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III. Die Occupation einer herrenlosen Sache (§ 70) bildet eine fernere Erwerbsart.

In wie fern überdies die Verjährung, vorzüglich ein unvordenklicher Besitzstand die Stelle einer giltigen Erwerbung vertreten kann', ist schon an einem anderen Ort erörtert (§ 12). Sonstige Arten eines friedensrechtlichen Eigenthumserwerbes aber giebt es nicht. Arrondirung, Annexation und dergleichen sind es nur unter den vorund nachstehenden Bedingungen. Außerdem sind sie nur diplomatische Schlagworte zur Verdeckung der Willkür.

Insbesondere: Occupation.

70. Die Erwerbung neuen Staatseigenthumes, oder der Rechte der Staatsgewalt über bestimmte Sachen, ist im Wege der friedlichen Occupation von folgenden Bedingungen abhängig:

I. Sie ist nur zulässig an solchen Sachen, welche sich, obwohl eigenthumsfähig, noch in keines Menschen ausschließlicher Herrschaft befinden, nicht auch an Menschen für sich selbst. Die Herrschaft über diese muß durch freiwillige Unterwerfung oder durch rechtmäßig geführten Krieg erlangt werden. Es findet also die Occupation hauptsächlich nur Anwendung auf unbewohnte, nicht schon vollständig von Anderen in Besitz genommene Gegenden und Inseln; aber es giebt keine Befugniß für schon vorhandene Staaten, ihre Herrschaft anderen, wenn auch staatenlosen und rohen Völkern oder selbst nur einzelnen festen Bewohnern bestimmter Erdstriche aufzudringen; sie können bloß Verkehr mit denselben suchen, im Falle der Noth bei ihnen verweilen, das eben Unentbehrliche sich verschaffen und durch freiwillige Abtretung Grund und Boden zur Colonisation zu erwerben sich bemühen3.

freilich über die Früchte factisch disponiren und industrielle Früchte ziehen, aber die natürlichen kann er dem Eigenthümer nicht vorenthalten. S. jedoch noch § 73 a. E.

1) Es ließen sich manche Beispiele, unter anderen in Deutschland, nachweisen, wo das Recht der Staatsgewalt nur auf langen Besißstand gegründet ist ohne erweislichen Rechtstitel. S. nun auch noch Phillimore I, 265.

2) Groot II, 9, 1. E. Ortolan, du dom. internat. 75 suiv.

3) Daß der Staat überhaupt seine Herrschaft über die Erde ausdehne, kann als naturgemäß zugegeben werden. Daß aber gerade ein gewisser Einzelstaat seine Herrschaft hier und da constituire, ist keine Nothwendigkeit. Zwecke, wie die der

II. Jede Occupation erfordert die bestimmte Absicht, eine herrenlose Sache seiner eigenen Herrschaft bleibend zu unterwerfen. Ohne Wissen und Willen wird kein Eigenthum erlangt.

III. Es muß eine wirkliche Besitzergreifung vor sich gehen, wodurch die Absicht einer dauernden Aneignung dargelegt wird und womit Anstalten zur Ausübung einer ausschließlichen Herrschaft zu verbinden sind. Ist dieses einmal geschehen, so hebt die blos einstweilige und als vorübergehend erkennbare Unterbrechung der Herrschaft das schon erlangte Eigenthum nicht wieder auf. Blos wörtliche Aneignung dagegen und vergängliche leblose Zeichen einer erst beabsichtigten Aneignung sind rechtlich ungenügend, weil der Thatsache widersprechend und die Absicht in Zweifel stellend, obgleich man in der früheren Staatspraxis auch derartige Mittel geltend gemacht hat'. Eine Besizergreifung kann übrigens durch Bevollmächtigte, sowohl auf Grund allgemeiner wie specieller Vollmachten vollzogen werden und giebt dann vom Augenblicke der Vollziehung dem Machtgeber das Eigenthum. Sie kann selbst vermöge einer Geschäftsführung für einen Anderen mit hinzukommender Ratihabition desselben vor sich gehen, in welchem Falle Besitz und Eigenthum für diesen jedoch erst mit der Genehmigung, also erst nach erlangter Kenntniß beginnt3. Haben mehrere zugleich für sich Eigenthumsbesig von derselben Sache ohne Beschränkung auf einzelne Theile ergriffen, so

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Culturverbreitung, der Beförderung der Handels- und Industrie - Interessen, der Benutzung eines todten Capitales, geben noch kein Recht dazu. Nur wenn irgendwo durch Abschließung die Erhaltung und Fortentwickelung des Menschengeschlechtes gestört würde, könnte mit gemeinsamer Zustimmung das Hinderniß beseitigt werden. Vgl. übrigens Vattel I, 18, § 205 f. Günther II, 9. Wildman I, 70, Z.

1) Hiermit stimmen die Meisten überein, namentlich Groot. S. auch Vattel I, 18, 207. 208. Günther II, 11. Ortolan No. 68 ss. Wildman I, 69. Phillimore I, 245. Trav. Twiss I, 165. Ueber den Streit, welchen Bynckershoek, de domin. mar. c. 1 erregte, s. die ausführliche Anmerkung von Klüber, Dr. d. g. § 126.

2) Beispiele davon bei Wheaton, Intern. L. II, 4, 5. Eine stillschweigende Vollmacht für alle Unterthanen eines Staates existirt nicht. Merkwürdig die Nordamerikanische Acte vom 18. Aug. 1856 in Betreff der Guano-Eilande, Felsen u. dergl. Halleck VI, 15.

3) L. 24. D. de negot. gest. und die Regel: ignoranti possessio non acquiritur, also auch nicht das Recht, welches sie ferner gewährt. Vgl. v. Savigny, Besitz S. 307. Ausg. 7. § 26.

entsteht dadurch ein Miteigenthum'. Wie weit sich endlich das Recht der Occupation erstrecke, hängt wesentlich von der Ausdehnung des thatsächlichen Besitzstandes ab. Jedoch wird die Besizergreifung der Hauptsache auch die der Pertinenzien begreifen, sofern sich dieselben in keinem entgegenstehenden Sonderbefize befanden2.

Verfügungen über das Staateneigenthum.

71. Die rechtlich möglichen Verfügungen über einzelne Gegenstände des Staatseigenthumes sind im Allgemeinen dieselben, wie über Privateigenthum und Vermögensrechte. Zu den bemerkenswertheren gehört, nächst den eigentlichen Veräußerungen (§ 72):

I. Die Constituirung einer bleibenden Rente zu Gunsten eines auswärtigen Staates oder sonstigen völkerrechtlichen Subjectes3. Eine derartige Rente haftet in Ermangelung anderer Bestimmungen an der ganzen Substanz der belasteten fruchttragenden* Sache und erlischt nur mit dem gänzlichen Untergange oder mit der Unmöglichkeit, eine Rente daraus ferner zu gewinnen; bei theilweisem Untergange verhältnißmäßig bis zur Wiederherstellung des Ganzen.

1) Streitigkeiten schlichteten bei neuen Entdeckungen in älterer Zeit die Päpste. Die Theilung der Indien zwischen Portugal und Spanien durch sie ist bekannt. S. die Bullen von 1454, 1481, 1493 in Du Mont, Corps univ. III, 1, 200. III, 2, 302. Schmauss, C. j. gent. I, 112. 130. Vgl. Günther II, 7. Walter, Kirchenr. § 342.

2) Folgt aus der Natur des Besitzes. Vgl. auch Martens, Dr. d. g. II, 1, 38. Phillimore I, 247.

3) Vielfache Renten-Conftituirungen enthielt der Reichsdeputations-Hauptschlußz von 1803, bestätigt in dieser Hinsicht durch die Rheinische und Deutsche Bundesacte. 4) Nur an einer solchen ist eine Rentenbestellung zulässig. Vgl. Multz, de censib. Altdorf. 1659. th. 11 u. 13. Martini, de j. censuum. Colon. 1660. IV. n. 1. Grusemann, de censu reserv. Rinteln. 1705. § 12.

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5) Dafür hat sich vorzüglich Pius V. in einer Bulle von 1569 entschieden: Census omnes in futurum creandos re in totum vel pro parte peremta, aut infructuosa in totum vel pro parte effecta, volumus ad ratam perire." Magn. Bullar. Rom. t. II, p. 295. Vgl. Ge. Franzke var. resolut. IV, n. 9. Multz 1. c. th. 69. Jedoch ist dieser, wiewohl in der Billigkeit gegründete Saß keinesweges allgemein zugestanden oder ein allgemeines Recht geworden. S. selbst Centius, S. Rotae Rom. decision. ad tract. de censib. Lugd. 1658. dec. I. Martini 1. c. cap. VIII, n. 224 s. Zoll, de censu reserv. Rint. 1705. § 21.

II. Die Bestellung eines Lehnes zu Gunsten Auswärtiger'. In wie weit dergleichen zulässig sei, bestimmt die Verfassung jedes Staates; ebenso entscheidet sein eigenes Lehnrecht über die durch die Verleihung entstehenden Rechtsverhältnisse, ausgenommen bei Lehnen in fremden Territorien (feuda extra curtem), wo das lehnsherrliche Recht den dortigen Gesetzen und Observanzen unterworfen ist2.

III. Die Bestellung eines Pfand- oder Hypothekrechtes, selbst einer Antichrese an einem Theile, ja an dem Ganzen des Staatsgebietes zur Selbstausübung der Hoheitsgewalt von Seiten des Gläubigers. Pfandschaften dieser Art waren vormals nicht selten und dem gemeinen Recht unterworfen3; noch jetzt dauern einige derselben fort*. Ueblicher sind indessen gegenwärtig specielle Hypothekbestellungen an einzelnen Staatsgütern, Renten und Einfünften zu Gunsten der Staatsgläubiger, wobei, wenn sie privatrechtliche Wirksamkeit haben sollen, die Gesetze des Landes zu beobachten sind. Außerdem wird jedoch überhaupt jede Schuld, die für ein gewisses Land oder einen Theil desselben ausdrücklich oder durch eine nützliche Verwendung contrahirt worden ist, als auf dem Ganzen oder beziehungsweise auf dem Theile hypothekarisch haftend (dette hypothéquée) im diplomatischen Sprachgebrauch behandelt, obwohl dadurch nur die bleibende Verbindlichkeit des Staates in seiner Gesammtheit oder seinem Theile, nicht aber eine privatrechtliche Hypothek ausgedrückt werden soll.

1) Vgl. Günther II, 152. 159.

2) Vgl. Griebner, de domino directo in territorio alieno. (Jenichen, thes. jur. feud. II, 206.) de Cramer, Obs. jur. univ. 741, § 14. Du Moulin 3. Cout. de Paris § 12. No. 4 und zu Chassaneul, de feudis. III, § 7. Cuiac. lib. I. feud. cap. 2.

3) Man vgl. J. P. O. V, 26. 27. de Senkenberg, de reluitione territorii oppignor. Hal. 1740. N. H. Gundling, de j. oppignorati territorii. Hal. 1706. rec. 1741. de Neumann in Wolffsf. Jus reale princip. (t. IV.) III, 3, 400 f.

4) 3. B. die merkwürdige Schwedische Verpfändung von Wismar an Mecklenburg im J. 1803. Martens, Rec. VIII, 54. — Scheinbar ward auch 1768 Corsica von Genua an Frankreich pfandweise gegeben. Martens, Rec. VIII, 1, 229.

5) Unwiderleglich bewiesen von D. Haas, über das Repartitions - Princip der Staatsschulden. Bonn 1831. von § 24 an. Ob aber der Reichsdeputations-Hauptschluß von 1803, besonders § 80, darnach zu erklären sei, ist eine andere Frage. S. darüber Leonhardi, Aufträgalverf. II, 161. 314. 405. Zur Beantwortung der Frage: ob eine Schuld auf ein gewisses Land contrahirt sei? vgl. v. Leonhardi a. D. I, S. 640 und Emminghaus, Corp. iur. germ. acad. p. 930.

Ob die Staatsregierung für die Schulden des Staates auch das Privatvermögen der Unterthanen giltig verpfänden könne, ist eine Frage des inneren Staatsrechtes, der Regel nach aber nur für Fälle der Noth zu bejahen'.

Verlust des Staatseigenthumes.

72. Das völkerrechtliche Eigenthum an Sachen hört auf I. an solchen Sachen, die sich blos vorübergehend darin befanden (§ 67) und nicht occupirt oder doch ihrer natürlichen Freiheit wieder überlassen worden sind, mit dem Heraustreten aus dem Territorium;

II. in Ansehung des Staatsgebietes oder einzelner Theile davon
a. durch eine nicht vindicirte Abschwemmung, so lange die Zu-
rückbringung noch möglich war (§ 69 II.);

b. durch Dereliction und unvordenklichen Besitzverlust (§ 12);
c. durch freiwillige, verfassungsmäßig erlaubte, oder im Wege
des Krieges herbeigeführte Abtretung des bisherigen Herrscher-
oder Eigenthumsrechtes an einen Anderen.

Solcher Veränderungen ungeachtet bestehen regelmäßig alle auf dem abgetretenen Staatseigenthum haftenden Verbindlichkeiten unter dem neuen Erwerber fort (§ 25), da Niemand mehr Rechte an einer Sache auf einen Anderen zu übertragen vermag, als ihm selbst daran gebühren, und kein wohlerworbenes Recht Dritter durch anderseitigen Willen aufgehoben werden kann3. Erstreckt sich die Veräußerung nur auf einen Theil, so werden die Lasten des Ganzen in Ermangelung anderer Bestimmungen verhältnißmäßig auf den einzelnen Theilen verbleiben, mit Ausnahme der objectiv untheilbaren, wozu indeß

1) Groot III, 20, 7. Simon, quomodo iure gent. bona subditor. pro debitis princip. obligari possunt. Jen. 1675. (Praesid. acad. I, n. 20.) de Neumann in Wolffsf., de pact. et contract. Princ. I, 3, 86.

2) Hierüber bestimmt das Völkerrecht nichts. Für das innere Staatsrecht aber besteht ein Conflict zwischen dem historischen Verfassungsrecht und dem Princip der Volkssouveränetät.

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3) L. 31. § 1. D. de V. S. L. 11. D. de j. fisc.: id enim bonorum cujusque esse intelligitur, quod aeri alieno superest."

4) Vgl. das Aufträgalurtheil des Oberappellationsgerichtes zu Celle wegen der Rheinpfälzer Staatsobligationen in v. Leonhardi, Aufträgalverf. S. 550. Ferner das Urtheil des Oberappellationsgerichtes zu Jena ebendas. S. 888. 897.

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