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ten oder vorgeschriebenen Vernunftgesehes, dem sich kein menschliches Wesen und menschlicher Verein entziehen dürfe. Diese Richtung beginnt schon vor Groot'; sie war der nothwendige Gegensatz, um die Herrschaft der rein materiellen politischen Interessen zu stürzen; aber auch in ihr selbst fehlte es nicht an Gegensäßen. Auf der einen Seite gab es Manche, welche ein durch sich selbst verbindliches positives, namentlich internationales Recht gänzlich leugneten und das vermeintlich allein wahre natürliche Recht entweder auf die substanzielle Wucht der Gewalt oder auf einen göttlichen Auftrag der Herrschaft über Andere, wodurch dann erst das menschliche Recht selbst geschaffen werde, gründeten, wie z. B. der Brite Hobbes, geb. 1588,

1679, der die Gewalt vergötterte', in Frankreich noch in neuerer Zeit, wenn auch in anderer Weise Herr von Bonald3; oder auf die ethischen Regeln der Gerechtigkeit für alle Menschen, wie Samuel v. Pufendorf, geb. 1631, † 1694, in seinem ius naturae et gentium*; sodann Christian Thomasius (1655-1728) in mehreren Schriften.

Je mehr diese Lehren aber gegen die Wirklichkeit anstießen oder der Willkür der Macht das Feld ebneten, desto mehr fanden sie Widerstand. Der größere Theil der Rechtsgelehrten bewegte sich lieber auf dem bequemeren und praktischen Boden der Grootischen Anschauung, legte auch dem Positiven eine Verbindlichkeit bei und betrachtete das s. g. natürliche Recht der Einzelnen und der Völker als eine unmittelbar verbindliche, wenigstens als eine subsidiarisch giltige Quelle. In diesem Sinne lehrte und schrieb zunächst nach Groot der Brite Richard Zouch (1590-1660). Auch die Philo

1) Dahin gehört: J. Oldendorp, † 1557, in f. Isagoge iur. natural. Col. 1539. Nic. Hemming zu Copenhagen, in s. method. apodod. L. nat. Vitemb. 1562.

2) Sein am meisten hierher gehöriges Werk sind die Elementa philosophica de cive. 1642.

3) Zuerst in s. Théorie du pouvoir politique et religieux. Constance 1796. Dann in f. Législation primitive, u. f. f.

4) Zuerst erschienen 1672. Voraus gingen die Elementa iurispr. universalis. 1660. Nachher folgte de officiis hominis et civis. 1673. Vgl. darüber und über seine Gegner Struv, Bibl. iur. imp. I, V.

5) Besonders in den Fundamenta iur. naturae et gentium. Hal. 1705. 1708. Vgl. Struv. I, VI.

6) Iuris et iudicii fecialis sive iuris inter gentes et quaestionum de

sophen kamen bald hiebei zur Hilfe, vorzüglich Christian Friedrich v. Wolff (1679-1754), welcher sich im Wesentlichen mit Groot einverstanden zeigte'. In ähnlicher Weise dachten und schrieben Hermann Friedrich Kahrel (1719-1787), Adolph Friedrich Glafey (1682 — 1754)3, vorzüglich Emerich von Vattel, ein Schweizer (1714—1767), dessen Werk3, ganz dem System Wolf's entsprechend, nur durch seine gefällige und praktische, obgleich oft seichte Weise sich einen Platz neben Groot in den Bibliotheken der Staatsmänner verschafft hat; außerdem T. Rutherford', J. J. Burlamaqui3 und Gerard de Rayneval®.

Noch weiter in dem Gegensatze zu Pufendorf gingen die vorzugsweisen Anhänger des historisch-praktischen Rechtes, unter denen sich wieder zwei Fractionen unterscheiden lassen: nämlich die reinen Positivisten, welche nur ein durch Herkommen oder Verträge bestätigtes internationales Recht anerkennen, ein Naturrecht oder natürliches Völkerrecht aber ganz ignoriren oder dahingestellt sein lassen, und andrerseits diejenigen, welche zwar in dem Völkerwillen allein den Grund eines praktischen gemeinsamen Rechtes finden, denselben jedoch nicht blos in äußeren Manifestationen suchen, sondern in der Nothwendigkeit der Dinge, in den Standpunkten und Verhältnissen, worin die Nationen zu einander treten, als von selbst gegeben entdecken, somit zwar kein absolut verbindliches ius naturale, wohl aber die naturalis ratio der Personen, Dinge und Verhältnisse, oder auch überhaupt das Wollen der Gerechtigkeit, in den Willen der Nationen eingeschlossen betrachten.

eodem explicatio. Zuerst Oxon. 1650 und nachher sehr oft. v. Ompteda § 64. 130. Wheaton, Hist. du progr. p. 45 (I, 141).

1) Sein Hauptwerk: Ius gentium methodo scientifica pertractatum. 1749. Darüber v. Ompteda § 93 f. Wheaton, Hist. du progr. p. 121 (I, 227).

2) Sein Vernunft- und Völkerrecht erschien 1723. Sein Völkerrecht 1752. 3) Le droit des gens. Zuerst 1758; mit Noten von Pinheiro Ferreira. Paris 1838, jezt Paris 1863. Darüber v. Ompteda § 99. Wheaton p. 127 (I, 236).

4) Institutes of natural law. 3 Vols. Lond. 1754.

5) Principes ou éléments du droit politique. Zuerst Genève 1747, zuletzt Lausanne 1784. In Gr. Britannien viel gebraucht.

6) Institutions du dr. de la nature et des gens. à Par. an XI (1803) und 1832.

Zur letteren Fraction gehörte bereits Samuel Rachel (1628 bis 1691), der unmittelbare Gegner Pufendorf's'; sodann Johann Wolfgang Tertor (1637–1701) mit einigen Andern3. Zur Fraction der reinen Positivisten hingegen, den Männern des Herkommens, der Geschichte und Praxis: Cornelius van Bynkershoek (1673 bis 1743), der Chevalier Gaspard de Real'; in Deutschland J. J. Moser (1701-1786), der sich fast nur an äußere Thatsachen hielt3; sodann beinahe die ganze neuere publicistische Schule, nachdem Kant das Naturrecht gestürzt, das Recht von der Ethik und Speculation getrennt und lediglich der positiven Willkür überwiesen hatte. In diesem Sinne lehrte und schrieb Ge. Friedr. v. Martens (1756-1821), der das gegenseitige Recht der Nationen wesentlich auf Verträge und die daselbst angenommenen Grundsäße baute; ferner Carl Gottlob Günther (geb. 1772); Friedrich Saalfeld (Göttingen 1809), Theodor Anton Heinrich Schmalz (1760-1831), Johann Ludwig Klüber (1762-1835), Julius Schmelzing, Carl Heinrich Ludwig Pöliz (1772-1834) und Karl Salomo Zachariä (1769–1843), bei denen überall das natürliche oder philosophische Völkerrecht höchstens als influenzirendes Motiv des Positiven, oder auch als fubsidiarisches Recht im Fall der Noth angesehen wird, ohne daß man sieht, wie es zu dieser Ehre kommt, worauf es sich stützt, und ohne daß die vorgetragenen Lehren durchgängig als positive dargethan werden können. Als Gegner dieses Systems ist in neuester Zeit Pinheiro Ferreira in seinen Commentarien zu v. Martens aufgetreten, im Geiste der zuvor erwähnten Fraction, welche einer wissenschaftlichen Reflerion und

1) Ueber ihn und seine Ansichten vgl. v. Ompteda § 73.

2) S. ebendas. § 74. 75.

3) Hauptschrift: Quaestionum iur. publ. Libri II. Lugd.-B. 1737 und öfter. Vgl. v. Ompteda § 150. Wheaton, histoire I, 244 und intern. Law. § 7.

4) In seinem 1754 erschienenen Werk: La science du gouvernement. P. V. 5) Hauptwerk dieses unermüdlichen Publicisten: Versuch des N. Europ. Völterrechts, 1777-1780. 10 Thle. S. außerdem v. Ompteda § 103. v. Kampt, N. Lit. § 35.

6) Seine Ansichten sind zuerst dargestellt in einem zu Göttingen erschienenen Programm v. d. Existenz eines positiven Europ. Völkerrechts. 1784. Seine Schriften in v. Kampß N. Lit. § 35 u. s. f.

7) Le droit des gens p. G. Fr. de Martens, avec des notes p. Pinh. Ferreira. 1831. 2 ts.; par Ch. Vergé. 2 Vols. Par. 1858.

Polemik nicht entbehren will, wogegen M. Wheaton' sich wesentlich auf die Seite der Praxis und Positivisten gestellt hat, ohne sich der recta ratio, d. i. der Kritik aus den höheren Gesichtspunkten einer allgemeinen Gerechtigkeit zu verschließen. Denselben Standpunkt nehmen im Ganzen auch die neuesten Bearbeitungen des Völkerrechtes durch Französische, Britische und Spanische Schriftsteller'2.

Am entferntesten von allen bisher geschilderten Fractionen stehen diejenigen, welche das Völkerrecht nur von dem Interesse der Staaten abhängig machen, sei es von den Individual - Interessen jedes Einzelstaates, oder von den allgemeinen Interessen aller Staaten, wie Montesquieu und in neuerer Zeit Jeremias Bentham'. Das wahrhaft Nügliche ist zwar mit dem sittlich-nothwendigen identisch; es finden jedoch über Jenes gar leicht Mißverständnisse statt.

1) Elements of the intern. law. Lond. 1836. 2 vls., jetzt herausgegeben zu Boston, von Lawrence. Französische Bearbeitung unter dem Titel: Éléments du dr. intern. Leipz. Par. 1848. 1858.

2) Es mögen hier angeführt werden die Franzosen: Du Rat-Lasalle, Droit et législation des armées de terre et de mer, woselbst t. I, p. 370 ein Précis du droit des gens; vorzüglich Théodore Ortolan, Règles internationales de la mer. Par. 1845. Die Briten: Oke Manning, Commentaries on the Law of Nations. Lond. 1839. James Reddie, Researches in maritime Intern. Law. Edinb. 1844. 1845. 2 vls. Wildman, Intern. Law. Lond. 1849. 2 vls. Rob. Phillimore, Commentaries upon Intern. Law. Lond. 1854. 1855. 1857. 3 vls. Travers Twiss (Professor in civil Law), the Law of nations. Oxf. 1861. 2 vls. In Nordamerika: Kent, Commentaries on American Law. Vol. I. H. W. Halleck, Intern. Law. New York 1861. In Südamerika: Andr. Bello, Principios de Derecho de Gentes, publ. en Santiago de Chile. reimp. Par. 1840. Der Spanier: Jose Maria de Pando, † 1840. Elementos del Derecho Intern. Madr. 1843, und Antonio Riquelme, Elementos de Derecho Publ. internacional, con explication de las reglas que constituyon el dereche internacion. Espagnol. tom. I. II. (appendice). Ueber die Verdienste der Niederländer 2c. vgl. Did. van Hogendorp, Comm. de iuris gent. studio in patria n. post Hugonem Grot. Amstelod. 1856.

3) Der Vorwurf eines nationalen Egoismus kann am Meisten den Schriftstellern über das Seerecht gemacht werden (wovon unten), namentlich den Britischen, während sich die Französischen in neuerer Zeit mehr dem cosmopolitischen Standpunkt mit den Deutschen und Scandinavischen Schriftstellern zugewendet haben. 4) De l'esprit des lois. I, 3.

5) Jerem. Bentham, Principles of internat. Law. (Works, coll. u. s. of J. Bowring. P. VIII, p. 535 s.)

6) Gute Bemerkungen darüber s. b. Oke Manning, p. 58 s.

Auch die neueste Philosophie hat den Streit der Systeme und Principien noch nicht beseitigt. Sie glaubt entweder mit Schelling an eine Gesetz - Offenbarung des göttlichen Geistes für die Nationen, oder sie vindicirt mit Hegel auch das Völkerrecht der menschlichen Freiheit, dem Willen, der sich selbst das Recht jetzt oder in Gemeinschaft mit anderen bildet.

Unsere Ueberzeugung haben wir schon oben (§§ 2. 3) ausgesprochen'.

III.

Die Specialrechte der Nationen untereinander.

Natur derselben.

11. Unter der Aegide des gemeinsamen Völkerrechtes entstehen die Einzelrechte der verschiedenen Staaten und zwar theils schon von selbst mit dem Eintritte oder Dasein gewisser Verhältnisse, theils durch besondere Erwerbung (§ 12). Ihrem Inhalte nach haben sie entweder die Erhaltung der Eristenz, sowie die Beförderung materieller Interessen zum Gegenstand, oder nur die Würde der einzelnen Nationen. Letzteres sind die in der diplomatischen Sprache s. g. Ceremonialrechte (droits de cérémonie, droits cérémoniels), die entweder ganz für sich bestehen, oder, wie häufig der Fall ist, nur die weitere formelle Ausbildung eines an sich nothwendigen Rechtsverhältnisses sind. Von ihnen wird in der Folge blos in so weit die Rede sein, als sie dem internationalen Rechtsgebiet wirklich ange= hören, d. h. so weit Staaten und Regierungen gegen einander darauf zu bestehen ein Recht haben, keineswegs aber von dem ganzen s. g. Ceremoniel der Höfe, Staatsbehörden u. s. w. in auswärtigen und einheimischen Verhältnissen, so weit solches von der eigenen Willkür jedes Staates abhängig ist2.

1) Eine sehr dankenswerthe Uebersicht der verschiedenen Theorien giebt Warnkönig in der Tübinger Zeitschr. f. R.-Wissensch. VII, 622 f.

2) Wir gebrauchen hier das Wort Ceremonialrecht hauptsächlich in demjenigen Sinne, worin man auch von einem s. g. Ceremonial - Charakter der diplomatischen

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