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Verfassung der Staaten, der Weltgeschichte, Kenntniß der Staatskräfte und die nöthigen linguistischen Fähigkeiten'. Ohne Zweifel werden hierzu besondere Bildungsstudien das Ihrige beitragen, nur allein können sie den Diplomaten nicht schaffen und die Regierungen sich in der Wahl der Persönlichkeiten nicht an bestimmte Cursus binden".

Specielle diplomatische Befähigung und Verantwortlichkeit.

232. Schon längst hat man bemerkt, daß sich zwar leicht das Ideal eines Diplomaten aufstellen lasse, daß es jedoch überaus schwer sei, ein solches überhaupt oder jederzeit in der Wirklichkeit aufzufinden, ja, daß nicht einmal die vollständigste Vereinigung diplomatischer Fähigkeiten geeignet sein werde, einen bestimmten Erfolg jederzeit zu sichern. Dieser ist oft bei Weitem mehr von äußeren Umständen, als von der Gerechtigkeit und deutlichen Erkennbarkeit des Zweckes bedingt, so daß die Kunst des Staatsmannes häufig nur darin besteht, die Umstände richtig zu würdigen und zu benutzen. So kann es geschehen, daß gerade der edelste und tüchtigste Mann in einer Angelegenheit das Ziel nicht erreicht, weil er sich in die Conjunctur nicht zu schicken weiß, da sie ihm zu kleinlich, oder die Benutzung derselben mit der Ehre unverträglich erscheint, während ein anderer minder bedeutender Staatsmann kein Bedenken trägt, das Gelingen seiner Aufgaben auf die Benutzung derartiger Umstände zu gründen. So konnte man in früherer Zeit vornehmlich auf persönliche Neigungen, Intriguen und Verlegenheiten bei den Höfen speculiren, ein gewandter Hofmann mehr erreichen, als ein ernster Staatsmann, eine Mademoiselle Kerroual mit feiner Taille, kleinem

1) Eine Zusammenstellung der dem Diplomaten nothwendigen oder nüßlichen Wissenschaften findet sich in v. Dresch kleinen Schriften 1827. S. 11 f.

2) Nur unter diesem Vorbehalte ist auch in Preußen durch eine Bekanntmachung des Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten von 1827 bestimmt worden, daß jeder Aspirant zur diplomatischen Laufbahn drei Jahre studirt und ein Auscultator - Examen bestanden, demnächst ein Jahr bei einer Regierungsbehörde und ein Jahr bei einer Juftizbehörde gearbeitet haben, alsdann aber eine Prüfung besonders auch zur Ermittelung seiner Kenntnisse von der inneren Verwaltung, den Cultur- und gewerblichen Zuständen bestehen muß. Auch anderwärts, z. B. in Großbritannien, bestehen übrigens Regulative über die Befähigung zur diplomatischen Laufbahn.

Munde und großen Augen am Hofe Carls II. von England bessere Resultate für Frankreich erreichen, als ein großer Friedenscongreß1; und welche Vortheile sind nicht zuweilen durch kleine diplomatische Galanterien erlangt worden! Indessen sind Rücksichten und Speculationen dieser Art immer nur als erceptionelle zu betrachten. Die Zeiten haben sich auch in diesem Stücke geändert; die Schicksale der Völker sind nicht mehr so unbedingt von der Laune Einzelner abhängig. Die neuere Verfassungsentwickelung hat insbesondere einen größeren Ernst und größere Zähigkeit in die Behandlung der Staatsangelegenheiten gelegt und die Regierungspolitik gegen bloße Leichtfertigkeiten gewißigt.

Kommt es nun auf die Auswahl tüchtiger diplomatischer Persönlichkeiten an, so werden andere Gesichtspunkte für einen Leiter der gesammten auswärtigen Angelegenheiten eines Staates, und wiederum andere für den Unterhändler zu nehmen sein. Für die erstere Function bedarf es weniger des feinen Weltmannes; seine Stellung ist mehr reflectirend und innerlich; er hat die Pläne zu zeichnen, die Ausführung zu beobachten und den Faden des Ganzen festzuhalten; er kann fühner, kräftiger und gemessener auftreten als der Unterhändler. Seine Persönlichkeit muß die Politik des ganzen Staates repräsentiren, folglich auf der Geschichte und den wohlverstandenen Interessen und Kräften des Staates beruhen.

Bei dem Unterhändler kommt es zunächst auf die Zwecke an, welche ihm anvertraut werden. Für Angelegenheiten, die sich vollkommen übersehen lassen, wo keine Beeilung nöthig, das Ziel klar und die Motive abgeschlossen sind, wird schon ein mittelmäßiger Kopf genügen, welcher sich streng an seine Instructionen hält und darnach in den conventionellen Formen zu handeln versteht. Hiermit aber ist in wichtigeren Angelegenheiten nicht auszureichen, wo sich keine detaillirten Instructionen geben lassen, wo vielleicht nur zu retten ist, was nach Gunst der Umstände noch gerettet werden kann, oder wo zur Erreichung eines Zweckes ein anderes noch unbestimmtes Aequivalent geboten werden muß; hier bedarf es eben solcher Fähigkeiten, ja wohl noch größerer, als für den Minister des Auswärtigen im Allgemeinen nöthig sind, einer besonderen Geschmeidigkeit und eines

1) Bemerkung von Mably, Droit publ. I, chap. 19.

ertemporirenden Handelns'. Die eigenthümlichen Zierden des Unterhändlers aber find: Natürlichkeit des Benehmens, frei von aller Affectation; Selbstkenntniß und Selbstbeherrschung; scharfe Beobachtungsgabe; Vorsicht, nur nicht bis zum Erceß oder bis zur Lächerlichkeit; Feinheit mit Würde, ohne das Aussehen einer bloßzen Puppe; Geistesgegenwart und Fertigkeit, unvorbereitet zu reden und zu handeln, Beredsamkeit ohne Ueberladung, aber mit Präcision.

Cardinaltugenden aller, sowohl der leitenden wie handelnden Diplomaten sind endlich:

Probität und Wahrheit. Die Unwahrheit kann eine Zeit lang Erfolge haben, aber nur die Wahrheit und das Recht, mit Beharrlichkeit verfolgt oder vertheidiget, sieget zuletzt. Geistesgegenwart und Furchtlosigkeit ohne Uebermuth und Leichtsinn;

Unzugänglichkeit gegen Bestechungen aller Art;

Begeisterung für den Beruf, d. i. für Recht, Würde und Heil ihrer Staaten und Souveräne, ohne eigenen Ehrgeiz. Der Diplomat muß wissen, daß er mehr im Stillen zu wirken und sich mit seinem Bewußtsein zu begnügen hat, als daß er sich durch ein hervortretendes Handeln einen Anspruch auf Unsterblichkeit zu erwerben vermag.

Ueber die Verantwortlichkeit der diplomatischen Agenten hat ein gelehrter Publicist (Flassan) gesagt, und es ist ihm nachgesprochen worden: „man müsse sehr nachsichtig sein gegen die Irrthümer der Politik, wegen der Leichtigkeit, darin zu verfallen." Aber es darf dadurch nicht jede strenge Beurtheilung des Verfahrens der politischen Organe niedergeschlagen werden. Denn die hohen Interessen, welche ihnen obliegen, erheischen unleugbar auch die höchste Sorgfalt in der Erfüllung ihrer Bestimmung.

Allgemeine Verhaltungsregeln für Unterhändler2.

233. Kommt es auf Unterhandlungen mit einem fremden Staate zu einem gewissen Zwecke an, so hat der damit beauftragte Diplomat

1) In diesem Sinne schrieb Villeroi unter Heinrich IV. an den Präsidenten Janin: mais le Roi entend que Vous tirez Vous-même les principales instructions de ce que vous avez à faire.

2) Schriften, diesem Gegenstande vorzugsweise gewidmet, sind: Le parfait

sich vor allen Dingen auf das Genaueste von dem Zwecke, den Motiven und anwendbaren Mitteln zu informiren. Er muß Alles beobachten und darüber getreulich berichten, die entstehenden Hindernisse und Zweifel dem Committenten anzeigen, jedoch nicht blos Instruction erwarten, sondern auch selbst Vorschläge zu machen verstehen. An dem fremden Hofe wiederum muß er sich vor Allem in ein gutes Vernehmen sehen und jeden Grund zu Mißverständnissen sorgfältig vermeiden. Er muß Schlimmes unter einer guten Miene verbergen und sich nicht durch leere Worte oder Fremdartiges hinhalten lassen. In seinen Anträgen sei er bestimmt, in der Discuffion der Einwendungen sicher und logisch, überhaupt nie den Zweck aus den Augen verlierend; aber er verfolge ihn mit Mäßigung und ohne Opiniatrirung; er vermeide es, gegen Hindernisse zu kämpfen, welche dennoch nicht sofort beseitigt werden können. Wohl kann es sich in Privatsachen, wo Gesetz und Staatsgewalt schützend mitwirken, verlohnen, einem Anderen durch Beharrlichkeit Etwas abzutrotzen; aber in den Verhältnissen der Staaten, wo auch Verträge meist nur so lange verbindlich bleiben, als man es zuträglich findet, sie zu halten, oder so lange die Uebergewalt des Anderen zu befürchten ist, wird es höchst gefährlich, den Dingen Zwang anthun zu wollen. Klugheit gebietet daher Nachsicht und vorläufige Beruhigung, selbst wo man entschiedene Forderungsrechte hat. Der Diplomat verzichte lieber auf den Triumph, die Verhältnisse besiegt zu haben, wenn er nicht auch dann eines sicheren und dauernden Erfolges gewiß ist. Ein unerwartetes Ereigniß kann oft leicht die Hindernisse beseitigen'.

Ambassadeur par Don Antonio de Vera et de Cuniga, par Lancelotte. Par. 1635 u. f. De Callières, de la manière de négocier avec les Souverains. Par. 1716 n. éd. II. t. Londr. 1750. Ryswick 1756. Pecquet, de l'art de négocier avec les Souverains. Paris 1736. à la Haye 1738. Mably, Principes de négociation. Ibid. 1737 (später auch Einleitung zu seinem Droit publ. de l'Europe). Die politische Unterhandlungskunst oder Anweisung, mit Fürsten und Republiken zu unterhandeln. Aufgestellt von einem Staatsmanne in der Einsamkeit. Leipzig 1811. 8. Vgl. Mirus § 71 und die Bücherkunde in Abschn. II.

1) Bemerkungen im obigen Sinne s. bei Mably a. a. D. S. 174. 175. Foreign quarterly Rev. XIII, p. 4.

Writte Abtheilung.

Die Form der Staatenverhandlungen.

234. Die Verhandlungen der Staaten werden entweder mündlich oder schriftlich unter den Repräsentanten geführt, und zwar bald unter den Souveränen selbst, bald durch die diplomatischen Agenten, zuweilen selbst nur einseitig vor dem Publikum. Die Art und Weise dieses Verkehres ist ein Theil der Staatspraris, und daher sowohl in den allgemeinen auf lettere Bezug habenden Schriften, als auch in ihrer Besonderheit von praktischen Schriftstellern dargestellt worden.

Allgemeine Schriften über die sogenannte Staatspraxis sind: J. J. Moser, Einleitung zu den Canzleigeschäften. Hanau 1750. Chr. v. Beck, Verf. einer Staatspraxis und Canzleiübung aus der Politik der Staaten und Völker. Wien 1754. ed. II. 1773.

Christ. Dan. Voß, Handbuch der allgem. Staatswissenschaften Th. IV. Leipzig 1799. Staatsgeschäftenlehre oder Staatspraxis.

Heinrich Bensen, Versuch einer system. Entw. der Lehre von den Staatsgeschäften. Erlangen 1800. 1802. 2 Thle.

Die Staatsgeschäftenlehre in ihren allgem. Umriffen. Wien 1814. 2 Thle. Fr. C. Moser, Versuch einer Staatsgrammatik. Frankfurt 1749.

Besondere Schriften über die diplomatische Staatspraxis:

J. S. Sneedorf, Essai d'un traité du style des cours. Goett. 1751. 8. n. édit. par du Clos. Goett. 1776.

Ch. de Martens, Manuel diplomatique. Par. 1822.

Desselben Guide diplomatique. t. I. II. Lips. 1832. Jest 5ême éd. par Geffcken. Leipzig 1866.

Meisel, Cours de style diplomatique. t. I. II. Dresd. 1823.

S. auch noch v. Kampß, N. Lit. § 146. Mirus, Abth. II, S. 125 f.

Sprache der Verhandlungen überhaupt.

235. Die Sprache ist das Recht jeder Nation, wie sie überhaupt zum Menschen gehört. Ohne Zweifel kann nun jeder Staat oder Souverän auch eine bestimmte Sprache wählen, worin er seinen Willen erklärt und deren sich seine Organe in den öffentlichen Verhandlungen zu bedienen haben. Er kann dagegen aber nicht verlangen, daß auswärtige Staaten mit ihm in derselben Sprache ver

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