihen vor sich, die man an den religiösen Horizonten willkürlich abzuschneiden und mit conventionellen Gestaltungen zu begrenzen gewohnt war. Konnten dieselben mit fortschreitender Bildung nicht die Majestät ihrer nebelhaften Vergrösserung bewahren, so pflegte man sie weiter und weiter hinauszurücken, in der Selbsttäuschung befangen, als ob damit etwas Neues gewonnen wäre. Auf Ragnarökr folgt ein neuer Himmel und eine neue Erde, aber ohne irgend welche Garantie, dass ihnen nicht ein gleiches Schicksal droht. Hinter Jupiter sitzt ein alter Kronos, hinter diesem ein älterer Uranos und hinter ihm das Chaos. Als die Figuren des Ormuzd und Ahriman zu vertraut wurden, überwölbte man sie mit dem Zeruane akerene; dem Urmenschen wird ein Urstier vorgesetzt. Ueber Indra's Himmel wird der der Trimurti gethürmt, darüber wieder das Brahm und dann wo möglich das Tad. Der Buddhismus hat sich vielleicht von diesen Fehlgriffen am freisten gehalten und das Princip der unendlichen Reihe möglichst bewahrt, in seinen fortgehenden Spiralläufen, wo er in der That durch Aufeinanderhäufen unermesslicher Zahlenmassen den Begriff der Ewigkeit vermeidet, sie gleichsam auszurechnen versucht, und mit dieser Hülfe bekannter Ope

rationen aus der populären Darstellung auch ohne halsbrecherische Speculationssprünge in die philosophische übergehen kann. Auch die Geologen versuchen jetzt, in ihren untergegangenen Schöpfungen die Ewigkeit todt zu zählen, aber die alten Erschöpfungsmethoden können weder durch die der Untheilbaren, noch durch die der Unbestimmten verbessert werden, sondern nur durch die höhere Analysis des Bewusstseins, in der alle Gedanken-Differentiale als lebendige Fluxionen sich fortentwickeln. Es war ein völliges Verkennen ihrer nur auf Verständniss der relativen Verhältnisse hingewiesenen Aufgabe, wenn die Naturwissenschaften den Geist ontologisch aus der Entwicklung der Thierklassen zu deduciren versuchten, und ist ein höchst sonderbares Experiment, wenn man die fatale Entstehung des ersten Adams dadurch umgehen zu können meint, dass man sie vervielfältigt. Auch die astronomischen Entdeckungen werden häufig in einem allzu absoluten Sinne dargestellt und aufgefasst, ohne die Grenze zu beachten, innerhalb welcher in ihren ungeheuren Dimensionen von Raum und Zeit die von uns allein erkennbaren Widersprüche von selbst verschwinden müssen, wie andererseits physikalische Experimentatoren oft genug jedes leitende Maass verlieren, um nicht mit ihren massiven Instrumenten nur die Fehlerquellen dieser, statt die leichten Nüaneirungen imponderabler Kraftäusserungen zu messen.

Der aus der Sinnesempfindung sich umwandelnde Gedanke constituirt im Wachsthum der Persönlichkeit das individuelle Atom, das, auf körperlicher Grundlage sich zur Geistesthätigkeit im Selbstbewusstsein entwickelnd, als willkürliche Bezeichnung in einer Rechnung mit unbekannten Grössen dienen kann, um daraus seinen eigenen Werth zu finden, das individuelle Atom der gesetzlichen Bewegung, als den lebendigen Gedanken, den die physiologische Analyse in die Schwingungen kleinster Theilchen anorganisch auflösen mag, die Psychologie aber typisch zu erfassen hat. Durch die momentanen Hemmungen des Nervenstroms erzeugt sich in electro-dynamischer Reaction der geistige Impuls, dessen Schwungkraft über die Ellipse hinausreicht.

Eine der wichtigsten oder vielmehr die wichtigste Aufgabe jeder Zeit ist die kritische Sichtung ihrer ungenauen Sprachbegriffe. Die aus abgelaufenen Bildungsstadien herübergenommenen Worte konnten nur in dem jedesmaligen ihrer Geburt völlig und scharf durch ihre Bezeichnung die damit beabsichtigten Ideen decken und es liegt in der Natur der Sache, dass sich Missverständnisse kaum vermeiden lassen, wenn mit den alten Formen ein erweiterter Inhalt ausgedrückt werden soll. In dem Schlendrian alter Gewohnheiten räsonniren noch die Werke der modernen Philosophen über actio in distans, Anziehung und Abstossung in denselben Allgemeinheiten,

wie sie damals im Gebrauch waren, wo man in der Luft*) Nichts vorhanden glaubte, weil man dort Nichts sah, oder selbst den Dampf in Luft verschwinden liess. Und doch adoptiren sie, wenigstens in seinen allgemeinen Umrissen, das System Newton's, desselben Newton's, der, in das andere Extrem gehend, es für die grösstmögliche Absurdität erklärte, denken zu wollen, dass die,,leblose, rohe Materie, ohne die Dazwischenkunft von etwas Nichtmateriellem, auf eine andere Materie wirken könne, dass eine Kraft sich übertrage ohne einen Träger." Aber für uns ist die Luft ebenso wenig das Unsichtbare, das wir nicht sehen, als von einer hypothetischen Gespensterkraft durchzogen. Wir wissen, was die Luft ist und woraus sie besteht, wir wissen, was als Kraft erscheint, nach welchen Gesetzen sie wirkt, wir wissen es, soweit wir es wissen können, und soweit hat die Wissenschaft das Recht, die Anerkennung ihrer Resultate zu fordern, giebt also Keinem die Erlaubniss in abstracten Phrasen aburtheilen zu dürfen, wo das directe Experiment in eines Jeden Bereiche liegt. Der Naturforscher lässt kein Princip von hinreichenden Gründen mehr gelten, ehe man ihm die Gründe hergereicht hat. Wenn jedoch andererseits der Naturforscher in seinen Theorien nur veras causas zulassen wird, so folgt daraus nicht, dass diese nur materielle sein müssen, seitdem das Denken sich über die Materie erhoben hat. Es genügt nicht, die Wärme als Expansion zu bezeichnen, aber mit der Entdeckung ihrer Polarität war der Wärmestoff ausgestossen. der Materie, die wir sehen, hören und fühlen, müssen wir festhalten, jede Negation derselben negirt sich selbst, aber wenn wir sie geistig denken, muss die Erklärung, um völlig das zu Erklärende zu decken, dann auch das geistige Princip in ihr verstehen lassen. Die Lebenskraft ist nur ein Geheimniss, weil man früher nach Etwas suchte, was sich nicht finden liess. Unsere Weltanschauung kennt keine specifische Lebenskraft, auch nicht als Geheimniss; für uns giebt es keine qualitates occultae, da wir das Dunkle nicht sehen, so lange es dunkel ist, aber um so eifriger streben es zu erhellen, um ein deutliches Verständniss zu gewinnen. Wir sprechen noch immer von Entstehen und Vergehen, und zwar in dem absoluten Sinne, in dem es für die Chemie,

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Bei dem beschränkten Grade, bis zu welchem allein Experimente im luftleeren Raume für uns möglich sind, und der daraus folgenden Leichtigkeit unmerklicher Fehlerquellen, sollte jeder Vorgang, wo Raumerfüllung in Frage kommt, nur abgeschlossen für sich betrachtet und in seine constituirenden Einzelnheiten zerlegt werden, da Generalisationen nie zu wagen oder gar zu suchen, sondern nur anzunehmen sind, wenn sie sich von selbst bieten, als nothwendige Consequenz der Untersuchungen. Die Bewegungen der kosmischen Körper bleiben besser ausser Betrachtung, so lange keine tiefere Einsicht in die relativen Verhältnisse zur Aufklärung vorliegt.

also für diejenige Wissenschaft, die allein über die Berechtigung und die Definition dieser beiden Begriffe zu entscheiden hat, längst zu existiren aufgehört hat, und den wir demnach auch längst in der Philosophie hätten ausstossen sollen. Entstehen und Vergehen kann nur in den wechselsweisen Veränderungen relativer Verhältnisse beobachtet werden.,,Der Fixsternhimmel ist zertrümmert, seit Galilei's Fernrohr die glänzenden Kugeln im Raume schweben sah, seit der Kosmotheoros die Schrankenlosigkeit des Weltalls proclamirte." (Apelt.) So müssen alle jene unlogischen Bemühungen aufhören, eine Wissenschaft ab ovo deduciren zu wollen, von einem Anfang, einem Endzweck zu sprechen; sie müssen aufhören, da es weder ein Oben noch Unten giebt, um den Faden beginnender Forschung anzuknüpfen. Der ruhende Punkt des Alles liegt dem Menschen in seinem Auge, in dem Gleichgewicht des eigenen Selbst, und von ihm muss er ausgehen, auf dieser subjectiven Basis fussend, um in das objective Verständniss der allgemeinen Harmonie des Kosmos einzudringen. Ist es doch auf dem Gleichgewicht relativer Verhältnisse, dass die Harmonie des Absoluten in der Astronomie basirt, diesem Angelpunkte unserer Weltanschauung, indem man perturbirende Ausnahmen, statt durch sie die Regeln aufzuheben, zu neuen Regeln macht, durch den Wahrscheinlichkeitscalcul, durch die berechnete Annahme säcularer Störungen, durch die von der Optik entlehnte Aberration das Mangelnde der allgemeinen Gravitation, die schon über die Grenzen des Sonnensystems hinaus, die Anerkennung ihrer Attractionsgesetze fordert, ergänzt und, vertrauend auf den Faden methodischer Forschung, in diesem künstlichen Gewebe ruhig und sicher fortschreitet, da die Systemtheorie, so lange sie sich in ihren Wechselbeziehungen richtig zusammenfügt, für uns die richtige ist, und selbst im Falle neuer Entdeckungen sich aus sich selbst organisch, zur Erweiterung oder Veranderung, reguliren muss. Die Abweichungen der Tafeln von den Beobachtungen liessen noch Keppler an zufällige und unberechenbare Störungen, denen die Himmelskörper, wie die Winde und die Witterung unterworfen seien, glauben, ehe man darauf aufmerksam wurde, dass,,diese Fehler bald positiv, bald wieder negativ sind, und so sich gleichsam gegenseitig wieder aufheben, was bei reiner Zufälligkeit nicht geschehen könne.",,Eben darin liegt der Vorzug dieser grössten aller Entdeckungen, bemerkt Laplace über Newton's Gesetze, dass jede scheinbare Ausnahme eine neue Bestätigung und jede Schwierigkeit, die sich dieser Entdeckung entgegensetzt, ein neuer Triumph derselben geworden ist." In dem ewigen Flusse aller Gegensätze constituirt nach Heraclit der Krieg die grosse Harmonie, die Alles zusammenhält. „Die Häretiker begreifen nicht (heisst es in

den buddhistischen Schriften), dass die Gesetze keinen Anfang und kein Ende haben. Sind Ursachen und Wirkungen vereinigt und an einander gekettet, so nennt man das fälschlich eine Entstehung, sind sie aufgelöst und vereinzelt, eine Vernichtung. Entstehung und Vernichtung folgen der Bestimmung und haben an sich keine Wirklichkeit.",,Indem Action und Reaction gleich und einander widerstrebend sind, ist die Gesammtsumme aller Kräfte*) im Weltall gleich Nichts," sagt Faraday über die Unversehrbarkeit der Kraft. Alle Gedanken in unserer Geisteswelt müssen Functionen von einander sein, nur das unendlich Grosse entzieht sich in der Gottheit ebenso der verhältnissmässigen Bestimmung, wie das unendlich Kleine in der ersten Materienschwingung der Empfindung. Anfang und Ende kann nur aus der Bewegung des Gesetzes verstanden werden.

Der von den Philosophen gemachte Unterschied zwischen Glauben und Wissen liegt nur in einem unrichtigen Verständnisse der Weltanschauung. Der Glaube**) ist die ästhetische Complementirung des Wissens in der Kunst, wird aber zur Lüge des Widersinns, wenn er auf Fortbestehen Anspruch macht in Gebieten, wo das weiterschreitende Wissen schon eine Antwort zu geben vermag. Wir wissen dasjenige, dessen relative Verhältnisse hinlänglich vollständig erkannt sind, um sich auch bei ferneren Entdeckungen als gültig zu beweisen. Wie weit hinaus wir überhaupt denken, d. h. in welche Länge und Entfernung wir unsere Gedankenreihen in den Macrokosmos hinaustreiben können, ehe sich dieselben in einen unbestimmten Horizont verlieren, hängt von der jedesmaligen Altersstufe der Volksbildung ab, in gleicher Weise, wie sich das Kind erst allmählig die Erkenntniss erwirbt, sein physisches Sehorgan richtig zu gebrauchen. Der Wilde, der nur von gestern auf heute, und vielleicht von heute auf morgen denkt, fühlt sich vollkommen befriedigt, in dem Himmel ein festes Firmament zu sehen, das sich über seinem Haupte wölbt. Es hat ihm Anstrengung genug gekostet, seine Gedankenreihen bis dorthin zu erheben, und da sie daselbst einen so trefflichen Anknüpfungspunkt finden, wird ihm so leicht keine neue Anregung kommen, weiter zu forschen und fragen, was sich jetzt noch schliesslich hinter jenem Firmamente befinde. Dass er dann diesen himmlischen Olymp mit Figuren füllt,

*),, Die ganze Natur ist ein einziges, in sich zusammenhängendes System von wechselwirkenden Theilen, in dem aber verschiedene Partialsysteme die lebendige Kraft unter verschiedenen Formen erzeugen, verwenden, auf einander übertragen, unter Wahrung allgemeiner Gesetze, wodurch der Zusammenhang beherrscht und erhalten bleibt." (Fechner.)

**),,Jeder Glaube gehört dem Reiche des Nichts an,“ nach der grossen Ueberfahrt.

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