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«Den Bund der Eidgenossen, laut Inhalt der soeben verlesenen Urkunde vom 7. August 1815 wahr und stets zu halten, und dafür Leib und Leben, Gut und Blut hinzugeben; die Wohlfahrt und den Nutzen des gesammten Vaterlandes und jedes einzelnen Standes nach besten Kräften zu fördern und deren Schaden abzuwenden; im Glück und Unglück als Brüder und Eidgenossen miteinander zu leben und Alles zu leisten, was Pflicht und Ehre von treuen Bundesgenossen erfordert. »

Worauf die Gesandtschaften mit lauter und vernehmbarer Stimme die Worte nachgesprochen haben:

Was der soeben vorgelesene Eid enthält, das wird mein hoher Stand, der mich hieher gesandt, halten und vollziehen, getreulich und ohne Gefährde; das betheure ich bei Gott dem Allmächtigen, so wahr mir seine Gnade helfen möge (und alle Heiligen). »

Dass dieses also geschehen sei, bezeugen die Beamten der eidgenössischen Kanzlei mit ihren Siegeln und Unterschriften, den 7. August 1815.

(L. S.) M. Mousson, Kanzler der Eidgenossenschaft. (L. S.) Oberst Fridolin Joseph v. Hauser, Staatsschreiber. (L. S.) Heinrich Hottinger, eidgenössischer Stabshauptmann, Kanzlersubstitut bei der ausserordentlichen Tagsatzung.)

(Bundessiegel.)

1) Hier folgt in der Urkunde noch das Protokoll über die Wiederaufnahme von Nidwalden in den Bund, das bereits wörtlich auf pag. 564 abgedruckt ist.

Eidgenössische Politik, Gesetzgebung und
politische Literatur. 1888.

I.

Die vorherrschende Stimmung des Jahres ist: Andauerndes Gefühl der Unsicherheit in Bezug auf die auswärtigen Verhältnisse, die durch einen jeden (täglich möglichen) Zufall sich zu einem Kriege an den Grenzen gestalten können, in dessen Verlauf die Fragen und Situationen neuerdings auftreten würden, welche die Eidgenössischen Geschichten dieses Bandes beschreiben. Im Innern: in einigen Kreisen die Ausbildung der sozialistischen Staatsanschauung, in andern hingegen eine vorerst leise, allmälig aber mit grösserer Bestimmtheit sich äussernde Opposition gegen dieselbe. Eine Anzahl von Ideen des sogenannten Staatssozialismus sind in bemerkenswerthem Fortschritt der Ausführung begriffen. Damit hält aber bereits nahezu Schritt eine täglich wachsende Ueberzeugung, dass hieraus die Befriedigung der daran geknüpften Hoffnungen nicht hervorgehen, sondern im günstigsten Falle eine Verschiebung des bereits längst bestehenden Grundsatzes öffentlicher Sorge für Arme und Nothleidende auf andere Träger, bzw. also eine neue Vertheilung der Armenlast zu erreichen sein werde. Es ist diess ein Gedanke, zu dem das nähere Studium der sog. «Arbeitergesetzgebung führt, und es werden auch die praktischen Endresultate derselben in den Ländern, die damit vorangegangen sind, in Bälde ein Gefühl in den nächstbetheiligten Kreisen hervorrufen, das dem der Enttäuschung nach einem Zustande gesteigerter Erwartungen ziemlich gleichkommt. Dieses Resultat sieht ein Theil der schweizerischen Bevölke

rung voraus, oder fühlt es wenigstens instinktiv, und daraus entsteht, dicht neben der in der Schweiz stets vorhandenen Neigung zu den Tagesproblemen, eine Abneigung gegen die mit solchen Versuchen nothwendig verbundene, beständige Unruhe und zunehmende bureaukratische Tendenz der Verwaltung eine Stimmung, die sich mit der allmälig sich gestaltenden Opposition gegen die Helvetik im Jahre 1799 vergleichen lässt. Kriegerische Verwicklungen würden die Analogie noch vollständiger machen.

Der Sitz der Opposition, die vorläufig noch gewissermassen latent ist und namentlich einer bestimmten Parteiorganisation ermangelt, ist in den sogenannten mittleren Klassen der schweizerischen Bevölkerung zu suchen, die überhaupt die Eigenthümlichkeit an sich haben, dass der Kopf zwar stark mit Theorien eines kosmopolitischen Radikalismus angefüllt, das Herz aber der Abänderung alles Bestehenden bei uns nicht sehr geneigt ist. Dieser Reaktion leistet die Wahrnehmung Vorschub, dass die katholische Kirchenregierung, gegen welche die liberale Bourgeoisie Misstrauen hegt, sich der sozialen Ideen, in Konkurrenz mit dem Staate, zu bemächtigen und daraus ein neues Fundament für ihre Macht zu gestalten sucht. Und nicht viel weniger trägt bei die bereits gemachte Erfahrung, dass die sozialistische Agitation nicht ausschliesslich schweizerischen Ursprungs ist und dass sich das Ausland eine solche Verwendung der Schweiz als Agitationsherd für andere Länder nicht gefallen lassen will. Hierin liegt, im Ganzen genommen, der Typus des Jahres, welcher sich von dem vorjährigen nicht unwesentlich unterscheidet und eine weitere Entwicklung in dem Sinne voraussehen lässt, dass zwar den sozialen Bedürfnissen von Staatswegen, jedoch in von den bisherigen sich nicht allzusehr unterscheidenden Formen entgegengekommen, das Hauptgewicht aber allmälig wieder auf die Hebung der Sittlichkeit und der selbständigen Lebenskraft des einzelnen Menschen gelegt wird.

Sehr gross war die Antheilnahme der Schweiz an wichtigen Vorgängen in der Regierung ihrer beiden Hauptnachbarstaaten: In Frankreich an dem Sturze einer schwachen, moralisch diskreditirten Regierung, welcher sich in den ersten Tagen des Dezember 1887 vollzog, und seither an dem Kampfe zwischen der republikanischen und monarchi

schen Staatsform. Dass die eidgenössische Bevölkerung in ihrer weitaus grössten Mehrheit für die erstere Sympathien hegt, ist nicht unvereinbar mit der Ueberzeugung, dass ein grosses Land vor Allem einer etwas festen und imponirenden Regierung bedarf, die sich auf die Achtung der ganzen Bevölkerung stützen kann und nicht bloss eine Delegation von zufälligen Kammermajoritäten ist. Der Parlamentarismus, als System, leidet heute überall an dem Fehler, dass seine Regierungen zu unbedeutend sind, oft beinahe nur Verwaltungsräthen gleichen, die aus dem Schosse einer Aktiengesellschaft gewählt werden, während ein lebenskräftiges Volk den besten Ausdruck seines Staatsgedankens in seiner Regierung verkörpert sehen will und sich unbehaglich fühlt, wenn diess nicht der Fall ist. In Deutschland nahmen wir lebhaften Antheil an dem Hinschied eines ehrwürdigen Regenten, der unser Land stets mit Gerechtigkeit und mit dem Verständnisse seiner Eigenthümlichkeit behandelt hatte, welches eben die feinste Blüthe einer gerechten Gesinnung ist. Persönlicher gewissermassen, war die Trauer um den zweiten deutschen Kaiser. Nicht allein des in der Geschichte beinahe beispiellosen Heldenmuthes wegen, mit dem er einem langsam heranschleichenden Tode monatelang in's Auge geschaut und den wir noch höher taxiren als den Heldenmuth im Kriege, der in der Aufregung des Kampfes jedem kräftigen Manne eigen ist, sondern namentlich wegen des sympathischen Tons aller seiner Regierungsäusserungen, in denen etwas kaum näher Beschreibliches, mit unserer und des gesammten Jahrhunderts Auffassung von Staat und Regierung aber unzweifelhaft Uebereinstimmendes lag. Dafür haben die Nationen ein sicheres Gefühl, sie wollen Männer von solcher bürgerlicher, wenn auch fester und imposanter Art an der Spitze der massgebenden Staaten Europa's sehen, nicht blosse Krieger. Für die künftigen Regenten des komplizirten deutschen Bundesstaates, dessen sämmtliche Interessen, sobald einmal für die äussere Sicherheit hinreichend gesorgt ist, nur durch ein liberales Regiment befriedigt werden können, wird daher die edle Gestalt des Kaisers Friedrich stets in ähnlicher Weise vorbildlich bleiben, wie es Friedrich Wilhelm I. und Friedrich der Grosse für den militärisch organisirten Staat Preussen gewesen sind. Der preussische Staatsgedanke hat mit dem ersten deutschen Kaiser seinen

vollkommenen Ausdruck und zugleich sein Ziel erreicht; nun beginnt der deutsche.

Die militärischen Vorbereitungen der Eidgenossenschaft auf einen Krieg, dessen Gefahr durch die Allianz Italiens mit Deutschland und durch eine fort währende Folge von kleinen Reibungen beider Staaten mit Frankreich noch zunahm, hatten den Charakter von Ergänzungen der Kriegsbereitschaft. Die eidgenössischen Behörden schöpfen aus diesen Vorbereitungen die Zuversicht, die ganze Armee in äusserst kurzer Zeit und wohlausgerüstet an alle bedrohten Grenzen verlegen und die schweizerische Neutralität selbständig aufrecht halten zu können, was der Wille der Bevölkerung und die Vorschrift der Verfassung ist. Es liegt in der Natur der Neutralität, dass sie sich nicht in der Weise helfen und kontroliren lassen kann, wie es die Konvention vom 20. Mai 1815 mit sich brachte, welche die « Eidgenössischen Geschichten beschreiben, und dass jede ähnliche Anregung zurückgewiesen werden muss; sowie allerdings auch, dass jede ernstliche Verletzung der Neutralität ganz logisch und unausweichlich den Krieg und damit die Allianz mit dem Gegner des Verletzenden zur Folge haben wird. Darauf muss man im eigenen, wie im fremden Lande rechnen. Die zweideutige Rolle von 1815 wird die heutige Schweiz nicht spielen. Dagegen könnten wir uns nicht mit der Ansicht belgischer völkerrechtlicher Autoritäten befreunden, dass dieser Fall fremder Hülfe von neutralen Staaten schon in Friedenszeiten vorausgesehen » werden dürfe. Das ist keine Neutralität mehr, sondern Defensivallianz, wie die schweizerische von 1803, und Protektorat. (Vgl. hierüber unsern Artikel über die schweizerischen Grenz- und Neutralitätsverhältnisse, Jahrbuch II, 669 ff. und die << Eidgenössischen Geschichten von 1886.)

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Die schweizerische Armee zeigt auf 1. Januar dieses Jahres folgenden Effektivbestand: Der « Auszug », die eigentliche Feldarmee, welche die 12 ersten Jahrgänge umfasst, völlig kriegsmässig ausgerüstet und in 8 Divisionen eingetheilt ist. hat eine über ihren Normalbestand bedeutend hinausgehende Effektivstärke von 123,031 Mann aller Waffengattungen. Die Landwehr (die späteren 12 Jahrgänge) steht unter dem in der Militärorganisation vorgesehenen Normalbestand, mit 80,245 Mann. Sie ist in Brigaden eingetheilt

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