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Lasten herabzusetzen, dann ist auch bereits jene Auffassung widerlegt, wonach eine Rüstungsbeschränkung niemals gleichmäßig nach allen Seiten hin wirken könne. 1) Zudem ist zu bedenken, daß kleinere Ungleichmäßigkeiten in Anbetracht des ungeheuren Vorteils, der allen Staaten aus einer Beschränkung der Ausgaben erwachsen würde, nicht in Betracht kommen können. Man wird es für genügend ansehen müssen, wenn in der Hauptsache die Vereinbarung auf alle gleichmäßig wirkt.2) Nun wird aber gesagt, das letztere sei nicht möglich, weil die militärische Macht der Staaten in Zukunft vielleicht ein ganz anderes Verhältnis annehme und durch eine Rüstungsbeschränkung solche Regierungen, die in Zukunft vielleicht einen großen Vorsprung erlangen würden, auf Kosten der anderen in ihrer Entwicklung gewaltsam gehemmt würden.3) Dieses Argument ist bereits an anderer Stelle gewürdigt und dabei betont worden, daß der Vorteil, der einzelnen Staaten z. B. aus einem schnelleren Wachstum der Bevölkerung zukommen würde, in einem eventuellen Kriege sehr wohl zur Geltung käme. Ferner gewähren alle Rüstungen nur eine relative" Sicherheit. Man wird den Vorteil einer größeren Sicherung des Weltfriedens viel höher bewerten müssen als den Nutzen, der aus einer schon im Frieden vor sich gehenden rücksichtslosen Ausnutzung aller militärischen Kräfte des Staates entsteht.") Schließlich wäre aber zu prüfen, ob es nicht möglich wäre,

1) Meurer, II, S. 615.

2) Vgl. über dieselbe Frage auch die Abschnitte über die Unsicherheit des Schutzes der Rüstungen, die Abhängigkeit der Rüstungen voneinander und über die Vorschläge zur Beschränkung der Rüstungen zu Lande.

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3) Es wird daher von gegnerischer Seite ein Anerbieten zur Rüstungsbeschränkung sehr oft als eine Falle hingestellt, um die Machtmittel des stärker Wachsenden zu unterbinden. Mit Recht erhebt demgegenüber d'Estournelles de Constant, 1907, S. 30, 31, die Frage: Wie kommt es denn, daß auch die Chauvinisten des anderen Landes Gegner solcher Verträge sind?" Vgl. ferner Toinet, S. 124. Gerade in bezug auf das deutsch-englische Verhältnis hat man deutscherseits sehr oft gesagt, England wolle das Wachstum Deutschlands unterbinden. Aber England hat später den Zweimächtestandard aufgegeben und sich zu dem Verhältnisse von 16:10 bekannt, was auch v. Tirpitz seinerseits für durchaus annehmbar erklärte. Vgl. auch Butlers Äußerung in Amerika gegen die Rüstungen, S. 32, ferner „Belgische Aktenstücke 1905-1914*, Berlin 1915, S. 68.

') Wer freilich den Standpunkt vertritt, daß ein Krieg etwas Segensreiches ist und der Kulturmenschheit erhalten werden muß, wird solche Beweisführung nicht anerkennen. Nur derjenige wird in vollem Maße meine Ausführungen würdigen, der davon überzeugt ist, daß die Menschheit mit allen Kräften ihre friedliche Organisation erstreben muß. Die Rüstungsbeschränkung wird oft lediglich deshalb als Utopie bezeichnet, weil sie in das System derjenigen, die den Krieg als ein, Element der göttlichen Weltordnung" auffassen, nicht hineinpaßt. Ob die Mehrzahl der mit Verstand und Herz Begabten auch noch nach diesem Kriege die Propheten einer Blut- und Eisenpolitik anhören werden, darf man mit Rulie abwarten.

in einem Vertrage die zukünftige Steigerung des nationalen Vermögens und der Bevölkerungsziffer in irgendeiner Weise mit in Rechnung zu stellen. Das ist sicherlich möglich. Es fragt sich aber, ob jene Unterschiede, namentlich wenn ein Vertrag zunächst nur für einige Jahre geschlossen wird, um dann erneuert zu werden, praktisch bedeutsam genug sind. Wird doch auch bei dem bisherigen Wettrüsten vor allem mit Rücksicht auf die Vermehrungen des anderen weiter gerüstet, nicht aber gemäß eventueller Veränderungen der eigenen nationalen Kraft. Die Wehrkraft eines Volkes besteht schließlich nicht nur in den Kriegsmitteln und der Zahl der Soldaten, sondern vor allem auch in seinem Geiste. Ein Rüstungsvertrag würde diese Imponderabilien niemals aus der Welt schaffen. Es würde also das Volk, das in der Zukunft mehr als das andere an Tüchtigkeit zunimmt, trotz des „gleichmachenden Vertrages, das in einem eventuellen Kriege stärkere sein. Dieser Gesichtspunkt ist wohl auch gegen jede vertragsmäßige Beschränkung angeführt1) und betont worden, es gehe daraus hervor, daß man niemals alle Faktoren der Landesverteidigung der verschiedenen Staaten in ein Verhältnis bringen könne. 2) Aber das ist auch gar nicht beabsichtigt. Im Interesse der internationalen Friedensordnung und der finanziellen Erleichterung der Staaten genügt es, wenn sich nur in der Zahl der Soldaten und der Höhe der Ausgaben eine allseitige Herabsetzung ermöglichen läßt. Ist doch in Wahrheit niemals der Versuch gemacht worden, die Rüstungen wirklich genau jenen Imponderabilien anzupassen. Man hat vielmehr darauf losgerüstet, ohne die wirkliche Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen. In viel höherem Maße wird die Rüstung den Verhältnissen des einzelnen Staates gerecht werden, wenn jenes Übermaß beseitigt wird, das lediglich auf dem internationalen Wettbewerb, dem Rüstungsfieber, beruht.

Wenn nach der Beendigung des Weltkrieges neben einer Rüstungsvereinbarung gleichzeitig der Staatenverband ausgebaut und eine internationale Polizeimacht geschaffen werden wird, die die Lebensinteressen der Staaten schützt, dann dürfte jener Einwand überhaupt nicht mehr erhoben werden.

1) Schlief, Der Friede in Europa", S. 456; Toinet, S. 145 ff.

2) Vgl. auch die Rede v. Schwarzhoffs auf der ersten Haager Konferenz.

III. Die Bekämpfung des Einflusses der Rüstungs

industrie1)

a) Die Macht der Rüstungsindustrie

Wir haben bereits Gelegenheit gehabt, darauf hinzuweisen, daß das Wettrüsten der Staaten durch die Praktiken der Rüstungsfabrikanten erheblich gesteigert wird. Die Kriegsindustrie verfügt in fast allen Ländern über eine sehr bedeutsame Macht sowohl in finanzieller wie persönlicher Beziehung. Sie steht in engster Verbindung mit allen Einflüssen, die zusammen die öffentliche Meinung bilden. Einige Beispiele werden das erläutern.

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1) Literatur: Eduard Bernstein, „Das Konto K.", Ein Beitrag zum Fall des Generals Keim, Berliner Tageblatt", 2. November 1918, Morgenausgabe; A. Fenner Brockway, The Devil's Business", London 1915; Delaisi, „Le Patriotisme des plaques blindées, La Paix par le Droit, 1913, S. 320 ff.; van Embden, ‚De oorlog en het kapitalisme", Amsterdam 1914, S. 93 ff.; Erzberger, Die Rüstungsausgaben des Deutschen Reiches", Stuttgart 1914, S. 36 ff.; Grant, Greenwood, Hughes, Kerr and Urquhart, An introduction to the study of international relations", London 1916, S. 88, 96, 109; Hirst, The six panics", London 1913; de Meester, La limitation international des armements", Haag 1917, S. 38 ff.; H. Robertson Murray, Krupp's and the International Armaments Ring, the scandal of modern civilisation", London 1915; Walter Newbold,, The war trust exposed", Manchester 1915; Perris,,The war traders“, 1914 (zitiert: Perris); Perris, „Die Internationalität des Waffenhandels“, „Friedenswarte 1913, S. 340 ff.; Perris, „Industries de la guerre, Bulletin officiel du XX. Congrès universel de la Paix, Haag 1913, S. 44-51; Persius, „Patriotismus und Dividendenhunger, Friedenswarte 1913, S. 446 ff.; Südekum, „Kriegsindustrie“, „Friedenswarte 1913, S. 163 ff.;,Ein dauernder Friede", Offizieller Kommentar des Mindestprogramms, Haag 1915, S. 39 ff.; The End of the Armament Rings, Boston, World Peace Foundation 1914; International industry of war, Union of Democratic Control, 1914; Est-il souhaitable que la fabrication des armes et autres matériels de guerre soit confiée à l'état et cette situation favoriserait-elle effectivement la limitation des armements? Recueil de Rapports sur les différents points du Programme-minimum, La Haye 1916, II., S. 315-355 (zitiert: Recueil, II); Syndicates for war; oorlog en oorlogsindustrie, Vrede door Recht, 1916, S. 314 ff.; The influence of the makers of war material and of capital invested in war supplies", Boston, World Peace Foundation 1911; Rüstungskartelle, Friedenswarte 1911, S. 327 ff.; ferner, Friedenswarte 1913, S. 265 ff., 348, 426, 428, 431, 446; 1914, S. 71, 108, 109, 134, 146, 189; Economist", 6. September 1913; 28. Februar 1914; 14. März 1914; 11. April 1914; 16. Mai 1914, 27. Juni 1914.

Die in einigen der größten englischen, französischen und deutschen Rüstungsfirmen investierten Kapitalien erreichen folgende Höhe:

Aktienkapital von Armstrong, Withworth et Co (England)

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der zehn nächstgroßen englischen Firmen zusammen
der drei größten französischen Werke Creuzot,
der Aciéries de la Marine Homécourt

und von Châtillon-Commentry.

der Firma Krupp (Deutschland)

etwa 210 Mill. Mark

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Die von solchen Werken zur Verteilung gelangenden Dividenden gehen in Friedenszeiten selten unter 10%. Krupps Aktionäre erhielten in den drei Jahren vor dem Weltkriege 10, 12 bzw. 14%. Jede starke Rüstungsvermehrung hat naturgemäß ein Hinaufgehen der Dividende zur Folge, und ein Krieg bedeutet Hochkonjunktur.1) Die Größe der Dividende, so sagte der Abgeordnete Karl Liebknecht am 18. April 1913 im Deutschen Reichstage, ist dem Grade des Hasses zwischen den Völkern schlechthin proportional.

Da die Rüstungsindustrie so gut wie ausschließlich auf Staatsaufträge angewiesen ist, so muß ihr daran liegen, einflußreiche Persönlichkeiten in ihre Betriebe zu ziehen, die mit den in Betracht kommenden Ministerien Fühlung haben. Fürstliche Gehälter bestimmen Generale und Admirale, Verwaltungsbeamte usw., in den Dienst der Rüstungsindustrie zu treten. Durch die hohe Dividende werden ferner kapitalkräftige und nützliche Männer des öffentlichen Lebens zu Aktionären gewonnen, so daß auch auf diesem Wege ein einflußreicher Kreis zusammengeschmiedet wird, der alles Interesse daran hat, daß die Firma große Aufträge erhält. In den zwei größten englischen Rüstungsfirmen befinden sich unter den Aktionären nach einer englischen Darstellung: 2)

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Schneider-Creuzot hat in seinem Dienste nicht weniger als zwei frühere Admirale, Besson und Nabona, den früheren Kapitän zur See de Freycinet, den früheren General Delanne und den früheren Artillerieinspektor Duplomp. 3) In den höchsten Verwaltungsstellen der englischen Firma Armstrong sitzen der frühere Artilleriekapitän Sir Andrew Noble, 1) Recueil", II, S. 329 ff.; Stillich, Kriegsgewinne großer Rüstungsunternehmungen in Deutschland, Blätter für zwischenstaatliche Organisation", Januar 1916, S. 17 ff. 2) Vgl.,Friedenswarte 1910, S. 329.

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3) Delaisi, S. 374 ff.

der frühere Oberst Sir Percy Girouard und der frühere Admiral Sir Charles Ottley, die alle einmal hohe Regierungsämter im britischen Imperium bekleidet haben, ferner der frühere Generalgouverneur von Kanada, Earl Grey.1) Der Vorsitzende des Direktoriums der Firma Krupp, Hugenberg, war früher Oberfinanzrat im preußischen Finanzministerium. Besonderer Wert wird auch darauf gelegt, daß die Vertreter besondere Fühlung mit ausländischen Regierungen haben. Bezeichnend in dieser Hinsicht ist, daß bis vor wenigen Jahren nicht weniger als fünf ausländische Waffenfabriken als Vertreter bei der holländischen Regierung frühere niederländische Offiziere angestellt hatten. 2) Der französische Kriegsminister Etienne war an der „Société de Trefilerie du Hâvre" interessiert und ließ ihr während seiner Amtsperiode große Aufträge, sogar ohne Bewilligung des Parlaments, zukommen. 3) Im Jahre 1912 befürwortete Lord Beresford im englischen Unterhause die Einführung des automatischen Gewehrs für das Heer als eine dringende Notwendigkeit. Der Lord war gleichzeitig Präsident der großen Gesellschaft Henry Andrew Ltd. in Sheffield, die sich speziell mit der Konstruktion des empfohlenen Gewehrs befaßte. *) Wiederholt hat der angesehene Londoner „Economist" 5) die Vermutung ausgesprochen, das Londoner Auswärtige Amt verschaffe den großen englischen Rüstungsfirmen Aufträge im Ausland und habe insbesondere 1913 und 1914 mitgewirkt, um zwischen der Firma Armstrong und der Türkei den Verkauf des brasilianischen Schlachtschiffes „Rio de Janeiro" zu vermitteln. Gleichzeitig habe man Griechenland ermutigt, bei den englischen Firmen Armstrong und Vickers Unterseeboote und Torpedobootszerstörer zu bestellen, um damit den türkischen Schlachtschiffen ein Gegengewicht gegenüberzustellen.) Sir Edward Grey bestritt damals, daß die englische Regierung diese Verhandlungen eingeleitet habe; der „Economist" betonte jedoch, dies nicht glauben zu können. Er hob gleichzeitig hervor, es mache einen eigentümlichen Eindruck, daß man zur selben Zeit, wo man auf dem Balkan den Frieden herzustellen sich bemühe, zwei kleine Mächte zu kostspieligen Kriegsvorbereitungen treibe; die britische Regierung hätte derartige Rüstungen verhindern müssen.

Sehr günstig ist es für die Rüstungsindustrie, wenn sie besondere Beziehungen zu den Personen hat, die in den Vereinen zur

1) Perris, S. 29 ff.

3),Recueil", II, S. 327.

3) Fenner Brockway, S. 56, 61; Delaisi, S. 380.

4), Friedenswarte 1913, S. 449.

5) 6. September 1913 und 14. März 1914.

") Vgl. Persius,,Der Flottenrüstungswettlauf zwischen der Türkei und Griechen

land", Berliner Tageblatt", 9. Juli 1914, Morgenausgabe,

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