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Reine Convenienzbesuche, die freilich kaum unterlassen werden dürfen, sind vorab die Besuche oder Vorstellungen bei den Mitgliedern der souveränen Familie in monarchischen Staaten; sodann bei dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten und bei den Mitgliedern des diplomatischen Corps. In der letzteren Beziehung ist sogar von einem Rechte des ersten Besuches die Rede; Gesandte erster Classe haben einen solchen nicht selten von dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten, gewiß von den bereits anwesenden Gliedern des diplomatischen Corps verlangt; dennoch aber beruhet hier Alles auf bloßer Höflichkeit; ein Zwangsrecht ist durch den Gebrauch schwerlich als begründet anzusehen1.

Specielle Rangrechte 2.

219. Die Aengstlichkeit, womit die Regierungen von jeher ihre Würde zu bewachen suchten, führte auch zu einer ängstlichen Beobachtung der Rangverhältnisse unter den diplomatischen Vertretern. Die größere Geschmeidigkeit der jetzigen Zeit und Sitte macht es möglich, sie auf folgende Säge zu beschränken:

I. unter Gesandten derselben Macht entscheidet über den Vorrang die Vorschrift des eigenen Souveräns und stillschweigend die Ordnung in dem gemeinschaftlichen Creditiv;

II. unter Gésandten verschiedener Mächte entscheidet zunächst die höhere Classe ohne Rücksicht auf den Rang der Souveräne;

III. unter Gesandten derselben Classe entschied sonst der Rang des absendenden Souveräns oder das Verhältniß des fremden Souveräns zu den einzelnen auswärtigen Regierungen. Das Wiener Rangreglement der acht Europäischen Mächte läßt das Datum der amtlichen Bekanntmachung der Ankunft unter den Mitgliedern derselben Classe entscheiden, vorbehaltlich des Vorzuges, welchen wenigstens katholische Mächte übereinstimmend den päpstlichen Gesandten derselben Classe einräumen. Weder verwandtschaftliche noch sonstige Familienverhältnisse sollen außerdem in Betracht kommen, so wenig

1) Vgl. Merlin sect. IV. Das Uebliche bei den Gesandten erster Klasse s. bei § 221.

2) Chrstn. Guil. Gutschmid (resp. Ferber), de praerogativa ordinis inter legatos. Lips. 1755.

als die Benennung eines außerordentlichen Botschafters, Gesandten und dergl. vor den sogenannten ordentlichen einen Vorzug zu geben vermag.

IV. im eigenen Hause und als Wirth giebt man einem Gesandten gleicher Classe jederzeit den Vorrang. Nur Gesandten erster Classe enthalten sich dasselbe in Betreff der übrigen Classen zu thun.

Besondere Vorrechte der Gesandten erster Classe.

220. Specielle Ehrenrechte hat man in der neueren Europäischen Staatenpraxis allezeit den Gesandten erster Classe zugestanden, indem man ihnen vorzugsweise eine Repräsentation der Person ihrer Souveräne zuschrieb. Kraft derselben haben sie an dem fremden Hofe wohl gar den unmittelbaren Rang nach den Prinzen von Kaiserlichem oder Königlichem Geblüt verlangt, desgleichen vor den regierenden Häuptern selbst, falls ihr eigener Souverän denselben vorgehen würde. Dieser Anspruch ist ohne zureichenden Grund, da, wie schon bemerkt ward, die angebliche höchst-persönliche Repräsentation der Gesandten erster Claffe eine bloße Fiction ohne innere Wahrheit ist. Der Vertreter einer Person ist niemals die physische Person selbst; ebenso wenig kann ein Souverän sich vervielfältigen und das, was an seiner Person ausschließlich haftet, selbst noch Anderen mittheilen'. Auch der Gesandte erster Classe ist daher im fremden Staate nichts als ein fremder Unterthan ersten Ranges, anderen Unterthanen selbst nur als Organ seines Souveräns voranstehend, dadurch aber nicht berechtiget, den eigenen höchsten Organen der fremden Staatsgewalt vorzugehen. Jedoch wird es mehrfach nachgegeben.

Anerkannte Vorrechte der Gesandten erster Classe sind:

a) das Prädicat: „Excellenz", dessen sich nur der auswärtige Souverän selbst nicht zu bedienen braucht;

b) das Recht eines Thronhimmels in ihrem Empfangssaale; c) das Recht, sich in Gegenwart des fremden Souveräns zu bedecken, nachdem dieser selbst damit vorangegangen ist;

d) das Recht mit sechs Pferden und mit Staatsquasten zu fahren; sonst auch gewöhnlich

1) Vgl. H. Cocceji, de repraesentatione legator. und Commentar. zu Groot II, 18, 4.

2) S. Wicquefort I, c. 19, p. 229 und Ward, Enquiry II, 563. 602. Note.

e) ein besonders feierlicher Empfang1;

f) nach dem gewöhnlichen Gebrauche das sog. Recht der ersten Visite, d. h. den ersten Besuch von allen schon anwesenden Gesandten, von den Gesandten erster Classe jedoch erst nach vorläufiger Anzeige der Ankunft, zu erwarten?.

Daß man den päpstlichen Legaten und Nuntien, wenigstens an katholischen Höfen, den Vorrang vor weltlichen Gesandten erster Classe einräumt, ist nach der Stellung der Kirche erklärlich3; dagegen ist es nicht gelungen, den Cardinallegaten denjenigen Rang zu verschaffen, welchen das Ceremoniell des Römischen Hofes, namentlich seit Sirtus V., ihnen bestimmt hatte*.

Familie und Gefolge der Gesandten.

221. Unter die Personen, welche zu der Umgebung eines Gesandten gehören und dadurch ebenfalls bestimmter Rechte und Privilegien, insbesondere der persönlichen Unverlegbarkeit und Erterritorialität mittheilhaftig werden, gehören vorzüglich:

a) Die Gemahlinnen der Gesandten, während ihres Aufenthaltes im fremden Staate.

Eigenthümliche Ceremonialrechte sind ihnen im Allgemeinen zwar nicht zugestanden; man behandelt sie als Fremde von Auszeichnung und weiset ihnen aus Höflichkeit dieselben Ehrenpläge unter den Damen an, welche der Gemahl unter den Männern einnimmt. Nur die Gemahlin eines Botschafters genießt herkömmlich des Titels einer Ambassadrice, so wie meistens des Vorrechtes des Tabouret in Zirkeln der Kaiserinnen und Königinnen. Ein förmlicher Religionscult nach eigener Confession außer der einfachen Hausandacht kann nicht prätendirt werden.

1) Selbst Kanonengruß. Moser,. Beitr. III, 187.

2) Gutschmid § 34.

3) Unwidersprochen ist dieses jedoch nicht immer gewesen. Vgl. Moser, Vers. IV, 52.

4) Vgl. Ward, Enquiry II, 385. 386.

5) Fr. Carl v. Moser, kl. Schriften Bd. 3. In England nehmen die Countesses den Rang vor den Ambassadricen. Gessner, de i. uxoris legati. Hal. 1851. Berliner Revue VI, 181. Ueber den Gebrauch, die Gemahlinnen mitzubringen, vgl. Leyser, sp. 671, m. 5 sqq.

b) Kinder und andere Familienglieder der Gesandten, welche sich bei ihnen befinden.

Diese werden in ceremonieller Hinsicht lediglich wie Fremde gleicher Standeskategorien behandelt1.

c) Die Gesandtschaftssecretäre in ihren verschiedenen, meist zweifachen Rangkategorien, deren Bestimmung wie überhaupt ihre Ernennung von dem absendenden Souverän abhängig ist. Anspruch auf ein bestimmtes Ceremoniell im auswärtigen Staate haben sie nicht.

d) Die etwaigen Attachés oder Gentilshommes, Eleven und Pagen der Gesandtschaft, welche zu ihrem Prunkdienste gehören. e) Der Geistliche (Aumônier) und der Arzt der Gesandtschaft, insofern sie diese Eigenschaft nicht blos nebenbei haben;

endlich

f) die Livreebedienten und Domestiken des Gesandten.

In älterer Zeit legte man größeren Werth auf dergleichen Gefolgschaften, als es jetzt die öffentliche Meinung thut und die Staatsökonomie gestattet. Unfehlbar kann auch der fremde Staat, an welchen die Mission geschieht, einer übertriebenen Vermehrung des Personales Grenzen setzen, desgleichen genaue Mittheilung über die Personalien aus polizeilichen Rücksichten und im eigenen Interesse der Gesandten verlangen, endlich für den Eintritt von Unterthanen in den Dienst eines Gesandten besondere Bedingungen vorschreiben.

Außer Zweifel liegt jetzt, daß alle vorgenannten Personen, sogar wenn sie Unterthanen des fremden Staates wären, in der Exterritorialität des Gesandten selbst mitbegriffen und dadurch insbesondere von der Straf- und bürgerlichen Gerichtsbarkeit des fremden Staates in gleicher Weise erimirt, mithin der Gerichtsbarkeit des absendenden Staates unterworfen sind, soweit diese nicht dem Gesandten selbst delegirt sein sollte* (§ 214). Nur bei zahlreich besuchten Congressen 1) Leyser, 1. c. med. 11.

2) Schon die goldene Bulle Kaiser Carls IV. sette den Kurfürstlichen Wahlgesandtschaften hierin bestimmte Grenzen.

3) Vgl. wegen Nordamerika v. Martens, Erzähl. II, 398.

4) Die neuere Staatenpraxis ist allgemein dafür. S. wegen England den Parlamentsact von 1709. B. de Martens, Causes célèbr. I, 59; wegen Frankreich und mehrerer anderer Staaten Merlin; wegen Preußen Allgem. Ger.- Ordn. Th. I, Tit. 2, § 63. 67 ff. Königl. Dänische Verordnung vom 8. October 1708

hat man sich zuweilen vereinigt, daß die gesandtschaftlichen Diener, welche keine wirklichen Beamten sind, der Ortsobrigkeit untergeben sein sollten'. Ueberdies kann ein Gesandter unbedenklich jeden Domestiken, den er im Auslande selbst angenommen hat, durch Wiederentlassung aus seinem Dienste der dortigen Obrigkeit wieder unterwerfen; schwerlich aber kann er auf diesem Wege einen seiner eigenen Landesangehörigen ohne Erlaubniß seines Souveräns der fremden. Strafgewalt überliefern. Ueber diejenigen Personen, welche dem Gesandten von seinem Souveräne selbst beigegeben sind, hat der Gesandte so wenig, wie über die Personen seiner Familie, vermöge der ihnen zustehenden staatsbürgerlichen Garantien, irgend eine derartige Befugniß3.

Daß übrigens auch einer jeden dieser Personen, wenn sie den fremden Staat oder dessen Angehörige thatsächlich verletzt, thatsächlich entgegengetreten werden kann und die Erterritorialität sie nicht gegen Maßregeln der Vertheidigung, so wie gegen augenblickliche Maßregeln zur Handhabung der öffentlichen Ordnung schützen kann, versteht sich von selbst*.

II. Agenten und Commissarien.

222. Nichts ist nach den Bemerkungen der neuesten Publicisten so unbestimmt, als das Rechtsverhältniß eines mit keinem gesandt

(v. Martens, Erzähl. I, 353), ferner die Nordamerikanische Congreßacte von 1790 (ebend. II, S. 397). Desgleichen die Autorität der gewichtigsten Publicisten. Vgl. Ward, Enquiry II, 553 f. Merlin sect. VI, n. 2 s. Streitigkeiten, welche hierüber noch im Jahre 1790 am Pfälzischen Hofe mit dem Preußischen Minister bei Gelegenheit eines Falles vorkamen, obschon zu keinem Resultat gediehen, s. noch in B. de Martens, Nouv. causes cél. II, 22 f. Dagegen auch wieder einen Fall, wo durch Repressalien die Exterritorialität der Domestiken aufrecht erhalten ward in Desselben Causes célèbr. I, 247.

1) Dies geschah am Congreß zu Münster und zu Nymwegen. Wicquefort I, c. 28. Desgl. bei dem Haager Congreß durch Reglement vom 29. Mai 1697. 2) Vattel IV, § 124, wo nur übersehen ist, daß der Gesandte im obigen letzteren Falle nicht für sich allein handeln darf.

3) Vgl. wegen der Legationssecretäre: Vattel IV, 122. Merlin sect. VI, n. 6. 4) Eine Königl. Portug. Verordnung vom 11. Dcbr. 1748 erklärte sogar die Hausgenossen der Gesandten ihrer Privilegien verlustig und nach den Gesetzen strafbar, wenn sie die Justiz beleidigen. v. Martens, Erzählungen I, 339. S. auch Leyser sp. 671, med. 13.

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