Images de page
PDF
ePub

seitiger Marimen derselben zu bieten; vielmehr ist er berechtiget, innerhalb seines Gebietes einer Kriegspartei seinen Schutz gegen offenbares Unrecht zu ertheilen, vorzüglich auch seine eigenen Unterthanen in der Ausübung ihrer völkerrechtlichen Befugnisse und Sicherstellung gegen die Willkür der Kriegführenden kräftig zu handhaben.

Viertens. Alles, was dem neutralen Staate außerhalb seines Gebietes gehört, verbleibt ihm als unantastbares Eigenthum selbst dann, wenn es sich bei einer kriegführenden Partei oder im Gemenge mit den Sachen derselben befindet. Das Beuterecht findet daran nicht Statt. Eine Ausnahme tritt herkömmlich nur ein, insofern das neutrale Eigenthum zur unmittelbaren Unterstützung eines kriegführenden Theiles bei den Kriegsunternehmungen dient und demselben ausdrücklich zur Disposition gestellt ist, namentlich wenn es zur Kriegscontrebande gehört, deren Begriff noch weiterhin festzustellen ist, in welchem Falle auch das neutrale Gut der Beschlagnahme und Aneignung von Seiten des fiegenden Gegners so wenig als feindliches Gut selbst entgeht.

Unbewegliches Gut eines neutralen Staates oder seiner Unterthanen in Ländern der kriegführenden Staaten kann natürlich der Mitleidenheit bei den Kriegslasten nicht entzogen bleiben. Dagegen ist es höchstens nur als eine Maßregel der höchsten Noth zu entschuldigen und nur gegen vollständige Entschädigung zulässig, wenn ein kriegführender Theil neutrale Sachen, z. B. Schiffe, in Beschlag nimmt und zu seinen Zwecken verwendet (ius angariae)', oder neutrale Waaren, Magazine, Getreide und dergl., was sich zufällig in seinem Gebiete befindet oder auf offener See angetroffen wird, für seine Zwecke gebraucht, wenngleich gegen Vergütung des Werthes vermittelst eines sogenannten Vorkaufs 2.

Dasselbe gilt von der Wegnahme und dem eigenmächtigen Verbrauche der Matrofen oder Schiffsführer eines neutralen Staates.

1) Ludwig XIV. erklärte ein solches Verfahren geradezu für ein Recht. Vgl. de Real V, 2 a. E. In neueren Verträgen ist es entweder ganz aufgehoben oder ausdrücklich nur gegen volle Entschädigung gestattet. Vgl. Nau, Völkerseer. § 260 und im Allgemeinen noch Groot III, 17, 1. de Steck, Essais p. 7. Hautefeuille IV, 434. Phillimore III, 41. Massé, n. 321 f.

2) Le droit de préemtion, ausgeübt freilich auch wohl außer dem Falle der Noth. Es wird davon noch weiterhin die Rede sein.

Rechte der Neutralen in Ansehung des Handels.

151. Welche Uebereinstimmung auch im Ganzen über die vorausgeschickten Grundsätze obwaltet, so mißlich steht es mit der Anwendung derselben auf das Recht des freien Verkehrs der Nationen, insbesondere auf den Seehandel. Zwar findet, was den Verkehr der Neutralen unter einander selbst betrifft, kein Bedenken über die unbedingte Freiheit desselben Statt; nur die Signalisirung oder Kenntlichmachung eines solchen Verkehrs und die Abwehrung einzelner Plackereien, welche der Kriegsstand unter anderen Nationen nach der bisherigen Praris mit sich gebracht hat, macht noch die Feststellung gewisser Principien in Zukunft nothwendig, welche jedoch wieder mit der Hauptfrage zusammenhängen, ob und was für Beschränkungen der neutrale Handelsverkehr mit den kriegführenden Theilen selbst sich auferlegen lassen müsse. Diese Frage ist nun schon seit Jahrhunderten ein Eris-Apfel für die Staaten geworden; sie ist es, welche am meisten den Mangel eines Staatencoder oder doch Staatentribunales fühlbar macht; bei ihrer Entscheidung tritt in der Praris vorzüglich das Recht des Stärkeren und die Rechtlosigkeit der Schwächeren hervor. Und nicht blos in der Staatenpraris streitet man über die Frage, sondern auch die Theorie ist noch nicht zu einer Verständigung über die Principien gelangt. Zwar haben sich beide mitunter in die Hülle von gesetzlichen Vorschriften und von Richtersprüchen in einzelnen Landen einzukleiden und dadurch eine gewisse imponirende Autorität zu erlangen gewußt; dennoch sind diese Gesetze und Urtheilssprüche nichts als Acte der Politik einzelner Staaten, nicht bindend für die anderen, ausgenommen wenn sie der schwächere Theil sind und die Vollziehung jener Geseze, ihrer Ungerechtigkeit ungeachtet, zu befürchten haben.

Nirgends sieht die Wissenschaft des Völkerrechtes eine ungebahntere Straße vor sich. Und doch kann es auch hier an allgemein giltigen Grundsägen für die Staaten, womit sich unser System beschäftigt, nicht fehlen, wenn überhaupt ein Recht unter ihnen bestehen soll, wenn die Rechtsverhältnisse unter ihnen, wie sie bisher fest= gestellt wurden, in sich wahr sind und der Wirklichkeit entsprechend. Aus dieser wollen wir daher auch jetzt die Lösung der einzelnen Streitfragen vorzüglich schöpfen, indem wir nur die in der Staaten

praris gegenseitig und allgemein angenommenen Regeln als Gesetze des gemeinsamen Willens gelten lassen, wo aber ein solcher nicht erweislich ist, eine Lösung aus dem vorangeschickten Ganzen versuchen'.

Entwickelung der Praxis.

2

152. Die Geschichte unserer Frage beginnt vorzüglich erst mit dem sechzehnten Jahrhundert, seitdem nämlich der Seehandel nicht mehr blos in. den Händen einiger weniger begünstigter thatenreicher Nationen, Gesellschaften und Städte verblieb, sondern eine allgemein anziehende Kraft auf jede Nation ausübte, als eine Hauptquelle des Wohlstandes der Nationen erkannt und von den Regierungen befördert. Der Wettkampf der Interessen, welcher hierdurch hervorgerufen ward, erzeugte in den Staaten, die dazu Gelegenheit hatten, sowohl eine Vermehrung der Handels- wie auch der Kriegsmarine und einen eifersüchtigen Kampf der Nationen mit einander, aus welchem nur Ein Staat unter ungeheueren Anstrengungen mit einer Größe und Bedeutung hervorgegangen ist, wie ihn in bleibender Gestalt weder die alte noch neue Welt bisher gesehen hat. Um diesen Mittelpunkt herum hat sich die ganze neuere Seekriegspraris gestaltet. Scheinbar dem alten einfachen Rechte früherer Jahrhunderte anhängend, Abweichungen davon nur der Vertragswillkür zuweisend, hat der gedachte Staat nicht der Mittel ermangelt, bei Anwendung seiner Grundsätze sein Uebergewicht allen anderen Staaten fühlbar zu machen, ja zuweilen jene zu einer unerträglichen Strenge auszu= dehnen, wodurch eine Reaction unvermeidlich und nothwendig ward. Eine solche trat denn auch vornehmlich seit dem siebzehnten Jahrhundert während der oftmaligen Kriege Großbritanniens mit Spanien und Frankreich hervor; die letztere Macht seit Ludwig XIV. schuf sich selbst, unter Lossagung von dem bisherigen gemeinsamen

1) Eine gründliche Zusammenstellung der Theorie und Praxis über diesen Gegenstand giebt die Schrift: Researches historical and critical in maritime internat. Law. By James Reddie, Esqu. Edinb. 1844, 45. II Vols. Im Resultat freilich nur eine Vertheidigung der Hauptpunkte der Britischen Praxis; jedoch mit einzelnen Concessionen. S. darüber die Bemerkungen von Ortolan II, p. 430. Kein Schriftsteller kann hier leicht seine Nationalität verleugnen.

2) Vgl. die ausgezeichnete Darstellung von Hautefeuille I, 26 f. Auch Gessner, Dr. des N., Préliminaires p. 4 s.

und dem Aufblühen des Handels verderblichen Systeme, einen neuen Seecoder in dem Meisterwerke der Ordonnanz von 1681, deren Grundsäge1 allmählich immer größeren Beifall fanden, im Besonderen auch im Utrechter Friedensschlusse eine schon ausgedehntere internationale Geltung erhielten. Noch compacter ward die Reaction gegen Ende des vorigen Jahrhunderts, während des Nordamerika= nischen und Französischen Revolutionskrieges. Frankreich ging 1778 mit einem neuen Reglement zu Gunsten der neutralen Schifffahrt voran; bald nachher schuf 1780 eine nordische Minerva mit Panins Hilfe das System der bewaffneten Neutralität und erlangte auch in Kurzem den Anschluß mehrerer Seemächte daran, zur Handhabung bestimmter Grundsäge3 dem Britischen Dreizack gegenüber, wodurch

1) Ihr liegen allerdings schon einige ältere Reglements zum Grunde, allein Ludwig XIV. gestaltete diese erst zu einem Systeme. Das Seerecht wurde dadurch zwar particularisirt, allein auch dieser Weg mußte erst durchgegangen werden, um im Kampfe über die Principien zu sicheren völkerrechtlichen Regeln zu gelangen. 2) Die Kaiserin Katharina II. soll es zwar selbst la nullité armée genannt haben; aber einem Genius gelingt auch wohl mit Ironie eine große That.

3) Der ersten Erklärung des Russischen Hofes vom 28. Februar 1780 gemäß sind es diese:

1. Que les vaisseaux neutres puissent naviguer librement de port en port sur les côtes des nations en guerre;

2. que les effets appartenans aux sujets des dites puissances en guerre soient libres sur les vaisseaux neutres à l'exception des marchandises de contrebande;

3. que l'Impératrice se tient quant à la fixation de celles-ci à ce qui est énoncé dans l'Art. X et XI de son traité de commerce avec la Grande-Bretagne en étendant ces obligations à toutes les puissances en guerre;

4. que pour déterminer ce qui caractérise un port bloqué on n'accorde cette dénomination qu'à celui, où il y a par la disposition de la puissance qui l'attaque avec des vaisseaux arrêtés et suffisamment proches, un danger évident d'entrer;

5. que ces principes servent de règle dans les procédures et dans les jugements sur la légalité des prises.

de Martens, Rec. III, p. 158. Dazu kamen später in den darnach abgeschlossenen Verträgen noch einige andere Bestimmungen. Die weiteren Schicksale dieses Sys stemes, seine Weiterverbreitung durch Verträge, seine Wiederaufgebung von Seiten einzelner Mächte, seine Erneuerung im Jahre 1800 und Wiederverlaffung, find summarisch nachgewiesen von Klüber, Dr. des gens § 303-309. Wheaton, Histoire S. 223. 311 f. (I, 358. II, 83. éd. 2). Ueber die Stellung, welche der

ihm, wenn auch die Verbindung in ihrer ursprünglichen Integrität wieder gelöset ward, dennoch einige vertragsmäßige Zugeständnisse abgerungen find'. Den letzten Kampf wider das Britische System führte Napoleon durch Aufstellung des Continentalsystemes2, was gewiß, wenn es mit Strenge nach Außen und mit weiser Mäßigung gegen die Verbündeten durchgeführt worden wäre, wenn es eine wahre innige Vereinigung aller Continentalmächte geworden wäre, das rechte Kampfmittel war und nur durch seine häßliche, parteiische, ja verkäufliche Vollziehung, durch gleichzeitige Erdrückung aller Freiheit im Leben des Continentes eine schlechte Gestalt in der Geschichte angenommen hat. Aber die Idee war die eines großen Mannes! Es gab damals kein anderes Mittel, Englands Seeherrschaft zu zügeln. Ganz neuerlich hat nun auch das westmächtliche Bündnißz gegen Rußland 1853 und 1854 zu einer milderen Praxis und das Britische Verlegenheitsbedürfniß eines herzlichen Einverständnisses mit Frankreich zu den so wichtigen seerechtlichen Bestimmungen der Pariser Conferenz im April 1856 geführt, welchen sich, wie schon gedacht worden ist, fast alle übrigen Seemächte unbedingt angeschlossen haben. (S. Anlagen).

3

Darlegung der einzelnen Fragen.

153. Da im Allgemeinen den Neutralen das Recht des Handels im Kriege nicht bestritten wird, sondern nur die Ausdehnung desselben: so kommt es hauptsächlich auf Untersuchung folgender Punkte

Nordamerikanische Congreß dazu nahm, s. Trescot, the diplomacy of the revolution. N. York 1852. p. 75. Die Specialschriften findet man angezeigt bei v. Kampt § 258.

1) Nämlich durch die Convention vom 5/17. Juni 1801 (Martens, Rec.) VII, 260), welcher nachher auch Dänemark am 23. October 1801 und Schweden am 18/30. März 1802 beigetreten ist. Sie war gewissermaßen das bisherige Britische Ultimatum. Vgl. Wheaton a. a. D. S. 314 f.

2) Auch dieses ist klar und einfach in den Hauptpunkten dargelegt von Klüber § 310-316. Oke Manning p. 330. M. Poehls 1147. Die darauf bezüglichen Schriften s. bei v. Kampß § 257 Nr. 113 ff. Jetzt auch noch das Buch der Geschichte. Ergänz.-Bd. Altona 1854. I, 1.

3) Soetbeer, Samml. offic. Actenstücke in Bezug auf Schifffahrt und Handel in Kriegszeiten. Hamb. 1854. 1855.

« PrécédentContinuer »