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Diplomatische Verhandlungsweise.

239. Eigentliche diplomatische Verhandlungen bestehen entweder in bloßen Communicationen oder in Negociationen. Die letzteren werden bald unmittelbar mit dem fremden Souverän, bald mit dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten oder mit einem Commissar der Regierung geführt, auch kann dabei die Theilnahme einer dritten Macht durch Leistung freundlicher Dienste oder im Wege einer förmlichen Vermittelung stattfinden (§ 88).

Die Verhandlungsweise ist bald eine mündliche, bald eine schriftliche. Zur letteren dient die Uebergabe von Memoires in die Hände des fremden Souveränes oder ein Notenwechsel unter den diplomatischen Agenten selbst. Hierbei unterscheidet man unterzeichnete Noten (notes signées), deren Inhalt der Regel nach als ein verpflichtender gelten soll, sodann Verbalnoten (notes verbales ou non signées), wodurch meist nur der Fortgang einer Angelegenheit in Erinnerung gebracht wird; endlich giebt es auch vertrauliche Noten in der Sache selbst, worin sich ein Minister mehr für seine Person als in Auftrag ausspricht, die man daher auch nicht immer zu unterzeichnen veranlaßt ist'. Zur Aeußerung von Ansichten und Entschließungen benußt man in neuester Zeit vorzugsweise die mündliche oder abschriftliche Mittheilung von Zuschriften, welche der diplomatische Agent von seiner Regierung zu solchem Zwecke empfangen hat (dépêches communiquées).

Zu den mündlichen Verhandlungen dienen:

a) die Audienzen, welche man bei dem fremden Souverän oder Repräsentanten des republikanischen Gemeinwesens nachsucht. Ob der Minister des Auswärtigen dabei zuzuziehen sei, hängt von der Verfassung des Staates ab;

b) Conferenzen mit dem Minister des Auswärtigen oder dessen Beauftragten, wobei ein von dem fremden Vertreter selbst aufgesettes sog. Aide - mémoire benutzt werden kann.

Weder die Einen noch die Anderen können, wenn zuvor der Gegenstand der gewünschten Vernehmlassung in schicklicher Form angezeigt ist und die beiderseitigen Staatsinteressen wirklich berührt, versagt

1) Bar. de Martens, Manuel dipl. § 50 ff.

werden. Soll das Ergebniß einer Ministerial-Conferenz zu weiteren Schritten benutzt werden oder eine Basis für fernere Verhandlungen abgeben, so kann darüber ein Protokoll' aufgenommen und von den Theilnehmern der Verhandlung gezeichnet werden, oder der Gesandte sezt den Inhalt der beiderseitigen Erklärungen in Form eines sog. aperçu de conversation oder einer referirenden Note auf, und läßt sich in irgend einer Weise die Richtigkeit des Aufsages bestätigen2.

Congresse.

240. Als beliebteste Form zur Verhandlung auswärtiger Staatsangelegenheiten von höherem Interesse hat sich in neuester Zeit die Verhandlung auf sogenannten Congressen ergeben, an welchen die betheiligten Souveräne entweder in Person oder aber durch besondere Abgeordnete Theil nehmen. Es gehört dazu keine Vielheit von Souveränen, sondern es kann auch schon unter zweien allein zu einem Congresse kommen.

In älterer Zeit kannte man vornehmlich nur Friedenscongresse zum Zwecke einer Pacification und daneben persönliche Zusammenfünfte der Souveräne, letztere jedoch mehr zu persönlichen Besprechungen und Entschließungen oder zu blos particulären Vertragsschlüssen. Das gegenwärtige Jahrhundert hat zuerst das Beispiel von Congressen und Gesammtverhandlungen dabei ergeben, mit dem Zwecke, einen bereits eingetretenen Friedenszustand zu befestigen, weiter auszuführen, oder drohende Gefahren abzuwenden, überhaupt über Verhältnisse von allgemeiner Wichtigkeit gemeinschaftliche Beschlüsse zu fassen. Ohne die Anwesenheit von Souveränen hat man die Congresse bloßer Abgeordneten auch wohl nur durch „Conferenzen“ bezeichnet.

Die Vorzüge der Congresse vor blos particulären Verhandlungen sind evident, obwohl nicht immer die Politik der Staaten dazu. rathen wird3.

1) Dieses Wort ist erst in neuerer Zeit in die diplomatische Französische Sprache aufgenommen worden. Unzweifelhaft ist der Gebrauch dieses Wortes ein befugter, da er schon in dem mittelalterlichen Latein einen officiellen Aufsatz über stattgehabte Verhandlungen und Erklärungen bedeutete, ebenso wie das Wort registratura, registratio.

2) Vgl. Bar. de Martens a. a. D. § 55.

3) Vgl. Mably I, 146.

Veranlassung zu dem Zusammentreten eines Congresses oder einer Ministerial - Conferenz kann im Allgemeinen jede Macht geben'. Man verständigt sich in präliminären Verhandlungen oder Verträgen über Zweck, Ort und Form. Dritte Mächte können eine Theilnahme in der Regel nicht als Recht fordern, sondern nur Maßregeln gegen etwaige präjudicirliche Richtungen ergreifen.

Die Congreßverhandlungen selbst beginnen mit Auswechselung der Legitimationen und mit der Einrichtung eines bestimmten Geschäftsganges, z. B. durch Bildung einer besonderen Canzlei und einzelner Comités oder Bureaus. Die Leitung der gemeinschaftlichen Verhandlungen wird entweder einem angenommenen Vermittler überlassen, oder es wird ein eigener Vorsitzender gewählt, oder, wie beim Wiener Congresse, ein leitendes Conseil constituirt. Neben den ge= meinschaftlichen Congreßverhandlungen können demnächst auch Particularverhandlungen unter einzelnen Betheiligten stattfinden. Die Resultate der Conferenzen werden in Protokollen niedergelegt, welche von den Theilnehmern nach vorheriger genauer Kenntnißnahme unterzeichnet werden. Alle Vereinbarungen endlich, soweit sie mit dem gemeinsamen Zwecke des Congresses in Verbindung stehen, werden auch wohl in einen gemeinschaftlichen Act zusammengefaßt2.

Dritter Abschnitt.

Besondere Anstalten für den Rechts- und socialen Verkehr der Staaten und Völker.

Cartels wegen der Sicherheits- und Justizpflege.

240 a. Die wohlthätigste Wirksamkeit hat die Diplomatie und äußere Staatenpraxis für die gemeinsamen inneren Staats- und socialen Interessen zu entfalten und auch schon in mehrfachen Be

1) Auf dem Aachener Congresse (1818) hatten die Großmächte dieserhalb gewisse Verpflichtungen übernommen und Regulative getroffen. S. die Anlagen.

2) Nähere Auskunft über den Gang der Congreßverhandlungen ertheilen die Schriften über die wichtigsten Europäischen Congresse, angezeigt in v. Ompteda § 180 f. v. Kampß § 74–91; wegen der neueren seit dem Wiener Congresse auch die freilich noch nicht erschöpfenden Mittheilungen in der Fortsetzung von de Martens, Recueil de traités, ferner Bluntschli, Staats - Lex. V, 666.

ziehungen mit guten Erfolgen auszuüben vermocht. Zu den letzteren gehören vorab die mancherlei Cartels oder Vereinbarungen unter verschiedenen Staaten, welche zur Beförderung der Sicherheits- und Rechtspflege dienen; namentlich die Verträge wegen Auslieferung und Uebernahme von Landstreichern (Vagabunden) in ihre Heimath (§ 62); desgleichen wegen Auslieferung von flüchtigen Mißthätern zur Bestrafung (§ 63), wozu sich in neuester Zeit fast alle Staaten, wenn auch mit mehr oder weniger Beschränkungen, herbeigelassen haben'. Von noch größerer Bedeutung, wiewohl für jetzt unter nicht Deutschen Staaten noch ziemlich selten, sind die Vereinbarungen über gemeinsame Grundsätze der Rechtspflege in Straf- und bürgerlichen Sachen wegen des Gerichtsstandes, wegen der executorischen Kraft der im einen und anderen Staate ergangenen rechtskräftigen CivilUrtheile2; unter Nachbarstaaten im Besonderen die Verträge wegen Bestrafung der in Grenzwaldungen und sonstigen Grenzorten verübten Forst- und Jagdfrevel3.

Internationale Post-, Eisenbahnen- und Telegraphen - Verbindungen, desgl. Vereinbarungen für die Gesundheitspflege.

241. Der socialen Verbindung der Völker unter einander dienen vorzüglich sowohl für die Regierungen, wie für das ganze Publikum die außerordentlich erleichterten und beschleunigten Post-, Eisenbahnen- und Telegraphen-Verbindungen in der Europäischen Staatenfamilie. Ist es auch noch nicht zu einem allgemeinen gleichförmigen Systeme hierunter gediehen, und nach Lage der Dinge vielleicht ein solches nicht zu ermöglichen: so ist doch unter vielen Nachbarstaaten schon so viel in dieser Hinsicht geschehen, daß die Gegenwart und Nachwelt nicht dankbar genug dafür sein kann*.

1) Eine Uebersicht s. bei Phillimore I, 417. 2) Wegen der Deutschen Staaten siehe die treffliche Zusammenstellung in A. D. Krug, das Internationalrecht der Deutschen. Leipzig 1851. Eine allgemeine Verständigung für sämmtliche Bundesstaaten war neuerdings angebahnt. Vgl. übrigens oben § 37 ff.

3) Das Martenssche Recueil und seine Fortseßungen liefern hierzu besonders bei Deutschen Staaten viele Beispiele.

4) Es wäre wünschenswerth, über die bisherigen Resultate tabellarische Uebersichten geben zu können, indessen gehören solche mehr der Statistik als dem Völ

Von nicht geringer Wichtigkeit sind und würden überdies noch gemeinsame Anordnungen wegen der Quarantaine - Anstalten

kerrechte an. Es mögen hier nur, um auch die Theilnahme des letzteren, sowie der Diplomatie dafür anzuregen und zu erhalten, folgende Mittheilungen aus den näher liegenden Kreisen darüber gemacht werden:

I. Wegen des heutigen internationalen Postverkehres ist vorerst auf die von Helwing in den Mittheilungen des statistischen Bureaus zu Berlin 1854 S. 373 angegebene Literatur zu verweisen, vornehmlich also auf Colonial and international Postage, Lond. 1854, und auf Heidemann und Hütten, das Postwesen unserer Zeit. Leipzig. I. Bd. 1854. Desgl. Heidemann, Handbuch für Post und Eisenbahnen. Erfurt 1857. Vom Deutschen Standpunkte kommt besonders in Betracht der zwischen Oesterreich und Preußen am 6. April 1850 zur Gründung des DeutschDesterreichischen Postvereines geschlossene Vertrag und dessen Revision vom 5. Debr. 1851. Zu diesem Vereine gehören außer Oesterreich und Preußen (mit Anhalt, Schwarzburg, Waldeck) bis 1860 und dann ferner mit einjähriger Kündigung: Bayern, alle Sächsischen Länder, Hannover, Würtemberg, Baden, Luxemburg, Braunschweig, Mecklenburg, Oldenburg, die Hansestädte, das Thurn und Taxissche Postgebiet. Sein Zweck ist „die Feststellung gleichmäßiger Bestimmungen für die Tarirung und postalische Behandlung der Brief- und Fahrpostsendungen, welche sich zwischen verschiedenen, zum Vereine gehörigen Postgebieten oder zwischen dem Vereinsgebiete und dem Auslande bewegen." Außerdem bestehen unter den einzelnen übrigen Staaten eine Menge von Post-Cartels. So von Seiten Preußens mit Nord-Amerika vom 1852 wegen Auswechselung directer Briefpackete; mit Belgien vom 17. Januar 1852 wegen Regelung der gegenseitigen postalischen Verbindungen und Taren; desgleichen mit England vom 1. October 1846 und 18. März 1849, mit Frankreich vom 11. August 1847 und 19. August 1853, mit den Niederlanden vom 26. Januar 1851, mit Spanien vom 19. Januar 1852, mit Dänemark einschließlich Holstein vom 19. December 1853, mit Rußland vom 1843 und vom 28. December 1851, mit Schweden vom 5. April 1852 wegen der Regelung der gegenseitigen postdienstlichen Beziehungen und wegen der Postdampfschiff-Verbindungen.

19. Juni

1. Juli

17. Juli 28. Aug.

II. Hinsichtlich der Eisenbahn-Verbindungen kann nur auf die allgemeine Literatur dieses Gegenstandes (Helwing a. a. D. S. 72) und auf die einzelnen Verträge wegen der gemeinschaftlichen Eisenbahnen mehrerer Staaten verwiesen werden.

III. In Betreff der telegraphischen Verbindungen der Einzelstaaten ist vorzüglich zu bemerken der Deutsch - Oesterreichische Telegraphenverein, geschlossen durch Vertrag vom 25. Juli 1850 mit den Nachträgen vom 14. October 1851 und 23. Septbr. 1853 (Desterreich, Preußen, Bayern, Sachsen, Hannover, Würtemberg, Königreich der Niederlande). Daran hat sich eine Telegraphen - Convention mit Rußland vom 26. Novbr. 1854 angeschlossen. Außerdem besteht ein TelegraphenCartel von Sardinien mit Oesterreich und mit der Schweiz; von Frankreich mit England, Baden, Sardinien, Spanien und der Schweiz; zwischen Belgien und dem Königreich der Niederlande u. s. w. Endlich ist ein Correspondenzvertrag zwi

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