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an, die sich aus einer Collision der Rechte der Kriegführenden mit dem Handel der Neutralen ergeben:

I. Welche Rechte stehen den Kriegführenden gegen die Neutralen im Falle einer Blocade feindlicher Gebiete oder Gebietstheile zu?

II. Welche Art von Verkehr kann ein kriegführender Theil den neutralen Staaten oder deren Unterthanen mit dem Feinde untersagen?

III. Welche formalen Rechte haben die kriegführenden Staaten gegen die Neutralen zur Handhabung und Vollstreckung ihrer materiellen Rechte?

Zum Theil stehen diese Fragen unter einander selbst wieder in wesentlicher Verbindung, so daß sie erst vollständig durch eine Beleuchtung aller beantwortet werden können.

In den publicistischen Erörterungen derselben ist man meist von einem vorangestellten allgemeinen Princip ausgegangen. Die Einen, von dem Princip absoluter Unabhängigkeit der neutralen Staaten, die Anderen von einem Coordinations-Systeme oder von den Regeln der Rechtscollisionen. Es wird sich aus dem Nachfolgenden ergeben, ob es solcher Anlehnungen bedürfe, und nicht vielmehr die schon vorgetragenen einfachen Grundsäße über die Rechtsverhältnisse der Staaten unter einander genügen.

Zusaß. Die reichhaltige Literatur dieses Gegenstandes, welche großentheils aus Gelegenheits- und Parteischriften besteht, worin bald die Rechte der Kriegführenden, bald die der Neutralen vertheidigt sind, ist genauer nachgewiesen bei v. Kampß § 257. Die frühesten Bemerkungen finden sich bereits bei Alb. Gentilis, de iure belli I, 21, sodann bei Groot III, 1, 5. 9, 4. 17, 3. H. Cocceji, de iure belli in amicos (Exerc. cur. II, p. 19), bei Bynckershoeck, Quaest. iur. publ. I, cap. 10 sq. Hiernächst in den Streitschriften, welche sich auf die Praxis Großbritanniens in den Seekriegen vor dem Pariser und Hubertsburger Frieden (1763) bezogen, dargelegt im Discourse on the conduct of Great Britain in respect to neutral nations during the present war. By Charles Jenkinson (nachherigem Lord Liverpool). Lond. 1757 (2. ed. 1794. 3. ed. 1801); außerdem die bei v. Kampß Nr. 17—21 erwähnten Staats- und Privatschriften, welche die Streitigkeit zwischen Großbritan= nien und Preußen (im Jahre 1752) betrafen; dann im Allgemeinen die

schon S. 246 angeführte Schrift des Spaniers D. Carlos Abreu von 1758, am meisten die Schrift des Dänischen Publicisten Martin Hübner: De la saisie des bâtiments neutres etc. à la Haye. 1759. (Deutsch ebendas. 1789.) für die Freiheit der Neutralen! (Ueber s. System vgl. Wheaton, Histoire p. 159 s. u. I, 273. éd. 2). Nachhall fand dieses in Jo. Ehrenreich de Behmer † 1777. Observations du droit de la nature et des gens touchant la capture et la détention des vaisseaux et effets neutres. Hamb. 1771, und lateinisch im nov. ius controv. Noch lebhafter wurde indeß der Kampf während des Nordamerikanischen Befreiungskrieges. Hauptwerke aus dieser Zeit sind, im Geiste der bewaffneten Neutralität und darüber hinaus:

Ferd. Galiani, Dei doveri etc. (f. oben S. 258 Note 4), wogegen Lampredi, Del commercio dei popoli neutrali in tempo di guerra. Fiorenze 1788. Franz. par Penchet. Par. 1802. die bisherige Praxis noch in Schuß nahm; sodann

in Deutschland:

Totze, la liberté de la navigation. Lond. et Amst. 1780.

Aus der Zeit der Französischen Revolutions kriege stammen:

de Steck, Essais sur div. sujets. 1799.

D. A. Azuni, Sistema universale dei Principii del diritto marit. 1795. Franz. 1805.

Büsch, über das Bestreben der Völker neuerer Zeit, einander in ihrem Seehandel recht wehe zu thun. Hamb. 1800.

Prof. Schlegel, sur la visite des bâtiments neutres. Copenh. 1800. und die Gegenschriften der Englischen Publicisten Alex. Croke und Rob. Ward.

Rayneval, de la liberté des mers. Par. 1801.

Jo. Nic. Tetens, Considérations sur les droits réciproques des puissances belligérantes et des puissances neutres. Copenh. 1805 (zuerst Deutsch 1802).

Jouffroy, le droit des gens maritime. 1806.

Zuletzt noch:

(Biedermann) Manuel diplomatique sur le dernier état de la controverse concernant les droits des neutres. Leipz. 1814. Massé, droit comm. § 172 s.

Vgl. wegen dieser Literatur auch Jacobsen, Seerecht S. 521 f., jezt vorzüglich das Werk von Reddie (oben S. 271, Note 1), desgl. das schon oft genannte von Hautefeuille; über die neuere Gestalt der Dinge: E. W. Asher, Beiträge zu einigen Fragen über die Verhältnisse des Seehandels in Kriegszeiten. Hamb. 1854. Ldw. Geßner, das Recht des neu

tralen Seehandels. Bremen 1855. Desselben Le Dr. des Neutres sur mer. Berlin 1865. The Law of maritime capture and blockad, in National Review, Lond. January 1863. p. 116.

Blocaderecht 1.

154. Schon oben (§ 112 und 121) ist das Recht der Blocade gegen feindliche Häfen, Festungen, ja ganze Küsten' als ein legitimes Recht der Kriegführenden unter einander aufgestellt worden; alle Mächte, die dazu die Mittel haben, üben es; auch Neutralbleibende können es daher den wirklich Kriegführenden nicht streitig machen und müssen folglich die Rückwirkungen dieses Rechtes auf sich selbst anerkennen. Es ist ein Act der Occupation eines Theiles des feindlichen Gebietes, auf offener See aber ein Act der Prävention3, den ein später Kommender ohne Kränkung nicht stören darf (§ 73). In der That besteht nun darüber nicht der mindeste Zweifel, daß ein effectiver Blocadestand, d. h. insofern ein im Kriegsstande begriffenes Gebiet durch feindliche Kriegsmacht wirklich eingeschlossen ist, es sei zur See oder zu Lande, den Neutralen die Verbindlichkeit auferlegt, sich jeder Störung dieser kriegerischen Maßregel und der darin begriffenen Zwecke zu enthalten*; der wesentliche Zweck ist aber die Abschließung des blokirten Ortes von jedem auswärtigen Verkehre und von jeder auswärtigen Unterstützung, welche nicht nur durch Zufuhren von Lebensmitteln, sondern auch durch Mittheilung von Nach

1) Groot III, 1, 5. Bynckershoeck, Quaest. I, 11. v. Steck, Handelsvertr. S. 188 f. Nau, Völkerseer. § 200 f. Jouffroy, Dr. marit. p. 159. Jacobsen, Seerecht S. 677 f. Wheaton, Intern. L. IV, 3, 25. Desselben Histoire des progrès p. 84. M. Poehls, Seerecht IV, 1142. § 523 f. Oke Manning p. 219. Pando p. 497. Ortolan II, 287. Hautefeuille III, 1. Wildman II, 178. Massé § 281. Phillimore III, 238. Halleck ch. XXIII. Gessner p. 145-227. 2) Hautefeuille III, 54. 55. Phillimore III, 382-416.

3) Nicht ganz richtig möchte Ortolan II, 291 die Blocade als eine Substitution d'une souveraineté à l'autre qualificiren. Auf freiem Meere ist überhaupt von keiner Souveränetät die Rede. S. dagegen auch Hautefeuille III, 14. 21.

4) Wenn man sogar neutrale Ströme in Blocadezustand erklärt hat, wie im Jahre 1803 wegen der Französischen Besetzung Hannovers, so findet dieses allenfalls eine Rechtfertigung in der Gemeinschaftlichkeit eines Flusses. Gewiß sind aber hier besondere Modificationen zu Gunsten der Neutralen zu statuiren. Dennoch ist dieses nicht immer geschehen. Vgl. Jacobsen S. 707. Hautefeuille III, 50.

richten und Versendungen nach Außen geleistet werden kann'. Wer dennoch hiergegen handelt, es sei durch Ein- oder Ausgehen, stört nicht nur die Aufmerksamkeit der blokirenden Kriegsmacht, sondern läßt auch eine Vereitelung der Blocadezwecke befürchten, oder macht fich offenbar zu einem Gehülfen des Feindes; er kann sich also dann keiner anderen Behandlung getrösten, als dem Feinde selbst zu Theil werden würde. Wegnahme der Schiffe oder sonstiger Transportmittel mit allem darauf Befindlichen, und dann ferner nach Umständen eine Appropriation dieser Gegenstände, sowie Repressalien gegen die Führer und Mitschuldigen erscheinen demnach im Allgemeinen ganz als eine kriegsrechtliche Consequenz, welche sich auch die Staaten bisher und wechselseitig ohne allen Einspruch zugestanden haben. Dennoch fehlt es in der Ausübung dieses an sich unstreitigen Rechtes nicht an Zweifeln, Controversen und Uebertreibungen*.

155. Als erster Streitpunkt erscheint die Frage: von welchem Moment an die Blocade den Neutralen gegenüber als wirklich vorhanden anzunehmen sei. Der Natur der Sache nach gehört dazu die wirkliche Einschließung des blokirten Ortes, wodurch jeder Zugang von Außen her, es sei nun auf allen Seiten oder doch auf. derjenigen Seite, von woher die Annäherung eines neutralen Transportmittels erfolgt, wenn auch nicht unmöglich gemacht, doch aber so erschwert wird, daß die Verbindung mit dem blokirten Orte nicht bewirkt werden kann, ohne die Blocadelinie zu zerschneiden, und ohne sich der Gefahr auszusetzen, von der Blocademacht aufgehalten oder mit Kriegsgeschossen betroffen zu werden. In mehreren Staatenver

1) Jouffroy detaillirt S. 160 die einzelnen Zwecke der Blocade näher; jedoch scheinen die daran geknüpften unterschiedlichen Wirkungen nicht begründet, auch sind fie in der Praxis nicht angenommen.

2) Wildman II, 200. Phillimore III, 383.

3) Die neuere Britische Praxis gestattet indessen dem Eigenthümer der Waare den Beweis einer Nicht-Complicirung. Oke Manning p. 320. Phillimore 406. 4) Eine der ältesten und wichtigsten Urkunden für das neuere Europäische Blocaderecht ist das Edict der Generalstaaten der vereinigten Niederlande von 1630 (commentirt von Bynckershoeck in Quaest. publ. I, 11), worin sich in der That schon die Grundadern der späteren Praxis in ihrer ganzen Exorbitanz zeigen. Vgl. darüber Wheaton, Histoire p. 86 s. (I, 163). Nach gesunkener Macht haben die Niederlande ihre Sprache freilich geändert!

5) S. besonders Wheaton Intern. L. II, p. 232 s. éd. fr. II, 172. Halleck XXIII, 4. Gessner p. 169.

trägen sind ausdrückliche Bestimmungen in diesem Sinne', zuweilen selbst in der Art getroffen worden, daß man bei Blocaden zur See die Zahl der Schiffe eines Blocadegeschwaders festgesezt hat2, was indeß nicht zur Regel geworden ist. In welcher Nähe sich die blokirende Macht bei dem blokirten Plaße zu befinden habe, wird natürlich von den Umständen abhängen. Gewiß muß es schon genügen, wenn ein Geschwader dergestalt stationirt ist, daß es den Zugang zu dem blokirten Orte beobachten und nach gewöhnlicher Berechnung einem sich annähernden fremden Schiffe noch zuvor- oder beikommen kann.

Nach allgemeinem Einverständnisse, welches wieder auf der an sich unabhängigen Stellung der Neutralen beruhet, kann indessen die bloße Gegenwart einer Kriegsmacht vor einem feindlichen Plaze noch keine Gewißheit darüber geben, daß eine Blocade oder Absperrung der Zweck davon sei, namentlich bei Blocaden zur See. Es wird deshalb noch immer eine besondere Bekanntmachung an die Neutralen für nöthig erachtet, welche entweder an Ort und Stelle einem sich Annähernden oder schon unterweges durch Kreuzer u. s. w. gegeben wird, oder auch allgemein auf dem Wege diplomatischer Mittheilung an die neutralen Staatsgewalten, die dann nicht verfehlen, ihre Angehörigen davon weiter in Kenntniß zu setzen. Ist eine solche Notification geschehen, so nimmt man an, daß selbst eine momentane

1) v. Steck S. 188. 189. Nau, Völkerseer. § 202 f. Die bewaffnete Neutralität von 1800 ließ denjenigen Hafen als blokirt gelten, où il y a par la disposition de la puissance qui l'attaque avec des vaisseaux arrêtés et suffisamment proches un danger évident d'entrer. Martens, Rec. VII, 176. Die Russisch - Englische Convention vom Juni 1801 sette an die Stelle des et ein ou. Vgl. darüber Wheaton, Histoire p. 326 (II, 86). Das Preuß. Allg. Landrecht Th. I, Tit. 9, § 219 hat die Neutralitätsconvention als Norm beibehalten: „Für eingeschlossen ist ein Hafen zu halten, wenn derselbe durch eine feindliche Landbatterie oder durch Kriegsschiffe, die vor dem Hafen stationirt sind, gesperrt ist.“ Die Pariser Beschlüsse von 1856 fordern le maintien du blocus par une force suffisante pour interdire réellement l'accès du littoral de l'ennemi.

2) Zwei Schiffe z. B. oder sechs. Vgl. v. Steck S. 188. Klüber, Völkerrecht § 297. Diese Verträge sind aber ganz vereinzelt und gehören dem vorigen Jahrhundert an. Nur noch ein Vertrag zwischen Preußen und Dänemark vom Juni 1818 verlangt im Art. 18 zwei Schiffe, nicht zwanzig, wie bei Klüber gedruckt steht. Martens, N. R. IV, 532. Vgl. Hautefeuille III, 60.

3) S. besonders Hautefeuille III, 61–92.

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