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Literatur hat die arabische Welt mehr Bedeutung als für uns, sie ist ja ein Teil der französischen Welt! - Es sei gestattet, auch zu diesem Gegenstand André Gide zu zitieren, Prétextes, p. 211: „J'eus la chance d'entrer nu dans ce livre; je veux dire que c'est je crois, avec la Bible, le premier livre que j'ai lu. Er meint die Uebersetzung von Galland. D'abord j'entrai nu dans ce livre; à présent je m'y vêts à l'arabe. J'oublie passé, futur, lois, religion, morale, et littérature et contrainte; j'emplis de moi la minute présente etc." Den Spuren dieses Einflusses folgt man nicht nur in jenen zahlreichen Werken, deren Handlung nach Afrika führt. Sondern es handelt sich um inneren Einfluss auf die Geistesrichtung der Autoren. So kehren biblische Stoffe wieder. Cf. André Gide, Préface zu seinem Drama Saül, Paris 1904, p. 4: Les quelques beautés qui peut-être s'y trouvent, c'est à la Bible que je les dois, et je n'ai presque fait ici que mettre en scène ce qui reste incomparablement raconté dans les deux livres de Samuel. Wenn die französische Prosa der Gegenwart lyrischer, schwungvoller spricht, so haben an dieser Steigerung dichterischer Empfindung die Bibel und die Lobgesänge in Tausend und einer Nacht als wiedergeborene Vorbilder Teil, wenn auch ihr Einfluss sich mit vielem anderem vermischt.

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Bibel und arabische Märchen stehen in der französischen Literatur der Gegenwart nicht allein. Die Universalität dieser Literatur überhaupt hat zugenommen. Man liebt wieder Goethe, studiert Nietzsche und die englischen Paradoxisten neuerer Zeit, man versenkt sich wieder mit Sehnsucht in das Altertum. Wer heute die streng nationalen Autoren sondern wollte, würde zuviel Bedeutendes und Gutes ausscheiden. Cf. Die Revue mensuelle: la Renaissance latine, rédacteur en chef Binet- Valmer. Gerade ein gründlicher und gelehrter Kenner der „nationalen Vulgärsprache", wenn man diesen Ausspruch anwenden darf, Tailhade, dessen Wortschatz teilweise noch nicht lexikalisch ausgebeutet ist, beschränkt sich nicht auf nationale Gegenstände, sondern verwendet seine Kenntnis in freilich fernab liegender Uebersetzung.

Im Treppenflure des Museums zu Stettin hängen die Bildnisse der schwedischen Könige, die einst in Pommern herrschten, darunter das Bild Karls des Zwölften als eines frischen, grossäugigen Jünglings. Die Macht Grösserer hat sie aus dem inneren Hause auf jenen Platz verwiesen. Mit Recht, denn was

ist dem Deutschen Karl der Zwölfte? Aber die Freude derer, die immer wieder triumphieren, weil endlich Charles douze aus unseren Schulen verschwunden ist, (cf. Broszmann, die fremdsprachliche Lektüre an den preussischen Realschulen im Schuljahr 1902/03, die Neueren Sprachen 1903, p. 463) erfüllt mit Wehmut, denn der verbannt ward, ist nicht der anziehende Tollkopf Karl, sondern ein Name, der Friedrich dem Grossen mehr wog als das übrige Frankreich, Voltaire. Man fragt sich wohl, ob es nationaler ist, wenn ein mässig gebildeter Autor behauptet, der Schauplatz seiner Geschichte sei Paris, oder wenn ein grosser und gründlicher Kenner der Sprache die fernsten Dinge dem Geist und den Worten seines Volkes unterworfen hat.

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Chaque fois que l'art languit, on le renvoie à la nature. La nature, hélas! n'y peut pas. La beauté ne sera jamais une production naturelle." - Mit diesen Sätzen verteidigt André Gide die neue Strenge der Kunst in einer Conférence in der Libre esthétique de Bruxelles am 25. März, 1904. Der Vortrag steht nunmehr als Einleitung in der Ausgabe seiner eben erschienenen Dramen Sail und Candaule, in bezeichnenderweise vielgepriesenen und ewig neuen Stoffen; cf. Sail, Candaule, Paris 1904, p. VII ff. — Darin lobt er das dépaysement que l'artiste cherche à produire und findet das Mittel, Charaktere zu schaffen, darin, dass man sie von dem Leben entfernt (l. c. p. XX). Die Spannung in der Seele des Künstlers, die durch den Widerstand der Stilgesetze gegen die freie Phantasie entsteht, erhöht die dichterische Kraft. ...La contrainte de l'art suivra“ (l. c. p. XX).

Zwang und Gesetz beherrschen die Kunst. Wer durch ein Kunstwerk lernen will, dem legen sie Nachdenken auf. Langfuhr. H. Schmidt.

Ueber Macbeths Monolog I, 7.')

Schon wiederholt habe ich die Ansicht ausgesprochen, dass wir im neusprachlichen Unterrichte an unseren Mittelschulen,

1) Vortrag, gehalten bei der öffentlichen Festsitzung der III. Hauptversammlung des Bayerischen Neuphilologenverbandes am 29. März 1904 in München; vgl. Zeitschrift 3, 333 f.

bei aller Berücksichtigung der Eigenart der neueren Sprachen als lebender, doch niemals über den praktischen Zielen den höheren, erziehlichen, wahrhaft bildenden Zweck ausser acht lassen dürfen, dass wir also bei der Lektüre nicht den blossen Nützlichkeitsstandpunkt vertreten, sondern darauf sehen sollen, vor allem auch einen edleren, Geist und Gemüt anregenden und bildenden Lesestoff zu behandeln. Daher bin ich von jeher dafür, im englischen Unterrichte die Schüler mit mindestens einem der grösseren Dramen Shakespeares im Urtext genauer bekannt zu machen, und ich meine, dass man dies, wenn auch in einfacherer Form als an den Gymnasien, selbst im sechsten Kurs einer Realschule, ausser vielleicht bei vielleicht bei ganz besonders schlechten Jahrgängen, durchführen kann, wenn man einzelne geeignete Teile eines Dramas im englischen Text lesen lässt und dabei den Zusammenhang, den Bau des ganzen Stückes, die Hauptcharaktere durch Erzählung und erklärende Bemerkungen den Schülern deutlich macht. An den humanistischen und Realgymnasien aber sollte ohne Zweifel stets ein Shakespearesches Stück in der englischen Stunde gelesen werden und diese Lektüre muss den Höhepunkt des ganzen englischen Unterrichts bilden.

Gerade Macbeth, aus dem ich einen Monolog in diesem Vortrage etwas genauer besprechen möchte, ist für erziehliche Zwecke von der grössten Bedeutung, ja man kann sagen, er lässt sich als klassisches Beispiel sogar bei der religiösen Erziehung der Jugend verwerten. Denn hier schildert uns der Dichter in grossartiger, ergreifender Weise einen Kampf, der stets auf unsere rein menschliche Teilnahme rechnen kann, weil er aus der menschlichen Natur hervorgeht und durchgefochten werden muss, so lange es Menschen auf der Erde gibt, den Kampf zwischen dem guten Genius in unserem Innern, dem Gewissen, mit dem Bösen, der Sünde. Banquo überwindet die Versuchung des Bösen, Macbeth unterliegt ihr; nicht etwa, weil er von Anfang an ein heuchlerischer Schurke, ein gewissenloser Verbrecher und Mörder ist, wie unbegreiflicherweise manche Ausleger seinen Charakter in völliger Verkennung der Absicht des Dichters aufgefasst haben. Gehen wir ganz unbefangen an die Tragödie heran und beachten wir alle Winke, die uns Shakespeare gibt, so müssen wir erkennen, dass Macbeth ursprünglich ein durchaus edel angelegter Mann, ein grosser

Kriegsheld, ein treuer Diener seines Herrn und Königs Duncan ist. Auf dem Rückweg von der Schlacht, in der er aufs neue seine Tapferkeit bewiesen und sich um König und Vaterland verdient gemacht hat, begegnen er und sein Kriegsgefährte Banquo auf der öden Heide den drei Hexen, die ihn mit feierlichen prophetischen Worten begrüssen. Bei den Worten der dritten Hexe: „Heil dir, Macbeth, der du sollst König sein!" lässt ihn der Dichter erschreckt zusammenfahren. Dies ist ein sicheres Anzeichen dafür, dass er sich hier gleichsam ertappt fühlt, dass er sich solchen Gedanken und Hoffnungen im geheimen schon hingegeben hat; ja, wie wir aus einer anderen Stelle schliessen können, hat er wohl auch mit seiner Frau schon manchmal darüber gesprochen. Er ist sehr ehrgeizig, und die überaus lebhafte Phantasie, die ihm der Dichter gegeben hat, malt ihm, nicht zum erstenmale, aus, wie herrlich es wäre, wenn er, der alle Eigenschaften dazu besitzt, die erste Stelle im Staate einnehmen könnte. An den Mord des Königs hat er aber bisher noch nicht gedacht und denkt er auch jetzt noch nicht. Es ist ein Irrtum, wenn Friedrich Theodor Vischer in seiner sonst so vortrefflichen Auslegung1) sagt, Macbeth habe ,,schon früher allerlei argen Gedanken" an „frevelhafte Mittel" nicht widerstrebt, er und die Lady hätten von dem Plan, den König zu ermorden, schon lange vorher geflüstert". Nein, der Mordgedanke blitzt zum erstenmale in ihm auf, als nach dem Verschwinden der Hexen die Edelleute Ross und Angus ihm mitteilen, der König habe ihm die Stellung und den hohen Rang des Thans von Cawdor verliehen, der wegen erwiesenen Hochverrats abgesetzt und zum Tode verurteilt sei. An dem tiefen Schauder über diesen Gedanken, an der Erschütterung seines ganzen Wesens, die sich in seinen Worten deutlich kund geben, sehen wir klar, dass er ihn früher noch nicht gehegt haben kann. Entsteht nun der Gedanke nur durch die Hexen in ihm, tritt also die Versuchung von aussen an ihn heran? Beim ersten flüchtigen Eindruck scheint es so. Shakespeare hat, wie er das bei dramatisch so wirksam zu verwendenden Vorlagen stets getan, die Hexen einfach ohne jedes Bedenken aus seiner Quelle herübergenommen und mit all den Zutaten versehen, mit denen sie der Aberglaube seiner Zeit ausstattete. Sie sollen

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1) Shakespeare- Vorträge, II, Stuttgart 1900, Cotta.

zunächst

und das machte bei den damaligen Zuschauern weiter gar keine Schwierigkeit so aufgefasst werden, wie sie auftreten, als wirkliche Wesen, als Dienerinnen der Hölle. Für den tiefer Blickenden aber sind sie im Grunde doch nichts. anderes als die dramatisch packende Versinnbildlichung der im Innern entstehenden Gedanken und Wünsche, eine Verkörperung der inneren Vorgänge, die die heilige Schrift mit den stets wahren Worten ausspricht (Matth. 15, 19): „Aus dem Herzen kommen arge Gedanken . . ." Den Mord sehen wir hier in der Bibel unter diesen Gedanken an erster Stelle genannt, und mit Recht sagt Vischer: „Wir hätten überhaupt auf keine Weise eine Teilnahme für Macbeth, er wäre uns ja vollkommen gleichgültig, wenn wir nicht Menschen wären wie er und nicht wüssten, dass im Menschen an sich die Möglichkeit zu jedem Verbrechen liegt. Auch der Gedanke des Mords kann in jedem Menschen keimen. Es kommt nur darauf an, ob er gehegt wird oder nicht."

Wenn nun Bodenstedt1) behauptet, die Ermordung Duncans sei an der oben erwähnten Stelle, wo der Gedanke daran Macbeth wie ein Blitz durchzuckt, schon fest beschlossen, ja „schon so gut wie getan", und er zeige sich in dem darauf folgenden Auftritte dem König gegenüber „als ein vollendeter Heuchler“, so ist das ganz falsch. Vielmehr beginnt jetzt in der Brust des Helden jener schwere, erschütternde Kampf zwischen dem Gewissen und dem Bösen, wobei, wie uns der Dichter ergreifend darstellt, bald jenes, bald dieses die Oberhand hat. Noch bei der ersten Unterredung mit seiner Gemahlin (I, 5), die, ebenso ehrgeizig wie er, aber weniger von Gewissensbedenken erfüllt, nachdem er ihr in einem Briefe die Begegnung mit den Hexen erzählt und leider im Anschluss daran auch eine Andeutung des Mordgedankens gegeben hat, sofort ohne weiteres Zögern fest entschlossen ist, den nächsten Weg einzuschlagen", weist er ihre Versuchung zur Tat zurück mit den Worten: 'We will speak further', die nach dem Sprachgebrauch nur in ablehnendem Sinne verstanden werden können. Den Höhepunkt seines Gewissenskampfes nun sehen wir in der siebenten Szene. Der Monolog, den er hier am Anfang spricht, lautet in der deutschen Form, die ich ihm in Anlehnung an Vischers Verbesserung des Tieckschen Wortlauts gegeben habe, folgendermassen:

1) Ausg. bei Brockhaus, Leipzig, Bd. 9, Einleitung zu Macbeth.

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