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wie man ehemals die Buchdruckerstöcke über oder unter die Kapitel sette, oder in manchen französischen Büchern die Vignetten, so müßte kein Buch gedruckt werden, in welchem man nicht die Köpfe und Bildnisse der vorzüglichsten Freiheitshelden anträfe: kein Kochbuch, kein mathematisches, geographisches, philosophisches, oder wie sie nur immer Namen haben mögen, dürfte existiren, wo nicht die Bildnisse von Mirabeau, Washington, Franklin, Kosciusko, aber auch von dem verkannten Danten und Robespierre uns hie und da, unten, oben, entgegen leuchteten: damit der Mensch in allem Treiben und Thun erinnert würde, was ihm obliegt. Die Volkskalender für die Bürger und Bauersleute müßten den ganzen Monat Julius mit rothgedruckten Lettern aufweisen, damit auch der gemeine Mann immerdar inne würde, daß von der glorreichen Juli-Revolution das Heil der Menschheit ausgegangen sei, daß mit dieser Epoche eigentlich die wahre Geschichte beginne. Denn alles frühere ist entweder Fabel oder uninteressant. Und was soll uns die Kenntniß des nichtswürdigen Feudalismus und des blinden Pfaffenthums? Beide sind gestürzt, gleichviel auf welche Weise. Dann sollte man alle Bücher mit lateinischen Lettern drucken, damit kein Auge mehr die mißgestalte gothische Schrift der Deutschen wahrnehme. Ist aber Vorurtheil und Eigensinn zu stark gegen diese Verbesserung, nun so müssen sich wenigstens alle Edlen vereinigen, daß man jene Substantive, wie "Fürst, Herr, König, Herzog, Graf, Junker« u. f. w. nicht mehr mit einem großen Anfangsbuchstaben, sondern mit kleinen Lettern drucke, damit schon das Kind, indem es buchstabiren lernt, die Geringschätzung gegen diese Namen einathme. Und was kann man noch heut zu Tage gegen die Juden haben? Sind sie nicht wiederum das auserwählte Volk? Sind sie nicht unsre wahren Freiheitshelden, die ächten

Makkabäer, die ächtesten Deutschen? Wer kämpft so in den vordersten Reihen?

Alle sahen den Sprechenden an, der Professor, der etwas von der Arznei zu verstehen glaubte, nahm die Hand des jungen Mannes, um seinen Puls zu fühlen.

Florheim. Sie denken wohl gar, daß ich im hißigen Fieber spreche?

Mutter. Ach nein, nur die vielen Journale sind Ihnen zu Kopfe gestiegen. Aber ein junger Mann, der nun bald mein Schwiegersohn werden soll, muß sich mehr schonen, daß er nicht gar in dieser Fluth von Zeitschriften noch ersäuft.

Geh. Rath. Gewiß kann man auch des Guten zu viel thun.

Lucilie. Aber wir wollen den Patrioten nicht böse machen, sprechen wir lieber noch von jenem Wassermenschen Efling. Der auch in den Wirbeln der Charybdis, und in den unterirdischen durch einander gähnenden Schlünden ertranf.

Florheim. Besser noch, als in den Akten oder zwischen wahnsinnigen Mandaten der sogenannten Regierung als Fürstenknecht.

Lucilie. Himmel! Kehren wir doch friedlich zu jenem Niklas, dem Fisch, zurück, über den wir vorher noch

so ruhig und lehrreich sprachen.

Ist nun die Erzählung,

die wir eben vernommen haben, nicht auch vielleicht eine Novelle zu nennen? Jeßt, da man alles so tauft?

Prof. Die ältesten Italiäner, wenn sie die Begebenheit erzählend und ohne alle Bezweiflung vorgetragen, hätten sie wahrscheinlich Novelle genannt. Denn sonderbar und neu ist dieser Untergang und diese Gabe des Schwimmens gewiß.

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Lucilie. Könnte man nicht auch nach unserm neuern Bedürfniß, oder unsrer Mode eine Novelle daraus machen?

Eßling. Gewiß, und zwar in mehr als in einer Manier. So wie wir schon sonst in der Landschafts- Malerei ein Genre, die Seestücke hatten, wo Häfen, Stürme, Schiffe und Meer in mannigfaltigen Aufgaben dargestellt wurden, so haben jetzt Engländer und Franzosen eine eigne SeeRomantik. So könnte an das Schicksal dieses Mannes das ganze Schifferleben der Neapolitaner und Sicilianer geknüpft werden, die Beschreibung aller dortigen Inseln und Buchten: einen guten Contrast hiezu würde der feuerspeiende Aetna geben. Ein Schiff müßten wir nun besonders mit jedem seiner Segel, mit jeglichem Tau und Brette kennen lernen, damit, wenn es nun untergeht, wir ihm, wie einer Person, Thränen nachweinen könnten. Die interessanteste Figur, natürlich ein wunderschönes, vornehmes, reiches Mädchen, wird von Nicola aus dem Schiffbruch gerettet, durch diese kömmt eine Verbindung mit dem Hof und dem Könige, und so weiter.

Lucilie. Alle Achtung vor Coopers Talent, so glaube ich doch, daß seine Manier zu weitschweifig ist. Die französischen Seedichtungen zu lesen, die sich auch viel Ruf erworben, habe ich noch nicht den Muth gehabt.

Eßling. Da Ihnen, mein Fräulein, diese Weise nicht zusagt, so ließe sich auch um die Figur des menschlichen Fisches her ein Conspirations - Roman reihen und bilden. Niemals hat es in jenen Gegenden an Aufruhr gefehlt, und besonders waren damals die Barone und der Adel ihren Fürsten aufsässig, und das mißgeleitete Volk ließ sich, wie schon oft, bethören. Um die Verschwörer zu entschuldigen, vielleicht zu rechtfertigen, wäre die Figur jenes grausamen Alfonso, welcher von Adel, Volk und Geistlichkeit gleich sehr

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gehaßt wurde, nicht uneben. Niklas dient der Pathei gegen den Tyrannen, die Verschwornen erhalten Nachricht, keiner begreift wie, da kein Schiff auslaufen darf, da der Sturm das eine, welches, der Natur und dem Verbote troßend, es wagte, an Klippen zerschmettert ist. So ist dieser Nicola durch seine Schwimmkunst die Seele der ganzen Unterneh mung. Einige Edlen schmachten in den Gefängnissen, die Schönheiten weinen um die Geliebten. Nicola schwimmt und thut das Mögliche. Endlich erfährt der Tyrann von diesem Wundermenschen, und wie sehr er schon durch diesen ist beschädigt worden. Er darf aber den Mann des Volkes, der fast bei allen eine abergläubische Verehrung genießt, nicht so gerade zu bei dem Kopf nehmen und einsperren, oder gar hinrichten, wie er am liebsten möchte. Er fingirt also eine naturhistorische unersättliche Wißzbegier. Das große Fest wird in der Nähe des Meeres gefeiert. Der König wirft den Becher in den Abgrund. Er ist so klug gewesen, an die Wiederfindung des Pokals noch außer dem Wunsch, zu erfahren, wie es dort unten aussieht, die Begnadigung jener geliebten Edelleute zu knüpfen, für welche das Schaffot schon errichtet ist. Alles steht auf dem Spiel. Die Blicke der schönsten Damen sind flehend zum großmüthigen Fische hingerichtet, Liebe, Ehre, Freiheit, das Vaterland ruft, und er stürzt sich in das Wasser-Labyrinth, nicht einem, sondern tausend Minotauren entgegen. Mit Angst wird er von allen Partheien zurück erwartet, der König zittert, und ist doch überzeugt, daß es jeder Menschenkraft unmöglich ist, aus jener Hölle wiederzukehren. Wie alles noch in der höchsten Spannung ist, und viele sich schon der Verzweiflung ergeben haben, siehe, da erscheint der kühne Schwimmer, auf den hochschäumenden Wogen reitend, plötzlich wieder. Allgemeiner Jubel. Der König verändert in Erstaunen und Ver

druß mit jeder Minute die Farbe. Er sinnt auf Losheit. Die Begnadigung kann er nicht wieder zurück nehmen, aber denjenigen will er vernichten, der ihn dazu gezwungen hat. Er verspricht also dem Schwimmer eine hohe Würde und großen Reichthum, wenn er den zweiten noch größern Goldpokal aus dem Abgrund heraufholt, dazu will er dann außerdem ein Merkliches von der Accise nachlassen. Bist Du also, schließt er mit verstelltem Hohn, ein Mann, der sich und das Vaterland liebt, bist Du tapfer und Patriot, so hole auch diesen, und erzähle mir die Fortsetzung von den Wundern des tiefen Meeres, so bist Du reich und wirst auch ein Mitglied meiner Akademie. Nicola sieht ihn mit einem seltsamen Blicke an, und läßt dann sein scharfes Auge im Kreise der Edlen und des Volkes umhergehen. Er rüstet sich zum zweiten Sprunge, da, wie in urplötzlicher Begeiste= rung, bewegt ein Wille, ein Gedanke die Tausende. Man nimmt den Tyrannen und wirft ihn unter Jubelgeschrei in den Abgrund, damit er dort in eigner Person seine naturhistorischen Forschungen fortsetzen könne. Alfonso zog sich fliehend zwar in ein Kloster zurück, da er aber doch nach kurzer Zeit starb, so ist das von keiner Bedeutung. Denn die verschiedenen Gruppen der Freiheitshelden, die vielen Gesinnungen, die sie äußern können, sind für diesen kleinen Verstoß gegen die Wahrheit ein mehr als hinlänglicher Ersatz.

Florheim. Geben Sie die Hand, Eßling, umarmen Sie mich recht herzlich, ich habe Sie bis dahin mißverstanden. Schreiben Sie selbst dies edelste Werk. Ja, Freund, so muß sich die Poesie in unserm Jahrhundert gestalten, wenn sie das Menschengeschlecht nicht immer unheilbarer verweichlichen soll.

Geh. Rath. Ei, ei, Herr Rath, wenn Sie nur über

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