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V. Jede Nation muß, wenn und so weit sie sich dem Verkehr öffnet, Treue und Glauben bewahren. Sie darf diese nicht zu ihrem Vortheil mißbrauchen'; nur eine sonst unabwendbare Noth entschuldigt.

VI. Kein Staat kann die gehörig legitimirten Unterthanen eines anderen befreundeten Staates zurückweisen, oder, nachdem sie einmal von ihm aufgenommen sind, wieder ausweisen, ohne bestimmte ihrer Regierung mitzutheilende Ursachen. In keinem Falle darf es in unmittelbar kränkender Form geschehen, wenn jene nicht durch ihr Verhalten einen zureichenden Grund zu einer solchen Behandlung geben.

VII. Jeder Handel und Verkehr, welcher den allgemeinen Menschenrechten zuwiderläuft, ist geächtet. Niemand begeht ein Unrecht, wer ihn stört oder vernichtet.

Dies ist an sich das Gesetz des Sclavenhandels. Die Bestrebungen der Europäischen Nationen gegen ihn, vornehmlich seit dem Wiener Congreß, sind bekannt, aber noch nicht vollendet, und schwerWestindien gemacht. Begreiflich können Colonien eines Staates hier nicht _als_dritter Staat behandelt werden. Sie hängen von dem Mutterlande und dessen Bestimmung ab. Oft hat dieses sich den Alleinhandel dahin vorbehalten. Wir erinnern an die droits municipaux der Französischen Colonien.

1) Dahin gehört Verletzung des Postgeheimnisses. S. v. Kampt, Lit. § 94. 2) Die angeführten Modalitäten bringt das Recht auf Achtung mit sich. Keine genugsame Rücksicht ist darauf genommen in dem Völkerrechtlichen Worte, betr. die Ausweisung von Hecker und Itzstein, in den Jahrb. der Preuß. R. - Wissensch. Bd. LXV, S. 559. Zu weit geht auf der anderen Seite Alex. Constantanlos, de iure expellendi peregrinos. Berol. 1849.

3) Pariser Frieden von 1814 mit Großbritannien, Zus. - Art. 1. Declaration der Bevollmächtigten der acht Europ. Mächte v. 8. Febr. 1815. Päpstl. Breve v. 3. Decbr. 1839 in Martens - Murhard, N. R. XVI, 1034. Deutscher Bundesbeschluß v. 19. Juni 1845, „den Negerhandel wie Seeraub oder Menschenraub zu beftrafen.“ Sodann verschiedene Specialverträge Europäischer Mächte unter einander. Ueber den Stand der Sache s. Klüber, Dr. d. g. § 72. Ausland von 1842. Nr. 335 ff. Murhard, N. Suppl. t. III, p. 48. 238; die Verträge zwischen England, Frankreich und den Niederlanden v. 30. Nvbr. 1831 und v. 22. März 1833 (Martens, N. R. IX, 547. 555), nebst den Beitrittsacten von Sardinien v. 8. Aug. 1834 (ebendas. XIII, 194), der Hansestädte v. 9. Juni 1837 (ebendas. XV, 191), Toscana's v. 24. Nvbr. 1837 (ebendas. XV, 292); den Vertrag zwischen Oesterreich, Preußen, Großbritannien u. Rußland v. 20. Decbr. 1841 (N. R. S. II, 392); zwischen England und Frankreich v. 29. Mai 1845 (ebendas. VIII, 284); jezt auch zwischen England und der Nordamerikanischen Union vom 7. April 1863.

lich zum Ziel zu bringen, so lange es keine Uebereinstimmung unter den Seemächten über die anzuwendenden Mittel und deren Modalitäten giebt. Bis dahin kann demnach zwar jeder Staat in seinem Gebiete und unter den Seinen oder vertragsmäßig mit anderen Mächten den Sclavenhandel unterdrücken, aber nicht gegen dritte, die ihn dulden, als Piraterie iure gentium verfolgen'.

Modalitäten der allgemeinen Rechte der Einzelstaaten im gegenseitigen Verhältniß unter einander.

I. Verhältnisse der Staatsgewalten zu auswärtigen Souveränetätsacten und Rechtsverhältnissen in Collisionsfällen.

34. Dem Territorialprincip und dem Recht auf Unabhängigkeit kann niemals die ausgedehnte Deutung gegeben werden, daß Souveränetätsacte und Rechtsverhältnisse fremder Staaten für einen anderen völlig gleichgiltig und ein Non ens seien. Schon das Recht auf gegenseitige Achtung würde sich einem solchen Indifferentismus widersehen; es giebt aber noch außerdem bestimmte Gründe, welche zur Berücksichtigung der Rechte fremder Staatsgewalten nöthigen; namentlich

I. im völkerrechtlichen Verkehr, insofern die dabei concurrirenden. Personen oder Sachen verschiedener Staaten hinsichtlich ihrer staatsrechtlichen Eigenschaften lediglich nach dem Recht desjenigen Staates zu beurtheilen sind, welchem sie angehören. Eine Anerkennung dieser Eigenschaften kann nur verweigert werden, wenn sie dem völkerrechtlichen Herkommen widersprechen, oder zum Präjudiz des concurrirenden Staates gereichen";

II. insofern es bei Beurtheilung und Entscheidung inländischer Zustände auf Souveränetätsacte und Rechtsverhältnisse des Auslandes wenigstens thatsächlich ankommt. Hierbei kann natürlich nur auf die Zustände der auswärtigen Staaten selbst Rücksicht genommen werden, auch ist dabei den Mittheilungen der dortigen Staatsbehörden

1) Vgl. Phillimore I, p. 320.

2) So kann kein Staat den bei ihm beglaubigten diplomatischen Personen diejenigen Eigenschaften, Titel und dergl. versagen, welche ihnen von ihrem Staat beigelegt find. Vgl. Schmelzing, Völkerr. § 14.

Glauben beizumessen, wenn gegen deren Aechtheit und Competenz feine Ausstellung Platz greift'.

Im Uebrigen steht es völlig in der Willkür jedes Staates, fremden Regierungsacten in seiner Mitte bestimmte Wirkungen beizulegen oder nicht, wiewohl jenes immer nur unter Bedingung der Reciprocität oder mit stillschweigender Voraussetzung derselben zu geschehen pflegt.

Haben endlich mehrere Staatsgewalten ein gleiches Bestimmungsrecht hinsichtlich desselben Falles oder Gegenstandes, so verfährt jede unabhängig und die Priorität entscheidet sich allein nach dem Gesetz der Prävention, d. h. des dermaligen Besitzstandes.

Insbesondere in Betreff der Justizverwaltung.

35. Aus denselben Gesichtspunkten des Rechtes und der Convenienz ist das Verhältniß der Justizverwaltungen verschiedener Staaten zu bestimmen. Denn auch die Justizhoheit, d. h. die Gesetzgebung und richterliche Gewalt über die Individualrechte der Staatsangehörigen, welche ihnen als Privatpersonen zustehen sollen, ist nur ein

1) Zur Versicherung hierüber dienen die diplomatischen Agenten als Vermittler. Diese lassen Qualität und Competenz der Urkundenaussteller durch die Behörden des fremden Landes, zuletzt gewöhnlich durch das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten legalisiren; dann beglaubigen fie dessen eigene Signatur. Unter Staaten, die mit einander und mit ihren Einrichtungen genauer bekannt sind, bedarf es solcher Weitläuftigkeiten nicht. In Preußen ist durch eine gemeinschaftliche Verfügung der Ministerien der Justiz- und auswärtigen Angel. v. 22. März 1833 (v. Kampt Jahrb. XLI, 220) eine passende Grenze gezogen; und so wird man es überall halten können, wo man es sich nicht zur Schande, sondern zur Ehre rechnet, auch die Institute anderer Nationen zu kennen. Wegen Gr. Britannien vgl. Act. 19. 20. Victoria cap. 113. Phillimore IV, 730. 656. Wegen N.-Amerika Halleck 179.

2) Die umfassenderen Werke über diesen Gegenstand des internationalen Rechtes find von Story, Commentaries on the conflict of laws foreign and domestic. Boston 1841 (vgl. Crit. Zeitschr. d. Ausl. VII, 228); und von Foelix, Traité du droit international privé. Par. 1843. 2 éd. 1855 par Demangeat. Pütter, das prakt. Europ. Fremdenrecht. Leipz. 1845. Günther, im R. Lexic. IV, 721. Vorzüglich auch L. Bar, d. intern. Privat- u. Strafrecht. Hannov. 1862. Andere blos auf das Civilrecht sich beschränkende Werke s. nachher zu § 37. Eine Uebersicht der gesammten Literatur bietet R. v. Mohl, Gesch. und Lit. der Staats-Wissensch. I, 441. S. auch Hurd, topics of Jurispr. New-York 1856. v. Püttlingen, Hdb. des in Desterr. geltenden intern. Privatr. Wien 1860.

Theil der Staatsgewalt, mithin in keiner anderen Lage als jedes andere Hoheitsrecht.

Als leitende Grundsäge sind hierbei folgende an die Spitze zu stellen:

I. Jeder Staat ist berechtiget, seinen Angehörigen die Regel ihres Verhaltens, so weit es nur der in ihm lebendige Begriff der persönlichen Freiheit gestattet, sowohl im Inlande wie im Auslande mit Rechtsverbindlichkeit für sie vorzuschreiben; eben so dem Ausländer während seines Aufenthaltes im diesseitigen Staatsgebiet.

II. Jeder Staat ist berechtiget, denjenigen Rechtsverhältnissen, welche in seinem Gebiet Wirkungen haben sollen, die Bedingungen ihrer Giltigkeit vorzuzeichnen, insofern sie in ihm selbst oder unter seinen Angehörigen im Auslande zur Entstehung kommen; den außerhalb seines Bereiches entstandenen aber entweder die Wirksamkeit hier zu entziehen, oder sie von besonderen zusätzlichen Bedingungen abhängig zu machen. Dagegen kann er feiner ihm fremden Person oder Sache, so lange sie dieses ist und bleibt, ein Gesetz vorschreiben. Im Besonderen hat er keine Gerichtsbarkeit über den fremden Staat selbst, auch nicht wegen Verpflichtungen gegen die diesseitigen Unterthanen'.

III. Jeder Staat ist befugt, über die streitigen Rechtsverhältnisse, welche in seinem Gebiet, sei es gegen Sachen oder Personen, in Anspruch genommen werden, zu entscheiden, dafür die Regeln der Procedur vorzuzeichnen und beobachten zu lassen.

IV. Kein Staat ist an und für sich rechtlich verpflichtet, dem anderen die Ausübung der Rechtspflege zu erleichtern oder ihn dabei zu unterstüßen. Jedoch bringt hier das Interesse aller ein wechselseitiges Entgegenkommen und dadurch sogar die Entstehung von allgemeinen Observanzen mit sich.

Alles Uebrige gehört den besonderen Zweigen der Rechtsverwaltung an. Vieles ist hierbei der Convenienz der Staaten überlassen, oder es ist particuläres Herkommen mehrerer Staaten unter einander geworden; jedoch darf die zufällige Uebereinstimmung vieler oder der meisten bekannten Particularrechte von Einzelstaaten noch nicht als Beweis eines einseitig unabänderlichen gemeinsamen Rechtsgrundsatzes gelten.

1) Par in parem non habet imperium. Vgl. Arrêt de Cass. v. 24. Jan. 1849. Gazette des Trib. v. 26. ejd.

a. Strafrechtspflege1.

36. In Betreff der Strafrechtspflege sind wesentlich die nachstehenden Grundsäge anzuerkennen:

I. Dieselbe kann sich nur erstrecken

a) auf Verbrechen und Vergehungen, welche im Inlande von irgend einer dort befindlichen Person, sie sei Inländer oder Ausländer begangen sind;

b) auf Mißthaten, welche im Auslande von einem Unterthan gegen seines Staates auch noch im Auslande verpflichtende Strafgesetze verübt sind".

Während man in der Theorie oft nicht einmal den zweiten Sah einräumt und dem Staate jedes Strafrecht bei ausländischen Verbrechen absprechen will, geht die Praxis der Einzelstaaten selbst viel weiter und erlaubt jedem derselben, fast mit gemeinsamem Einverständniß, alle diejenigen Delicte, welche gegen seine Eristenz und wichtigsten politischen Interessen von einem Ausländer im Ausland begangen werden, selbst zu bestrafen. Ehedem hielt man sich sogar zur Bestrafung aller irgendwo verübten Verbrechen competent, wenn kein näher Betheiligter die Bestrafung übernommen hatte. Die Ausübung des Strafamtes für einen anderen, eigentlich competenten Staat vermöge eines Auftrages desselben würde zwar im Allgemeinen nicht

1) Hierüber sind zu bemerken: C. A. Tittmann, die Strafrechtspflege in völkerr. Hinsicht. Dresd. 1817. Schmid, Lehrb. d. gem. d. Staater. § 87. 88. A. F. Berner, Wirkungskreis d. Strafgesetzes. Berl. 1853. S. 81. Phillimore I, 355. Bar, a. a. D. § 131 ff. S. 504. und dazu die Lehrbücher des Strafrechtes. Die Ansichten find jedoch noch immer sehr von einander abweichend.

2) Der Verf. bezieht sich hierbei auf sein Lehrb. des Crim.-Rechts. § 25—27 und ein Urtheil der Hallischen Juristenfacultät von 1832. (N. Arch. des Crim.Rechts Bd. XIV, S. 546.) Die daselbst ausgesprochene Ueberzeugung steht bei ihm unerschütterlich fest.

3) Den Beweis hiervon s. in v. Kampß Jahrb. der Preuß. Gesetzg. Bd. XXIX, S. 19 ff., und in den neuesten Strafgesetzgebungen.

4) So früherhin Oesterreich und Preußen; gewiß in der rühmlichsten Weise; nämlich zufolge des Gedankens, daß jeder Staat zur Unterdrückung des Unrechtes, wo es auch vorkomme, seine Mitwirkung leisten müsse. Allein so lange es verschiedene Geseze giebt, möchte doch wohl kein Staat seine Geseße solchen Fällen aufdringen dürfen, die nicht unter ihnen geboren sind, oder fremde Gesetze in einzelnen Fällen zu den seinigen machen können.

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