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und gesichert, wenn sie sich auch nur erst in einem neutralen Hafen befinden sollte und dann ein Erkenntniß der heimathlichen Prisengerichte für zulässig1.

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Das Verfahren bei diesen Prisengerichten, dem Führer eines unbestreitbar feindlichen Schiffes gegenüber, ist ein höchst summarisches, jede Vertheidigung ausschließend und lediglich nur eine Rechtfertigung des Fanges von Seiten des Erbeuters bezielend; ein Reclameverfahren2, d. i. ein Streitverfahren über die Giltigkeit der Prise, wird es nur dann, wenn der Weggenommene die feindliche Nationalität seines Schiffes bestreitet oder sich auf ein besonderes Schutzprivilegium berufen kann und als Kläger die Herausgabe desselben fordert. Die Prisengerichte erkennen übrigens allein nach den Gesezen und Reglements ihres Staates, von welchen auch die Vertheilung des erbeuteten Gutes abhängt. Ungeachtet der Bedenklichkeit einer solchen Gesetzgebung und Gerichtsbarkeit hat man sich doch in der langen Praris der letzten Kriege schon gewöhnt, das Eigenthum der weggenommenen Schiffe für verloren und confiscirt zu halten, sobald von einem competenten Prisengerichte die Erbeutung als rechtmäßig erklärt worden ist. Selbst Großbritannien respectirt hierin die gleiche Berechtigung anderer Staaten, freilich wohl, um desto weniger gesucht; die gegenwärtige Französische Regierung aber hat sie aufgehoben, durch Decret vom 18. Juli 1854. Fraglich ist allerdings, ob nicht dergleichen Commissionen den Charakter competenter Prisengerichte durch Duldung neutraler Staaten erlangen können? Darüber läßt sich streiten, aber wohl am meisten dagegen. Vgl. Phillimore III, 469. Ebenso wenig kann die Gerichtsbarkeit den Gesandten in fremden Ländern übertragen werden. Vgl. Martens § 37. Wheaton § 15. Oke Manning 380.

1) Wheaton, Intern. L. IV, 2, § 13 a. E. (éd. franç. II, p. 44). Oke Manning 382.

2) Hierüber vgl. Jouffroy p. 86. 296 f. Die Britische Praxis erkennt man aus Wildman II, 352. Phillimore III, 560. Die Französische aus dem Werke von Pistoye et Duverdy. Die Amerikanische aus Halleck, ch. XXXI. Betrachtungen darüber s. bei Wurm, im Staats-Lex. XI, 145.

3) Hierbei muß in der Regel die legitime Flaggenführung entscheiden. Vgl. Wheaton, Intern. L. IV, 1, 21 (éd. fr. 22).

4) Diese Reglements sollten freilich auf dem Boden des gemeinsamen Rechtes stehen, wie Portalis sehr wahr bemerkt hat (Wheaton, Histoire I, 152) und es auch einige Britische Prisenrichter wiederholt ausgesprochen haben. Phillimore III, 533. 5) Wheaton, Intern. L. IV, 2, § 12. 13. Jouffroy p. 209 f. Oke Man

ning 382.

in der ihm selbst den meisten Vortheil bringenden Praxis angefochten zu werden.

139. Muß man indessen auch die angezeigten Marimen der Europäischen Praxis in Betreff der Seebeute als ein durch Gewohnheit in den Hauptpunkten festbegründetes Staatenrecht anerkennen, so bleibt doch die Nationabilität des Herkommens großen Zweifeln unterworfen'. Es fehlt an einer inneren Nöthigung, jene Marimen durchaus und für immer als wahr anzunehmen; es fehlt vornehmlich die sittliche Zustimmung der Völker, welche sich unmöglich mit einem Systeme reiner Willkür befreunden kann. Wodurch soll es gerechtfertigt werden, daß die bloße Wegnahme einer Sache oder ein mehrstündiger, beliebig 24stündiger Besitz, oder selbst die Wegführung in einen Hafen des eigenen Landes, Eigenthum an einer fremden Sache, besonders an einer Privatsache, zu geben im Stande sei! Welche Kraft kann das Urtheil einer Behörde äußern, die für das Interesse des an dem Fange und seinen Vortheilen allein betheiligten Staates niedergesetzt, und an dessen eigene Satzungen gebunden ist! Fürwahr, schon längst ist es ausgesprochen, freilich nur von einzelnen Männern des Rechtes und der Wissenschaft, daß ein solches System einer christlich erleuchteten Zeit unwürdig sei. Es wird dies auch allmählich immer mehr in das Bewußtsein der Völker treten, je mündiger sie werden und im Stande sind, die Anforderungen der Gerechtigkeit denen gegenüber zu vertheidigen und durchzusetzen, welche bisher in einem solchen Willkürsysteme vorzüglich die Beförderung ihrer Interessen gefunden haben und darum auch ferner dasselbe fortzusehen geneigt sein möchten. Es kann allerdings nicht die Tendenz sein, einer kriegführenden Macht die Wegnahme von feindlichen Staatsund selbst Privatschiffen mit den darauf befindlichen Gütern untersagen zu wollen. Es kann ihr nicht zugemuthet werden, dem feindlichen Staate eine ungestörte Benutzung der Wasserstraßen zu gestatten, um sich die Mittel zu einer fortgesetzten Kriegführung zu verschaffen und einen Verkehr zu treiben, welcher dem eigenen Handel jener anderen kriegführenden Macht verderblich werden, überhaupt

1) Eine scharfsinnige Erörterung der Praxis enthält das Werk von Ercole Vidari, Del rispetto della proprietà privata dei popoli belligerenti. Milano 1865.

aber den Krieg zu verewigen vermag'. Ein solches System würde allerdings mit gutem Grunde für eine fromme Chimäre zu erklären sein. Wenn man aber einmal sittliche Rechtsprincipien will, feine rein politischen oder bloße Fictionen, so wird man sich endlich zu der Ansicht bequemen müssen:

Die Wegnahme eines feindlichen Schiffes giebt dem Erbeuter noch kein Eigenthum auf dasselbe und auf das darin befindliche Gut, sondern lediglich das Recht der Beschlagnahme und einer factischen Disposition darüber während der Dauer des Krieges, um sich dadurch für dessen Nachtheile und wegen seiner Forderungen an den Feind zu entschädigen. Erst der Friede oder eine gänzliche Zerstörung des feindlichen Staates giebt demjenigen, was solchergestalt geschehen und verfügt worden ist, den Charakter eines forthin giltigen Verhältnisses, so weit man nicht genöthigt oder veranlaßt ist, in dem Friedensschlusse das Weggenommene ganz oder theilweise herauszugeben.

Bis dahin findet dann auch das Recht der Wiedernahme einer Prise zu Gunsten des Eigenthümers Statt, von dessen bisheriger Praxis erst weiterhin (Abschn. IV. dieses Buches) gehandelt werden kann.

Rechte der Kriegführenden auf feindliche Sachen im eigenen Territorium.

140. Sachen eines im Kriege befindlichen Staates, welche sich im Gebiete des Feindes befinden, unterwarf das ältere Völkerrecht dem feindlichen Appropriationsrecht durch Besißergreifung, gleich anderer Beute. Das heutige Völkerrecht kann diesen Sah nicht mehr billigen; die Praxis der Staaten aber hat bisher noch immer ziemlich dasselbe Ziel zu erreichen gewußt, indem man nämlich dergleichen Sachen unter dem Titel von Repressalien sogleich im Anfange des Krieges, ja sogar oft ohne ausdrückliche Kriegserklärung, mit Beschlag belegt und dann confiscirt. Dieses Schicksal trifft_vorzüglich die

1) Darin gehen denn auch die neuesten Agitationen und Pronunciamenti des Handelsstandes zu Bremen, Hamburg, Lübeck, desgl. mehrerer deutscher legislatorischer Versammlungen zu weit, wenn sie die unbeschränkte Freiheit des Privateigenthums verlangen. Vgl. die Anlagen.

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2) L. 51. § 1. D. de acquir. rer. dom. Et quae res hostiles apud nos sunt, non publicae sed occupantium fiunt." Vgl. mit 1. 12 pr. D. de captiv. 3) Die Behauptung dieses Sages s. bei de Real, Science du gouvern. t. V,

feindlichen Schiffe, welche sich zufällig zu dieser Zeit in den Häfen eines Kriegstheiles befinden und mit einem Embargo bestrickt werden können. Es trifft ferner die Waaren, welche ein Unterthan des feindlichen Staates in dem anderen Staate gekauft und für seine Rechnung liegen hat, desgleichen die Waaren und sonstiges Eigenthum von feindlichen Unterthanen, die sich bisher sogar längere Zeit hindurch friedlich für ihren Geschäftsverkehr in dem auswärtigen Gebiete aufgehalten haben. Die Prisengerichte mächtiger Staaten haben dann kein Bedenken gefunden, durch ihre gelehrten Richter mit großer Scrupulofität die Heimathseigenschaft solcher Verkehrstreibenden untersuchen zu lassen, wobei man nicht verfehlt hat, wenn nur der geringste Zweifel obwaltete, ob dieselben noch feindliche Unterthanen seien oder ihr Domicil diesseits genommen, eine Confiscation auszusprechen. Selbst lang etablirte Handelshäuser und Comptoirs feindlicher Unterthanen im Gebiete des anderen Theiles sind diesem Schicksale nicht entgangen. Nur specielle Vertragsstipulationen, dergleichen sich in den meisten neueren umfassenden Handelsverträgen finden, können hiergegen schüßen und die Möglichkeit einer ungehinderten Herausziehung von Personen und Gütern aus feindlicher Botmäßigkeit gewähren3.

Auf der anderen Seite hat man gewöhnlich vermieden, die unbeweglichen diesseitigen Güter feindlicher Unterthanen unter einen solchen Beschlag zu legen und Repressalien daran auszuüben, um nicht eine Retaliation der Maßregel von Seiten des Feindes und dadurch ebenso viele oder selbst noch größere Nachtheile für die diesseitigen Unterthanen hervorzurufen.

Man erkennt hieraus leicht, daß es besonders die Handelsinter

ch. II, V, 3. v. Steck, Vers. über Handels- und Schifffahrtsvertr. S. 168 und über die Praxis des Saßes Moser, Vers. IX, 1, S. 45. 49. Die arge Unbilligkeit derselben ist einleuchtend.

1) Man vgl. Wheaton, Intern. L. IV, 1, § 16–18 und darüber die Bemerkungen von Pando p. 412-424.

2) Wheaton § 19. Die ganze frühere Praxis Großbritanniens lernt man aus Wildman, Instit. of intern. L. Vol. I, ch. 1 u. 2. Desgl. aus Phillimore III, 38. 128. Die Amerikanische aus Halleck, ch. XXIX, womit zu vergleichen Enemys territory and alien enemys. By R. H. Dana. Boston 1864.

3) Beispiele s. in Nau, Völkerseer. § 258.
4) Wheaton a. a. D. § 12. Halleck XIX, 12.

essen sind, welche das Verfahren kriegführender Mächte bestimmen; die Absicht, den Handel des feindlichen Staates zu zerstören, zum Vortheil des eigenen. Wie sollte man also wohl ein Rechtsprincip im Hintergrunde und eine folgerichtige Anwendung desselben erwarten! Immerhin mag es erlaubt sein, wie schon öfter wiederholt ward, dem Feinde zu schaden, seine Hilfsquellen zu verstopfen, vorzüglich also seinen Handel anzugreifen; allein es folgt daraus nicht, wenn es wirklich ein sittliches Princip in dem neueren Kriegsrechte giebt, daß Schiffs- und Waareneigenthum feindlicher Privaten einer Confiscation mit der Wirkung einer sofortigen Eigenthumsübertragung unterworfen werden darf; man könnte sich auch hier nur auf eine Beschlagnahme, desgleichen auf eine vorläufige Verwendung desselben statt der Angreifung des eigenen Capitals beschränken; das nicht Verwendete aber, und noch Vorhandene müßte bei eintretendem Frieden wieder herausgegeben, oder gegenseitig, es sei ausdrücklich oder stillschweigend, im Friedensschlusse aufgerechnet werden'.

Verträge während und auf den Fall des Krieges2.

141. Daß selbst unter feindlichen Parteien und während des Krieges ein gegebenes und angenommenes Wort verpflichte, d. h. nach Treue und Glauben zu erfüllen sei, so lange die Möglichkeit dazu gegeben ist; daß vorzüglich auch das vom Feinde bewiesene Vertrauen nicht zu seinem Nachtheile gemißbraucht werden dürfe, ist eine heutzutage von allen christlichen civilisirten Völkern anerkannte Regel, deren Verletzung den Gegner zur entschiedensten Genugthuung berechtigen und vor dem allgemeinen Völkertribunale der öffentlichen Meinung infamiren würde3. Darauf beruhen nun auch die in neuerer Zeit auf den Fall eines gegenseitigen Kriegsstandes geschlossenen Car

1) Vielleicht stehen wir jetzt in einem Wendepunkte, da besonders Großbritannien bei Fortsetzung seiner bisherigen Praxis den größesten Schaden haben würde. Denn wo ist nicht Britisches Eigenthum und Handelsinteresse!

2) v. Ompteda, Lit. § 314. v. Kampß § 298 f. Besonders: E. C. Wieland, Opusc. acad. III, n. 1. Groot III, 20. Vattel III, ch. 16. Martens, Völkerr. VIII, 5. Klüber, Dr. d. g. § 273 f. Pufendorf VIII, 7. Halleck XXVII. Augustin. c. 3, C. 23, qu. 1. Es giebt S. selbst Bynckershoeck, Quaest. I, 1, erlaubt hält. Vgl. Wheaton IV, 2, 17. v. Kampß § 290.

3) Fides etiam hosti servanda. Niemand, der das Gegentheil behauptet. der sonst Betrug gegen den Feind für Specialschriften bei v. Ompteda § 302.

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