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V. Die internationale Kontrolle und Garantie

der Rüstungsbeschränkung

Es ist bereits oben hervorgehoben worden, daß eine Kontrolle der Rüstungsbeschränkung nichts Unerhörtes darstellen würde. Binden sich die Staaten einmal in bezug auf ihre Heeres- und Marinebudgets, so müssen sie auch damit einverstanden sein, daß eine Befolgung der Normen der Vereinbarung kontrolliert wird. Man vergegenwärtige sich, daß jeder Staat dadurch keine größere Beschränkung in seiner Souveränität als die anderen Mächte erleidet und daß der Vorteil aus solcher Vereinbarung ein gewaltiger ist!

Freilich wird man betonen müssen, daß die Befolgung der Vereinbarung vor allem durch die Parlamente und die Öffentlichkeit der einzelnen Staaten beaufsichtigt werden muß, und daß eine immer größere Demokratisierung sowie eine allmähliche Überwindung der alten Machtpolitik durch eine Politik der Verständigung und des Interessenausgleiches1) eine immer größere Garantie für eine treue Innehaltung des Vertrages bieten werden. Nur so wird es auch möglich sein zu verhindern, daß die internationale Rüstungsbeschränkung eine Verstärkung der militärischen Spionage zur Folge hat und daß sich die Staaten mit gutem Gewissen verpflichten können, fortan auf dieses unwürdige Mittel zu verzichten. Daneben aber wird für eine Kontrolle des Vertrages *) auf internationaler Grundlage zu sorgen sein.

Es wird zu prüfen sein, ob es empfehlenswert ist, die Beobachtung der Vertragsbestimmungen durch ständige internationale Kommissare 3) in den einzelnen Ländern kontrollieren zu lassen. Prinzipielle Gründe stehen dem nicht entgegen.) Vielleicht wird man sich aber damit be

1) Vgl. hierzu das grundlegende Werk von Fr. W. Förster, Weltpolitik und Weltgewissen", München 1919.

2) Eine gewisse Kontrolle liegt bereits darin, daß die Staaten, wie in den beiden letzten Kapiteln betont, den anderen gewisse Mitteilungen über neue Kriegsmittel, über ihre Heeresetats usw. (am besten durch Vermittlung des Bureaus des Haager Schiedshofs) zu machen haben. Vgl. Erzbergers Entwurf.

3) Solche internationalen Kommissare waren in dem schwedisch-norwegischen Vertrage von 1905 vorgesehen. Eine Kontrolle durch nationale Kommissare sollte nach dem Präliminarfrieden zwischen Bolivia und Peru vom Jahre 1831 stattfinden. 4) Vgl. Broda,,Recueil, III, S. 214 ff.; Fry, in dem oben erwähnten Aufsatze der „Nation" vom 6. November 1915, die für solche Kommissare eintreten. Nippold, .Die Gestaltung des Völkerrechts nach dem Weltkriege*, S. 104. Dagegen Toinet, S. 160, 163. Berner Zusammenkunft zur Besprechung der künftigen Völkerbeziehungen", Haag 1917, S. 32.

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gnügen können,1) einen internationalen Gerichtshof mit ständigen Richtern ins Leben zu rufen, ) der auf einseitige Klageerhebung der einen Partei in Tätigkeit tritt, mit der besonderen Bestimmung, daß die Anrufung des Gerichtshofes erst statthaft wäre, nachdem ein Versuch diplomatischer Beilegung gescheitert ist.") Es müßte jedem Staate verboten sein, unter der Behauptung, der Gegner halte sich nicht an den Vertrag, seine Rüstungen einseitig zu erhöhen und sich dabei etwa auf die clausula rebus sic stantibus zu berufen.) Nur der Gerichtshof kann festsetzen, daß ein Staat die Vertragsbestimmungen übertreten und eventuelle Anordnungen rückgängig zu machen hat.

In dem Gerichtshofe, der im wahren Sinne des Wortes ständig sein müßte, dürften die Militärs der Großmächte nicht vertreten sein. Denn von diesen ist eine unparteiische Rechtsprechung nicht zu erwarten. Sie können sich, wie Quidde mit Recht betont hat, in Fragen, die ihr eigenes Handwerk angehen, nicht auf einen objektiven Standpunkt stellen". Aber es würde doch anderseits nicht angehen, das völkerrechtliche Element in dem Gerichtshofe entscheidend sein zu lassen und die militärischen Fachleute lediglich als Sachverständige zu verwenden. Denn es handelt sich für den Gerichtshof in der Hauptsache doch immer um Entscheidungen rein technischer Art. Wäre es nicht das beste, wenn Holland, die Schweiz und die skandinavischen Staaten, die infolge ihrer besonderen Lage am meisten von allen kleinen Staaten an der Aufrechterhaltung des Friedens und der Beseitigung des Wettrüstens interessiert sind, das Recht erhielten, die Richter für den Gerichtshof ausschließlich

1) Die internationale Kontrolle könnte eventuell darauf beschränkt werden, ob ein Staat in Werften, Munitions-, Gewehrfabriken usw. übermäßig viel Kriegsmaterial herstellen läßt. Grey hat in einer am 10. Oktober 1918 vor der „League of Nations Society and the League of Free Nations association" gehaltenen Rede darauf hingewiesen, es müsse eine internationale Kontrolle darüber ermöglicht werden, daß nicht ein Staat in seinem Lande beträchtliche Waffen- und Munitionsmengen anhäufe. (,Holländische Nachrichten, 28. Oktober 1918, S. 2133.) Ähnlich Lord Curzon im englischen Oberhause am 26. Juni 1918. („Holländische Nachrichten, 15. Juli 1918, S. 1289.)

2) Ein solcher war in dem argentinisch-chilenischen Vertrage von 1902/03, in dem schwedisch-norwegischen Vertrage von 1905 und dem zentralamerikanischen Friedensvertrage von 1906 vorgesehen.

3) Vgl. auch die weniger weitgehenden Ausführungen Delbrücks in den ,Preußischen Jahrbüchern", November 1917, S. 255: „Ich könnte mir vorstellen, daß man im Haag oder in Bern ein internationales Bureau einrichtet, das die Budgets aller Staaten umrechnet, so daß sie vergleichbar werden und der Prozentsatz für Kriegsrüstungen festgestellt werden kann. Alle Finanzminister müßten verpflichtet sein, diesem Bureau die nötigen Auskünfte zu geben. In jedem Parlamente gibt es eine Opposition, die diese Auskünfte und Berechnungen kontrollieren würde. Zwingend dürften natürlich die Beschlüsse eines solchen, vielleicht nicht ganz unparteiischen Bureaus nicht sein. Seine letzte Entscheidung muß jeder Staat selber treffen." (!?) 4) Vgl. Toinet, S. 156.

Wehberg, Die internationale Beschränkung der Rüstungen

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aus ihren eigenen Staatsangehörigen zu bestimmen?1) Diese Staaten nehmen in der internationalen Staatengemeinschaft in jeder Beziehung einen hervorragenden Platz ein. Männern, die mit aller Vorsicht unter den Edelsten dieser Nationen ausgewählt würden, könnte man sehr wohl die Entscheidung über die bei der Anwendung des Rüstungsvertrags entstehenden Meinungsverschiedenheiten anvertrauen. Haben sich doch auch inmitten des Haager Schiedshofs Holländer, Schweizer und Skandinavier sehr hervorgetan. Von den 13 Schiedsgerichten, die beim Haager Schiedshofe bis zum Weltkriege getagt haben, wurden mehr als die Hälfte von Angehörigen dieser Länder geleitet. Wer ferner die Presse, die Literatur und das ganze öffentliche Leben dieser Staaten verfolgt, wird immer wieder bemerkt haben, daß sich hier die gewesenen Militärs von dem beschränkten Horizonte derjenigen freimachen, die alles durch die Soldatenbrille sehen und die politischen Fragen soldatischer Auffassung unterordnen. Nur in solchen Ländern ist es die Regel, daß frühere Offiziere für Fragen der internationalen Verständigung reges Interesse zeigen, daß sie in dem Wettrüsten nicht nur einen Vorteil für die Militärkaste, sondern mehr noch eine ungeheure Schädigung des kulturellen und materiellen Fortschritts der Menschheit erblicken. Holland, die Schweiz, Schweden, Norwegen und Dänemark hätten nach meinem Vorschlage je 4 militärische und 2 völkerrechtliche Fachmänner für den Schiedshof zu bestellen, der in einer Besetzung von 5 bzw. 15 (3 bzw. 10 militärischen und 2 bzw. 5 völkerrechtlichen) Mitgliedern zu tagen hätte, je nachdem es sich um die erste oder zweitę Instanz handelt. Die übrigen Richter wären lediglich als Ersatzrichter vorzusehen. Als Militärs würden Personen in Betracht kommen, die bereits aus dem aktiven Dienst ausgeschieden sind und zum mindesten den Rang eines Obersten bekleidet haben. Nur solche, die nicht mehr in ihrem Berufsleben stehen, haben die nötige Freiheit des Blickes und Erfahrung. Da die Schweiz keine Marinefachleute besitzt, so würde dafür Sorge zu tragen sein, daß von den militärischen Richtern, die Holland und die skandinavischen Staaten ernennen, mindestens die Hälfte den Marineoffizieren entnommen würde.

Die Richter wären von der Staatengemeinschaft zu honorieren. Als Sitz des Gerichtshofes käme lediglich Haag 2) in Betracht. Das Tribunal wäre vorteilhafterweise als Kammer des neu zu schaffenden ständigen Staatengerichtshofes zu errichten. Wichtig wäre es ferner, dem Gerichtshofe das Recht zum Erlaß einer einstweiligen Verfügung zuzugestehen,

1) Vgl. hierzu den Vorschlag von Lawrence, den Toinet, S. 159, ohne Quellenangabe anführt. Siehe ferner Redslob, S. 346.

2) Es handelt sich auch hier darum, das Werk vom Haag soviel wie möglich zu unterstützen und jede neue Institution damit in Zusammenhang zu bringen.

falls angesichts der Rüstungsmaßnahmen eines Staates Klage erhoben ist. Auch wäre dem Gerichtshof das Recht selbständiger Zeugen- und Sachverständigenvernehmung einzuräumen. Die Signatarstaaten wären verpflichtet, für das Erscheinen vorgeladener Zeugen und Sachverständiger Sorge zu tragen. Die Befugnis zur Ortsbesichtigung im Gebiete einer der Parteien wäre wohl gleichfalls erforderlich, falls man auf internationale Kommissare verzichtet. Es ist anzunehmen, daß der Gerichtshof von dieser Befugnis nur in Ausnahmefällen Gebrauch machen wird.

Es ist höchst wahrscheinlich, daß sich die Staaten auch ohne eine internationale Zwangsgewalt der Entscheidung des Schiedsgerichtshofes unterwerfen werden, wie die bisherigen Erfahrungen mit der Schieds. gerichtsbarkeit zeigen. 1) Ganz besonders wird dies nach dem Kriege der Fall sein. Der Weltkrieg mit seinen gewaltigen Schäden hat den Staaten die furchtbaren Gefahren eines bewaffneten Zusammenstoßes in solcher Weise gezeigt, daß jede Regierung bereit sein wird, sich an die internationalen Verpflichtungen zu halten und schon dadurch jeder Konfliktsmöglichkeit vorzubeugen. In dieser Hinsicht ist die Sachlage eine wesentlich andere, als wenn der Rüstungsvertrag z. B. im Jahre 1913 geschlossen worden wäre. Damals war jeder Staat auf einen kriegerischen Konflikt gefaßt; eine allgemeine Nervosität herrschte. Es fehlte das Vertrauen in die Politik der anderen Staaten. Manche Regierung wäre vielleicht damals in die Lage gekommen, zu überlegen, ob sie nicht angesichts eines bevorstehenden Konflikts eine Überschreitung der ihr gesetzten Rüstungsschranken vor sich selbst hätte rechtfertigen können. Nach dem Weltkriege aber dürfte so leicht kein vernünftiger Staatsmann an einen neuen Krieg glauben. Alle Staaten haben ja das gleiche Interesse an Vermeidung neuer Konflikte. Deshalb hat man keine Ursache, den anderen Mächten noch weiter zu mißtrauen.2) Die Grundlage des Rüstungsvertrages ist infolgedessen eine viel festere geworden, und absichtliche Übertretungen sind gewiß nicht zu befürchten.

Falls man nun am Ende des Krieges eine internationale Polizeimacht errichtet, 3) so würde man dieser auch die Befugnis erteilen, den

1) Einen traurigen Gegenbeweis liefert neuerdings der Protest Nikaraguas gegenüber den beiden letzten Entscheidungen des zentralamerikanischen Gerichtshofs. Vgl. darüber meinen Aufsatz im Weltwirtschaftlichen Archiv“ (1919).

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2) Freilich haben manche Autoren, z. B. Nippold, wiederholt darauf hingewiesen, wie das Vertrauen zu manchen Regierungen im Kriege gesunken sei. Das ist nicht unrichtig. Aber nach dem Kriege werden andere Regierungen erstehen, hinter die in geschlossener Phalanx die den Frieden wahrhaft liebenden Völker treten.

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3) Vgl. über dieses Problem van Vollenhoven, De eendracht van het land", Haag 1914; Schücking, „Der Staatenverband der Haager Konferenzen", S. 289 ff.; Recueil", II, S. 3 ff.; III, S. 121 ff.; Redslob, Das Problem des Völkerrechts", S. 274, 330 ff.; Milhaud,,Du Droit de la force à la force du Droit, Paris 1915,

Entscheidungen des Gerichtshofes die nötige Autorität zu verschaffen. 1) Jede Lossagung von der Innehaltung des Vertrages müßte einer Kriegserklärung an den internationalen Staatenverband gleichkommen, und auch ein einseitiges Kündigungsrecht dürfte den einzelnen Regierungen nicht zugesprochen werden. Die Staaten müßten auf ein Kündigungsrecht3) des ja zunächst nur auf etwa fünf Jahre geschlossenen Vertrages verzichten. Nur durch Mehrheitsbeschluß des Staatenverbandes dürfte eine Aufhebung des Vertrages erfolgen. Das erscheint sehr weitgehend, zumal bisher eine solche Kündigung in allen Entwürfen vorgesehen ist. Aber man bedenke, daß die Rüstungsvereinbarung nur dann ihren vollen Zweck erreichen kann, wenn sich alle Staaten daran beteiligen.

Es wird Aufgabe des Haager Staatenverbandes sein, alle zweckmäßigen Sicherheitsvorschriften dafür zu treffen, daß fortan ein Krieg innerhalb des Verbandes möglichst nicht mehr gestattet und jede Kriegserklärung des einen Staates an einen anderen als Rechtsbruch zu bezeichnen ist, der eine Exekution des internationalen Staatenverbandes gegen den Vertragsbrüchigen zur Folge hat.3) Geschieht dies, so ist irgendeine Bestimmung darüber, welche Folgen der Ausbruch eines S. 113; Nippold, Die Gestaltung des Völkerrechts nach dem Weltkriege", S. 34 ff.; Erich, Probleme der internationalen Organisation", Breslau 1914, S. 54ff.; Jaques, De quelques considérations sur la Res publica européenne, Paris 1910, S. 245 ff.; Toinet, S. 165 ff.; War obviated by an international police", Haag 1915; Grosch, Internationale Polizeimacht“, „Die Friedensbewegung 1914, S. 250 ff.; siehe ferner die oben mitgeteilten Projekte von Sully, Alberoni, Abbé de Saint Pierre usw.

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1) In erster Linie werden wohl wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen in Betracht zu ziehen sein. Aber in letzter Linie muß hinter dem Gerichtshof auch die bewaffnete Macht stehen.

2) Vgl. über die Frage der Kündigung den englisch-französischen Vertrag von 1787, sowie den Rush-Bagot-Vertrag, insbesondere die Geschichte des letzteren.

3) Nach der allseitigen Anerkennung, die die amerikanische Liga zur Erzwingung des Friedens" in den Vereinigten Staaten von Amerika, in England und Deutschland gefunden hat, darf man eine solche Bestimmung im Friedensvertrage ganz gewiß

erwarten.

Das Statut der Liga, auf das sich die Versammlung vom 17. Juni 1915 geeinigt hat, umfaßt 4 Artikel, die folgendermaßen lauten:

„Es ist für die Vereinigten Staaten erwünscht, sich einer Staatenliga anzuschließen, die die Unterzeichner zu folgendem bindet:

1. Alle gerichtsfähigen (justiciable), durch Unterhandlungen nicht beigelegten Fragen, die zwischen den Vertragschließenden entstehen, werden, sofern sie durch Verträge begrenzt sind, einem Gerichtstribunal zur Prüfung und Urteilsfällung. unterbreitet, sowohl in Hinsicht auf Inhalt und Art der Frage, wie auf die für sie geeignete Rechtsprechung.

2. Alle anderen Fragen, die zwischen den Vertragschließenden entstehen und durch Unterhandlung nicht beigelegt werden können, werden einem Verständigungsrat zur Prüfung, Erwägung und Empfehlung unterbreitet.

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