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1769 brachte Kaiser Josef II. bei seiner Begegnung in Neiße Friedrich dem Großen gegenüber den Plan nochmals vor, aber auch diesmal ohne Erfolg.1)

Hundert Jahre später, im August 1868, regte der österreichische Gesandte in Brüssel, Graf Vitztum, bei dem österreichischen Ministerpräsidenten Graf Beust an, Napoleon III. aufzufordern, König Wilhelm I. von Preußen zu allgemeiner Abrüstung anzuregen. 2) Napoleon sollte in einem offenen Briefe erklären, daß er den Prager Frieden trotz mehrerer Bedenken angenommen habe; er sei jetzt im Begriffe, seiner Armee eine stärkere Organisation zu geben: nun aber wünschten alle Völker dringend eine Verminderung der jährlich anschwellenden Militärlast; er sei zu einer Rüstungsbeschränkung bereit, wenn Preußen ihm durch eine befriedigende Zusage über die Beachtung des Prager Friedens die Möglichkeit dazu gebe. In einer den Vorschlag begründenden Denkschrift an den Kaiser war darauf hingewiesen, welche Popularität sich dieser durch seine Initiative erwerben würde. Ferner war dargetan, daß durch die Annahme des Antrages der Friede Europas gesichert, durch die Ablehnung aber die preußische Politik diskreditiert und der preußischen Regierung fortan kein Geld mehr zu weiteren Rüstungen vom Reichstage bewilligt werden würde. Im September 1868 überreichte Graf Vitztum im Einverständnis mit Graf Beust dem französischen Staatsminister Rouher die Denkschrift. Dieser wollte zwar von dem oft mißlungenen Plane einer Abrüstungskonferenz nichts wissen, war aber wohl bereit, Napoleon III. den Grundgedanken einer Rüstungsverminderung zu empfehlen. Napoleon III., der sich damals gerade in Biarritz befand, erklärte jedoch auf diese Anregung, bei der preußischen Landwehr-Verfassung wäre eine beiderseitige, gleichmäßige Verminderung der Feldarmee ein Selbstbetrug (marché de dupe).") Diesem Bedenken suchte Rouher dadurch zu begegnen, daß er einen Entwurf ausarbeitete, wonach für die nächsten zehn Jahre die Friedensstärke zu großen Schwierigkeiten geführt und eifersüchtige Beobachtung der Rüstungen jeder Partei zur Folge gehabt hätte. Dohm hält dies Bedenken für berechtigt und meint, daß nur auf gleiche Überzeugung gegründetes, gleichzeitiges Verfahren aller großen Staaten eine Verminderung der stehenden Heere herbeiführen könne. Er hebt schließlich hervor, Friedrich der Große habe wohl die Rüstungen etwas übertrieben und andere Staaten ebenfalls zu Heeresverstärkungen veranlaßt.

In diesem Zusammenhange sei auch ein häufiger zitiertes Wort aus dem Tagebuche des alternden Friedrich erwähnt: „Es würde die Zeit kommen, wo es gelte, Apostel auszuschicken, die gegen das Wettrüsten predigten."

1) Fried, Handbuch der Friedensbewegung, II, S. 32, 33.

2) Vgl. v. Sybel a. a. O., VI. Band, S. 369 ff., 388, VII. Band, S. 87; Beust, Aus

drei Vierteljahrhunderten", Stuttgart 1887, II, S. 340 ff.

3) Das war auch die Meinung des französischen Militärbevollmächtigten in Paris, Baron Stoffel; v. Sybel a. a. O., VII. Band, S. 203.

der französischen und preußischen Armee auf je 250 000 Mann festgesetzt, die Reserve von ihrer Verpflichtung entbunden, ferner die preuBische Landwehr und die französische Mobilgarde 1) aufgelöst werden sollte. Napoleon III. ging auch hierauf nicht ein und soll, seiner früheren Überzeugung zuwider, erklärt haben: „Ein Napoleon kann nicht entwaffnen, geschweige das Signal zu einer allgemeinen Abrüstung geben; er würde damit seine Krone auf das Spiel setzen." 2) Später, Ende 1869, erklärte Napoleon III. den österreichischen Staatsmännern: man habe ihn zu einer Abrüstung aufgefordert; er wolle etwas Besseres vorschlagen, nämlich einen Dreibund zwischen Frankreich, Österreich und Italien.

Im Jahre 1870 nahm der Kaiser jedoch denselben Gedanken nochmals auf, nachdem Graf Daru, der französische Minister des Äußern, seine Bedenken zerstreut hatte. Graf Daru bat am 1. Februar 1870 Lord Clarendon um die Weitergabe einer Anregung, die im Februar 1870 Bismarck durch den englischen Gesandten Loftus vorgelegt wurde. Sie fand bei dem preußischen Ministerpräsidenten eine kühle Aufnahme. Dieser erklärte, der Gedanke sei mit dem preußischen Heeressystem so unverträglich, daß er sich nicht getraue, ihn dem Könige auch nur vorzulegen. In einem Schreiben vom 9. Februar 1870 an den preußischen Botschafter in London, Grafen Bernstorff, führte Bismarck aus:

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Unsere geographische Lage ist ganz von der jeder anderen Kontinentalmacht verschieden und verträgt in keiner Weise einen Vergleich mit der Insellage Großbritanniens. Wir sind auf allen Seiten von Nachbarn umringt, deren Militärmacht ein bedeutsames Element in allen politischen Kombinationen bildet. Jede der drei anderen Kontinentalgroßmächte ist dagegen so gestellt, daß sie wenigstens auf einer ihrer Grenzen keinem ernsthaften Angriffe ausgesetzt ist, und Frankreich ist unter ihnen auf drei Seiten vor jeder Gefahr gedeckt. Diese drei Mächte haben in den letzten Jahren ihre Militärkräfte bedeutend verstärkt, in höherem Verhältnis als wir. Österreich und Frankreich haben ihr Militärsystem völlig umgewandelt, um uns jeden Augenblick mit verstärkten Kräften angreifen zu können. Österreich, Frankreich und Rußland haben sämtlich eine Armee, die auf dem Friedensfuße der unseren an Zahl überlegen ist. Außerdem ist unser Militärsystem so durchsichtig, daß jede Erhöhung unserer Streitkräfte sofort genau erkannt und abgewogen werden kann; die Bedeutung jeder Erhöhung oder Verminderung unserer Militärkräfte kann also ganz genau berechnet werden. Die Militärsysteme der anderen Nationen sind nicht die gleichen. Selbst im Falle einer nominalen Herabsetzung der Jahrgänge ermöglichen sie die Beibehaltung oder Erneuerung aller ihrer Kräfte. Sie gestatten eine materielle Erhöhung dieser Kräfte, ohne die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken oder doch jedenfalls, ohne daß es möglich wäre, etwas zu beweisen. Bei uns dagegen wird das Militärsystem, das nach seiner Art öffentlich ist, es noch mehr auf 1) v. Sybel bemerkt hierzu, daß die Mobilgarde damals erst auf dem Papier gestanden hätte.

2) Beust a. a. O. S. 243, erwähnt noch, daß im Sommer 1869 zwischen Preußen und Österreich eine Rüstungsverminderung durch Depeschenwechsel zustande gekommen sei. Genaueres habe ich darüber nicht gefunden.

Grund der Natur unserer Einrichtungen. Unter solchen Umständen und in dem Falle einer sofortigen Erörterung über Maßregeln von solcher Bedeutung müssen wir uns fragen, wie man uns verbürgen könnte, daß unsere Lage den anderen Mächten gegenüber nicht tatsächlich im ungünstigen Sinne verändert würde, wenn wir unsere Zustimmung zu einem anscheinend gerechten und unparteiischen Systeme gäben, das aber trotzdem eine ungleiche Behandlung der in Frage stehenden Parteien herbeiführen müßte. Jede Schwächung der Macht Preußens, jede Verwirrung in dem europäischen Gleichgewicht kann England kaum nützlich sein. Die Vorbereitung der Großmächte auf den Krieg ruft zweifellos einen Zustand der Beunruhigung hervor, wie Lord Clarendon richtig bemerkt; aber man muß gestehen, daß sie als eine wirksame Bürgschaft dafür angesehen werden kann, daß jeder Angriff oder jeder Versuch einer Änderung an den bestehenden Rechten auf einen festen und tatsächlichen Widerstand stieße. Ich erachte, daß das verflossene Jahr dafür neue Beweise erbracht hat, und Lord Clarendon ist wegen seiner innigen Vertrautheit mit den Ereignissen unserer Epoche besser als irgendwer gestellt, um das Zutreffende meiner Bemerkung zu beurteilen. Die Erhaltung des Friedens ist nicht nur auf die friedlichen Neigungen der Regierungen zurückzuführen; die Macht und der Stand der Vorbereitungen der Nachbarstaaten haben ebenfalls viel dazu beigetragen, die öffentliche Meinung zu leiten und die getroffenen Entschließungen vorzuschreiben. Die Tendenzen einer Nation können durch und durch friedlich, sie können auf einem richtigen Verständnis ihrer Interessen begründet sein; aber sie sind nichtsdestoweniger einem plötzlichen Wandel infolge irgendeines unvorhergesehenen Zwischenfalles oder einer künftigen Aufregung ausgesetzt. Unter solchen Umständen könnten weder der mächtigste noch der einflußreichste Minister für die Dauer der friedlichen Neigungen eintreten."

Aber Graf Daru gab sich noch nicht geschlagen. Er erbat am 13. Februar 1870 erneut die Vermittlung Clarendons und betonte: Da man nicht wechselseitig abrüsten wolle, werde Frankreich allein beginnen, „pour affirmer par des actes, qui valent mieux que des paroles, ses intentions, sa politique". Er wolle deshalb der Kammer vorschlagen, die regelmäßige Rekrutierung dieses Jahres um 10 000 Mann zu vermindern. Er würde eine noch größere Verminderung beabsichtigt haben, falls er vom Norddeutschen Bunde eine befriedigende Antwort erhalten hätte. Clarendon legte diesen Vorschlag erneut Bismarck vor, ohne daß ein Resultat erzielt wurde. Tatsächlich verminderte der französische Gesetzentwurf vom 21. März 1870 das Kontingent für das nächste Jahr, nämlich für 1871, von 100 000 auf 90 000 Mann. Am 1. Juli 1870, etwa zwei Wochen vor Kriegsausbruch, nahm die Kammer das Gesetz an.1)

1) v. Sybel a. a. O., VII. Band, S. 203; Fried a. a. O. S. 80 ff.; Picard, S. 35; Pingaud, Napoléon III et le désarmement", in Revue de Paris", Mai 1899; Duval, Projets de désarmement franco-prussien en 1870", in „Revue de Paris", Februar 1914; Moch, „L'Alsace-Lorraine devant l'Europe, Paris 1894, S. 104 ff.; Moch, L'Alsace-Lorraine", Paris 1895, S. 50; Moch, Comment se fera le désarmement", Bern 1897, S. 5; „Preußische Jahrbücher“, Oktoberheft 1898, S. 186; „Die Waffen nieder" 1898, S. 476; „Friedenswarte 1914, S. 109 ff.; Lord Newton, Lord Lyons, a record of British Diplomacy, London 1913, I, S. 261.

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1877 nahm Gambetta die Intervention des italienischen Staatsmannes Crispi in Anspruch, um Bismarck eine deutsch-französische Rüstungsbeschränkung vorzuschlagen. Crispi sprach darüber am 17. September 1877 mit Bismarck in Gastein. Letzterer erklärte, eine Abrüstung der beiden Länder wäre nicht möglich; vor 1870 habe man die Frage mit Napoleon III. verhandelt. Nach langen Besprechungen sei damals der Beweis geliefert worden, daß der Gedanke nicht praktisch durchführbar sei, namentlich weil die Bestimmungen über die militärischen Einrichtungen in den einzelnen Ländern zu verschieden wären. Im Wörterbuche fänden sich noch keine Vokabeln, die die Grenze zwischen Abrüstung und Rüstung festsetzten. Wenn man die Heere auf Friedensfuß stelle, könne man nicht sagen, ob die Nationen, die sich zur Abrüstung bekannt hätten, in der gleichen Lage der Offensive und Defensive seien. Man solle die Frage den Gesellschaften der Friedensfreunde überlassen. Der Plan Gambettas scheiterte somit.1)

In den letzten Jahren vor Beginn des Weltkrieges haben eine Reihe von Verhandlungen zwischen Deutschland und England über die Frage der Rüstungsbeschränkung stattgefunden. Die Einzelheiten der Beratungen sind bisher noch nicht veröffentlicht worden. In der Hauptsache ergeben sich diese Versuche aus den damaligen Verhandlungen des englischen und deutschen Parlaments. Am 13. März 1911 schlug Sir Edward Grey im englischen Unterhause einen Nachrichtenaustausch zwischen Deutschland und England über die gegenseitigen Schiffsbauten vor. v. Bethmann Hollweg erklärte am 30. Mai 1911 hierzu sein Einverständnis. Es handelt sich also um ein weiteres Rüstungsabkommen. 2) Doch scheint ein die Einzelheiten festsetzender förmlicher Vertrag nicht abgeschlossen worden zu sein.

Im Februar und März 1912 fanden im Zusammenhange mit der Reise Lord Haldanes nach Berlin Verhandlungen über eine Verminderung der beiderseitigen Flotten zwischen Deutschland und England statt. Deutschland machte die Rüstungsverminderung davon abhängig, daß England sich zur Neutralität verpflichtete, falls Deutschland ein Krieg aufgezwungen werden sollte. Man konnte sich aber über die

1) Vgl. die Memoiren Francesco Crispis, Berlin 1912, 2. Aufl., S. 36; die Rede Crispis im italienischen Parlamente vom 3. Mai 1894; Crispi, La Conferenza del desarmo in Nuova Antologia, 15. Mai 1899, oben S. 152; Fried, „Handbuch der Friedensbewegung, II, S. 88; Picard S. 38; La proposition britannique relative aux armements im,Courrier de la Conférence", 24. August 1907; Moch, L'Alsace-Lorraine", Paris 1895, S. 50 ff.

2) Vgl. hierzu den Aufruf des Berner Friedensbureaus vom März 1913, der im Anhang abgedruckt ist.

Wehberg, Die internationale Beschränkung der Rüstungen

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Formel des Neutralitätsabkommens nicht einigen, so daß auch eine Flottenverminderung nicht zustande kam.1)

Eine neue Anregung enthielt die Rede Churchills im Unterhause vom 18. März 1912 über das Verhältnis der deutschen und englischen Flotte wie 10:16. In den Sitzungen der Budgetkommission des deutschen Reichstages vom 7. Februar 1913 und 4. Februar 1914 erklärte v. Tirpitz diesen Vorschlag für annehmbar. Auch diesmal gelang es aber nicht, sich über die Einzelheiten zu verständigen. Am 26. März 1913 befürwortete Churchill, offenbar unter Fallenlassen seines Projektes 16:10, im Unterhause ein Flottenfeierjahr. Die Rede v. Bethmann Hollwegs im Reichstage vom 7. April 1913 ging auf diese Idee ein, äußerte sich aber weder zustimmend, noch ablehnend.2)

Eine ganze Reihe Persönlichkeiten haben sich seinerzeit in Deutschland wie in England um das Zustandekommen eines Flottenabkommens bemüht. Kapitän Persius ist wiederholt für ein Flottenfeierjahr eingetreten. Vizeadmiral a. D. Karl Galster hat immer wieder darauf hingewiesen, wir sollten weniger Linienschiffe und mehr Unterseeboote bauen; dann würden wir die Rüstungsfrage von einem freieren Standpunkte aus betrachten und unser Verhältnis zu England bessern können.3)

B) Das englisch-französische Flottenabkommen von 1787

Das älteste bekannte Rüstungsabkommen, das bereits von Bentham in seinen „Principles of international law" als Präzedenzfall angeführt ist, dürfte das Flottenabkommen zwischen England und Frankreich vom Jahre 17874) sein. Im Jahre 1786 waren in Holland wegen der Schmälerung der Rechte des Erbstatthalters innere Unruhen ausgebrochen. Während Preußen die Partei des Statthalters unterstützte, fanden die Gegner, die sogenannte republikanische Partei, eine starke Hilfe bei Frankreich. Letzteres rüstete u. a. sechs Linienschiffe aus, worauf Eng

1) Vgl. die Verhandlungen bei Niemeyer-Strupp, Die völkerrechtlichen Urkunden des Weltkrieges", München und Leipzig 1916, I., S. 155 ff., 190.

2) Am 31. Oktober 1913 sprach sich das amerikanische Repräsentantenhaus für den Churchillschen Vorschlag eines Feierjahres aus. Vgl. auch die Resolution der ,Deutschen Friedensgesellschaft vom April 1913.

3) Vgl. die deutsch-englischen Verhandlungen in meiner Schrift Limitation des armements", S. 33-40.

4) Vgl. Chr. E. Graf v. Benzel-Sternau, Frankreichs Friedensgeschichte unter den drei ersten Dynastien", Frankfurt a. Main, 1815, II. Band, S. 570, 571; de Hertzberg, Recueil des Déductions, Manifestes, Déclarations, Traités et autres Actes et Écrits publics qui ont été rédigés et publiés par le ministre d'Etat de Hertzberg, Berlin 1789, vol. II., S. 439; de Segur, Décade historique ou tableau politique de l'Europe depuis 1786-1796, 4. édit., Paris 1824, I., S. 138.

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