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sich selbständiger Staat; auch kann eine und dieselbe Dienstbarkeit gegenseitig zustehen, z. B. in Betreff der Besteuerung.

Die Gegenstände, worauf sich dergleichen Dienstbarkeiten erstrecken, sind lediglich und allein Rechte der Staatsgewalt, sowohl hohe wie niedere Regalien des verpflichteten Landes; überhaupt nur öffentliches Eigenthum, nicht aber Privatrechte und Privateigenthum desselben oder seiner Unterthanen, wiewohl diese mittelbar durch eine Dienstbarkeit berührt werden können'.

Die Wirkung einer Staatsdienstbarkeit besteht darin, daß entweder der Berechtigte zu seinem Vortheil eine hoheitliche Befugniß in dem fremden Staate als seine eigene und unabhängig von lezzterem ausübt2; oder daß der fremde Staat zu Gunsten des Berechtigten sich der Ausübung einer gewissen Hoheitsgewalt in seinen eigenen Grenzen bis zu einem bestimmten Umfange enthalten muß. Daher der Unterschied von affirmativen und negativen Servituten auch im Völkerrecht Anwendung leidet3. Ob der Vortheil dem Berechtigten unmittelbar und allein, oder seinen von ihm vertretenen Angehörigen zukommt, ändert an dem Wesen der Servitut nichts*.

Die äußerste Grenze dabei ist, daß der verpflichtete Staat in keine völlige Abhängigkeit von dem Willen des Berechtigten gesetzt, sondern nur in bestimmten Hoheitsbefugnissen beschränkt wird, und daher wenigstens noch als halbsouveräner Staat bestehen kann.

Dagegen ist allerdings keine Servitut von der obigen Beschaffenheit denkbar, wenn ein Staat seinem eigenen Unterthan, oder selbst einem fremden, ohne völkerrechtliche Garantie ein Hoheitsrecht zusteht. Vielmehr ist hier die Concession lediglich nach dem inneren Staatsrecht zu beurtheilen. Vgl. Engelbrecht II, 1, 12.

1) Vgl. Gönner a. a. D. § 27-36. Klüber § 138.

2) Sonst wäre es eine bloße Privatconcession, und dafür ist allerdings wohl bei gewöhnlich verleihbaren Regalien die Vermuthung. Vgl. Klüber § 138. 5o. 1 3) Andere Eintheilungen, z. B. in continuae und discontinuae, erscheinen völlig unnüz. Beispiele von negativen Servituten sind das Untersagungsrecht gegen die Anlage von Festungen, gegen Aufstellung einer größeren Heeresmacht u. s. w. Engelbrecht II, 2, 27.

4) So ward in Art. 17 des Pariser Friedens von 1763 den Britischen Unterthanen ausbedungen, in gewissen Gegenden Campechenholz zu fällen. de Steck, essais. 1775. Gönner § 24. 25.

5) Dieser Punkt ist der schwierigste für die Theorie. In der Praxis wird er selten zur Sprache kommen. Eine andere Formel findet sich bei Schmelzing § 239. S. auch Gönner § 37. 38.

Eine Bestellung ist nur denkbar durch Vertrag, sogar schon ohne Tradition'; jedoch kann die rechtmäßige Erwerbung auch durch einen unvordenklichen Besitzstand vertreten werden (§ 11). Ein anderer Besißstand legt dem Verpflichteten keine Verbindlichkeit auf, die Ausübung auch noch ferner zu gestatten; vielmehr kann er zu jeder Zeit erst den Beweis der rechtmäßigen Bestellung fordern2. Die Präfumtion ist für ihn.

Der Umfang des Rechtes bestimmt sich bei Verträgen nach der deutlichen Concession des Verpflichteten3; bei unvordenklichem Besißstande aus der bisherigen vollkommen gleichförmigen Ausübung*. Der Verpflichtete ist im Zweifel nicht von der Ausübung derselben Befugniß ausgeschlossen, wenn diese nicht ihrer Natur nach eine ausschließliche, blos von Einem Subject auszuübende, oder auf Mitausübung verzichtet ist. Die Art der Ausübung kann übrigens nur eine möglichst unschädliche und eine solche sein, die mit der Verfassung des fremden Staates im Einklange steht. Eine entgegengesetzte Concession ist ungiltig.

Jede Staatsdienstbarkeit ist als ein dauerndes Realrecht sowohl für den Berechtigten wie für den Verpflichteten anzusehen®, geht also auch auf jeden Successor der einen oder anderen Staatsgewalt (activ und passiv) über. Dieselben Gründe jedoch, welche einen Staatenvertrag außer Kraft seßen, müssen bei Staatsdienstbarkeiten gleichfalls ihre Anwendung finden. Außerdem erlöschen sie

1) Gönner § 67.

2) Das Gegentheil scheint Klüber § 139 mit Engelbrecht und Gönner zu behaupten. Beide sprechen aber nur vom Deutschen Reich. Und ohne Zweifel besteht eine Geltung des Besitzstandes auch noch jetzt unter den Deutschen Bundesgenossen nach Bundesacte Art. 11; allein unter ganz freien Staaten kann dem präsumtiven Alleinberechtigten der bloße bisherige Besißstand gewiß nicht entgegengesezt werden.

3) Also stricte Erklärung. Gönner § 80. Klüber § 139. Von einem Hoheitsrecht gilt kein Schluß auf ein anderes. Gönner § 81. Im Zweifel nur der geringere Grad. Ebendas. § 82.

4) Tantum praescriptum, quantum possessum. Sixtin., de regal. I, 5, 171. 5) Engelbrecht II, 1, 12. Gönner § 90.

6) Gönner § 83.

7) Ebendas. § 84 ff.

s) Engelbrecht II, 3, 14. Gönner § 78.

9) Vgl. Gönner § 94 ff.

durch Dereliction und Consolidation, so wie durch vertragsmäßigen Verzicht1.

V. Einmischungs- (Interventions-) Recht2.

44. Ob und in wie weit ein Staat sich in die Angelegenheiten eines fremden Staates einmischen dürfe, kann nach den bisherigen Erörterungen nicht mehr zweifelhaft sein. Es giebt im Allgemeinen keine Befugniß dazu, weder in Ansehung dessen, was jedem Einzelstaat selbst vermöge seiner Freiheit und Unabhängigkeit zu ordnen zusteht, namentlich in Beziehung auf Verfassung, Regierungsprincipien und Anwendung derselben; noch auch in Ansehung der besonderen völkerrechtlichen Verhältnisse, welche unter mehreren fremden Staaten als Betheiligten Statt finden. Kein Staat kann daher dem anderen eine bestimmte Verfassung aufdringen, Veränderungen darin fordern oder denselben entgegentreten; keiner die Spißen der fremden Staatsgewalt eigenmächtig bestimmen; keiner demselben Geseze des Verhaltens vorschreiben, die Annahme bestimmter Regierungsmaximen und Errichtung oder Aufhebung gewisser Anstalten fordern; keiner endlich den anderen zum Gebrauch oder Nichtgebrauch seiner auswärtigen Hoheitsrechte nöthigen. Das Princip der Nicht-Intervention ist demnach allerdings die Regel, eine Intervention die Aus

1) So scheinen unter den ehemaligen Rheinbundstaaten sämmtliche Staatsservituten gegenseitig durch die Rheinbundsacte Art. 34 aufgehoben zu sein. Klüber, Abh. und Beobach. I. 1830. S. 1–57. v. Kampß, Beitr. zum Staats- u. Völkerr. I, 140. Doch giebt es darüber eine große Meinungsverschiedenheit. Einige wollen davon die negativen Servituten ausnehmen, z. B. Brauer, Beitr. z. Staatsr. der Rheinbundstaaten S. 264. Maurenbrecher, Deutsches Staatsrecht § 138 e. Andere diejenigen Servituten, welche in einem kaiserlichen Privilegium ihren Grund haben, z. B. Medikus, Rhein. Bund IV, S. 184. Nur die nicht wesentlichen Hoheitsrechte dürften der Regel nach auszunehmen sein. Schmelzer, Verhältniß ausw. Kammergüter. 1819. S. 75.

2) Die Hauptpunkte der Frage finden sich erörtert in Moser, Vers. VI, 317 f. Vattel II, 54. Günther, Völkerr. I, 280 f. v. Kampß, Völkerrechtl. Erört. des Rechts der Europ. Mächte, in die Verfassung eines einzelnen Staates sich zu mischen. Berl. 1821 (geprüft in Hermes XI, 142). Traité sur le droit d'intervention par MM. D. et R. Par. 1823; in Krug, Dikäopolitik. Leipz. 1824. S. 322 f. Wheaton, histoire du progr. etc. p. 394 f. (II, 199). Heiberg, das Princip der Nicht- Intervention. Leipz. 1842. H. v. Rotteck, d. Recht der Einmischung. Freiburg 1845. Staats - Lexic. Bd. VII. Phillimore I, 433. Berner, in Bluntschli St.-Lex. Bd. IV.

nahme und nur aus besonderen Gründen zu rechtfertigen, wozu in der Praxis freilich nicht immer Rechtsgründe, sondern oft nur einfeitige oder vermeintliche Interessen gedient haben. Im Völkerrecht kann nur von Rechtsgründen die Rede sein. Um genau zu ver= fahren, unterscheiden wir hier nach dem Gegenstande:

Einmischung in Verfassungsfachen

und

Einmischung in Regierungsangelegenheiten, wozu auch Händel mit anderen Staaten gehören;

außerdem der Form nach:

eine eigentliche Intervention, wo die fremde Macht ihre Entschließungen als Hauptpartei, äußersten Falles sogar mit Gewalt, durchzusetzen trachtet;

sodann:

eine bloße Cooperation mit einer Gewalt oder Partei in dem fremden Staate selbst1 eine accessorische Hilfeleistung;

ferner:

die Ergreifung von Vorbeugungsmitteln zur Abwendung drohender Gefahren; darunter der bewaffnete Friede2;

endlich:

freundschaftliche Intercession für eigene oder fremde Interessen.

Gemeinsame Vorausseßung ist, daß der Gegenstand, auf welchen sich die Einmischung bezieht, an und für sich dem Ermessen des von ihr betroffenen Staates zusteht und daß eine Aenderung des bisherigen Rechtszustandes beabsichtigt wird, jedoch noch nicht vollendet ist. Die Regierungsverfassung begründet keinen Unterschied in der Anwendung der völkerrechtlichen Grundsätze, wiewohl in der älteren Staatspraxis die Eigenthümlichkeit der Wahl- und Bundesstaaten am meisten ein Feld zu politischen Einmischungen aller Art dargeboten hat3.

1) Diese Form der Intervention und ihre Benennung gehört vorzüglich erst der neuesten Staatspraxis an. Sie ist die Idee der Quadrupelalliance vom 22. April 1834 und des Additionalvertrages vom 18. Aug. ejsd. Martens (Murhard), Nouv. Rec. t. XI. 1837. p. 808 s. und t. XII, p. 716. Praktisch ist sie auch schon zuvor geübt worden.

2) Erfindung von Thiers, 1840.

3) Ein sehr bestimmtes System gegen auswärtige Einmischungen hat der Deutsche Bund ausgesprochen durch Beschluß vom 18. Septbr. 1834. Martens (Murhard), N. Suppl. Goett. 1842. p. 56.

45. Eine eigentliche Intervention, wobei man als Hauptpartei handelt, findet in Verfassungs- und Regierungsangelegenheiten eines fremden Staates nur Anwendung:

I. wenn dieser Staat selbst das Recht dazu ertheilt hat, oder lezteres bedingungsweise durch Vertrag vorbehalten worden ist; namentlich kraft übertragener Garantie einer bestimmten Verfassung oder gewisser Rechte, sobald einer der Betheiligten diese Garantie anruft. Auch kann ein unauffündbares schußherrliches oder Bundesverhältniß' Grund abgeben, sowohl Veränderungen der Verfassung zu verhindern, wie auch dergleichen zu veranlassen oder bestimmte Regierungsmaßregeln hervorzurufen, wenn außerdem der geschützte Staat oder das Bundesverhältniß selbst nicht mehr zu erhalten wäre;

II. wenn durch Aenderungen der Verfassung oder durch Regierungsmaßregeln in einem Staate das wohlerworbene Recht eines anderen Staates verlegt werden würde, z. B. wenn einem auswärtigen Staate oder Souverän ein eventuelles Succeffionsrecht oder lehnsherrliche Ansprüche entzogen werden sollten.

Außerdem ist unter Staaten, welche ein gemeinsames Recht über fich anerkennen und sich einen gegenseitigen humanen Verkehr als Zweck sehen, unverkennbar noch

III. die Befugniß gegründet, einem ziellosen Kriegszustande, welcher im Inneren eines Landes oder unter verschiedenen Mächten schwebt, mit gemeinsamer Zustimmung durch gewaltsames Einschreiten ein Ziel zu setzen, um dadurch das gestörte Band der Nationen wiederherzustellen und sich von einer dauernden Beunruhigung zu befreien, natürlich also auch schon einem solchen ziellosen Zustand möglichst vorzubeugen; so wie

IV. ein Einmischungsrecht gegen die unbefugte Intervention eines anderen Staates in die Angelegenheiten eines dritten Staates, insofern nämlich durch diese Intervention ein auch für die übrigen oder bestimmte Staaten rechtsverlegendes Princip aufgestellt wird2.

1) So hat der Deutsche Bund ein Interventionsrecht in den inneren Angelegenheiten der Einzelstaaten, so weit dadurch die wesentlichen Zwecke des Bundes und übernommene Garantien berührt werden.

2) Man vergleiche unten den Abschnitt von den Verbindlichkeiten aus unerlaubten Handlungen.

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