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Baron Palmstierna, der norwegische Admiral Sparre, der Russe Zwéguintseff. Ferner war Professor Quidde zur Teilnahme an den Beratungen aufgefordert worden. Zur Vorbereitung der Arbeiten dieser Kommission wurde vom Verfasser dieses Buches im Auftrage des Interparlamentarischen Bureaus eine Denkschrift „Limitation des armements" ausgearbeitet, die neben einer kurzen historischen Übersicht eine systematische Anordnung der wichtigsten, bisher im Sinne einer Rüstungsbeschränkung veröffentlichten, Vorschläge enthält.

c) Die Rüstungsfrage auf den Konferenzen deutscher und französischer Parlamentarier von 1913 und 1914

Am 1. März 1913 wurde von den sozialdemokratischen Parteivorständen und Abgeordneten Frankreichs und Deutschlands folgende gemeinsame Kundgebung erlassen:

,In Deutschland und in Frankreich bereiten die Regierungen wiederum Gesetzentwürfe vor, durch welche die ungeheuren militärischen Lasten noch weiter gesteigert werden. In dieser Stunde erachten es die französische und die deutsche Sozialdemokratie als ihre Pflicht, sich noch enger aneinanderzuschließen, um vereint den Kampf zu führen, gegen dieses an Wahnsinn grenzende Treiben der regierenden Klassen.

Die französische und die deutsche Sozialdemokratie erheben einmütig und einstimmig Protest gegen die unaufhörlichen Rüstungen, die die Völker erschöpfen, sie zur Vernachlässigung der wichtigsten Kulturaufgaben zwingen, das gegenseitige Mißtrauen steigern, und statt den Frieden zu sichern, Konflikte heraufbeschwören, die zu einer Weltkatastrophe führen mit Massenelend und Massenvernichtung im Gefolge.

Die Sozialdemokratie beider Länder darf sich mit Recht als Wortführerin des deutschen wie des französischen Volkes betrachten, wenn sie erklärt, daß die Volksmassen mit überwältigender Mehrheit den Frieden wollen und den Krieg verabscheuen. Die herrschenden Klassen hüben wie drüben sind es, die die nationalen Gegensätze, statt sie zu bekämpfen, künstlich verschärfen, die gegenseitige Feindseligkeit schüren und dadurch die Völker von ihren Kulturbestrebungen und ihrem Befreiungskampf im Innern ablenken.

Um den Frieden, die Unabhängigkeit der Völker und den Fortschritt der Demokratie auf allen Gebieten in beiden Staaten zu sichern, fordert die Sozialdemokratie, daß alle Streitigkeiten zwischen den Völkern schiedsgerichtlich geschlichtet werden; sie empfindet die Entscheidungen auf dem Wege der Gewalt als Barbarei und Schande für die Menschheit.

Sie fordert weiter die Beseitigung des stehenden Heeres, das eine stete Bedrohung der Nationen bildet, und an dessen Stelle die Einführung einer Volkswehr auf demokratischer Grundlage, die nur der Landesverteidigung zu dienen hat.

Wenn aber trotz ihres entschlossenen Widerstandes den Völkern neue militärische Ausgaben auferlegt werden, so wird die Sozialdemokratie beider Länder mit aller Energie dafür kämpfen, daß die finanziellen Lasten auf die Schultern der Wohlhabenden und Reichen abgewälzt werden.

Die Sozialdemokratie in Deutschland und in Frankreich hat schon in der Vergangenheit durch ihre Haltung das perfide Doppelspiel der Chauvinisten und Rüstungsinteressenten in beiden Ländern entlarvt, die in Frankreich die Begünstigung des Militarismus durch die deutsche Sozialdemokratie und in Deutschland die Begünstigung des Militarismus durch die französischen Sozialisten dem Volke vorspiegeln. Die gemeinsame Bekämpfung des Chauvinismus hüben und drüben, das gemeinsame Eintreten für ein friedliches und freundschaftliches Zusammengehen muß dieser dreisten Irreführung der Völker ein Ende bereiten.

Derselbe Ruf gegen den Krieg, dieselbe Verurteilung des bewaffneten Friedens hallt in beiden Ländern wider. Unter der Fahne der Internationale, die die Freiheit und Unabhängigkeit jeder Nation zur Voraussetzung hat, werden die deutschen und französischen Sozialisten mit steigender Kraft den Kampf fortführen gegen den unersättlichen Militarismus, gegen den länderverwüstenden Krieg, für den dauernden Völkerfrieden." 1)

Diese Kundgebung kann als Vorläuferin der Berner Konferenz vom 11. Mai 1913 bezeichnet werden.

Am 9. April 1913 versandten Mitglieder des schweizerischen Nationalrates die Einladung zu einer deutsch-französischen Verständigungskonferenz an alle Mitglieder des Deutschen Reichstages und des französischen Parlaments. In dieser Einladung hieß es:

,Unsere Nachbarländer Deutschland und Frankreich sind im Begriff, durch verstärkte Einstellung von Rekruten und durch Verlängerung der Dienstzeit ihre stehenden Heere bedeutend zu vergrößern. Es liegt den Unterzeichneten eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten dieser uns befreundeten Nationen durchaus fern. Aber sie beobachten die Entwicklung der Rüstungen mit schmerzlichem Interesse, weil unser Land durch zahllose wirtschaftliche und kulturelle Bande mit den beiden Völkern verknüpft ist, und sie leiten daraus das moralische Recht ab, ihre Dienste in wohlmeinender Weise anzubieten. Nicht sowohl der Inhalt als der Zeitpunkt der Einbringung der deutschen und der französischen Wehrvorlagen ist geeignet, Beunruhigung hervorzurufen und selbst den europäischen Frieden zu gefährden.

Alle jene Volksvertreter, die sich dieser Erkenntnis nicht verschließen, werden als wichtigstes und erreichbares Ziel betrachten: Verständigung zwischen Deutschland und Frankreich über die Rüstungsfrage.

Um den Mitgliedern der beiden Parlamente, die in dieser Auffassung mit uns einig gehen, Gelegenheit zu gegenseitiger Aussprache auf neutralem Boden zu geben, und um einen Weg zu dem Ziele der Annäherung zwischen Deutschland und Frankreich zu finden, erlassen die unterzeichneten, verschiedenen Parteirichtungen angehörenden Mitglieder des schweizerischen Nationalrates die Einladung zu einer deutsch-französischen Verständigungskonferenz.")

Über die Vorgeschichte dieser Konferenz hat der 1914 gefallene sozialdemokratische Abgeordnete Frank in einem Briefe an Fried folgendes mitgeteilt: 3) Den Vorschlag zur Einberufung dieser Konferenz

1) Vgl. die Gratulationen der britischen Sozialistenpartei und der Independent Labour Party zu dieser Kundgebung bei Grünberg, a. a. O. S. 174, 176.

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habe er zuerst in einer sozialdemokratischen Versammlung zu Mannheim am 13. März 1913 gemacht; er habe dort eine deutsch-französische Konferenz auf neutralem Boden vorgeschlagen.1) Darauf habe er zunächst französische Parteigenossen für den Plan gewonnen, sich sodann weiter an den Schweizer Nationalrat Grimm gewandt.

Die Berner Konferenz fand am 11. Mai 1913 statt und war von 34 deutschen und 124 französischen Deputierten und Senatoren besucht. Während aus Frankreich 83 bürgerliche Parlamentarier, darunter mehrere frühere Minister, vertreten waren, hatten sich aus Deutschland außer den Sozialisten leider nur 4 Volksparteiler und 2 Elsässer eingefunden. Nationalrat Grimm wies zunächst auf das Ziel der Konferenz hin, den Weg friedlicher Verständigung anzubahnen, um dem Wettrüsten ein Ende zu machen. Die Schwierigkeiten der Aufgabe seien kein Grund, um auf die Lösung zu verzichten. Nach einigen weiteren Begrüßungsansprachen betonte d'Estournelles de Constant: Deutschland und Frankreich seien seit mehr als 40 Jahren daran, sich durch die Rüstungen zu ruinieren; man sage, daß diese nur eine Versicherung gegen den Krieg bedeuteten und daher notwendig seien. Das sei ein schwerer Irrtum, denn um die Rüstungen zu rechtfertigen, müsse man alle chauvinistischen Gefühle aufstacheln. Weit davon entfernt, den Frieden zu wahren, seien die Rüstungen eine allgemeine Gefahr für die Menschheit geworden. Ähnliches erklärten die deutschen Parlamentarier Bebel und Haußmann. Die eigentlichen Verhandlungen der Konferenz fanden in Kommissionen statt und waren nicht öffentlich. Man faßte aber in der Plenarversammlung folgenden, einstimmig angenommenen Beschluß:

Die erste Konferenz der deutschen und französischen Parlamentarier, versammelt zu Bern am 11. Mai 1913, wendet sich mit aller Entschlossenheit gegen die verwerflichen chauvinistischen Hetzereien jeder Art und gegen die sträflichen Treibereien, die auf beiden Seiten der Grenze den gesunden Sinn und die Liebe der Bevölkerung zum Vaterlande irrezuführen drohen. Sie weiß und verkündet, daß die beiden Völker in ihrer ungeheuren Mehrheit den Frieden wollen, diese oberste Bedingung jedes Fortschrittes. Sie verpflichtet sich, unermüdlich daran zu arbeiten, daß Mißverständnisse zerstreut und Konflikte vermieden werden, und sie dankt von Herzen der vom Volke gewählten Vertretung Elsaß-Lothringens, daß sie durch ihre hochherzigen Erklärungen die Annäherung beider Länder zu einer werktätigen Gemeinschaft der Zivilisation erleichtert hat.

Sie lädt ihre Mitglieder ein, mit aller Kraft auf die Regierungen der Großmächte zu wirken, daß sie eine Beschränkung der Ausgaben für Heer und Flotte herbeiführen. Die Konferenz tritt warm ein für den von dem Staatssekretär der Vereinigten Staaten Bryan in der Schiedsgerichtsfrage gemachten Vorschlag. Sie fordert demgemäß, daß Konflikte, die zwischen den beiden Staaten entstehen könnten und die auf diplomatischem Wege nicht zu schlichten sein sollten, dem

1) Vgl. hierzu Friedenswarte" 1913, S. 232.

Haager Schiedsgericht unterbreitet werden. Sie zählt auf ihre Mitglieder, daß sie in diesem Sinne eine tatkräftige und nachhaltige Wirksamkeit entfalten werden. Sie ist überzeugt, daß eine Annäherung zwischen Deutschland und Frankreich die Verständigung zwischen den großen Mächtegruppen erleichtern und damit die Grundlage für einen dauernden Frieden schaffen werde.

Sie beschließt, daß ihr Präsidium sich als ständiges Komitee konstituiert mit dem Recht beiderseitiger Kooptation. Sie gibt dem Komitee zugleich den Auftrag, neue Konferenzen periodisch oder je nach den Umständen unverzüglich einzuberufen."

Das von der Versammlung eingesetzte ständige Komitee bestand deutscherseits aus den Abgeordneten Haase, Haußmann und Ricklin, französischerseits aus den Senatoren d'Estournelles de Constant, Gaston Meunier und dem Deputierten Jaurès.1)

Bereits am 30. Mai 1914 fand eine zweite Verständigungskonferenz, diesmal in Basel, statt. Aus Deutschland waren von der Zentrumspartei, den Nationalliberalen, der Fortschrittlichen Volkspartei und der Sozialdemokratie insgesamt 18, aus Frankreich 14 Abgeordnete erschienen. Es wurde wiederum eine Resolution 2) angenommen, worin gesagt wurde: Die Berner Konferenz habe großen Anklang gefunden; die Stunde sei für eine planmäßige Aktion im Sinne einer deutschfranzösischen Annäherung günstig. Die Völker litten unter dem Zustand gegenseitigen Mißtrauens und ununterbrochener Beunruhigungen, der sich besonders im fortgesetzten Wettrüsten, in der Gefahr von Krisen und der Lähmung des kulturellen Fortschritts äußere. Das Komitee hatte weiter vorgeschlagen, fortan Plenarversammlungen der auf dem Boden der Berner Konferenz stehenden Parlamentarier in Deutschland und Frankreich zu veranstalten. Diese sollten schon 1914 beginnen. Der Krieg setzte diesem hoffnungsvollen Beginnen ein Ende.3)

Es ist sicher, daß die deutsch-französischen Tagungen im Grunde nicht nur das Rüstungsproblem'), sondern die gesamte Frage der deutschfranzösischen Verständigung der Lösung näherbringen wollten. Aber die unmittelbare Veranlassung und das wichtigste Ziel der Berner Konferenz war die Verringerung der Rüstungen.5)

1) Vgl. Die Friedensbewegung 1913, S. 220 ff.; Albert Gobat, La Conférence Interparlementaire franco-allemande", Bern 1913.

2) Vgl. die Zustimmungserklärungen der russischen, österreichischen und ungari-. schen Sozialdemokratie zu dieser Resolution bei Grünberg, a. a. O. S. 28 ff.

3) Friedenswarte" 1914, S. 205 ff.; Die Friedensbewegung 1914, S. 229 ff.; La Paix par le Droit 1914, S. 336 ff.; v. Liszt, Die Baseler Tagung in, Vossische Zeitung“, 2. VI. 1914; Haas, Die Baseler Tagung in Berliner Tageblatt", 3. VI. 1914.

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4) Vgl. Gothein in „Friedenswarte" 1914, S. 171 ff.

5) Vgl. in diesem Zusammenhange auch den gemeinsamen Aufruf der deutschen

und französischen Friedensgesellschaften vom Mai 1913.

III. Anregungen von Regierungen

a) Mondiale Bestrebungen

a) Die Vorläufer der Haager Friedenskonferenzen

Das Ziel des russischen Vorschlages von 1898, auf den die Haager Konferenzen zurückzuführen sind, bestand darin, unter den größten Kulturstaaten eine Verständigung über die Beschränkung der Rüstungen zu erzielen. Freilich sprach das Manifest auch von den Sicherungsmaßregeln für einen dauernden Frieden und meinte damit vor allem die Schiedsgerichtsbarkeit. Aber dieser Teil des Friedensprogramms trat doch gegenüber demjenigen zurück, der von den ungeheuren Rüstungslasten der Völker sprach. Man darf daher als die eigentlichen Vorläufer der Haager Konferenzen lediglich diejenigen Versuche bezeichnen, die eine Weltkonferenz zur Beratung der Rüstungsfrage einberufen wollten.

Bereits Napoleon I. soll nach den Angaben, die er später auf St. Helena gemacht hat, eine allgemeine Rüstungsbeschränkung als eines der letzten Ziele seines Strebens betrachtet haben. Er soll beabsichtigt haben, Europa zu organisieren und an der Spitze eine Versammlung der Kaiser zu errichten, die alle Angelegenheiten der Nationen friedlich entscheiden sollte. „Europa", so sagte er, „würde somit in der Tat ein Volk dargestellt haben. Ich hätte ausgewirkt, daß die stehenden Armeen reduziert würden bis auf einen Bestand, der bloß zum Schutze der Monarchen genügend gewesen wäre." 1)

Am 21. März 1816 wandte sich der russische Kaiser Alexander I., der sehr fromm war und die Aufrechterhaltung des Friedens in Europa aus religiösen Gründen wünschte, an Lord Castlereagh, man müsse jetzt allen Völkern Europas Frieden und Ruhe verschaffen; das könne nur auf dem Wege einer internationalen Rüstungsbeschränkung geschehen; die Staaten müßten gleichzeitig die Armeen vermindern, die sie gegen Napoleon verwandt hätten; dieses Ziel müsse in gleicher Einstimmigkeit verfolgt werden wie seinerzeit der Kampf gegen Napoleon. Die englische Antwort vom 16./28. Mai 1816 lautete: Die beste Grundlage für einen Vertrag wäre ein Abkommen über die Kopfzahl der Truppen; aber man dürfe nicht übersehen, wie schwer dieser Versuch sein werde, da die Bedingungen im einzelnen so verschieden seien, namentlich in bezug auf die Kriegsmittel, die Grenzen, die Lage der

1) Las Cases, Memorial de St. Helène", Paris 1823; Anitchow, Krieg und Arbeit 1912, S. 90; Redslob, S. 248; Erzberger, „Der Völkerbund", S. 41.

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