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versahen, nicht ohne Verdacht, in einzelnen Fällen dafür gewisse Compensationen sich ausbedungen zu haben, die mit Zeit und Weile wohl noch an das Tageslicht treten werden.

Eine Ausnahme machte, leider, nicht Deutschland, wie es zu erwarten gewesen wäre, auch bisher nicht Russland, der Urheber des Haager-Vertrages und der missachteten Kriegsartikel desselben, sondern nur ein ganz kleiner Staat, in dem ein junges Mädchen regierte, welches nach einem populär gewordenen Bonmot, in einem für die Sache der Republiken gefährlichen und entscheidenden Zeitpunkte der einzige Mann unter den gekrönten Häuptern Europa's war. Seither ist dort eine Regierung eingetreten, welche dieser ehrenhaften Politik einen noch festeren Bestand verspricht.

Wir wollen in diesem Jahrbuch dem weitern Verlauf dieses ruhmvollsten Freiheitskrieges der modernen Zeit nicht mit Muthmassungen über seinen schliesslichen Ausgang im dritten Kriegsjahre vorgreifen. Wir unsererseits glauben immer noch an die Erhaltung, unbedingt an die Wiedererstehung der Republiken, falls sie auch augenblicklich unterliegen müssten, und ebensosehr an eine kräftige Wiederaufrichtung des uns theuren englischen Staatswesens aus den Bahnen, in welche es die gegenwärtige konservative Regierung seit 1895 geleitet hat, die unter Gladstone's Herrschaft nicht möglich gewesen wären. Es wird eine Zeit kommen, in welcher es Niemand mehr in England selber wagt, der seitherigen Politik das Wort zu reden, und in welcher der «Spaziergang nach Pretoria» als ein Seitenstück des leichten Herzens» unternommenen Krieges von 1870 gegen Deutschland citirt wird, mit dem gleichen, endgültigen Urtheil über die Urheber dieser unklugen Worte.

Es ist unzweifelhaft, dass England das Recht und die Pflicht gegen sich selbst hatte, seine Herrschaft, und sogar

einen vorwiegenden Einfluss ausserhalb seines eigenen Gebietes, in Südafrika aufrecht zu erhalten, wenn beides wirklich bedroht gewesen wäre; das wird gar nicht in Abrede gestellt. Die Frage ist vielmehr die, ob seine Regierung dies nicht mit ganz andern Mitteln hätte thun können und sollen, und ob es sich nicht doch in erster Linie um Gold, und nicht bloss um berechtigte Herrschaft und Politik gehandelt hat. Darüber nützt es aber nichts, jetzt weiter zu sprechen; die Ansichten darüber sind nun längst gemacht und ändern sich nicht mehr.

In der Eidgenossenschaft war die Stimmung naturgemäss vorwiegend boerenfreundlich. Man freute sich an der Tapferkeit, Redlichkeit und Menschenfreundlichkeit auch gegen den gefangenen und verwundeten Gegner, welche das kleinere Volk, entgegen manchen frühern Missurtheilen, thatsächlich bewies und verurtheilte hingegen unumwunden die harten Massregeln, welche von gegnerischer Seite, selbst gegen wehrlose Frauen und Kinder angewendet wurden, sowie die mit dem civilisirten Kriegsrecht stark im Widerspruche stehenden Proklamationen der Okkupationsregierung, ohne deshalb zwar die bei uns tief wurzelnde Sympathie mit dem englischen Volk und Staat aufzugeben. Ganz unbedingt für England nahm nur eine grössere schweizerische Zeitung und von bekannten Personen, nur ein Genfer-Professor der Aegyptologie Partei; manche Andere waren wohl zeitweise, wenn es den Boeren recht schlecht zu gehen schien, schwankend in ihrem Urtheil und wünschten bisweilen den «unnützen» Widerstand beendet zu sehen, besannen sich dann aber doch immer wieder darauf, wie sehr dies nicht nur mit unserer eigenen Geschichte, sondern wo möglich noch mehr mit den fast beständigen Reden über Hingabe von Gut und Blut für's Vaterland» und nicht am wenigsten mit den an der Tagesordnung befindlichen Fest

spielen in Widerspruch stehe, in denen gerade der beharrliche Widerstand der kleinen Völker gegen die grossen unter den schwierigsten äussern Umständen und die Verwerflichkeit solcher kleinmüthigen, oder den materiellen Vortheil berechnenden Nachgiebigkeit das Thema bildet. Das betraf übrigens nur die gebildeten Klassen; das Volk, wie es schon Tschudy in dem Streit zwischen Realpolitik und Freiheitspolitik in Luzern gut beschreibt, als das materielle Interesse zu Oesterreich und die Freiheitsliebe zu den Eidgenossen hiuzog, «was vest und unbeweglich», und so wird es auch bleiben. Eine Geldsammlung, welche in manchen Gegenden des Landes durch Predigten der Geistlichen eingeleitet wurde und, mit Beihilfe vieler armen Leute, eine grosse Summe abwarf, gab gutes Zeugniss von dieser Stimmung. In der schweizerischen Bundesversammlung war zuerst der Gedanke angeregt worden, eine Adresse zu Gunsten schiedsgerichtlicher Beseitigung des Streites an das englische Parlament zu richten; schliesslich beschloss die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrathes einstimmig, in ihrer offiziellen Berichterstattung dem Bedauern Ausdruck zu geben, dass diesem zwischen zwei gleichmässig befreundeten Nationen waltenden Kriege nicht durch einen schiedsgerichtlichen Entscheid der Differenzen habe Einhalt gethan werden können», was dann in der Junisitzung dieses Jahres geschah. Das schweizerische Hilfskomité hatte einen Arzt und Krankenpflegerinnen für den Dienst in den Lagern der gefangenen Boerenfrauen engagirt, konnte jedoch schliesslich von den englischen Behörden die Erlaubniss zu diesem Samariterdienste nicht erlangen. Der Grund dieser auffallenden Ablehnung einer Hilfe war jedenfalls nicht darin zu suchen, dass eine solche schon ohnehin in ausreichendem Masstabe vorhanden war. In ebenso ablehnender Weise wurde eine Ansprache von schweizerischen Mitgliedern der sog. evangelischen Allianz

an die christlichen Kreise Englands von dem hochwürdigen Bischof von Liverpool beantwortet. Diese Erklärung findet sich nachstehend unter den Aktenstücken, die wir abdrucken; ebenso aber auch eine rühmenswerthere Aeusserung von Mitgliedern des weniger hochstehenden anglikanischen Clerus mit Bezug auf diesen Krieg und seine Beendigung.

Die weltgeschichtliche Bedeutung des Boerenkriegs wird die sein, dass er das Vorspiel, die Introduktion eines herannahenden grossen Kampfes zwischen dem mehr oder weniger verhüllten Atheismus mit dem Glauben an einen gerechten Gott ist. Der Mammonismus, die unbedingte Verehrung für Macht, Reichthum, Verkehr etc., welche in der Politik die sog. «Realpolitik, hervorruft, (d. h. die ausschliessliche Berücksichtigung des eigenen allernächsten und daher oft bloss scheinbaren Interesses gegenüber einer grösseren Auffassung der menschlichen Dinge), eine Politik, bei der die modernen Staatsmänner den Spuren Macchiavelli's folgen, ist bloss die logische Folge des Atheismus, welcher in manchen Staaten und mächtigen Menschen, neben einer stark affichirten kirchlichen Disposition, doch im Grunde herrscht. Denn auch die christliche Kirche ist ihnen dann blos ein Machtmittel mehr, eine geistliche Armee neben der weltlichen, mit der sie ihre weltlichen Zwecke verfolgen. Das Alles geht nun seiner Prüfung in allen Ländern, und seinem gerechten Urtheile entgegen.

Es kann nicht unsere Absicht sein, hier eine Geschichte dieses fast wunderbar zu nennenden Krieges zu geben, welcher durch seine Dauer und seine geschickte Führung in der zweiten Periode die gehegten Erwartungen übertroffen und dem einfachen Christenthum der Boeren, wie ihrer Republik Ehre erworben hat. Dieselbe wird später in einer Weise geschrieben werden, welche ein unauslöschliches Denkmal

für beide Kriegsparteien bildet. Einstweilen gilt für die Boeren: Jeremias XV, 11. 13. Wir wollen dagegen auch in diesem Bande des Jahrbuches einige wesentliche Aktenstücke aus dem zweiten Kriegsjahre aufbewahren, welche ein richtiges Bild von der Sachlage zu erhalten im Stande sind. Die englischen Nummern stammen alle aus einer in der Capstadt erscheinenden englischen Zeitung, und sind daher einerseits unverdächtig in Bezug auf Wahrheit, gleichzeitig aber auch ein schönes Zeugniss von dem tiefeingewurzelten Respekt vor der Freiheit der Presse, welchen in diesem Grade wohl keine andere kriegsführende Nation, als die englische, stets noch bewahrt haben würde.

Aktenstücke aus dem Boerenkrieg,
II. Kriegsjahr.

I. Proklamation des englischen Oberbefehlshabers in Südafrika,
Lord Kitchener, vom 9. August 1901.

«Attendu que les anciennes républiques de l'Etat libre d'Orange et Sud-Africaine ont été annexées aux possessions de S. M.;

Attendu que les troupes de S. M. sont et ont été pendant une période considérable en possession du siège du gouvernement des deux territoires ci-dessus désignés, ainsi que des bâtiments publics et de tous les rouages de l'administration, comme aussi des principales villes et de la totalité des voies ferrées;

Attendu que la grande majorité des Burghers des deux anciennes Républiques, au nombre de 35,000, à l'exclusion de ceux qui sont tombés pendant la guerre et de ceux qui sont maintenant prisonniers, ont effectué leur soumission et vivent principalement dans des villes ou des camps sous la surveillance des troupes de S. M.;

Attendu que les Burghers des deux Républiques encore en armes sont non seulement en très petit nombre, mais qu'ils ont perdu presque tous leurs canons et leurs munitions de guerre, qu'ils manquent d'une organisation militaire régu

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