Erkenntniß eines anderen Staates, welchem nicht überhaupt Competenz abzusprechen ist, die Bedeutung einer gleichsam contractlichen Feststellung unter den Parteien verweigern, und somit auch, falls die nöthige Erörterung hierüber Statt gefunden hat, die Vollstreckbarkeit bei sich verordnen. Die Untersuchung hat sich hierbei darauf zu beschränken, ob ein förmliches Verfahren vor einer dazu befugten Behörde Statt gefunden, das Erkenntniß wirklich schon die Rechtskraft beschritten habe und darin nichts gegen die diesseitigen Landesgefeße und Einrichtungen angeordnet sei'. In ähnlicher Weise sind schiedsrichterliche Urtheile, desgleichen die Einreden der Rechtshängigkeit so wie der entschiedenen Sache in anderen Staaten aus dem Gesichtspunkt der Contractsnatur jedes Privatrechtsstreites zu beachten. II. Verhältniß der Staatsgewalten zu auswärtigen spirituellen Mächten, insbesondere zum Römischen Stuhl. 40. Verhältnisse eigenthümlicher Art treten ein in Beziehung auf auswärtige spirituelle Mächte, von denen alle oder ein Theil der Staatsangehörigen vermöge ihrer religiösen Ueberzeugung abhängig find, insbesondere zu dem Römischen Stuhl, in seiner Eigenschaft als obersten Regierers der abendländischen katholischen Kirche. Jeder Conflict zwischen einer derartigen Macht und den Staatsgewalten würde nur gehoben werden, wenn entweder diese sich ganz den Bestimmungen der ersteren auch in weltlichen Dingen unterwerfen wollten, gleichsam als eine theokratisch beherrschte Staatenfamilie; eine Idee, die zwar im Mittelalter mit Consequenz verfolgt, jedoch niemals durchgesezt wurde, und auch jezt, nur von einzelnen kirchlichen Eiferern empfohlen, schwachen Anklang selbst in katholischen Staaten gefunden hat, denn sie vernichtet alle Nationalität - oder 1) Schriften: in v. Kampß, Lit. § 140, insbesondere dessen Beitr. z. Staatsu. Völkerr. I, n. 5. Schmid, Teutsches Staatsrecht § 86. Wächter, Arch. S. 417. Ueber die Praxis der Einzelstaaten Foelix § 316. Kappler, jurist. Promtuar., Wort: „ausl. Urtheile." Wegen Belgien: Urtheil des Brüsseler Appellhofes, abgedr. in der (Pariser) Gazette des Tribun. vom 24. Sptbr. 1844. 2) Vgl. Foelix § 405. 3) Foelix § 183 s. In Frankreich untersucht nun daher auch die exceptio rei iudicatae, wenn ein Franzos im Ausland geklagt hat und abgewiesen ist, au fond. Gazette des Tribun. vom 22. Nvbr. 1851. zweitens, wenn die geistliche Gewalt sich eben nur auf die Grenzen eines spirituellen Wirkens beschränken, nicht etwa auch eine politische Form des Daseins in Anspruch nehmen und jedem Einfluß auf das äußere Leben entsagen könnte oder wollte. So lange nun Kirchen- und Staatsgewalten in ihrer Freiheit und Selbständigkeit bestehen, wird es nöthig, das Rechtsverhältniß beider zu einander zu bestimmen. Die Entscheidungsquellen aber können keine anderen sein, als diejenigen, welchen alle unabhängigen Mächte oder Rechtssubjecte, die mit einander Verbindung haben wollen oder zufällig haben, unterworfen sind; nämlich: I. Das Wesen der sich gegenüberstehenden Subjecte selbst. Kein Staat, welcher katholische Unterthanen hat, kann in dem Römischen Oberbischof eine Macht verkennen, worin die abendländische Römischkatholische Kirche ihren Mittelpunkt, ihre Einheit und ihren Demiurgen findet, mit welchem sie in einem untrennbaren Zusammenhange steht, wider dessen Willen in der Kirche nichts geschehen darf und dessen Urtheil hierin über Recht und Unrecht entscheidet, eine Macht, deren kirchliche Wirksamkeit nicht ausgeschlossen werden kann, ohne das Gewissen der katholischen Unterthanen zu verlegen oder zu beunruhigen. Andererseits kann die Römische Kirche die Existenz der Einzelstaaten und deren Anspruch auf Fortdauer, ihr Recht zur Selbsterhaltung und Selbstentwickelung nicht ignoriren; sie muß jeder Staatsgewalt das Recht zugestehen, sich in ihrer Sphäre zu behaupten. Kein Theil aber kann dem anderen Gesetze vorschreiben; unabhängige Macht steht die eine der anderen gegenüber. Auch der 1) Wir wissen recht wohl, daß nicht in der gesammten katholischen Christenheit die Unbedingtheit des Römischen Oberbischofes zugegeben wird, daß sie auch keineswegs ein Glaubenssatz der Kirche ist und daß sich in ihr selbst ein oppositionelles System gebildet hat, welches die Macht jenes Oberbischofes einem höheren kirchlichen Willen unterwerfen, ihm nur die oberste ausführende Gewalt und eine provisorische Gesetzgebung zugestehen will. Indessen ist dieses System zu keiner allgemeinen Anerkennung gebracht. Dem Besitzstande nach erscheint der Papst als ein geistlicher Monarch, an welchen die Gläubigen in ihrem Gewissen gebunden find, und der seinerseits nur an gewisse, von Christus oder dem heil. Geist ausgegangene, in Schrift und Tradition enthaltene Regeln, so wie an selbstangenommene Concilienschlüsse gebunden ist, nicht aber an den Willen der actuellen Kirchenglieder, selbst nicht der Bischöfe, die er nur zusammenberuft, wenn es ihm gut dünkt. Kurz, das Bild einer in sich unbeschränkten Monarchie mit alten Generalstaaten oder Ständen, deren Rechte keine constitutionelle Gewähr erhalten haben! Staat gehört der göttlichen Ordnung der Dinge an; auch die Kirche in ihrer Aeußerlichkeit ist fehlbar wie der Staat. Zur Ausgleichung von Meinungsverschiedenheiten bleibt hier nur der Weg der Transaction. II. Eine andere Rechtsquelle zwischen Staat und Kirche bilden die ausdrücklichen Conventionen, insbesondere die Concordate des Römischen Stuhles', zum Theil auch Verträge einzelner Prälaten mit den Staatsgewalten, innerhalb der Grenzen ihrer amtlichen Befugnisse. Sogar mit Ungläubigen hat der Römische Stuhl contrahirt und nur mit angeblich kezerischen Staatsgewalten vermeidet er die Form öffentlicher Verträge. Nicht er selbst, sondern nur einzelne allzu dienstfertige Stimmen haben die Verbindlichkeit der katholischen Kirche zur treuen Haltung solcher Verträge mit akatholischen Mächten zuweilen in Zweifel gezogen. III. Eine fernere Rechtsquelle ist das gegenseitige Herkommen oder die gleichförmige Befolgung einer Regel, um ihrer inneren Wahrheit oder äußeren Nothwendigkeit willen. Diese Rechtsquelle nimmt auch die katholische Kirche an; alles Herkommen ist sowohl für die ganze Kirche, wie für einzelne Theile derselben giltig, was sich nicht gegen unabänderliche Regeln und Einrichtungen der Kirche oder wider die Kirche überhaupt geltend machen will. So wie ihr nun selbst zustehen muß, aus ihrem Standpunkte die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines Herkommens zu prüfen und darüber ein für ihre Glieder verbindliches Urtheil abzugeben, so unleugbar ist das gleiche Recht des Staates, die auf ein angebliches Herkommen von der Kirche gegründeten äußeren Ansprüche zu untersuchen und ihnen, wenn sie gegen den Staat an sich oder dessen unabänderliche Einrichtungen sind, die Wirksamkeit abzusprechen. IV. Nicht schon wirkliches, sondern nur ein jeweiliges Herkommen (bloßer Besitzstand) ist die Praxis zwischen Kirche und Staat; aber sie wird durch Unvordenklichkeit oder durch stillschweigende Duldung und fortgesetzte Befolgung, obgleich man zu widersprechen vermochte und ein Interesse hatte, zu einem wirklichen Recht (§ 11), 1) Sammlungen hiervon finden sich in Münch, Vollst. Samml. aller Concordate. Leipz. 1830. 2 Bde. Weiss, Corp. iur. eccles. hod. Giess. 1833. 2) S. can. 7. D. 11, c. 6. D. 12, c. 4-9. D. 8, c. 1-11. X. de consuet. Walter, Kirchenr. § 62. Richter, Kirchenr. § 181. dem sich hiernächst weder Kirche noch Staat ohne Ungerechtigkeit entziehen darf. Auch sind auf diesem Wege den Staatsgewalten manche Befugnisse zugefallen, die im Mittelalter von der Kirche geübt oder doch beansprucht wurden'. 41. Die nähere praktische Gestaltung der Verhältnisse des Nömischen Stuhles, wie sie sich theils historisch ergeben hat, theils aus den vorangeführten Quellen begründet werden kann, ist im Allge= meinen diese: 2 I. Der Römische Oberbischof ist theils eine spirituelle Macht für die seiner Kirche zugehörigen Gläubigen, theils eine auf das f. g. Patrimonium Petri durch Schenkungen Pipins und Carls des Großen, so wie auf spätere Accessionen fundirte weltliche souveräne Macht, welche, mit kirchlichen Verfassungsformen regierend, in allen äußeren Verhältnissen an den Rechten und Gebräuchen unabhängiger Nationen Theil nimmt. Alle katholischen Mächte gestehen dem Römischen Stuhl den Vorrang zu und erweisen ihm, als treuergebene Söhne der Kirche, besondere Ehrenbezeigungen. Akatholische Mächte contestiren zwar den Vorrang, dulden ihn indeß um des Friedens willen 3. II. In seiner Eigenschaft als spirituelle Macht hat der Papst in den Staaten, wo es eine anerkannte katholische Confession giebt, alle diejenigen Befugnisse auszuüben, welche aus der historischen Bedeutung des Römischen Stuhles herfließen. Dieses aber ist nach einstimmiger Ueberzeugung der Römischen Kirche die Erhaltung ihrer Einheit in der feststehenden Lehre und canonischen Einrichtung, mithin auch Regierung, Vertretung und Beaufsichtigung der Gesammtkirche in all' ihren gemeinschaftlichen Interessen, dem feststehenden 1) Diesen Gesichtspunkt nimmt unter Anderen schon Petr. de Marca (Erzbischof von Paris) de concordia Imp. et sacerdot. III, 9, 8. Conniventia sedis Apostolicae id maxime praestat, ut bona fide Principes in eo negotio tractando versentur, quod ad se pertinere non improbabili ratione putant, ita ut patientia illa, si necesse sit, vicem privilegii et dispensationis subeat." 2) S. Cenni, Monum. Dominat. Pontif. Rom. 1760. Hasse, Vereinigung der geistl. und weltl. O.-Gewalt. Haarlem 1852. Sam. Sugenheim, Gesch. der Entstehung und Ausbildung des Kirchenstaates. Leipz. 1854. 3) Günther I, 221. Rousset, Mémoires I, 1. Am Wiener Congreß wurde den päpstlichen Nuntien von Allen der Vortritt gelassen, auch von Rußland und Großbritannien. Glaubens- und Verfassungssysteme gemäß1. Geht die geistliche Macht über ihre unbestreitbaren Grenzen hinaus, so hat der Staat das Recht des Widerstandes, die Ausübung des Hausrechtes, so wie er schon im Voraus möglichen Uebergriffen entgegen Vorkehrungen treffen kann, ne quid detrimenti res publica capiat. Die in solcher Hinsicht zulässigen Mittel lehrt das innere Staatsrecht und die Politik2. III. Der kirchliche Staat ist ein Wahlstaat, die Papstwahl von dem Cardinalcollegium nach der kirchlichen Verfassung seit dem Mittelalter, iure humano, abhängig. Den katholischen Nationen und ihren Regenten wird weder eine Mitwirkung in der Leitung der allgemeinen Kirche, noch auch ein Einfluß auf die Papstwahl ausdrücklich zugestanden; indessen ist die Erkiefung besonderer Schußcardinäle (Cardinales Protectores nationum) von Seiten einzelner katholischer Regierungen, hauptsächlich seit dem 15. Jahrhundert, üblich geworden; auch haben einige Souveräne (Oesterreich, Frankreich, Spanien und Neapel) eine s. g. Exclusive gegen die Wahl des einen oder anderen Candidaten hergebracht, welche zu beachten die Cardinäle im Conclave eidlich verpflichtet werden. Im Uebrigen bestehen zwischen Rom und anderen Staaten die gewöhnlichen diplomatischen Verbindungsmittel. IV. Vermöge uralten Herkommens stand die Römische Kirche und ihr Haupt unter dem Schuße der Römischen Kaiserkrone bis zur Auflösung des heiligen Römischen Reiches im Jahre 1806, wozu die früheren Verhältnisse Roms im Mittelalter, namentlich seit Pipin und Carl dem Großen, den Grund gelegt hatten. Ein neuer Be= 1) Erörterungen hierüber s. in Marheineke, System des Katholicismus II, 344. Vgl. Clausen, Kirchenverf. übers. von Fries I, 27. 2) Nach uralter Praxis, wenigstens schon seit dem 15. Jahrh., gehören dahin: die Prüfung kirchlicher Verordnungen und Vollmachten vor ihrer Vollziehung und die Suspension derselben bis zum regium Placet s. Exequatur; die appellationes ab abusu (appels comme d'abus) gegen Ueberschreitung der Grenzen der geistlichen Gewalt; polizeiliche und strafrechtliche Maßregeln gegen heimliche Verbreiter von kirchlichen Verordnungen, die der Kenntniß des Staates entzogen werden sollen; Beaufsichtigung des Verkehres der Landeskirche mit auswärtigen Kirchenoberen. 3) Schriften hierüber in v. Kampß, Lit. § 103. Namentlich: Toze, kleine Schriften. Leipz. 1791. S. 412 f. Moser, Beitr. in Friedensz. I, 307. Günther II, 415. Io. Casp. Barthel, de Exclusiva in ej. Opp. 4) Hüllmann, Kirchenverf. 167. 172. |