Lehrer seine Not klagen, die meisten dagegen werden, um sich keine Blösse zu geben, schweigen und den Lehrer in dem süssen Wahne lassen, dass er sie herrlich weit gebracht hat. Der sicherste Prüfstein ist und bleibt die deutsche Uebersetzung. Nicht uninteressant ist, mit welcher Vorsicht die Lehrpläne davon handeln. Es heisst dort S. 43: Die Versuche, an die Stelle der Uebertragung in gutes Deutsch zeitweise eine Besprechung des Textes in der fremden Sprache selbst treten zu lassen, können nur soweit zugelassen werden, als die Sicherheit des Lehrers und die Entwickelung der Schüler auch bei diesem Verfahren die völlige Erschliessung des Gedankeninhalts gewährleisten." In den Kapiteln über die Grammatik bedauert er, dass nach den amtlichen Bestimmungen in Quarta die regelmässige Konjugation vor avoir und être gesetzt und in Obertertia die Tempus- und Moduslehre im Lateinischen und Französischen, der Infinitiv, das Partizipium und Gerundium im Französischen und Englischen gleichzeitig behandelt. wird, auch warnt er vor einer Vergleichung der grammatischen Gesetze in den einzelnen Sprachen, während doch nach den Lehrplänen die Anknüpfung an die anderen von den Schülern erlernten Sprachen nirgends versäumt werden soll. Auffallend ist seine Anfangsbehandlung der unregelmässigen Verben ohne Futurum, die Vorwegnahme des Konjunktivs vor dem Indikativ und seine Meinung von der auch noch für Primaner schwierigen Unterscheidung des Imperfekts und historischen Perfekts. Er wünscht schliesslich für Obersekunda und Prima neben Plötz die Einführung einer Wiederholungsgrammatik, da ein neues Gewand aufs neue reize und vorgebeugt werden müsse, dass bei der „Ergänzung der wichtigeren Abschnitte" der Grammatik verschiedene Lehrer allzu verschiedene Wege gehen, und sonderbarerweise statt einer knappen eine weitläufige Fassung der Regeln. Hinsichtlich der schriftlichen Arbeiten warnt er vor einem Uebermass und hält für die mittleren Klassen je 3-4 häusliche und Klassenarbeiten auf das Tertial für genügend, gibt aber in Obertertia wöchentlich 2 X 20 Druckzeilen zum Uebersetzen in die Kladde auf. Die häuslichen Reinarbeiten sollen besonders zum Schönschreiben dienen, das bei den Probearbeiten sehr zu schaden komme. Er legt ferner grosses Gewicht auf die Briefform, nur hätte er nicht die von einem Franzosen ungünstig beurteilte französische Briefschule von O. Wendt empfehlen sollen. Die Themata zu Abiturientenaufsätzen entnimmt er der Geographie der Umgegend und der Provinz, der griechischen, römischen und germanischen Sagenwelt, deutschen Balladen und Dramen; auch könnte man kleinere Novellen vorlesen und französisch zurückverlangen. Mühlhausen in Thüringen. Franz Petzold, L. Herrig et G. F. Burguy, La France Littéraire. Remanié par F. Tendering. 47. Edition. 708 Seiten, 6 Mk. Nachdem man längere Zeit gegen die Benutzung französischer Chrestomathien in der Schulc zu Felde gezogen ist, scheint sich neuerdings doch wieder die Erkenntnis siegreich Bahn zu brechen, dass Mustersammlungen auch ihre grossen Vorzüge haben. Berechtigt waren die Angriffe zum grossen Teil, denn das Darbieten kleiner, ja kleinster Teile von Prosa oder Poesie aus den verschiedensten Schriftstellern war nicht geeignet, dem Schüler eine richtige Wertschätzung literarischer Grössen zu vermitteln, die Fülle des Gebotenen musste seinen Geist verwirren und sein Urteil trüben. Da schien es weit richtiger zu sein, Einzelausgaben ganzer Werke den Vorzug zu geben vor diesem Gericht aller möglicher Kosthäppchen. Vertritt man diesen durchaus logischen Standpunkt, so ist doch eine Frage schwer zu lösen: Wie soll man nämlich durch blosse Verwendung von Einzelausgaben dem Schüler die Kenntnis der französischen Literatur der letzten drei Jahrhunderte natürlich nur in grossen Zügen beibringen? Wählt man geschickt die Einzelausgaben von UII bis OI aus, so dürfte dies vielleicht gelingen, doch müsste hierbei mancher Zusammenhang erst geschaffen, mancher Ueberblick gegeben werden, um dem Schüler ein leidlich abgerundetes Ganze von dem Werdegang der Literatur vor Augen zu führen. Soll nun der Vortrag des Lehrers nicht gar zu bald vergessen sein, so muss dieser dem Schüler kurze Notizen in die Feder diktieren. Die Praxis lehrt aber, wie leicht diese Mitteilungen verloren gehen, besonders wenn in den oberen Klassen verschiedene Lehrer unterrichten und keine Einheit in der Methode besteht. So taucht denn die Sehnsucht nach einer guten Chrestomathie wie von selbst auf; denn sie erspart dem Lehrer bei den knapp bemessenen Unterrichtsstunden Mühe und Zeit und gewährt die Möglichkeit, ein gewisses Mass literarischen Wissens von dem Schüler verlangen zu können. Das Eine dem Herzen des Lehrers zusagende Chrestomathie liegt uns jetzt in der Umarbeitung von Herrig-Burguys La France Littéraire durch den Hamburger Realgymnasialdirektor F. Tendering vor. Buch wird in seiner älteren Fassung noch heute viel benutzt; doch glauben wir, dass es in seiner neuen Gestalt sich bald auch in Anstalten einbürgern wird, die vorher gegen derartige Bücher sich ablehnend verhalten haben. Denn seine Schwächen, welche besonders in der zu starken Betonung des literarhistorischen Prinzips bestanden, hat das Buch abgestreift, seine Vorzüge hat es beibehalten, und praktisch verwendbarer ist es durch die viel stärkere Heranziehung des 19. Jahrhunderts geworden. Musset, Duruy, Lanfrey, Taine, Zola, Daudet. Coppée, Prud'homme, Verlaine sind neu durch gut gewählte Ausschnitte vertreten, während die Hälfte der älteren Schriftsteller vor allem solche zweiter Grösse in Wegfall gekommen ist. Das 19. Jahrhundert nimmt inhaltlich zwei Drittel des Buches ein, was aus praktischen Rücksichten nur gut zu heissen ist. Ein vom Text getrennter, in der Deckelmappe beigegebener Kommentar gibt in deutscher Sprache geschichtliche, literarische und sprachliche Angaben. Das Buch hat einen geschmackvollen Einband aus blauer Leinwand und gutes, starkes Papier; auch empfiehlt es sich durch klaren und grossen Druck. Doch die 708 Seiten nehmen einen zu grossen Umfang für ein Schulbuch ein. Deswegen hat der Verlag von George Westermann in Braunschweig, um die Brauchbarkeit des Buches gerade für die Schule zu erhöhen, fast unmittelbar nach der ersten Ausgabe eine neue in zwei Abteilungen erscheinen lassen, von denen die schwächere das 17. und 18. Jahrhundert, die stärkere das 19. Jahrhundert umfasst. So ist die Möglichkeit gegeben, in Sekunda mit Band II zu beginnen und in Prima Band I hinzuzufügen. Sicherlich wird das Werk besonders in seinem zweiten Format bald an vielen Schulen zur Einführung gelangen. Dass auch die beste Mustersammlung nicht allein den Bedarf an Schullektüre decken kann, braucht wohl nicht erst hervorgehoben zu werden. Selbstverständlich werden die Einzelausgaben nach wie vor ihr Recht auf Grund ihrer Vorzüge behaupten, doch ist daneben ein literarischer Wegweiser wohl überall gut am Platze und dürfte zur Erweiterung des Gesichtskreises, zur Erweckung des Interesses und zur Förderung und Bereicherung des Wissens bei den Schülern wie zur Erleichterung des Lehrers wesentlich beitragen. Berlin. Hermann Engel. Englische Schriftsteller aus dem Gebiet der Philosophie, Kulturgeschichte und Naturwissenschaft, herausgegeben von Professor Dr. Julius Ruska in Heidelberg. (Carl Winters Universitätsbuchhandlung in Heidelberg.) Die moderne Kultur enthält noch viele ungehobene Schätze. Auch die Pädagogik unserer Tage wird bei näherem Nachsehen darin noch manches finden, was für unsere höheren Schulen nicht bloss brauchbar, sondern notwendig ist. Das gilt besonders für die Oberrealschulen, die im sprachlich-literarischen Unterricht auf die alten Sprachen ganz verzichten und allein auf die neueren Sprachen angewiesen sind. Für sie ist es von grösster Bedeutung, dass sie im neusprachlichen Unterricht den Schülern Stoffe zuführen, die eine ästhetische, historische und philosophische Bildung, d. h. eine Bildung, die das Ziel jeder höheren wissenschaftlichen Schule immer sein und bleiben muss, gewährleisten. Diesem Bewusstsein ist auch Professor Ruskas Unternehmen entsprungen. Für philosophische Bildung ist bislang im neusprachlichen Unterricht nichts geschehen. Hervorragende Männer wie Paulsen, Euken, Lehmann etc. vertreten mit Entschiedenheit die Ansicht, dass unser höherer Unterricht einer Vertiefung durch philosophische Bildung bedarf. Diese darf aber nicht nur im deutschen Unterricht, sondern meist auch in den übrigen Fächern, besonders aber im fremdsprachlichen Unterricht Berücksichtigung finden. So erhält der Gymnasiast jetzt schon durch die. Lektüre Platos eine Einführung in philosophische Denkweise. Wie gewinnen wir nun diese sich immer mehr als notwendig erweisende philosophische Schulung am besten für unsere höheren Realanstalten? Dazu will die Ruskasche Sammlung helfen. Sie will für die neusprachliche Lektüre Stoffe liefern, die zu philosophischem Denken erziehen und so dem neusprachlichen Unterricht Gelegenheit geben, an der Vertiefung unserer höheren Schulbildung mitzuarbeiten. Es soll die Sammlung also offenbar hauptsächlich einem Bedürfnis der Oberrealschulen abhelfen; damit soll aber nicht gesagt sein, dass sie nicht auch für Gymnasien und Realgymnasien zu empfehlen wäre. Ruska kennzeichnet in der „Ankündigung“ die Tendenz seines Unternehmens mit folgenden trefflichen Worten: „Der Sinn für die Erörterung philosophischer, ethischer, religiöser, ästhetischer Probleme ist in unserer Zeit in erfreulichem Aufschwung begriffen. Wenn wir dessenungeachtet unsere Primaner ins Leben oder zur Universität entlassen, ohne in ihren empfänglichen und nach Klarheit und Wahrheit verlangenden Seelen das Interesse an den tiefsten Menschheitsfragen geweckt zu haben, so ist das eine Versündigung an der Jugend, die schwerer wiegt als jeder Ausfall an technischem Können oder gedächtnismässigem Wissen." Es sollen in der Sammlung vor allem die Philosophen zu Worte kommen, in deren Schriften die lei. tenden Gedanken ihrer Zeit klassischen Ausdruck gefunden haben. Als erstes Bändchen liegt vor John Locke, An Essay concerning Human Understanding, Auswahl mit Anmerkungen von Ruska. Diese Schrift ist gewählt, weil sie sich am besten zur Einführung in die spezifisch englische Philosophie und zur Vorbereitung auf die Lektüre eines modernen Philosophen eignet. Besonders ausgiebig benutzt ist das zweite Buch, in dem es sich um die Analyse der philosophischen Grundlagen des Erkennens handelt. Die Fragen, deren Beantwortung hier auf Grund der äusseren und inneren Erfahrung versucht wird, sind das Thema der Philosophie des 17. und 18. Jahrhunderts; die Anstösse, welche von dieser Darstellung der Grundlagen aller Erkenntnis ausgehen, haben das Denken bis zum Erscheinen Kants befruchtet und beherrscht. Als zweites Bändchen wird in nächster Zeit erscheinen: Anthony Earl of Shaftesbury, An Inquiry concerning Virtue or Merit. Durch Locke sind die Schüler mit den Grundlagen des Erkennens bekannt gemacht, durch Shaftesbury sollen sie die Grundlagen des sittlichen Handelns kennen lernen. Zur besseren Orientierung gibt Ruska einleitend „Grundlinien der philosophischen Anschauungen Sh.'s“ und den Gedankengang der Untersuchung über Tugend oder Verdienst". Das dritte Bändchen ist von mir bearbeitet. Es behandelt David Hume, Essays and Treatises on several Subjects. Es ist das eine Auswahl aus Humes Essays moral, political and literary. Ich habe aber auf den ursprünglichen Sammeltitel „Essays and Treatises on several subjects" zurückgegriffen, weil die drei letzten der von mir ausgewählten Essays, the Stoic, the Platonist, the Sceptic, die spezifisch philosophischen Inhalts sind, nicht recht unter den ersten Titel passen. Ausser diesen drei Essays enthält das Bändchen zwei politischen Inhalts (Of the Origin of Government und Of Parties in general), vier literarischen Inhalts (Of the Delicacy of Taste and Passion, Of Eloquence, Of Tragedy, Of the Study of History), und drei, die Gegenstände der Moral behandeln (Of the Dignity or Meanness of Human Nature, Of Impudence and Modesty, Of Avarice). Hier handelt es sich also nicht um philosophische Systeme oder auch nur um rein philosophische Gegenstände, sondern um Stoffe, die allgemeine Fragen des menschlichen Lebens betreffen, diese aber in einen philosophischen Gesichtswinkel rücken und mit philosophischem Geiste behandeln. Bei der Auswahl war für mich vor allem die Frage massgebend, ob der behandelte Gegenstand der Fassungskraft eines Primaners entspricht und auf sein Interesse rechnen kann, und ob derselbe Gelegenheit gibt zur Erweiterung und Vertiefung der literarisch-philosophischen Bildung der Schüler.1) Als viertes Bändchen wird folgen: Adam Smith, Natures and Causes of the Wealth of Nations, Auswahl mit Einleitung und Anmerkungen von Professor Dr. A. Voigt, Dozent an der Akademie für Sozial- und Handelswissenschaftn in Frankfurt a. M. Diesem Bändchen wird sich dann ein fünftes anschliessen, das die Schüler mit Spencer bekannt machen soll. --Nach meiner Ueberzeugung ist die Tendenz der Ruskaschen Sammlung eine sehr berechtigte. Sie will auch an ihrem Teile dazu beitragen, der allgemeinen Bildung den Einschuss an Philosophie zu geben, der zum Selbstdenken nötigt und anleitet, und der, wie Paulsen mit Recht sagt, heutzutage fehlt. Hannover. Gerhard Budde. Bruno, Le Tour de la France par Bruno en cinq mois. 8. Aufl. Berlin 1904. Gronau. 73 S. 0,80 Mk. Madame A. Fouillée hat unter dem Schriftstellernamen G. Bruno eine Reihe weithin bekannter Jugendschriften herausgegeben; eine dieser 1) Das von G. Budde herausgegebene dritte Heft ist soeben erschienen und empfiehlt sich durch seinen gediegenen Inhalt, wie auch durch die vornehme Ausstattung auf das vorteilhafteste. Es wäre dringend zu wünschen, dass die Bändchen der Ruskaschen Sammlung schon in dem nächsten Schuljahre 1905/6 in recht vielen Anstalten eingeführt und so an Stelle vielfach seichten Unterhaltungsstoffes den Schülern der oberen Klassen eine wirklich geistesbildende und anregende Lektüre geboten würde. Red. |