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Cyperns, ein Griff in die Ferne, sondern Oesterreich füllt dadurch eine Lücke seines Staatsgebietes aus; es wird auf die Dauer zu einer kompakten Ländermasse am Adriatischen Meere und bekommt unschätzbare Verkehrsverbindung mit dem Süden der Balkanhalbinsel. Russland ist überdies der unmittelbare, in alter Freundschaft mit Deutschland lebende Grenznachbar Oesterreichs, mit welchem Oesterreich im friedlichen Sinne zu rechnen hat. Aber freier gegen Russland und selbst gegen Deutschland ist Oesterreich geworden, da es jetzt leichter als bisher mit England zusammengehen und in ein westmächtliches Bündniss treten kann.

Griechenland, welches sich durch England getäuscht glaubt und durch den ihm als »Grenzberichtigung« zugeworfenen Brocken Nichts weniger als befriedigt ist, sieht in der Englichen Besitznahme der hauptsächlich von Griechen bewohnten Insel Cypern einen an der Zukunft des Hellenischen Staates verübten Raub. Die beiden Grossstaaten des Mittelmeeres, Italien und Frankreich, können aber keinenfalls den neuen Erwerb Englands mit günstigen Augen ansehen. Beide wünschen zwar die Freundschaft Englands und verdecken darum ihren Unmuth, allein bei beiden ist er vorhanden. In Italien hat man über den Ausgang des Kongresses laut und fast kindisch getobt, aber seinem Aerger mehr die Richtung gegen Oesterreich gegeben, durch welches man doch weniger als durch England beeinträchtigt worden ist. In Frankreich hat man seine Befriedigung darüber zu erkennen gegeben, dass England sein Schwert wieder in die Wagschale Europas wirft. Allein gerade über Frankreichs Absichten und Wünsche als Mittelmeerstaat kann man sich am wenigsten durch Frankreichs Kundgebungen von Sympathie für England täuschen lassen. Neben der Führerschaft in Europa hat Frankreich Nichts so eifrig angestrebt, als die Vorherrschaft im Mittelmeere. Sie war es, die der Lohn sein sollte für die von Frankreich im Krim

kriege gebrachten Opfer. Dazu sollte Russlands Macht im Schwarzen Meere gebrochen werden, dazu sollte der Riesenbau des Suezkanals dienen, dazu wurde England damals genöthigt seinen Einfluss in der Türkei nicht blos mit Frankreich zu theilen, sondern ihn seit Stradfords Abberufung sogar dem Französischen Einflusse unterzuordnen. Dass England zur Vorherrschaft im Mittelmeer und im Orient gelangt, läuft den Traditionen der Französischen Politik schnurstracks entgegen und Frankreich macht daher nur gute Miene zum bösen Spiel.

Es entspricht der Tendenz unserer vorliegenden Arbeit, welche hauptsächlich Urkunden zur Orientfrage mittheilen soll, hier die Depesche einzuschalten, die Salisbury zur Beleuchtung des Berliner Vertrages von Berlin aus, unter dem 13. Juli 1878, an Ihrer Majestät Principal secretary of State (for Home Affairs A. Cross) richtete.

>> Mein Herr,

Ich habe die Ehre eine Abschrift des Vertrages beizulegen, der heute zu Berlin von den sieben Signatarmächten des Pariser Vertrages unterzeichnet ward..

Der Vertrag ist von ungewöhnlicher Länge und geht vollständig auf die verschiedenen, durch den Vertrag von San Stefano erhobenen Fragen ein, soweit sie die Bestimmungen des Pariser Vertrages betreffen. Die am Präliminar-Vertrage vorgenommenen Aenderungen sind sehr gross und erstrecken sich beinahe auf alle Artikel der Urkunde. Ihre allgemeine Wirkung ist die gewesen, unter schuldiger Sicherheit guter Regierung dem Reiche des Sultans ein sehr grosses Gebiet zurückzugeben, und sie wirkten in tiefgreifender Weise dahin, die Stetigkeit und Unabhängigkeit seines Reiches vor äusserem Angriff zu sichern. Für alle durch den Vertrag betroffenen Gebiete sind Bestimmungen getroffen worden, die gänzliche Gleichheit aller Religionen vor dem Gesetze zu sichern.

Die vom Berliner Vertrage sanktionirte Politik fällt im Allgemeinen mit derjenigen zusammen, die Ih. Majestät Regierung seit Veröffentlichung des Vertrages von San Stefano aufgestellt hat und die in dem Rundschreiben vom 1. April angezeigt ward.

Der Berliner Vertrag hat die Lage des umfassenden Gebietes, dem im Vertrage von San Stefano der Name Bulgarien gegeben worden, gründlich verändert. Nahezu zwei Drittel desselben sind der direkten politischen und militärischen Herrschaft des Sultans zurückgegeben worden, und in diese Zurückgabe sind eingeschlossen Thracien und Macedonien, in denen die Griechischen Völkerschaften, die durch jene Urkunde betroffen werden, beinahe ausschliesslich zu finden sind. Bulgarien, allgemein gesprochen, ist jetzt auf die Flussgrenze der Donau beschränkt und hat folglich nicht nur aufgehört einen Hafen am Archipelagus zu besitzen, sondern ist um mehr als hundert Meilen von der Nachbarschaft jenes Meeres entfernt. Am Schwarzen Meere ist der wichtige Hafen Bourgos dem Türkischen Reiche zurückgegeben worden, und Bulgarien behält weniger als die Hälfte der ihm ursprünglich zugewiesenen Seeküste und besitzt keinen Hafen ausser der Rhede von Warna, die kaum für andere als Handelszwecke zu brauchen ist. Der neue Slavenstaat ist daher nicht mehr stark, lässt nicht mehr in einer Slavischen Majorität irgend eine beträchtliche Masse Griechischer Bevölkerung aufgehen und wird gewiss nicht Russland einen vorwiegenden Einfluss auf die politischen und kommerziellen Verhältnisse jener Meere verschaffen.

Die Ereignisse des jüngsten Krieges müssen auf viele Jahre hinaus Russland eine grosse Autorität in diesem Staate sichern, welche durch Verwandtschaft der Sprache und Gleichheit der Religion gestützt wird. Aber die Einflüsse, unter denen seine Einrichtungen gebildet und in Thätigkeit gesetzt werden sollen, werden nicht mehr specifisch Russisch

sein. Die Russischen und die Ottomanischen Kommissare, welche die Erwählung der Fürsten und die Auswahl einer Verfassung durch die Notabeln beaufsichtigen, werden der Autorität der Botschafter-Konferenz in Konstantinopel unterstellt, die durch einen Ausschuss der Konsuln an Ort und Stelle wirkt, und der Rückzug des Russischen Heeres aus der Provinz muss geschehen vor der Periode, in welcher die Thätigkeit der neuen Einrichtungen zu beginnen hat. Die Verwaltung des Landes wird folglich ausser von einem Russischen Kommissar noch von Anderen eingerichtet werden und die erste Thätigkeit der Einrichtungen wird nicht unter der Aufsicht eines Russischen Heeres anfangen.

Die territoriale Abtrennung der unter Herrschaft der Pforte gelassenen Provinzen von Konstantinopel, bewirkt durch die Ausdehnung Bulgariens bis zum Aegäischen Meere, war eine andere Folge, welche durch das Rundschreiben vom 1. April als eine solche bezeichnet ward, die zur Schwächung der politischen Macht der Türkischen Regierung führen müsse. Die Einschränkung Bulgariens auf das Donauthal hat den Zusammenhang der der Pforte verbleibenden Besitzungen wieder hergestellt. Der besondere Schutz, welcher für die Geistlichen der Russischen Religion und für Russische Klöster auf dem Berge Athos vereinbart worden, sowie die der Russischen Regierung vorbehaltene Macht, die Einrichtungen zu gestalten, die dem Reste der Europäischen Türkei gegeben werden sollten, diese Abmachungen wurden von I. Maj. Regierung beanstandet als solche, welche in den Ländern und an den Küsten, wo eine Griechische Bevölkerung vorherrscht, die Macht des Russischen Reiches vermehren müssten.

Diese ausschliesslichen Abmachungen sind gänzlich gefallen. Der Vertrag enthält weite Bestimmungen über Sicherung religiöser Freiheit für alle innerhalb der Ottomanischen Besitzungen lebenden einheimischen oder fremden Personen,

aber es werden keine Specialvorrechte für die Mitglieder einer einzelnen Nation geschaffen. Verbesserte Einrichtungen werden Thessalien und Epirus verliehen werden, aber die Form derselben wird in letzter Instanz nicht durch die Russische Regierung, sondern durch eine Europäische Kommission bestimmt werden.

Die Geldentschädigung, gegen welche I. Maj. Regierung viele Einwendungen erhob, ist vollständig aus dem Berliner Vertrage fortgeblieben. Der Kongress lehnte es ab einen Vertrag zu revidiren, der keinen Bruch des Pariser Vertrages enthielt und den zu schliessen daher zwei unabhängige Mächte befugt waren. Aber es wurden im Kongresse Erklärungen gemacht und zu Protokoll genommen, welche die praktische Wirkung wesentlich modificiren. Die Russischen Bevollmächtigten erklärten, Russland werde nicht zur Ausgleichung der Entschädigung Gebiets-Annexion suchen und nicht verlangen, dass die Entschädigung den von anderen Regierungen garantirten Schulden vorgehe, oder solchen, für welche Türkische Einkünfte verpfändet wären. Die Englischen Bevollmächtigten erklärten, sie könnten der Entschädigung keinen Anspruch auf Priorität vor älteren Schulden irgend welcher Art zuerkennen. Aus diesen Erklärungen ergiebt sich, dass die Türkei nicht international verpflichtet ist und nicht gezwungen werden kann, irgend einen Theil der Entschädigung zu zahlen, bis die Ansprüche aller Gläubiger älterer Anleihen voll abgezahlt worden sind. Wenn das Gedeihen der Türkei jemals solche Höhe erreichen sollte, um dieser Bedingung zu entsprechen, so kann die Entschädigung unzweifelhaft verlangt werden. In solchem Falle aber wird es nicht mehr eine unverhältnissmässige oder selbst eine schwere Last der Türkischen Finanzen sein. Die Vereinbarung muss als eine solche angesehen werden, die in ihrer jetzigen Form dem internationalen Gesetze nicht entgegensteht, deren Ausführung aber nach der Natur der

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