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völkerrechtlicher Charakter der ihn verleßenden Gegenpartei unbekannt war'. Ist eine Beleidigung der völkerrechtlichen Person eines Abgeordneten wirklich zugefügt, und zwar von Seiten der auswärtigen Staatsgewalt selbst, so ist diese auch zu einer Genugthuung im völkerrechtlichen Wege nach Maßgabe der zugefügten Kränkung in einer der bereits früher bezeichneten Weisen verbunden (§ 102). Ist sie von einem ihrer Unterthanen zugefügt, so kann die Genugthuung nur von diesem nach den Gesetzen seines Staates gefordert und dafür dessen Vermittelung in Anspruch genommen werden (§ 103). Daß indessen der Abgeordnete selbst sich Recht nehmen dürfe, wie behauptet worden ist, kann wenigstens außer dem Falle einer noch zulässigen Vertheidigung nicht für erlaubt erachtet werden2.

Exemtion von fremder Staatsgewalt.

205. Auch eine Eremtion der diplomatischen Agenten von jedem störenden Einflusse der fremden Staatsgewalt auf ihre Handlungen versteht sich so sehr von selbst, daß sie bereits im Alterthume in einzelnen Beziehungen hervortritt. So wurde im Römerstaate sogar den Abgeordneten einzelner Provinzen oder Städte ein ius domum revocandi zugestanden, d. h. das Recht, während ihres Aufenthaltes in Rom die Einlassung auf Civilklagen aus älteren Forderungen, ja selbst auf Anklagen wegen früherer Vergehen zu verweigern oder sich doch nur vorläufig darauf einzulassen3. Das neuere Völkerherkommen hat dieses bei eigentlichen Gesandten in Verbindung mit der persönlichen Unverletzbarkeit zu einem Exterritorialitäts - Privilegium gestaltet, wovon jedoch kein Schluß auf alle anderen diplomatischen Personen (§ 198) sofort zu machen sein würde, deren Rechtsverhältnisse vielmehr nur aus den natürlichen Postulaten des diplomatischen Verkehres zu erklären und zu reguliren sind.

1) Vgl. Vattel IV, 82. Merlin V, Nr. 2.

2) v. Pacassy, Gesandtschaftsrecht S. 167. Klüber, Völkerrecht § 203, Note e, woselbst die entgegenstehende Ansicht v. Römers angeführt ist. Eine Menge Beispiele von Verlegungen gesandtschaftlicher Personen und dafür gegebenen Genugthuungen f. in B. de Martens, Causes célèbr. II, 390. 439 f. Mirus § 340. 3) L. 2, § 3—6. 1. 24, § 1. 2. l. 25, D. de judiciis. L. 12, D. de accusation, und dazu Bynckershoeck, de iudice comp. c. 6. Merlin V, § 4. Die Grundansichten der neueren Publicisten sind auch dargestellt in Wheaton, Histoire p. 170 (I, 290).

In der Natur der Sache ist nun ein Mehreres nicht begründet, als daß alle diplomatischen Personen, wenn ihre Function gehörig beglaubigt und anerkannt ist, sogar in ihren eigenen persönlichen Angelegenheiten mit einer besonderen Rücksicht behandelt werden müssen, damit das ihnen aufgetragene Geschäft nicht unterbrochen oder beeinträchtigt werde'. In welcher Weise dergleichen Störungen indessen zu entfernen seien, würde in Ermangelung conventioneller Bestim= mungen von den Geseßen und Anordnungen jeder Staatsgewalt abhängen, in deren Bereiche sich jene Personen befinden; die natürliche Regel des Völkerrechtes widersetzt sich nur jedem Acte der Staatsgewalt, es sei in Justiz- oder Verwaltungssachen, womit die persönliche Unverlegbarkeit eines fremden Abgeordneten und die Würde des von ihm vertretenen Staates nicht zusammen bestehen könnte, so daß namentlich kein persönliches Zwangsverfahren gegen ihn angewendet werden darf2.

Pflichtverhältniß der diplomatischen Personen im fremden Staate und Rechte desselben gegen fie.

206. Das Hauptmotiv, welches das Verhalten eines Abgeordneten in dem fremden Staate bestimmen muß, ist die Pflicht einer treuen Vertretung aller Interessen des absendenden Staates nach den Zielen und in den Grenzen des empfangenen Auftrages, dessen Erklärung und Auffassung selbst wieder nur durch die Sorge für das Heil, die Würde und den Bestand des vertretenen Staates geleitet werden muß. Andererseits ist es die dem fremden Staate und seinem Rechte gebührende Achtung, welche die zur Erreichung des Zweckes

1) „Ne impediatur legatio,“ „ne ab officio suscepto legationis avocetur" ist auch der Grund der obigen Vorschriften des Römischen Rechtes.

2) Eine gänzliche Befreiung von der auswärtigen Gerichtsbarkeit in persönlichen Sachen der Gesandten kann aus der Natur des Gesandtschaftsverhältnisses allerdings wohl nicht hergeleitet werden, wie solches noch neuerdings wieder von Pinheiro Ferreira zu Vattel IV, 92 ff. und schon von vielen Aelteren bemerkt, auch nicht allezeit in der Praxis der einzelnen Staaten angenommen ist. Freilich aber eine Gerichtsbarkeit ohne die Möglichkeit einer Zwangsrealisirung hat sehr wenig Bedeutung, und die Grenze, bis wohin sie dennoch gehen kann, ihre großen Schwierigkeiten. Daher erklärt sich die Aufnahme der Exterritorialitätsfiction in die neuere Staatenpraxis.

dienlichen Mittel normirt. Der Abgeordnete hat sich daher jeder Kränkung des auswärtigen Staates und seiner Institutionen zu enthalten, desgleichen aller Einmischung in die Verwaltung mit Anmaßung von befehlender Gewalt und Form'. Er hat sich lediglich auf Anträge und Verhandlungen zu beschränken, sowie auf thatsächliche Behauptung seiner Stellung im Wege der Vertheidigung. Ueberschreitet er die Grenzen seiner Stellung, so hat die fremde Regierung das Recht, ihn auf dieselben zurückzuweisen und überdies nach Bewandtniß der Umstände auf eine Genugthuung bei seinem Souverän zu bestehen; endlich auch bei wirklichen Angriffen und Verletzungen der Staatsordnung vertheidigungsweise, ja selbst feindlich gegen seine Person zu verfahren. Sogar die Fiction der Exterritorialität kann hiergegen, wie man weiterhin sehen wird, keinen Schuh gewähren; denn das Hausrecht des fremden Staates gegen jede fremdartige Beeinträchtigung bleibt dadurch unberührt.

Dagegen ist Alles, was der Abgeordnete innerhalb der Grenzen seines beglaubigten oder präsumtiven Auftrages gethan hat, auch für den absendenden Staat verbindlich, deffen Gutheißung und Vollziehung von diesem nicht verweigert werden kann, ausgenommen sofern noch die rechtliche Möglichkeit einer Ratificationsverweigerung gegeben ist (§ 87), oder sofern sich der Abgeordnete einer treulofen Benutzung seiner Vollmachten schuldig gemacht hat, oder sofern die vorzulegende Vollmachtbeschränkung von ihm nicht vorgelegt worden ist. Daß der eigene Dolus der fremden Regierung bei der Verhandlung mit dem Abgeordneten ihr kein Recht gegen den absendenden Staat verschaffen könne, versteht sich von selbst.

Die Summe der Pflichten im diplomatischen Verkehre ist Treue gegen den eigenen Staat, Redlichkeit gegen den fremden; nichts also auch widersprechender als ein System gegenseitiger Bestechung der Staatenvertreter. Nicht einmal Geschenke für vollendete Verhandlungen sollten erlaubt oder gebräuchlich sein, so wenig als im übrigen Staatsdienste. Auch die Aussicht auf ein Geschenk kann blenden und das Gewissen über das Staatswohl einschläfern3.

1) Wicquefort, l'Amb. II, c. 4.

2) Vgl. Merlin Sect. V, § 4, n. 10. 11.

3) Die angeblichen, anscheinend apokryphischen Lois de Charles V. au sujet des ambassadeurs (abgedruckt italienisch in Rousset, Cérém. dipl. I, 481, fran

Verhältniß zu dritten Staaten.

207. Alles Vorbemerkte leidet wesentlich nur Anwendung demjenigen Staate gegenüber, an welchen die Mission erfolgt, nicht aber auch gegen einen dritten Staat. Dieser hat nur solche Rücksichten zu nehmen, welche er überhaupt gegen fremde Unterthanen, im Besonderen aus dem absendenden Staate, zu beobachten schuldig ist; auch kann seinen eigenen Rechten in anderer Beziehung nichts durch die fremde Mission entzogen werden. Indessen gebietet das allge= meine Interesse an einem ungehinderten diplomatischen Verkehre und die jedem anderen Staate schuldige Achtung, vornehmlich bei friedlichen und freundschaftlichen Verhältnissen, jedem dritten Staate von selbst, sich einer unnöthigen Störung des fremden Durchgangverkehres zu enthalten; ja, das gleiche Interesse fordert, wie durch stillschweigende Convention, zur möglichsten Beförderung solchen Verkehres auf.

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zösisch bei de Real V, 33 und in Martens, Erzählungen I) sagen über Obiges: IX. Le caractère d'Ambassadeur est si respectable, que quand même il feroit un traité contraire aux intérêts du Prince qui l'a envoié, ce Prince n'en seroit pas moins tenu d'observer inviolablement le traité. Autrement il violeroit le droit des gens et de la société civile. X. Si un Ambassadeur devient infidèle au Prince qui l'envoie, et s'il le trahit en faveur du Prince, chez lequel il réside, tous les traités qu'il conclura dans cette situation seront absolument nuls, de quelque espèce et nature qu'ils soient. XI. Aucun Prince ne pourra, sans encourir le blâme d'infamie, tenter de corrompre l'Ambassadeur d'un autre, quand même cet autre Prince seroit son ennemi, parcequ'une séduction de cette nature blesse le droit des gens. S'il arrive qu'un Ambassadeur devienne infidèle à son Prince, le souverain chez lequel il réside doit le lui renvoyer chargé de fers. XII. Qu'il soit défendu à l'Ambassadeur de recevoir des présents du Prince avec lequel il traite, surtout si l'on peut soupçonner que par là ce Prince veut l'obliger à favoriser ses intérêts. Il peut néanmoins selon l'usage établi dans les cours, recevoir, à la fin des négociations l'illustre marque de bienveillance que les souverains ont coutume de donner en pareille conjoncture; mais lorsqu'il est de retour dans sa patrie il doit mettre ce présent aux pieds de son prince et reconnoître qu'il ne le tient que de sa bonté." S. übrigens auch Jo. Chr. Eschenbach, Imperans an factum ministri contra jussum specialem agentis ratum habere sit obligatus? Rost. 1753. Aug. Gtthf. Schmuck (s. Eisler), de contractu legati contra mandatum arcanum valido. Vitemb. 1758. Und wegen der Geschenke Leyser, spec. 671 Cor. 6.

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Gewiß aber eristirt kein Zugeständniß der Unverlegbarkeit fremder Gesandten Seitens dritter Staaten, vielmehr haben diese in einzelnen Fällen stets den Grundsatz, daß sie den Charakter des fremden Abgeordneten nicht zu respectiren haben, sobald ihr eigenes Recht damit in Conflict kommt, behauptet. Ja, man hat durchreisende Gesandte einer fremden Macht, mit welcher man im Kriege befindlich war, arretirt, desgleichen Personalarrest wegen civilrechtlicher Verbindlichkeiten gegen sie verfügt3. Ebenso wenig kann bezweifelt werden, daß gegen den Abgeordneten wegen Verbrechen, womit er dem dritten Staate verhaftet ist, eine Arretirung, Untersuchung und Bestrafung zulässig sei. Kein diplomatischer Agent darf sich endlich in die Angelegenheiten eines dritten Staates mit dem anderen mischen, bei welchem er angestellt ist, sofern ihm dazu kein Auftrag ertheilt ist, widrigenfalls gegen ihn auf Zurechtweisung bei der absendenden Regierung angetragen werden kann*. Geschüßt bleibt dagegen die völkerrechtliche Person des Abgeordneten in dem Staate, bei welchem er accreditirt ist,. selbst wenn er hier in die Hand einer dritten Macht geräth, sofern er nur selbst keine Feindseligkeiten wider leßtere verübt hat; desgleichen seine Correspondenz auf neutralen Schiffen aus neutralem Lande nach dem Mutterlande und umgekehrt®.

1) In den angeblichen Gesetzen von Carl V. heißt es zwar unter Nr. XV: „Lorsque les Ambassadeurs devront passer par d'autres souverainetés que celles où leur maître les a envoyés, il faudra qu'ils soient munis de Passeports pour éviter tous fâcheux accidents, car à leur passage, ils ne peuvent prétendre d'autres égards que ceux qui sont accordés par le droit des gens et aux étrangers selon leur rang et leur fortune; mais la correspondence mutuelle des nations veut qu'un caractère si éminent soit respecté partout." Eine ähnliche Ansicht stellte Vattel auf IV, 84. Allein es ist Alles nur guter Wille des dritten Staates. Die richtige Ansicht s. bei Merlin V, § 3, n. 4 und § 5, n. 14. Ward, Enquiry II, 556 s. Wheaton, Intern. L. III, 1, 11 (20 éd. fr.).

2) Wie dem Marschall Belleisle 1744 widerfuhr. v. Martens, Erzählungen I, 152. B. de Martens, Causes célèbres I, 285.

3) So gegen den Grafen Wartensleben 1763. v. Martens, Erzähl. I, 170. 4) Ein Beispiel f. in B. de Martens, Causes célèbres I, 311.

5) Dies war der Fall des Grafen Monti in Danzig. B. de Martens, ibid. I, 210.

6) Wheaton, Intern. L. III, 1, 20 (19 éd. fr.). Phillimore IV, 368. Halleck XXVI, 18. Ortolan II, 218. Vgl. oben § 161 a.

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