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vorgerufene Unzufriedenheit befördert würden.1) den Beer Poortugael verwahrte sich noch gegen einige Äußerungen v. Schwarzhoffs.")

Darauf entschloß man sich, den Antrag einer Unterkommisson zu überweisen. Diese kam zu folgendem Beschluß, der durch einen Prüfungsausschuß vorbereitet wurde:

1. Daß es sehr schwierig sein würde, selbst nur für die Zeit von fünf Jahren, die Ziffer der Friedenspräsenzstärke zu bestimmen, ohne gleichzeitig auch andere Fragen der nationalen Verteidigung zu regeln.

2. Daß es nicht weniger schwierig sein würde, die Frage dieser Verteidigung, welch letztere in jedem Lande nach verschiedenen Gesichtspunkten organisiert ist, durch ein völkerrechtliches Abkommen zu regeln.3)

In der Kommissionssitzung vom 30. Juli 1899 wurde der Beschluß der Unterkommission verkündet. Gleichzeitig betonte noch Griechenland, es müsse eine Rüstungsbeschränkung ablehnen, da es zurzeit mit einer neuen Organisation der Armeen beschäftigt sei.) Desgleichen hob Italien hervor, es müsse sich vollkommene Handlungsfreiheit bewahren. Darauf nahm der schwedisch-norwegische Bevollmächtigte Baron Bildt das Wort und begründete, weshalb sein Land nicht für den Antrag Gilinsky habe stimmen können. Der Vorschlag, so führte er aus, unterscheide nicht zwischen Heeren, die bereits nach den Grundsätzen der modernen Militärwissenschaft organisiert seien, und solchen, die nach veralteten Systemen eingerichtet seien. Auch behandle der Antrag diejenigen Heere, die für Angriff und Verteidigung gleichmäßig eingerichtet seien, genau so wie solche Heere, die vor allem einen Verteidigungscharakter hätten. Das schwedische Heer sei ebenfalls in einer Umbildung begriffen; der größte Teil der Cadres beruhe auf einem zwei Jahrhunderte alten Systeme. Eine solche Organisation könne man keine fünf Jahre festlegen. Aber der Grundgedanke des Zaren sei groß und schön. Wenn der Kaiser zu dem Edelmute seines Herzens und der Hoheit seines Geistes noch die Tugend der Ausdauer geselle, so sei der Triumph seines Werkes gesichert. Ein zukünftiges Geschlecht werde die Aufgabe lösen. 5)

Als letzter Redner machte der französische erste Bevollmächtigte Bourgeois") folgende bemerkenswerten Ausführungen: Sie hätten hier 1) Meurer, S. 598, 599.

2) Meurer, S. 599.

*) Meurer, S. 601.

4) Meurer, S. 602.

5) Meurer, S. 604, 605; vgl. hierzu Lammasch in Niemeyers Zeitschrift für internationales Recht 1916, S. 155.

") In bezug auf die Rede von Bourgeois erklärte am 4. Februar 1903 der freisinnige Abgeordnete Hoffmann (Hall) im Reichstag: „Das ist bemerkenswert, daß sich der französische Delegierte zu dem Friedenswerke freundlicher gestellt hat als der deutsche."

nicht zu erwägen, ob gerade ihr Heimatland im besonderen die Lasten des bewaffneten Friedens trage; ihre Aufgabe stände höher: Die Gesamtlage der Völker sei es, die man zu prüfen habe. Das Ziel der Kultur scheine zu sein, daß an Stelle des Existenzkampfes der Menschen untereinander mehr deren Eintracht im Kampfe gegen die grausame Sklaverei der Materie trete; wenn man im Augenblicke noch auf eine Lösung des Rüstungsproblems verzichten müsse, so sei es doch nötig, der öffentlichen Meinung zu beweisen, daß man das Problem eingehend geprüft habe. Er schlage deshalb eine Resolution folgenden Inhalts vor: „Die Konferenz erklärt, daß die Einschränkung der Militärausgaben für das Wachstum des materiellen und sittlichen Wohles der Menschheit höchst wünschenswert sei." 1)

Diese Resolution wurde in der Kommission und später vom Plenum einstimmig angenommen. Ein gleichzeitig gefaßter Wunsch, der sich auch auf die Seerüstungen erstreckte, sprach sich dahin aus: Daß die Regierungen sich im Anschluß an die auf der Konferenz gemachten Vorschläge mit dem Studium der Möglichkeit einer Vereinbarung beschäftigen sollten, die eine Beschränkung der Land- und Seestreitkräfte und der Kriegsbudgets ins Auge fassen sollte."

bb) Der Antrag Scheine, betreffend die Marine

In derselben Sitzung vom 23. Juni 1899, in der den Delegierten der Antrag Gilinsky vorgelegt worden war, gab die russische Regierung auch ihren Vorschlag, betreffend die Beschränkung der Seerüstungen, bekannt, den sogenannten Antrag Scheine. Dieser lautete:

„Annahme des Grundsatzes, daß für die Zeit von drei Jahren die Höhe des Marineetats angegeben wird mit der Verpflichtung, während dieses Trienniums die Gesamtsumme nicht zu erhöhen, und mit der weiteren Verbindlichkeit, für die genannte Periode im voraus bekanntzugeben:

1. den Tonnengehalt der Kriegsschiffe, die man zu bauen beabsichtigt, wobei indes die Schiffsbaugattungen selbst nicht mehr näher bestimmt zu werden brauchen;

2. die Zahl der Seeoffiziere und Matrosen;

3. die Ausgaben für die Hafenarbeiten wie für die Befestigungen, Docks, Arsenale usw.)

In der Sitzung der Marineunterkommission vom 26. Juni führte der russische Kapitän Scheine zur näheren Begründung folgendes aus: Die Mächte sollten es in der Hand haben, ihr Budget so hoch hinaufzuschrauben, wie sie nur wollten. Sei es aber einmal festgelegt und mitgeteilt, so dürfe man die Gesamtziffer innerhalb dreier Jahre, gerechnet vom Tage, wo die Verbindlichkeit in Kraft trete, nicht mehr

1) Meurer, S. 606.
2) Meurer, S. 591.

erhöhen. Man könne also auch ein größeres als das jetzige Budget zugrunde legen. So werde z. B. Rußland verfahren, das 10% über das jetzige Budget hinausgehen werde.1)

Dieser Antrag war sicherlich insofern unglücklich, als es den Staaten gestattet sein sollte, eine beliebig hohe Summe für das zukünftige Budget anzugeben. Es lag also die Gefahr nahe, daß dadurch zunächst eine Steigerung der Rüstungen hervorgerufen würde.2) Trotzdem wurde dieses Bedenken in der Debatte nur ganz nebenher von den Vertretern Dänemarks und Hollands geäußert.3)

Der Kommissionspräsident van Karnebeek betonte, auch er habe einen ähnlichen Antrag stellen wollen, daß sich nämlich die Regierungen die beabsichtigte Marineentwicklung gegenseitig anzeigen und die so mitgeteilten Ziffern für eine bestimmte Zeit festgelegt bleiben sollten. Der deutsche Kapitän zur See Siegel erklärte, im deutschen Flottengesetz sei bereits der Antrag Scheine verwirklicht, freilich mit der Modifikation, daß die Ausgaben in den verschiedenen Jahren nicht gleich blieben, sondern in bestimmt vorgesehener Weise stiegen. Insofern das deutsche Gesetz sogar die geplanten Schiffsbauarten genau bekanntgebe, gehe es noch über den Vorschlag Scheines hinaus. Siegels Bemerkung war nicht zutreffend. Denn die Ähnlichkeit des deutschen Flottengesetzes war eine rein äußerliche. Das, was den Kernpunkt des russischen Antrages bildete, lag dem deutschen Flottengesetze natürlich ganz fern, nämlich die Verpflichtung, auch außerordentliche Erhöhungen des Etats innerhalb der vorgesehenen Zeit zu vermeiden, und zwar im Interesse der allmählichen Verminderung der Seekriegsrüstungen. Wohl in der Erkenntnis, daß diese erste Begründung des deutschen Standpunktes nicht ganz richtig gewesen war, gab Siegel später die weitere Erklärung ab, Deutschland müsse für sich die Freiheit beanspruchen, im Rahmen des Flottengesetzes Änderungen vorzunehmen. Auf den gleichen Standpunkt stellte sich der österreichische Korvettenkapitän Graf Soltyk. Die Delegierten Englands, Frankreichs, der Vereinigten Staaten von Amerika und Portugals erhoben nun einen ähnlichen Einwand, den Groß v. Schwarzhoff bereits gegenüber dem Antrage Gilinsky geltend gemacht hatte, daß nämlich den Parlamenten die Zuständigkeit über die Budgetbewilligung zustehe und daß sich die Regierungen nicht vertraglich binden könnten, ohne vorher die Landtage zu hören. Mit Recht

1) Meurer, S. 607.

2) Am 12. Januar 1899 hatte der konservative Abgeordnete v. Stumm-Halberg im Deutschen Reichstage erklärt, wenn der russische Abrüstungsantrag Erfolg habe, stände sich der Staat am besten, der vor der Konferenz am meisten gerüstet hätte.

*) Vgl. dazu auch Picard, S. 123; de Lapradelle in Revue Général de Droit intern. public", 1899, S. 26.

wies van Karnebeek dieses Bedenken zurück: Es müsse doch für die Regierungen möglich sein, sich wenigstens auf drei Jahre mit den Parlamenten zu einigen. In Holland jedenfalls würde dem kein unüberwindliches Hindernis entgegenstehen. Nachdem noch der portugiesische Vertreter darauf hingewiesen hatte, daß im portugiesischen Marineetat auch Ausgaben für die Kolonien ständen, bemerkte der skeptische amerikanische Kapitän Mahan, man könne doch schwerlich eine Summe angeben, bevor man wüßte, wie hoch die der anderen Staaten sei. Daraufhin meinte Scheine, jede Regierung könne ihr jetziges Budget und den Tonnengehalt der Flotte mit dem höchsten Prozentsatz steigern, den ein Land nur angenommen habe.1)

Man konnte schließlich in der Unterkommission zu keiner Einigung gelangen. van Karnebeek schlug daher vor, die Frage offen zu lassen und sie den Regierungen zur Prüfung auf einer späteren Konferenz zu empfehlen. Dagegen verwahrte sich aber Scheine, der hoffte, daß einzelne Delegierte noch günstige Instruktionen erhalten würden. Er beantragte deshalb Vertagung auf eine spätere Sitzung. Dem schloß sich die Mehrheit an. In der weiteren Verhandlung am 30. Juni wurde man sich über den der Kommission zu erstattenden Bericht einig, der die Entscheidung dem Plenum der Kommission überließ. Man hatte in diesem Augenblicke noch die Hoffnung auf einen Erfolg.

Die Kommission war nicht der Meinung, daß man durch weitere Vertagung noch etwas erreichen werde. Der dänische Bevollmächtigte v. Bille betonte als Berichterstatter der Unterkommission besonders, daß dort kein durchschlagender Grund gegen den Antrag vorgebracht worden und daß man lediglich zu einem „non liquet" gelangt sei. Es sei nach den Instruktionen der Delegierten nicht mehr auf Annahme des Vorschlages während der Konferenz zu rechnen. So entschied man sich schließlich, nachdem Scheine noch einen letzten Versuch gemacht hatte, eine neue Beratung auf der Konferenz zu erreichen, für den Wunsch, daß die Frage einer neuen Prüfung auf einer späteren Konferenz unterzogen würde. Dieser Wunsch wurde dann mit demjenigen, betreffend die Beschränkung des Landheeres,2) vereinigt.

In der Kommissionssitzung vom 17. Juli gab schließlich der amerikanische Kapitän Mahan noch die Erklärung ab, die Vereinigten Staaten wären dem Wunsche, betreffend einen Rüstungsstillstand, beigetreten, wünschten aber nicht, daß man glaube, Amerika wolle bezüglich der von den europäischen Staaten in der Frage zu ergreifenden Maßnahmen eine Meinung äußern. Diese Erklärung werde nicht aus Gleichgültigkeit abgegeben, sondern in der Absicht, von Meinungsäußerungen über 1) Meurer, S. 609.

2) Vgl. oben S. 190.

Fragen, welche Europa allein angingen und bei welchen sich deshalb die Vereinigten Staaten unter keinem Vorwand beteiligen wollten, abzusehen. Die Rüstungen der Vereinigten Staaten seien so gering, daß dadurch die Rüstungen der anderen Staaten nicht beeinflußt würden. Das war eine durchaus wertlose, papierne Erklärung. Denn jenes Unterprinzip der Monroedoktrin, daß sich die Amerikaner in die inneren europäischen Angelegenheiten nicht mischen sollen, war 1899 längst aufgegeben worden. Es entsprach längst nicht mehr den tatsächlichen Verhältnissen, da der Zusammenhang der Nationen ein viel zu großer geworden war. Das erkennt man gerade in der Rüstungsfrage. Ein Land, wie Amerika, das so eifrig für den Weltfrieden eintritt, gibt dadurch selbst zu erkennen, daß die den Frieden bedrohenden Rüstungen der europäischen Nationen keine rein europäische Angelegenheit, sondern eine solche der gesamten Menschheit und Zivilisation darstellen.1) Mit Recht hat Präsident Wilson im Weltkriege einen anderen Standpunkt vertreten.

II. Die Frage der Beschränkung der Kriegsmittel

aa) Die Frage der Pulver- und Sprengstoffe

Was die Pulverfrage anlangt, so fanden darüber keine eingehenden Verhandlungen statt. In der Sitzung der militärischen Unterkommission vom 29. Mai 1899 äußerten sich die Bevollmächtigten einstimmig dahin, daß sich jeder Staat volle Freiheit vorbehalten müsse, ob er neues Schießpulver einführen werde oder nicht. Eingehend begründet hatte sein Votum lediglich der amerikanische Kapitän Crozier, der in der Sitzung vom 26. Mai 1899 folgendes ausgeführt hatte: Die Anregung des Verbotes brisanterer Pulver könne in einer Beziehung das Gegenteil von dem erreichen, was Rußland beabsichtige. Gehe man davon aus, daß ein brisanteres Pulver das Pulver sei, welches einem Geschoß von gegebenem Gewicht eine größere Geschwindigkeit oder einem schweren Geschoß die gleiche Geschwindigkeit verleihe, so beruhe die Brisanz im Verhältnis des Gasvolumens, welches durch die Verbrennung entstehe. Nun könnte man möglicherweise ein Pulver herstellen, welches bei niedrigerer Verbrennungstemperatur ein größeres Gasvolumen liefere und daher durchschlagender sei als eines der jetzigen Pulver und das doch wegen der geringeren Erhitzung das Gewehr weniger angreife, also auch besser erhalte. Das Verbot solcher Pulver würde also eine ökonomische Schädigung bedeuten, indem es einer Minderung der militärischen Ausgaben entgegentreten würde.2)

1) Vgl. auch Kraus, „Die Monroedoktrin", Berlin 1913, S. 339 ff., der übrigens diese Ausführungen Mahans unerwähnt läßt.

2) Meurer, S. 527.

Wehberg, Die internationale Beschränkung der Rüstungen

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