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östreichischen Niederlande blieben bei Oestreich von 1713 bis 1794. Oestreich ließ die Einrichtungen des Landes, wie bisher, fortbestehen und daffelbe gleichfalls durch Statthalter regieren. Der erste war Prinz Eugen von Savoyen, ihm folgte Maria Elisabeth, die Schwester Kaiser Karl's VI., dann Prinz Karl von Lothringen, der Schwager Maria Theresia's, unter welchem im östreichischen Erbfolgekrieg die Franzosen das ganze Land eroberten, aber im Frieden von Achen 1748 wieder herausgaben. Karl von Lothringen, der sehr Viel für die Hebung der Niederlande that, starb 1780; es folgte ihm Maria Christina, die Schwester des Kaisers Joseph II., in Verbindung mit ihrem Gemahl, dem Herzog von Sachsen-Teschen. Kaiser Joseph II. hob 1781 den Barrieretractat auf, die Holländer zogen ihre Truppen aus den Festungen zurück; auch verlangte er von den Holländern die Herstellung der Grenzen nach dem Vertrag von 1664, die durch den westphälischen Frieden bestimmte Schleifung einiger Festungen, die Abtretung mehrerer Gebietstheile und die Entfernung des vor Lillo liegenden Wachtschiffes. Der Streit wurde durch den Vertrag von Paris (20. Sept. 1785) dahin verglichen, daß die Grenzen nach dem Vertrag von 1664 regulirt wurden, Destreich Alt-Lillo und Liefskenhöck und 10 Millionen Gulden von Holland erhielt, aber auf die freie Scheldeschifffahrt verzichtete. Der Versuch Joseph's II., die östreichischen Niederlande an den bayrischen Kurfürsten Karl Theodor als Königreich (jedoch ohne Namur und Luremburg) gegen Bayern zu vertauschen (1785), scheiterte an der Opposition des Königs von Preußen Friedrich's II., welcher der Protestation des Herzogs von Zweibrücken und der bayrischen Stände nöthigen Falls mit den Waffen Nachdruck zu geben bereit war. Joseph II. dehnte seine Reformen auch auf die Niederlande aus, verbot die Processionen und Wallfahrten und zog Klöster ein; die bürgerliche Regierung änderte er nach östreichischen Formen um, hob den permanenten Ausschuß der Stände auf und theilte das Land in neun Kreise (Brüssel, Antwerpen, Gent, Brügge, Luremburg, Limburg, Namur, Tournay, Mons). Durch seine Reformen verlegte er viele Privilegien; einzelnen Provinzen aber waren ihre Rechte in dem jedesmaligen Bestätigungsbrief, der sogenannten Joyeuse entrée, mit dem Beisaß zugesichert, daß sie, im Falle der Regent die Privilegien verlegte, zu fernerem Gehorsam nicht verbunden seien. Anfangs verweigerte man die Abgaben, bald aber brach die allgemeine Unzufriedenheit in offenen Aufstand aus, zunächst in Brabant, wo man die brabanter schwarz-roth-gelbe Fahne aufpflanzte. Die Oberstatthalterwürde bekleidete damals der Herzog Albert von Sachsen-Teschen; er billigte die Maßregeln Joseph's nicht; der Vollstrecker des kaiserlichen Willens war der kaiserliche Minister Graf v. Belgiojoso. Im Jahr 1788 hob Kaiser Joseph die seinen Neuerungen sich hartnäckig widerseßende ultramontane Universität Löwen auf, im Jahr 1789 die Joyeuse entrée, in demselben Jahre bildete sich aber auch aus den Ausgewanderten unter van der Noot ein revolutionäres Armeecorps, das vom holländischen

Gebiet aus einfiel, der Oberstatthalter mußte aus Brüssel fliehen, die Regierung und die östreichischen Truppen zogen sich nach Luremburg zurück, sämmtliche Provinzen, mit Ausnahme Luremburgs, erklär= ten fich für unabhängig und gründeten unter dem Namen vereintes Belgien am 11. Jan. 1790 einen eigenen Staat, der von einem Con= greß regiert wurde. Kaiser Joseph starb am 20. Febr. 1790; sein Bruder und Nachfolger Leopold II. versprach in einer Proclamation vom 3. März 1790, Alles wieder auf den alten Fuß zu stellen und die Privilegien anzuerkennen. Die Aufständischen, die sich indessen in eine aristokratische Partei, welche die alte Verfassung, und in eine demokratische, welche eine Verfassung nach Art der neuen französischen verlangte, ge= theilt hatten, wiesen seine Vorschläge zurück. Jest nahmen 30,000 Mann Oestreicher unter General Bender mit Gewalt von dem Lande Besiß, worauf sodann Leopold die Rechte bewilligte, wie sie am Ende der Regierung der Kaiserin Maria Theresia bestanden hatten, und der Herzog Albert von Sachsen-Teschen seine Statthalterwürde wieder antrat. Schon 1792 brachen die Franzosen in das Land, brachten dasselbe im Jahr 1794 vollständig in ihre Gewalt und machten eine Republik Belgien daraus. Im Frieden von Campo Formio (1797), und wiederholt im Frieden von Lüneville (1801) wurden die östreichischen Niederlande sodann von Oestreich förmlich an Frankreich gegen Venedig abgetreten und dem französischen Reiche einverleibt. Sie theilten fortan das Schicksal Frankreich's, bis im Jahr 1814 die Alliirten Besiß von dem Lande ergriffen. Diese ließen die belgischen Provinzen zunächst durch den östreichischen Feldmarschalllieutenant Vincent als Generalgouverneur verwalten, weil Oestreich die nächsten Ansprüche darauf hatte. Da sich Oestreich aber lieber in Italien entschädigen lassen wollte, so kamen die Minister der Großmächte, besonders auf Betrieb Englands, schon im Juni 1814 überein, daß die belgischen Provinzen mit den Niederlanden vereinigt werden sollten. England wünschte aus Holland einen kräftigen Mittelstaat zu bilden, der für Großbritannien eine Vormauer gegen Frankreich sein könnte, und hatte sich außerdem, da es die oben genannten holländischen Colonien behielt, verbindlich gemacht, für anderweitige Ent= schädigung Holland's zu sorgen. Aus den Verhandlungen des Grafen Clancarty, des englischen Gesandten in Haag, mit dem Fürsten Wilhelm ging sodann die Acte vom 21. Juli 1814 hervor, welche festseßte, daß Belgien und Holland fortan nur einen einzigen Staat bilden sollten, und daß die bereits in Holland eingeführte Verfassung vom 28. März 1814*), unter den nöthigen, nach beiderseitiger Uebereinstimmung gemachten Abänderungen, auch auf Belgien ausgedehnt werde. Die verschiedenen Confessionen sollten gleiche Rechte, Belgier und Holländer gleiche Ansprüche auf öffentliche Aemter erhalten, die Staats

*) Findet sich bei Pöliz, europ. Verfassungen, Lpzg. 1832, Band II. S. 192.

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schulden beider Länder zusammengeworfen und aus der allgemeinen Staatskassa verzinst, die Generalstaaten, zu denen die Belgier gezogen werden, abwechselnd in einer holländischen und belgischen Stadt gehalten werden, die Dämme jedoch, welche in Holland große Ausgaben machten, aus den Mitteln der betheiligten Bezirke erhalten werden (vgl. Urkunde 1). Durch den Vertrag Wilhelm's mit den vier alliirten Mächten (England, Oestreich, Preußen und Rußland) vom 31. Mai 1815, der auch der wiener Congreßacte als Beilage X. angeschlossen ist, wurde der neue Staat als Königreich der Niederlande anerkannt und zwar in der Erbfolge Wilhelm's von Nassau - Oranien (vergl. Urkunde 2); Fürst Wilhelm hatte sich bereits am 16. März 1815 unter dem Namen Wilhelm I. als König der Niederlande ausrufen lassen. Der wiener Congreß fügte dem Gebiet der Niederlande noch einen Theil von Lüttich bei; ferner erhielt der König das zum Großherzogthum erhobene und dem deutschen Bunde einverleibte Luremburg als eine Entschädigung für die an Preußen abgetretenen deutsch-nassauischen Fürstenthümer Nassau= Dillenburg, Siegen, Hadamar und Dieß. Für Luremburg gilt daher auch die Erbfolgeordnung nach dem nassauischen Erbverein von 1783, nach welchem auch der Linie der Herzoge von Nassau das Erbrecht zusteht, was bei den übrigen Niederlanden nicht der Fall ist. Einen weiteren Zuwachs erhielt das Königreich im zweiten pariser Frieden (20. Nov. 1815) durch einige bisher noch zu Frankreich gehörige Gebietstheile der vormaligen östreichischen Niederlande, nämlich durch das Herzogthum Bouillon und durch einen Landstrich in den Ardennen mit den Festungen Philippeville und Marienburg.

Die Belgier, bei denen sich jezt, nach der Befreiung von der französischen Herrschaft, alsbald wieder der durch die langjährige spanische Regierung fest gewurzelte ultramontane und jesuitische Geist Geltung zu verschaffen suchte, waren mit der neuen Verfassung vornehmlich deßhalb unzufrieden, weil sie eine Gleichberechtigung aller Culte aussprach und durch dieselbe also auch alle Protestanten Anwartschaft auf belgische Aemter erhielten. Der Artikel 190 lautete: „Die vollkommene Freiheit aller religiösen Meinungen wird Jedermann garantirt. Art. 191. Allen religiösen Gemeinschaften, welche in dem Königreiche bestehen, ist gleicher Schuß verliehen. Art. 192. Alle Unterthanen des Königs, ohne Unterschied ihres religiösen Glaubens, genießen dieselben bürgerlichen und po= litischen Rechte und haben gleichen Anspruch auf alle Würden und Aemter." Von den auf den 8. Aug. 1815 zu einer Erklärung über die Verfassung nach Brüssel einberufenen 1603 Notabeln erschienen nur 1223, und von diesen stimmten 527 für, 796 gegen die Verfassung, von lezteren erklärten 126, sie würden der Verfassung ihre Zustimmung gegeben haben, wenn sie nicht eine Gleichberechtigung aller Culte ausspräche. König Wilhelm I. jedoch, gestüßt auf die Bestimmungen der Großmächte, ließ sich durch diesen Widerspruch nicht hindern, der Verfassung an seinem Geburtsfest, den 24. Aug. 1815, die königliche Sanction zu geben und

dieselbe als gültiges Grundgeseß des Reiches einzuführen*). Er erklärte, die einem Theile der belgischen Notabeln wegen der Gleichberechtigung der Confessionen mißliebigen Artikel gründeten sich auf Verträge mit europäischen Mächten, in deren Staaten eine solche Gleichberechtigung ebenfalls stattfinde, ihre Beseitigung würde die ganze Eristenz des neuen Staates in Frage stellen, auch sei kaum ein Zweifel, daß die große Mehrheit der Belgier diesen Artikeln und der gesammten Verfassung nicht entgegen sei, da 527 der Notabeln dafür gestimmt hätten. Die erste allgemeine Ständeversammlung wurde für den 21. Nov. 1815 nach Brüssel berufen; hier wurde die neue Verfassung von König und Ständen beschworen, da= mit aber der Widerstand der Belgier, ganz besonders des ultramontanen Glerus, nicht beseitigt. Der Bischof von Gent, Fürst v. Broglio, untersagte 1816 seinen Pfarrern, Männern, welche die Constitution be= schworen hätten, die Absolution zu ertheilen, und erklärte es für Verrath an der katholischen Kirche, einem protestantischen Souverän das höchste Aufsichtsrecht über den katholischen Religionsunterricht zu gestatten. Da= neben wurden Beschwerden laut über Bevorzugung der Holländer in den höheren Staatsdiensten, da doch Belgien eine Million Einwohner mehr (3,210,700) zähle, als Holland (2,016,157). Auch fand man die Steuern, von denen ein großer Theil für die Marine und Wasserbauten, so wie für die Verzinsung der Staatsschuld in Anspruch genommen wurde, sehr hoch, und ganz besonders verleßte die Verordnung vom 15. Sept. 1819, nach welcher in den südlichen Provinzen der Gebrauch der französischen Sprache eingeschränkt und vom 1. Jan. 1823 an nur noch die flamändisch-holländische als Gerichts- und Schulsprache gelten sollte. Die großen Vortheile, welche Belgien aus seiner Verbindung mit Holland zog, das ihm nicht nur im eigenen Lande, sondern auch in seinen Colonien für seine Landesproducte und Gewerbserzeugnisse einen offenen und gewinnreichen Markt bot, wurden bei den beständigen Anfeindungen, die von den Ultramontanen ausgingen und die Regierung zwangen, auch die freie Presse zu beschränken, ganz übersehen. Vergeblich hoffte der König Wilhelm I. durch das Concordat, welches er, gegen den Rath seiner Minister, am 18. Juni 1827 mit der römischen Gurie abschloß, den katholischen Clerus zufrieden zu stellen; den Ultramontanen genügte dasselbe nicht, die Protestanten fanden eine Verlegung der Verfassung darin, und es kam nicht zum Vollzug. Die Aufhebung des philosophi schen Collegiums an der theologischen Facultät zu Löwen (1830), welches die Regierung gegründet hatte, um einem duldsameren Geiste unter den jungen katholischen Geistlichen Bahn zu brechen, ermuthigte nur zu

*) Sie findet sich deutsch bei Pöliz: eurov. Verfassungen, Lyzg. 1832 ff., Band III. p. 166; bei Schubert: Verfassungsurkunden und Grundgeseße der Staaten Europa's, Nordamerika's und Brafilien's, Königsb. 1848 ff., Band II. p. 185. Holländisch: Grondwet voor het Koningrijk der Nederlanden, Haag 1815. 8.

noch entschiedenerer Opposition. Nur mit wenigen Stimmen vermochte die Regierung bei den Generalstaaten von 1830 das Budget durchzu= bringen; leßtere wurden am 2. Juni 1830 aufgelöst, nachdem sie mit mehr als tausend Bittschriften überschwemmt worden waren, welche sämmtlich Freiheit des Unterrichts, freie Presse, Geschwornengerichte, gleiche Vertheilung der Aemter zwischen Holländern und Belgiern, Verantwortlichkeit der Minister, Vollziehung des Concordats verlangten.

Als in Paris am 27. Juli 1830 die französische Julirevolu= tion ausgebrochen war, bereitete sich auch in Belgien ein Volksaufstand vor, der am 25. August 1830 in Brüssel nach dem Schlusse des Theaters, wo man die Stumme von Portici gegeben hatte, zum Ausbruch kam. Die Aufständischen demolirten die Häuser des Justizministers van Maanen, des Polizeidirectors und des Redacteurs des National; es bildete sich eine Communalgarde, welche die brabanter Farben schwarz, roth, gelb aufsteckte. Am 27. und 28. August reisten die Söhne des Königs, der Prinz von Oranien und der Prinz Friederich, nach Antwerpen ab und die holländischen Truppen folgten ihnen. In wenigen Tagen verbreitete sich der Aufstand über alle bedeutenderen Städte des Die Belgier wünschten eine völlige Trennung Belgien's von Holland entweder unter dem gemeinsamen König Wilhelm I., oder unter dem Prinzen von Oranien als besonderem König von Belgien. Der Prinz von Oranien versprach, sich bei seinem Vater für diesen Plan zu verwenden; der König war auch anfangs Willens, darauf einzugehen; allein Adressen von Antwerpen und Gent, welche sich gegen eine Trennung aussprachen, veränderten seinen Entschluß. Fr legte die Frage den am 13. Sept. 1830 zu Haag eröffneten Generalstaaten vor, bei welchen sich auch aus Belgien die Deputirten zahlreich eingefunden hatten. Von den belgischen Abgeordneten, denen die Eröffnungsrede des Königs wenig Aussicht zu bieten schien, reisten jedoch mehrere schon in den ersten Tagen wieder ab, unter ihnen der Baron Stassard, welcher in einer Proclamation zu Brüssel erklärte, daß die Forderungen der Belgier auf keine Anerkennung rechnen könnten. Diese Erklärung brachte ganz Belgien wieder in Aufstand; es bildete sich jezt zu Brüssel eine provisorische Regierung, bestehend aus de Potter, van de Weiher, Baron v. Stassard, dem Grafen Felir Merode u. A. Nachdem sich die holländischen Truppen unter dem Commando des Prinzen Friederich vom 21. bis 26. Sept. in und um Brüssel mit den Aufständischen geschlagen, zogen sie sich gegen die holländische Grenze zurück, und die provisorische Regierung erklärte am 4. Oktober Belgien für einen unabhängigen Staat. An demselben Tage ernannte der König den Prinzen von Oranien zum Regenten Belgien's, zugleich befahl er, daß in Belgien nur die französische Sprache als Ge= richtssprache angewandt und die belgischen Verwaltungsstellen nur mit geborenen Belgiern besezt werden sollten; allein diese versöhnlichen Ver= fügungen machten nur geringen Eindruck, da man sich daneben offen in

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