Images de page
PDF
ePub

Patent des Kaisers von Oestreich

bezüglich der Formation des lombardisch - venetianischen Königreichs und der Vereinigung desselben mit dem östreichischen Kaiserstaat.

Als nach dem Sturze Napoleon's und dem Einzug der Alliirten in Paris die verschiedenenen Staaten ihre Pläne auf Wiedererlangung des Verlorenen und Vergrößerung in's Werk zu seßen suchten, richteten sich die Bestrebungen Destreich's neben den älteren deutschen Provinzen (Tyrol, Salzburg, Innviertel) vornehmlich auf den Gewinn von Oberitalien. Belgien, das 1713 im utrechter Frieden als spanisches Nebenland an Destreich gefallen, 1794 aber von den Franzosen in eine Republik verwandelt und 1802 völlig französisch geworden war, sollte mit Holland vereinigt werden. Oestreich verzichtete, in Aussicht ander= weitiger Entschädigung, nicht ungerne auf dieses Land, welches, begrenzt von Frankreich und vom Kaiserstaate getrennt, öftere Verwicklungen mit Frankreich und wenig Sicherheit des Besißes bei etwa künftig eintretenden europäischen Krisen in Aussicht stellte. Eine Entschädigung durch die türkischen Donauländer Bosnien, Serbien, Walachei und Moldau, welche Destreich in den völligen Besiß der Donau gesezt hätte, wäre vielleicht für den Kaiserstaat vortheilhafter gewesen, als Oberitalien; auch wurde allerdings von einer Entschädigung in dieser Richtung gesprochen, allein man konnte der Pforte, die durchaus keine Ursache zur Bestrafung gegeben, diese Länder nicht geradezu ent= ziehen. Die Mächte einigten sich also schon beim Abschluß des ersten pariser Friedens (30. Mai 1814), der freilich im Artikel VI. dieser Veränderungen nur erst kurz und im Allgemeinen erwähnt (l'Italie hors des limites des pays qui reviendront à l'Autriche sera composée d'états souverains) dahin, daß Oestreich den größten Theil Oberitalien's erhalten sollte. Noch vor dem Beginn des wiener Congresses kam man sodann näher dahin überein, daß der ganze Länderstrich zwischen dem Po, dem Ticino und dem Lago Maggiore dem Kaiser von Destreich zugewiesen werde. Die Grenzen selbst wurden auf dem wiener Congres definitiv festgesezt (vergl. Art. 95 der wiener Congreßacte). Die Bestandtheile dieses Gebietes waren folgende. Mailand. (Das Herzogthum

Mailand, deutsches Reichslehen, gab nach dem Aussterben der Sforza 1535 Kaiser Karl V. seinem Sohne Philipp II. von Spanien, im utrechter Frieden 1714 kam es als spanisches Nebenland an Destreich, 1796 bildeten die Franzosen die cisalpinische Republik daraus, 1805 wurde es zum Königreich Italien geschlagen). Mantua. (Das Herzogthum Mantua, deutsches Reichslehen, fiel an Oestreich, als der Kaiser 1705 den legten Herzog aus dem Hause Gonzaga, weil er die Partet Ludwig XIV. ergriffen hatte, in die Reichsacht erklärte, wurde von Destreich 1785 mit Mailand als „östreichische Lombardei" vereinigt, von den Franzosen 1797 zur cisalpinischen Republik, 1805 zum Königreich Italien geschlagen). Venedig. (Die Republik Venedig fand ihren Untergang 1797 durch die Franzosen, welche im Frieden von Campo Formio 1797 Destreich mit der Stadt Venedig und einem Theil des venetianischen Gebietes für das an Frankreich abgetretene Belgien entschädigten, der übrige Theil des Gebietes wurde zur cisalpinischen Republik, 1805 aber sammt dem bisher östreichischen Theil zum Königreich Italien geschlagen). Das Veltlin. (Das Veltlin, nämlich die Landschaften Chiavenna, Val Tellina und Bormio, gehörte anfangs zu Mailand, wurde 1512 an Graubündten abgetreten, erklärte sich 1797 von Graubündten für unabhängig und wurde in demselben Jahre zur cisalpinischen Republik, 1804 zum Königreich Italien geschlagen). Außer den genannten Gebietstheilen erhielt Destreich auch noch einen Theil des Barmigianischen und Ferraresischen. Aus diesen sämmt= lichen Landschaften, zusammen ungefähr 852 M. mit 42 Millionen Einwohnern, wurde am 7. Apr. 1815 das lombardisch-venetianische Königreich gebildet. Dieses Königreich soll, wie die Gründungsurkunde §. 5 sagt, durch einen Vicekönig regiert werden und in zwei, durch den Fluß Mincio getrennte Gouvernements, ein mailändisches und venetianisches, zerfallen (§. 6), deren jedem ein Gouver= neur vorgesezt wird. Den königlichen Verwaltungsbehörden sollen, um die Wünsche und Bedürfnisse der Nation genau zu vernehmen, permanente Collegien aus Mitgliedern der verschiedenen Glassen des Volkes an die Seite gesezt werden (§. 12. 13). Im Jahr 1816 wurde im lom= bardisch venetianischen Königreich die östreichische Gesetzgebung eingeführt, 1818 Erzherzog Rainer zum Vicekönig ernannt. Die Gründungsurkunde des lombardisch - venetianischen Königreichs findet sich in der wiener Zeitung, Monat August 1815, deutsch und italienisch, und bei Martens nouveau recueil tom. V. deutsch.

Patent des Kaisers Franz I. von Oestreich

über die Bildung des lombardisch-venetianischen

Königreichs,

Wien, den 7. April 1815.

Wir Franz der Erste, von Gottes Gnaden Kaiser von Oestreich, König von Ungarn, von Böhmen, von der Lombardey und von Venedig, von Gallizien und Lodomirien u. s. w., Erzherzog von Oestreich.

In Folge der mit den alliirten Mächten geschlossenen Tractate und weiter mit denselben gepflogenen freundschaftlichen Uebereinkunft sind nun die lombardischen und venetianischen Provinzen in ihrer ganzen Ausdehnung bis an den Lago Maggiore, den Fluss Ticino und den Po, nebst dem Theile des mantuanischen Gebietes auf dem rechten Ufer dieses letzteren Flusses, dann die Landschaft Veltlin, die Grafschaften Cleven und Bormio mit dem östreichischen Kaiserstaate vereinigt und demselben als integrirender Theil auf ewige Zeiten einverleibt.

Von dem lebhaftesten Wunsche beseelt, den Bewohnern dieser Provinzen und Districte einen unzweideutigen Beweis Unsers Kaiserlichen Wohlwollens und des ausgezeichneten Werthes zu geben, welchen wir auf diese Wiedervereinigung legen, zugleich auch eine Bürgschaft mehr für das enge Band aufzustellen, welches sie von nun an umschlingt, haben Wir erachtet den Zweck dadurch zu erreichen, dass Wir die obengenannten Provinzen und Districte zu einem Königreiche unter den Namen des lombardischvenetianischen Königreichs, erheben, und in dieser Absicht gegenwärtiges Patent erlassen, um diesen unsern Kaiserlichen Beschluss, wie hiemit geschieht, zu Jedermanns Wissenschaft und Nachachtung feierlich kund zu machen.

Wir erklären zugleich:

§. 1. Dass das Wappen des neuen Königreichs und dessen Aufnahme in das Wappen des östreichischen Kaiserstaates, sowie auch die Einschaltung des Königlichen Titels in Unsere Kaiserliche Titulatur unverzüglich durch ein besonderes Publicandum bestimmt werden wird.

§. 2. Dass das Königreich seine eigenen Kronämter haben soll, zu welchen Wir Uns vorbehalten die dazu am meisten geeigneten Individuen nach Verdiensten zu ernennen.

§. 3. Dass die uralte eiserne Krone die Krone dieses Königreichs bleibt, mit welcher Unsere Nachfolger bei dem Antritt ihrer Regierung gekrönt werden sollen.

§. 4. Dass Wir den von Uns bereits im Allgemeinen bestätigten Orden der eisernen Krone in die Zahl Unserer übrigen Haus-Orden aufgenommen haben, und das neue Statut desselben von Uns bereits genehmigt ist.

§. 5. Dass Wir endlich beschlossen haben, Uns in Unserem neuen Königreiche durch einen Vice-König repräsentiren zu lassen.

§. 6. Das Königreich wird zum Behufe der Verwaltung in zwei Gouvernements-Territorien, welche durch den Fluss Mincio getrennt werden, getheilt. Das Gebiet am rechten Ufer des Mincio wird den Namen mailändisches Gouvernement, jenes am linken Ufer des Mincio den Namen venetianisches Gouvernement führen.

§. 7. Jedes Gouvernements-Gebiet wird in Provinzen, jede Provinz in Districte, jeder District in Gemeinden eingetheilt. Die Namen und Grenzen der Provinzen, und die Districte mit den ihnen zugetheilten Gemeinden werden nachträglich durch besondere Circulare bekannt gemacht werden.

§. 8. In jedem Gouvernements-Gebiet ist die administrative Geschäftsleitung unter der Abhängigkeit von Unsern Hofstellen einem Gouverneur und einem Gubernial-Collegium, das seinen Sitz in Mailand, und beziehungsweise in Venedig nehmen wird, anvertraut.

§. 9. In jeder Provinz wird die administrative Geschäftsführung, unter der Abhängigkeit von dem Gubernium, einer Königlichen Delegation übertragen.

§. 10. Jedem Districte wird in der Königlichen Delegation ein Cancelliere del Censo vorgesetzt, der die Oberleitung der in seinem Bezirke befindlichen Gemeinden der zweiten und dritten Classe, die Steuerangelegenheiten und die allgemeine Aufsicht über die Befolgung der politischen Gesetze zu besorgen hat.

§. 11. Die Eintheilung der Gemeinden nach drei Classen und ihre Municipal-Verwaltung wird vor der Hand und bis hierüber andere Bestimmungen werden festgesetzt werden, in der gegenwärtigen Art beibehalten. In dem venetianischen Territorium werden die Communal-Bezirke wieder so hergestellt, wie sie am 1. Januar 1813 bestanden, in so fern nämlich in der Die Gemeinden Zwischenzeit darin eine Veränderung vorgenommen wurde.

der ersten Classe und jene Städte, welche Wir zu Königlichen Städten erhoben haben, dann jene, wo der Sitz einer Königlichen Delegation ist, unterstehen unmittelbar den Königlichen Delegationen, und sind von dem Einflusse der Cancellieri del Censo unabhängig.

§. 12. Um die Wünsche und Bedürfnisse der Einwohner Unseres lombardisch-venetianischen Königreichs im gesetzlichen Wege genau zu vernehmen, und die Einsichten und Rathschläge ihrer Repräsentanten für das

Wohl des Landes in der öffentlichen Verwaltung zu benutzen, haben Wir beschlossen, Unsern landesfürstlichen Verwaltungs-Behörden permanente Collegien aus Mitgliedern der verschiedenen Classen der Nation an die Seite zu setzen. In dieser Absicht wird:

§. 13. In dem mailändischen Gebiete eine Central-Congregation in Mailand und in dem venetianischen Gebiete eine Central-Congregation in Venedig, dann für jede Provinz eine Provinzial-Congregation in dem Orte, in welchem die Königliche Delegation ihren Sitz hat, eingesetzt. Die näheren Bestimmungen hierüber werden in einem eigenen Patente nachgewiesen.

§. 14. In jeder Gemeinde werden Consigli comunali in der bisherigen Art bis auf weitere Bestimmung aufrecht erhalten, und in dem venetianischen Gebiete, wo sie in der Zwischenzeit aufgehoben wurden, wieder hergestellt.

§. 15. Mit einer besondern Verordnung wird der Zeitpunkt bekannt gemacht werden, an welchem die Wirklichkeit der Reggenza in Mailand, des provisorischen Guberniums in Venedig, der Präfectur und Vice-Präfecturen aufhören wird, und von welchem Tage die Consigli generali der Departemente als aufgehoben zu betrachten sein werden.

Gegeben in Unserer Kaiserlichen Residenz zu Wien, den 7. April des Jahres 1815, und des vierundzwanzigsten Unserer Regierung.

Franz.

(L. S.)

Ludwig Graf v. Ugarte,

Oberster Kanzler.

Prokop. Graf v. Laxanzky,
Kanzler.

Auf ausdrücklichen und allerhöchsten
Befehl Sr. k. k. Majestät

Franz Graf Guiccardi.

« PrécédentContinuer »