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1855.

Mai. 17. Desterreichs Regierung erklärt sich in verschiedenen Depeschen gegen
jede Berathung der in der ruff. Depesche vom 30. April gemachten
Vorschläge in der Bundesversammlung. Da für Oesterreich die
vier Grundlagen ein Ganzes seien, so müßte das Eingehen auf Er-
klärungen, die wie die ruff. dieselben völlig trennen wollten, sich in
seinen Folgen gegen Desterreich kehren. Rußlands Zweck könne
nur dabei sein, Uneinigkeit in Deutschland zu erhalten.

19. General Pelissier übernimmt an Stelle des General Canrobert den
Oberbefehl über die französ. Armee vor Sebastopol.

Aftenstück Nr. 329, 330

19. Depesche des Frhrn. v. Manteuffel an Graf Arnim in Wien, in wel- Nr. 335.
cher derselbe ausspricht, daß eine nähere Verständigung zwischen
Preußen und Oesterreich, die Graf Buol wünsche, sich daran knü-
pfen werde, ob die Vorschläge Oesterreichs völlig mit den Grund-
säßen der preuß. Politik und den übernommenen Verpflichtungen
übereinstimmen.

20. Graf Buol sucht in einer längern Depesche gegen die Erklärung des Nr. 336.
Grafen Walewski die Wirksamkeit der vom österr. Kabinet gemach-
ten Vorschläge darzuthun.

20. Ein kaiserlicher Armeebefehl bestimmt für die Armee in der Krim folgende neue Organisation: Ober Befehlshaber General Pelissier. Der Brigade-General Martimprey fungirt als Chef des Generalstabs. Das erste Armeekorps steht unter Befehl des Divifions-Generals de Salles. Die vier zu demselben gehörigen Infanterie-Divisionen befehligen die Divisions- Generale d'Autemarre, Levaillant, Paté und Bouat, die Kavallerie-Division General Morris. Befehlshaber des zweiten Korps ist der Divisions-General Bosquet; die fünf unter ihm stehenden Infanterie-Divisionen wer den von den Generalen Canrobert, Camon, Mayran, Dulac und Brunet, die Kavallerie-Division von dem General d'Allonville befehligt. Das Reservekorps endlich unter dem Divisions - General Regnault de Saint Jean d'Angely zählt zwei Infanterie-Divisionen unter den Generalen Herbillon und d'Aurelle, ferner die Division der Kaisergarde unter dem Brigade-General Mellinet, so wie die Reserve-Kavallerie-Brigade unter General de Forton. 21-22. Die Russen suchen auf dem östlichen Kampfterrain neue Linien von Contreapprochen zu errichten, indem sie von der Spitze der Quarantänebucht längs des Kirchhofs bis zur Lünette rechts von der Central Bastion (Nr. V.) eine Linie von Befestigungswerken anlegen, welche einen Waffenplatz zur Ansammlung größerer Truppenmassen zu starken Ausfällen schaffen sollte.

22-23. Die Expedition nach dem östlichen Theil der Krim geht, nachdem sie bereits einmal wieder zurückgekehrt war, von Sebastopol ab. Sie bestand aus 33 engl. Fahrzeugen, ungefähr eben so viel französ. und 15,000 Truppen, nebst 3 Batterien Artillerie. Die Flotten wurden befehligt von den Vice-Admiralen Sir Edmund Lyons und Bruat, die Landungstruppen standen unter dem Oberkommando von Sir George Brown.

22-24. General Pelissier befiehlt den Angriff auf die vom 21.-22. neu errichtete Befestigungslinie. Das erste Korps unter General de

Nr. 332.

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Salles führte ihn aus. Der Angriff wird gleichzeitig einmal gegen
die Contreapprochen am Ende der Quarantänebucht und zweitens --
gegen die in der Fronte des Kirchhofs gerichtet. Der Kampf währte
die Nacht vom 22-23. in furchtbarster Weise. Es war fast durch-
weg der heftigste Bajonettkampf. Die Franzosen vermochten nur in
einem Theil der ruff. Contreapprochen, den Gräben an der Spitze
der Quarantänebucht, sich zu halten. In der Nacht vom 23–24.
läßt General Pelissier von neuem zum Angriff schreiten und die
Ruffen werden genöthigt ihre ganze Linie der Contreapprochen auf-
zugeben, welche von den Franzosen sofort in die Linie ihrer Appro-
chen hineingezogen werden. Der Verlust der Russen betrug nach
ihrer Angabe: Getödtete: 1 General-Major, 3 Stabs - Offiziere,
15 Ober-Offiziere und 746 M.; Verwundete: 7 Stabs-Offiziere,
42 Ober-Offiz. und 1377 Mann. Contufionirte: 1 Stabs-Offiz.
8 Ober-Offiz. und 315 M.

Aftenstück Mai. 23. Freiherr v. Manteuffel unterrichtet das Wiener Kabinet, daß die preuß. Regierung nicht die Absicht habe, die ruff. Depesche vom 30. April zum Gegenstand einer Verhandlung zu machen. Die Absicht, Uneinigkeit zu erregen, kann Preußen nicht mit Oesterreich Rußland unterschieben. Aus Rücksicht für Desterreichs schwierige Ausnahmestellung werde Preußen nicht auf Erklärungen dringen, behalte sich aber vollste Freiheit der Entschließung vor.

Nr. 327.

23. Graf Walewski sucht in einer Depesche den Gegenbeweis gegen die ruff. Ausführungen in der Depesche vom 10. Mai zu führen.

24. Am Geburtstage der Königin Victoria langt die Expedition der Alliirten an der Landenge von Kertsch an. Die Landung fand bei Kamisch-Burnu statt und Kertsch wurde ohne Widerstand, indem die Ruffen in größter Verwirrung sich zurückzogen, nachdem sie bedeutende Magazine zerstört hatten, befeßt.

Nr. 331. 24. 25. Graf Buol unterrichtet die deutschen Höfe, daß. die Kabinete von Wien und London die von Hrn. Drouin de Chuys und Lord John Russell günstig aufgenommenen Vorschläge verworfen hätten. Diese Vorschläge sollten ein Ultimatum sein, aus deffen Verwerfung durch Rußland Desterreich einen Kriegsfall zu machen sich entschloß; zwei Alternative enthielten diese Vorschläge: 1) Vertrag zwischen der Pforte und Rußland über gegenseitige Machtbeschränkung; 2) progressives System von Bürgschaften gegen ruff. Machtentfaltung im Pontus theils durch Friedensvertrag, theils durch besondern Vertrag zwischen Desterreich, England, Frankreich und der Pforte. Desterreich wolle nun noch einmal ausführlich diese Vorschläge in Paris und London empfehlen. Würden sie daselbst abgelehnt, so überließe ihnen Desterreich, sich durch den Krieg beffere Bedingungen zu schaffen; es selbst würde an den Grundlagen der vier Punkte festhalten und die Türkei gegen einen neuen Angriff zu schüßen fortfahren.

25. Die Alliirten beseßen das von den Russen geräumte Jenikale. Die Ruffen verloren 160,000 Sack Hafer, 360,000 Sack Korn, 100,000 Sack Mehl. 30 Transportschiffe zerstört, 30 genommen. 100 Ka

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nonen fallen den Alliirten in die Hände. Die Ruffen bohren drei
Dampfschiffe selbst in den Grund.

Mai. 25. Große Recognofcirung auf der Tschernajalinie unter General Canro-
bert, General Sir John Campbell, General La Marmora und
Omer Pascha. Die Alliirten gehen bis Tschorguu und machen sich
zu Herren des Baidarthales.

26. Ein Geschwader von 13 engl. und 5 franz. Schiffen unter dem Be-
fehl des Kapitän Lyons von der „Miranda" und dem Kapitain
Sedaiges vom „Lucifer" fährt in das Asowsche Meer ein.

27. Das Geschwader der Alliirten unter Kapitain Lyons legt sich vor
Berdiansk. Die Russen müssen vier Kriegsdampfer verbrennen.
Die Alliirten zerstören viele Schiffe sowie die Kornmagazine, im
Werthe von 50,000 Pfd.

28. Das Geschwader der Alliirten bombardirt Arabat, ohne weitern Er-
folg. Bis zum 28. hatten die Alliirten über 100 meist mit Vor-
räthen für die russ. Armee befrachtete Schiffe zerstört.

29. Kapitain Lyons trifft mit seinem Geschwader vor Genitschi ein, das
bombardirt und genommen wurde. Ungeheure Vorräthe und gegen
100 Schiffe wurden zerstört.

Mit den Verlusten in Kertsch betragen die in der Zeit vom 24-29.
zerstörten Getreidevorräthe die beinahe viermonatliche Ration für
eine Armee von 100,000 Mann.

31. Graf Buol erwiedert die preuß. Depesche vom 23. Mai, indem er Aftenstück
unter Anerkennung der bundesfreundlichen Gesinnung Preußens Nr. 324.
auf seiner Beurtheilung der Absicht des ruff. Kabinets mit der De-

pesche vom 30. April beharrt.

Juni. 1-3. Kapitain Lyons erscheint mit seinem Geschwader vor Taganrog
und bombardirt dasselbe, da die Uebergabe verweigert wird. Die
Magazine, die Regierungsgebäude, die Schiffe auf den Werften
werden zerstört.

4. Vierzehnte und lehte Sizung der Wiener Konferenz. Desterreich legt Nr. 342.
einen neuen Vorschlag zur Erledigung der Frage über die Beseiti- S. 191.
gung des ruff. Uebergewichts im schwarzen Meere mit folgenden
Bestimmungen vor: 1) Rußland und die Pforte vereinbaren sich
über gleichen Stand der Seekräfte. Das Maximum ist der actuelle
Stand der fahrbereiten russischen Schiffe im schwarzen Meere.
2) Die Meerengen bleiben geschlossen. 3) Jede der contrah. Mächte,
die nicht Uferstaaten, hat das Recht, zwei Fregatten im schwarzen
Meer zu stationiren. 4) Wird der Sultan von einem Angriff be-
droht, so kann er völlig freie Passage gewähren. England und
Frankreich lehnen die Diskussion des Vorschlages ab, da Rußlands
Weigerung wegen einer Reduktion der Streitkräfte jedem Vorschlag
die praktische Bedeutung genommen habe. Die ruff. Bevollmächtig-
ten erklären den österr. Vorschlag für diskutirbar und werden ihrem
Hofe darüber berichten. Sie erklären aber zugleich, daß Rußland
jede Beschränkung seiner Seekräfte wie bisher so auch jezt ablehne.
Desterreich erklärt, daß es keine anderen Vorschläge zu machen habe,
es sei aber immer bereit, den kriegführenden Mächten die Eröffnun-

Aftenstück
Nr. 337.

Nr. 338.

Nr. 343.

1854.

gen zu übermachen, welche die eine oder die andere an daffelbe gelangen ließen.

Juni. 5. Kapitain Lyons fährt mit seinem Geschwader von Taganrog nach
Mariupol, das bombardirt wird. Ungeheure Magazine verbrennen.
5. Nachdem die Ruffen Sudchumkale, aufgegeben hatten, wurde von den
Russen in einem Kriegsrath auch die Räumung von Anapa, des
letten befestigten Plates an der kaukasischen Küste, beschlossen.
Nachdem Geschüße und Befestigungswerke unbrauchbar gemacht
worden waren, verließen die sämmtlichen russischen Truppen am 5.
Anapa und die umliegenden Militairansiedelungen und zogen sich
nach dem Kuban zurück.

6. Von Mariupol fuhr Kapitain Lyons nach Jeisk, wo, da es sich er-
gab, das Privateigenthum geschont, alles öffentliche aber vernichtet
wurde. Die Flotille verließ hierauf wieder das Asowsche Meer.
6. Das Bombardement auf Sebastopol wird von den Alliirten wieder
in stärkster Weise eröffnet, und zwar vor Allem auf die östliche Bes
festigungslinie der Ruffen an der Schiffervorstadt.

6. Depesche des Frhrn. v. Manteuffel zur Erwiderung der ruff. Depesche vom 30. April. Indem Preußen die zu Pünkt 1 und 2 getroffenen Resultate den Interessen Deutschlands angemessen findet, nimmt es Akt von der Erklärung Rußlands, an ihnen festhalten zu wollen. Die Bedingung der Neutralität kann es nicht anders als in einem Sinne verstehn, der den von Preußen, Oesterreich und dem deutschen Bunde gegenüber eingegangenen Verpflichtungen entspricht. 7-8. Nachdem das Bombardement unausgefeßt zwei Tage fortgedauert hatte, schritten Franzosen und Engländer am 7. Juni Abends 6 Uhr zum Angriff auf die verschiedenen vorgeschobenen Werke vor den Bastionen 1, 2, 3: den Redouten Kamtschatka, Selenginsk, Wolhyusk und der Batterie zwischen der Redoute Selenginsk und der Bastion Nr. 1, sowie den Steinbrüchen vor dem Redan (Nr. III.) Die Franzosen eroberten und behaupteten die Redoute Kamtschatka, Selenginst, Wolhynsk, und die Engländer die bezeichneten Steinbrüche. Die Batterie zwischen der Redoute Selenginsk und der Bastion Nr. 1 wurde von den Rufsen selbst aufgegeben. Damit war erreicht, daß die Ruffen wie früher auf ihrem rechten (westli chen), jo nun auch auf ihrem östlichen Flügel aus allen vorgeschobenen Werken verdrängt und auf den Play selbst beschränkt wurden. Die Franzosen eroberten 72 Geschüße und machten 500 Gefangene, darunter 20 Offiz. Die Russen hatten 275 M. (7 Offiz.) ge= fangen und 2 franz. Kanonen erobert. Die Russen geben ihren Verlust auf 2500 Getödtete und Verwundete an. Die Engländer hatten 400 Todte und Verw. Der Verlust der Franzosen ist offi= ziell nicht bekannt gemacht; er war bedeutend. Sie verloren u. A. den General v. Lavarande und die Obristen v Brancion, und Hardy. 9. Der ruff. Geschäftsträger in Frankfurt übergiebt die Depesche vom 30. April dem Bunde mit einer Note, in der die Bedingung der stricten Neutralität der Depesche vom 30. April dahin modifizirt ist, daß nur Fortdauer der bisher beobachteten Haltung gefordert wird. 9. Baron Manteuffel richtet eine Depesche an Graf Arnim in Wien, in

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Nr. 334.

der er seine Auffassung der sogen. Glinkanote ausführt und die Be- Aftenstüc deutung der preuß. Depesche vom 6. Juni nach Petersburg darlegt. Juni. 11. Ein Artikel des Journal de St. Petersburg bespricht den definitiven Schluß der Wiener Konferenzen, indem er die Schuld des Abbruchs den Westmächten beimißt, welche, während Rußland zur Berathung über den österr. Vorschlag bereit war, denselben einfach ablehnten.

18. Nachdem die Alliirten mit dem Morgen des 17. das Bombardement
in stärkster Weise auf der ganzen Linie erneuert und während des
Tages sowie der ganzen Nacht fortgesezt hatten, schritten sie am
Morgen des 18. zum Sturm auf die großen Werke auf der Ostseite
bei der Schiffervorstadt, die Bastion II. (Bastion Korniloff) und
Bastion III. (Redan). Die Engländer hatten zum Angriff den
Redan, die Franzosen die Bastion Korniloff (Malakoffthurm) ge-
wählt. Der Sturm wurde vollständig abgeschlagen und erlitten
die Alliirten sehr große Verluste, 600 Gefangene blieben in den
Händen der Ruffen. Die Alliirten behaupteten indeß das bisher
gewonnene Terrain und sehen ihre Approchenarbeiten gegen die
bezeichneten Werke seitdem eifrig fort.

Die Alliirten geben Folgendes als ihren Verlust an: die Eng-
länder: getödtete Offiziere 21, getödtete Mannschaft 230, Ver-
wundete und Vermißte: Offiziere 72, Mannschaft 1090, zusam-
men 1473; die Franzosen: getödtete Offiziere 37, vermißte 17,
getödtete oder vermißte Mannschaft 1544; verwundete Offiziere 96,
Mannschaft 1644, zusammen 3334. In Summa Getödtete, Ver-
wundete und Vermißte 4807. Unter den Getödteten befanden,
sich die franz. Generäle Brünet, Mayran; der engl. General Sir
J. Campbell.

Der Verlust der Russen am 17. und 18. Juni beträgt an Getödteten: 1 Stabsoffizier, 4 Oberoffiziere und 530 Mann, an Verwundeten: 6 Stabsoffiziere 42 Oberoffiziere und 3378 Mann. 19. Circulardepesche des Grafen Clarendon über den Gang der Wiener Konferenzen und die Ursachen ihres Scheiterns.

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24. Der Moniteur beantwortet den Artikel des Journal de St. Peters- Nr. 339.
bourg. Rußland habe sich bereit erklärt den österr. Vorschlag in
Berathung zu ziehen, nachdem die Westmächte ihn abgelehnt hat-
ten, zugleich aber habe es offen wiederholt, daß es die Reducirung
der Flotte das einzige Mittel um den österr. Vorschlag praktisch
zu machen - unter jeder Bedingung ablehne, und damit sei die
auf die gleiche frühere Erklärung Rußlands gegründete Ableh-
nung der Vorschläge Desterreichs Seitens der Westmächte gerade
aufs vollständigste gerechtfertigt.

24. Der Kaiser von Desterreich entläßt durch Armeebefehl die Reserve der Nr. 340.
dritten und vierten Armee (Galizien, Bukovina, Siebenbürgen 2c.)
26. Lord Clarendon erklärt im Oberhause, daß nach Auffassung der engl. Nr. 341.
Regierung die österr. Regierung den ihr im gegenwärtigen Moment
obliegenden, im Dezembervertrag den Westmächten gegenüber ein-
gegangenen Verpflichtungen nachgekommen sei. England betrachtet
fich der vier Punkte völlig los und ledig.

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