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Die Note Deutschlands an den Papst vom 19. September 1917 zeigt, daß diese Ansichten von der Reichsregierung angenommen

wurden.

Am 16. Juli 1917 richteten die gleichen Verbände an den Deutschen Reichstag eine Eingabe,1) worin sie baten, die Kundgebung zur Kriegszielfrage, soweit sie sich zugunsten internationaler Rechtsorganisationen ausspreche, durch die Forderung zu ergänzen, daß einer Wiederkehr des verderblichen und gefährlichen Rüstungswettkampfes durch internationale Vereinbarungen über allgemeine Abrüstung vorgebeugt werde."

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Von der führenden französischen Friedensgesellschaft „La Paix par le Droit" wurden im Laufe des Krieges Richtlinien für einen Dauerfrieden aufgestellt, in denen auch eine Rüstungsbeschränkung gefordert wurde. 2) Nach einer Feststellung des Bankrotts des bisherigen Wettrüstens wird auf die Beschlüsse der beiden Haager Friedenskonferenzen hingewiesen, dargetan, daß eine einseitige Abrüstung oder eine vertragsmäßige Abrüstung lediglich eines Teiles der Staaten nicht zum Ziele führen kann, und schließlich betont, daß nur die durch eine internationale Polizeimacht geschützte Ordnung der zwischenstaatlichen Beziehungen die Abrüstung ermöglichen kann, da letztere nicht ein Instrument des Friedens sei, sondern lediglich den Frieden voraussetze. Im Mai 1917 richtete die Schwedische Friedens- und Schiedsgerichtsvereinigung einen Appell an den russischen Arbeiter- und Soldatenrat, worin als Grundlage des Friedens u. a. die „Abschaffung der nationalen Heere" gefordert wurde.3)

Zu den bemerkenswertesten Aufsätzen, die während des Weltkrieges zugunsten einer Rüstungsverständigung geschrieben worden sind, gehört der Artikel Sir Edward Frys, des bekannten englischen, inzwischen leider verstorbenen Delegierten auf der zweiten Haager Friedenskonferenz, über ,, the limitation of armaments". 4) Er befürwortet, man solle in dem Friedensvertrag das Maximum der Land- und Seestreitkräfte festsetzen, das kein Staat überschreiten dürfe. Die künftig erlaubte Zahl der Streitkräfte soll bestimmt werden unter Berücksichtigung der Größe der einzelnen Länder, ihrer geographischen Lage, ihrer Bevölkerung, ihres Handels und aller anderen dabei in Betracht kommender Faktoren. Die verbleibenden Truppen sollen die Aufrechterhaltung der inneren Ordnung und die Verteidigung gegen die Nachbarn gestatten, aber nicht zu einem Angriffskrieg aus

1) „Völker-Friede", September 1917, S. 8 ff. Vgl. auch die Eingabe derselben Verbände an den Reichstag über „Friede im Westen“ vom 17. Februar 1918. „VölkerFriede", März 1918, S. 33.

2) Holländische Nachrichten", 20. März 1917, S. 138 ff.

3) Fredsfanan", 26. Mai 1917.

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4) The Nation", 6. November 1915, S. 211 ff.; vgl. auch das Interview Su Edward Frys durch die Herausgeber des,Common Sense", abgedruckt in den „Holländischen Nachrichten", 5. März 1917, S. 87.

reichen. Es soll ferner eine internationale Kommission mit der nötigen Vollmacht eingesetzt werden, die die Befolgung der Bestimmungen des Abkommens überwacht. Im Falle einer Übertretung soll die bewaffnete Macht des gleichzeitig zu errichtenden Staatenbundes in Anspruch genommen werden. Es soll ferner geprüft werden, wie weit Festungen zu schleifen sind und ob die Kriegsindustrie verstaatlicht werden muß. Darüber hinaus ist die Zahl der Betrachtungen, die sich vor der Papstnote vom 1. August 1917 mit der Rüstungsfrage beschäftigen, außerordentlich groß.')

II. Seit der Papstnote vom 1. August 1917

In ein ganz neues Stadium trat das Rüstungsproblem durch die Papstnote vom 1. August 1917. Darin hieß es :

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Vor allem muß der Grundgedanke sein, daß an die Stelle der materiellen Kraft der Waffen die moralische Kraft des Rechts tritt. Hieraus folgt ein billiges Einvernehmen aller zum Zwecke gleichzeitiger und gegenseitiger Verminderung der Rüstungen nach bestimmten Regeln und unter gewissen Sicherheiten bis zu dem Maße, das zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung in jedem Staate notwendig und ausreichend ist." 2)

In der deutschen Antwortnote 3) an den Papst vom 19. September 1917 wurde darauf mit folgenden Worten erwidert:

„Auch wir sind davon durchdrungen, daß der kranke Körper der menschlichen Gesellschaft nur durch eine Stärkung der sittlichen Kraft des Rechtes gesunden kann. Hieraus würde nach Ansicht Seiner Heiligkeit die gleichzeitige Herabminderung der Streitkräfte aller Staaten und die Einrichtung eines verbindlichen Schiedsverfahrens für internationale Streitfragen folgen. Wir teilen diese Auffassung Seiner Heiligkeit, daß bestimmte Regeln und gewisse Sicherheiten für eine gleichzeitige und gegenseitige Begrenzung der Rüstungen zu Lande, zu Wasser und in der Luft sowie für die wahre Freiheit und Gemeinsamkeit der hohen See diejenigen Gegenstände darstellen, bei deren Behandlung der neue Geist, der künftig im Verhältnis der

1) Siehe besonders die Arbeiten von Fried, „Europäische Wiederherstellung*, Zürich 1915, Nippold, „Die Schweiz und der künftige Friede", Bern 1915, und Schücking, ,Der Dauerfriede, Leipzig 1917, sowie zahlreiche Aufsätze der,Neuen Züricher Zeitung". Ferner z. B. Federn, „Die Politik des Dreiverbandes und der Krieg", München 1914, S. 17; Hobson, Towards International Government", London 1915, S. 20; de Beaufort, Deutsche Revue, Juni 1917, S. 261; Schwan,,Les bases d'une Paix durable“, Paris 1917, S. 216 ff.

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2) Holländische Nachrichten", 5./20. September 1917, S. 1014.

3), Holländische Nachrichten", 5. Oktober 1917, S. 1144. Die deutsche Regierung zog bei Abfassung der Note einen aus 7 Mitgliedern bestehenden Sonderausschuß des Reichstages zu. Das konservative Mitglied desselben, Graf Westarp, stimmte gegen die Empfehlung der Abrüstung, wie er im Hauptausschusse des Reichstages am 28. September 1917 erklärte, weil ein Maßstab und eine Kontrolle nicht vorhanden sei." Holländische Nachrichten", 20. Oktober 1917, S. 1260.

Staaten zueinander herrschen soll, den ersten verheißungsvollen Ausdruck finden müßte. Es würde sich sodann ohne weiteres die Aufgabe ergeben, auftauchende internationale Meinungsverschiedenheiten nicht durch das Aufgebot der Streitkräfte, sondern durch friedliche Mittel, insbesondere auch auf dem Wege des Schiedsverfahrens, entscheiden zu lassen, dessen hohe friedenstiftende Wirkung wir mit Seiner Heiligkeit voll anerkennen. Die Kaiserliche Regierung wird dabei jeden Vorschlag unterstützen, der mit den Lebensinteressen des Deutschen Reiches und Volkes vereinbar ist. Deutschland ist durch seine geographische Lage und seine wirtschaftlichen Bedürfnisse auf den friedlichen Verkehr mit den Nachbarn und mit dem fernen Ausland angewiesen. Kein Volk hat daher mehr als das deutsche Anlaß, zu wünschen, daß an die Stelle des allgemeinen Hasses und Kampfes ein versöhnlicher und brüderlicher Geist zwischen den Nationen zur Geltung kommt."

Das sind in Wahrheit goldene Worte, durch die das Deutsche Reich seine frühere irrtümliche Stellungnahme zu diesem grundlegenden Problem offenkundig verließ. Ein neuer Geist spricht aus solchen Äußerungen, und ein Vergleich mit den früheren Erklärungen des Deutschen Reiches 1) läßt die Frage auftauchen: Wie viel anders wäre wohl manches gekommen, wenn man 20 Jahre früher so gesprochen hätte!2)

Bei der Besprechung der Papstnote im Hauptausschusse des Deutschen Reichstages am 28. September 19173) haben sich die Regierungsvertreter auffallenderweise mit keinem Worte auf die Rüstungsfrage eingelassen. Auch die Abgeordneten gingen meist darauf nicht ein, obwohl infolge des Schweigens der Friedensresolution der Reichstagsmehrheit vom 19. Juli 1917 zu diesem Punkte eine Aussprache nützlich gewesen wäre. Der fortschrittliche Abgeordnete Naumann dagegen betonte: Die Antwort zur Papstnote gehe über die Erklärung vom 19. Juli hinaus mit ihren Darlegungen über Abrüstung und Schiedsgericht. Die Zustimmung zu ihrer Erörterung dürfe man der Lösung dieser ungeheuer schwierigen Fragen nicht gleichsetzen; allein, was bisher lediglich als Gesinnung der Deutschen hervorgetreten sei, sei jetzt dokumentarisch festgelegt. Es werde nur aufgegriffen, was seit langem durch das deutsche

1) Die wichtigsten Erklärungen der deutschen Regierung seit der ersten Haager Konferenz zur Rüstungsfrage hatten etwa folgenden Inhalt. Fürst v. Bülow erklärte im Reichstage am 1. März 1900: Man könne keine Konzessionen machen; am 30.April 1907: Man lehne die Beteiligung an der Rüstungsdebatte im Haag ab; am 10. Dezember 1908: Man halte eine Rüstungsbeschränkung für wünschenswert und wolle nicht jede Möglichkeit einer Verständigung von der Hand weisen; am 29. März 1909: Verhandlungen über Einschränkung der Flottenrüstungen hätten keinen Zweck, solange der Maßstab fehle. v. Bethmann Hollweg sagte im Reichstag am 30. März 1911: Die Abrüstungsfrage sei unlösbar, solange die Menschen Menschen und Staaten Staaten seien; am 7. April 1913: man wolle abwarten, bis England mit konkreten Vorschlägen komme. 2) In Deutschland, aber auch anderswo!

3), Holländische Nachrichten", 20. Oktober 1917, S. 1259. Wehberg, Die internationale Beschränkung der Rüstungen

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Denken gegangen sei; es sei ein deutscher Weg, den man ginge. (!) Ausführlicher hat sich dagegen der Deutsche Reichstag in seiner Sitzung vom 10. Oktober 1917 mit den in der Antwort zur Papstnote aufgeworfenen Problemen befaßt. Der nationalliberale Führer Dr. Stresemann erklärte seine Zustimmung zu den Grundgedanken des Deutschen Reiches in der Abrüstungsfrage. Er betonte, man müsse nach dem Kriege selbstverständlich bestrebt sein, die Rüstungen nicht größer werden zu lassen. Schon der Menschenmangel werde zu einer Verringerung der Armee führen müssen. Aber eine Abrüstung bis zu dem Grade, daß nur die innere Sicherheit des Landes geschützt werde, scheine ihm nicht empfehlenswert. Der Konservative Graf Westarp verneinte dagegen mit den bekannten Schlagwörtern die Frage, ob eine Abrüstung möglich sei. Seine Partei wünsche nicht, so erklärte er, daß der Abrüstungsgedanke auf der Friedenskonferenz diskutiert werde. Deutschlands Stellung werde dadurch nur verschlechtert werden. In der gleichen Sitzung wies der sozialdemokratische Abgeordnete Ledebour auf die Bedeutung des Problems hin. Alle drei Redner nahmen dabei Bezug auf die noch zu erwähnende große Rede Czernins, dessen Ausführungen nur Ledebour vorbehaltlos zustimmte, indem er seine Ziele für alte sozialdemokratische Forderungen erklärte.

Ähnlich wie die deutsche Antwortnote an den Papst lautete die Österreichisch-ungarische, die bereits am 10. September 1917 Benedikt XV. übergeben wurde. Darin hieß es:1)

Wir treten daher der Auffassung Eurer Heiligkeit bei, daß Verhandlungen der Kriegführenden zu einer Verständigung darüber führen sollten und könnten, wie unter Schaffung entsprechender Sicherheiten die Rüstungen zu Lande, zu Wasser und in den Lüften gleichzeitig, wechselseitig und sukzessive herabzusetzen 2) seien."

Zur Bekräftigung der Note erklärte am 25. bzw. 26. September 1917 der österreichische Ministerpräsident Dr. Seidler im österreichischen Abgeordnetenhause bzw. Herrenhause, er glaube, daß Vereinbarungen erzielt werden könnten, die unter entsprechend wirksamen Sicherheiten eine gleichmäßige, gleichzeitige und schrittweise Herabminderung der Rüstungen auf ein zu vereinbarendes Maß ermöglichten. 3) Kurz darauf, am 2. Oktober 1917, hielt der österreichisch-ungarische Minister des Äußern Graf Czernin bei einem Mahle des ungarischen Ministerpräsidenten Wekerle in Budapest eine große staatsmännische Rede, die für die so

1) Holländische Nachrichten", 5. Oktober 1917, S. 1142.

2) Die deutsche Note redet genau wie die türkische von Begrenzung“, die Österreichisch-ungarische ebenso wie die bulgarische von einer Herabsetzung der Rüstungen. Ein grundlegender Unterschied wird darin kaum zu erblicken sein, zumal sich Graf Czernin wenige Tage später für völlige Abrüstung aussprach. 3),Holländische Nachrichten", 20. Oktober 1917, S. 1233, 1234.

lang verspottete Idee einer internationalen Abrüstung einen gewaltigen Triumph bedeutete. Die Ausführungen des Graf Czernin, die am 27. Oktober 1917 im Herrenhause von dem früheren Botschafter Dumba unterstrichen wurden, sind voller Klarheit und Entschlossenheit. Sie lauten:1)

Bis zu dem Momente, in welchem wir den Beweis hierfür erbracht hatten,2) konnten wir auf den Schutz der Rüstungen nicht verzichten und uns einer mißgünstigen Behandlung unserer Lebensfragen durch einen von der Legende unseres bevorstehenden Zusammenbruches beeinflußten Areopag nicht aussetzen. Mit dem Augenblicke aber, in welchem dieser Beweis erbracht ist, sind wir in der Lage, gleichzeitig mit unseren Gegnern die Waffen abzulegen und unsere etwaigen Streitigkeiten schiedsgerichtlich und friedlich zu regeln. Diese Erkenntnis, die sich in der Welt durchgerungen hat, bietet uns die Möglichkeit, den Abrüstungsmeine und Schiedsgerichtsgedanken nicht nur anzunehmen, sondern wie Sie, Herren, wissen, schon seit geraumer Zeit für deren Verwirklichung mit allen Kräften einzutreten.

In großen Umrissen ist unser Programm des Wiederaufbaues der Weltordnung, das richtiger als Aufbau der neuen Weltordnung zu bezeichnen wäre, in unserer Antwort auf die Friedensnote des Heiligen Vaters niedergelegt. Es kann sich mir also heute nur darum handeln, dieses Programm zu ergänzen, vor allem Aufklärung darüber zu geben, welche Erwägungen uns bestimmen, diese das bisherige System umstürzenden Grundsätze aufzustellen. In weiten Kreisen mag es überraschend, ja unbegreiflich erscheinen, daß die Mittelmächte und speziell ÖsterreichUngarn in Zukunft auf militärische Rüstungen verzichten wollen. Europa wird zweifellos nach diesem Kriege auf eine neue internationale Rechtsbasis gestellt werden, welche Garantien der Dauerhaftigkeit bietet. Diese Rechtsbasis muß, wie ich glaube, in ihrem Wesen vierfacher Art sein: Erstens muß sie Sicherheiten bieten, daß es keinen Revanchekrieg, und zwar von keiner Seite mehr geben kann; wir wollen das eine erreicht haben, daß wir unseren Kindeskindern als Vermächtnis hinterlassen können, daß sie von Schrecken einer ähnlich fürchterlichen Zeit, wie wir sie jetzt durchmachen, verschont bleiben. Keine Machtverschiebung der kriegführenden Staaten kann dies erreichen.

Der Weg, um zu diesem Ziele zu gelangen, ist allein der erwähnte der internationalen Weltabrüstung3) und der Anerkennung des schiedsgerichtlichen Verfahrens. Es ist überflüssig zu sagen, daß sich diese Maßregel der Abrüstung niemals gegen einen einzelnen Staat oder gegen eine einzelne Mächtegruppe richten darf, und daß sie selbstverständlich Land, Wasser und Luft in gleichem Maße umfassen muß. Aber der Krieg als Mittel der Politik muß bekämpft werden. Auf internationaler Basis, unter internationaler Kontrolle muß eine allgemeine, gleichmäßige, sukzessive Abrüstung aller Staaten der Welt erfolgen und die Wehrmacht auf das unumgänglichst notwendige beschränkt werden.

1) A. a. O. S. 1241 ff.

2) Nämlich dafür, daß Österreich-Ungarn nicht mit Waffengewalt niedergerungen werden kann.

3) In der Sitzung des Ausschusses für Äußeres der ungarischen Delegation am 4. Dezember 1917 forderte Graf Czernin mit entsprechenden Garantien versehene Abmachungen über allmähliche, gleichzeitige und wechselseitige Herabsetzung der Rüstungen“. „Holländische Nachrichten", 24. Dezember 1917, S. 1680 ff.

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