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Krieges auf die Gültigkeit des Rüstungsvertrages hat, unnötig.1) Würde aber der Staatenverband eine Kriegserklärung künftig etwa nach dem Ablauf einer Frist von drei Monaten, gerechnet vom Abbruch der diplomatischen Beziehungen, und nach vorheriger Anrufung des internationalen Vermittlungsrats zulassen, dann käme es weiter darauf an, ob man innerhalb der Überlegungsfrist den streitenden Parteien eine Vergrößerung von Heer und Flotte erlauben soll. Diese Frage wäre wohl zu verneinen. Denn eine Heeresvermehrung würde den akuten Konflikt noch mehr zuspitzen und die Lage der Streitteile im Kriegsfalle nur absolut, nicht relativ verbessern. Von dem Augenblick an, wo ein von der Staatengemeinschaft zugelassener Krieg geführt wird, bis zum Friedensschlusse müßte naturgemäß die Wirksamkeit des Vertrages für die Streitteile suspendiert sein. Eine Rückwirkung auf die anderen Teilnehmer der Vereinbarung brauchte aber diese Tatsache nicht zu haben.

3. Die Vertragschließenden werden gemeinsam sowohl ihre wirtschaftlichen wie militärischen Kräfte gegen irgendeinen von ihnen zur Anwendung bringen, der zum Kriege schreitet oder feindselige Handlungen unternimmt gegen einen anderen Vertragschließenden, ehe eine Streitfrage in der vorgesehenen Art unterbreitet worden ist.

4. Von Zeit zu Zeit sollen zwischen den Vertragschließenden Konferenzen abgehalten werden zwecks Formulierung und Kodifizierung von Völkerrechtsregeln, die, sofern nicht einige Vertragschließende innerhalb eines festgelegten Zeitraumes ihre abweichende Meinung andeuten, fernerhin die Entscheidungen des im ersten Artikel erwähnten Gerichtstribunals beherrschen sollen."

1) Vgl. die obigen Ausführungen anläßlich des chilenisch-argentinischen Vertrages.

VI. Die Rüstungsbeschränkung am Ende des Weltkrieges

Wir haben in den bisherigen Ausführungen die Ansicht vertreten, daß eine Beschränkung der Rüstungen schon vor der Vollendung der internationalen Organisation vereinbart werden müsse, weil das Wettrüsten nicht lediglich als eine Folge, sondern gleichzeitig auch als Ursache der internationalen Desorganisation zu betrachten sei, beide also in Wechselbeziehung miteinander ständen und somit die allmähliche Bekämpfung gleichzeitig und unabhängig voneinander in Angriff genommen werden müsse. Die Tatsache, daß zahlreiche Verträge über Rüstungsbeschränkung ohne eine gleichzeitige Staatenorganisation zwischen vereinzelten Regierungen geschlossen worden sind, spricht für die Richtigkeit dieser Behauptung. Ich kann daher dem hochverdienten Senior der deutschen Friedensbewegung, Pfarrer Umfrid, nicht zustimmen, wenn er im Anschluß an Schlief ausführt:1) Die Staaten müßten einen Mächtetrust schließen, den bestehenden Zustand anerkennen und sich verpflichten, daran nicht mit Waffengewalt zu rütteln. Dann müsse festgestellt werden, was jede Nation auf Grund ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit zum gemeinsamen Schutz beizutragen habe; dadurch würden diese Ausgaben als Pflicht gegenüber dem Ganzen, als Quote für den gemeinsamen Kulturschutz erscheinen, die der einzelne nicht mehr nach seiner Willkür vermehren oder vermindern könnte. Den Rüstungen wäre dadurch ein anderer Charakter gegeben, und die Schraube könne rückwärts gedreht werden. Nur auf diese Weise ist nach Umfrids Auffassung das Wettrüsten zu beseitigen. Umfrid") zieht vor allem in Zweifel, daß die Staaten, solange das internationale Mißtrauen gilt, einen Rüstungsvertrag loyal halten werden. Aber soll man deswegen, weil die Möglichkeit eines Rechtsbruches vorhanden ist, von dem Abschlusse dieser oder ähnlicher internationaler Verträge abstehen? Auch nach der Schaffung eines Staatenverbandes wird ja keineswegs alles Mißtrauen aus dem Leben der Völker verschwunden sein, und dennoch wird man einen Rüstungsvertrag schließen, weil schon sein Vorhandensein einen großen

1) In seiner Schrift über Rüstungsstillstand", 1911, S. 12 ff.; vgl. auch sein Buch „Europa den Europäern", 1913, S. 86; meine Denkschrift Limitation des armements", S. 43 ff.

2) Vgl. auch seine Ausführungen in Friedenswarte" 1913, S. 344.

moralischen Einfluß ausüben würde. Wenn einer Vermehrung der Rüstungen auf diese Weise ein Riegel vorgeschoben ist, wird eine immer tiefere Aufklärung der Volksmassen, eine Demokratisierung der auswärtigen Politik, eine Veredelung der Diplomatie usw. um so ungestörter vor dem hemmenden Einflusse des Wettrüstens erfolgen können. Genau dasselbe hätte auch für die Zeit vor dem Weltkriege gelten müssen. Wenn man rechtzeitig einen Rüstungsvertrag geschlossen hätte, so wäre vielleicht der Weltkrieg mit seinen furchtbaren Opfern vermieden worden. Einer seiner bedeutsamsten Keime wäre jedenfalls rechtzeitig beseitigt worden. Umfrid hat die Rüstungen allzusehr lediglich als ein Symptom der internationalen Desorganisation aufgefaßt.

Aber man kann heute die Richtigkeit der Umfridschen Auffassung dahingestellt sein lassen. Es unterliegt wohl kaum einem Zweifel, daß wir am Ende des Weltkrieges jenen Staatengrundvertrag erhalten werden, für den der blinde Stuttgarter Pfarrer ein Menschenalter hindurch eingetreten ist. Daß durch eine wahrhafte Staatenorganisation die Rüstungsbeschränkung einen ganz besonderen Wert, ja erst ihre vollkommene Garantie erhält, darüber stimme ich mit Umfrid ganz überein. Nicht nur durch den ständigen Gerichtshof, dessen eine Kammer über Streitfragen betreffend die Auslegung des Rüstungsvertrages zu beschließen haben wird, sondern auch durch die Schaffung einer internationalen Polizeimacht wird die neue Vereinbarung ihre besondere Anlehnung an den Staatenverband erhalten.

Wir stehen am Schlusse unserer Betrachtungen. Als ich vor etwa zehn Jahren die ersten Vorarbeiten für dieses Werk begann, habe ich nicht geglaubt, daß seine Vollendung in eine Zeit fallen würde, die so reif für einen Rüstungsvertrag wäre, wie die gegenwärtige. Mehr als theoretische Darlegungen hat der Weltkrieg mit seiner Vernichtung von Millionen von Menschenleben und Milliarden von Volksvermögen die Torheit des Wettrüstens enthüllt, die Stellung der Kämpfer für eine internationale Verständigung befestigt und den Hetzern die Maske vom Gesicht heruntergerissen. Er hat dargetan, daß der Frieden nicht durch Machtsteigerung und Bedrohung der anderen, sondern nur durch Verständigung und Zusammenarbeit aller aufrechterhalten werden kann. Das Wettrüsten, das die Pazifisten in allen Ländern immer als unheilvoll hingestellt haben, hat die europäischen Staaten bis nahe an den Rand des Abgrunds geführt. Es hat ihnen Wunden geschlagen, die erst nach vielen Jahrzehnten und nur dann heilen können, wenn die alte Bahn endgültig verlassen wird. Anderseits hat das traurige Erlebnis des Weltkrieges die Geister in einer Weise aufgerüttelt, daß nach des deutschen Reichskanzlers Worten vom 8. November 1916 „ein Schrei nach Verständigung durch die Welt gehen wird. Wie sehr

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haben doch die Ereignisse die Arbeit derer gerechtfertigt, die unter dem Hohne und Spott ihrer Zeitgenossen die Menschheit auf friedlichem Wege zu demselben Ziele führen wollten, zu dem sie nun leider durch die furchtbare Schule des Weltkrieges hat gehen müssen!

Nachdem die Erkenntnis von dem Irrtum der alten Machtpolitik in weite Kreise gedrungen ist, gilt es die rechten Voraussetzungen für eine neue Kultur- und Verständigungspolitik zu finden. Dabei kann es sich nicht lediglich um die Aufstellung von Rechtsnormen handeln. Mindestens ebenso wichtig ist, dem neu zu schaffenden Rechte durch eine stete Beeinflussung der Schule, der Presse, der Diplomatie und überhaupt des gesamten öffentlichen Lebens der Staaten nach innen und im Verhältnis nach außen die psychologische Grundlage zu geben. Das ist nur möglich, wenn sich die Staaten in Zukunft nicht mehr auf ihre eigene Militärmacht stützen, sondern sich ihre Unabhängigkeit von dem Staatenverbande garantieren lassen. Solange sich die Regierungen nur dann einigermaßen sicher fühlen, wenn sie ein starkes eigenes Heer besitzen, solange wird die Vergrößerung desselben wie die dadurch herbeigeführte Bedrohung der anderen Staaten und das System der Verhetzung fortdauern. Nicht die eigene, oft willkürlich benutzte Gewalt darf fortan die Rechte der Staaten schützen, sondern nur der höhere Organismus des Staatenverbandes, der den Worten: „Niemand kann in eigener Sache Richter sein“, auch im Völkerleben ihre Anwendung sichern und das heilige Recht aller Staaten auf ihre Existenz schirmen wird. Erst dann wird der Rechtsgedanke nicht mehr vor den größten Fragen der Ehre und der Lebensinteressen der Mächte stehenbleiben, sondern das gesamte internationale Leben durchdringen. Das sich auf die Rüstungen stützende Prinzip der Selbsthilfe wird aus dem Leben der Völker verschwinden, und alle Staaten werden mitarbeiten an der Verwirklichung jener großen Worte des Grafen Mirabeau:

„Das Recht wird einmal der Souverän der Welt werden."

Anhang

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