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angesehener Griechen nach Tripolizza zu einer Berathung gerufen, dort aber festgenommen hatten und gefangen hielten, viel zu einer allgemeineren bewaffneten Erhebung bei, wozu der Erzbischof Germanos die Griechen aufforderte. Jezt rief aber auch der Sultan alle Muselmänner unter die Waffen; die griechischen Kirchen wurden an vielen Orten zerstört; der griechische Patriarch Gregorius an der Thüre der Kirche in Constanti= nopel, wo er eben Gottesdienst gehalten hatte, aufgehängt, selbst der russische Gesandte Stroganoff insultirt, worauf derselbe Ende Juli 1821 Constantinopel verließ. Der Peloponnes war schon im April 1821, mit Ausnahme der festen Pläge in der Gewalt der Griechen; im Herbst eroberten sie auch Napoli di Malvasia, Navarin und Tripolizza. Nachdem sie schon vorher zu Kalamata in Messenien, auf der Insel Hydra x. Versuche gemacht, eine Regierung zu constituiren, eröffneten sie im Januar 1822 unter dem Präsidenten Alexander Maurocordato die allgemeine Nationalversammlung zu Epidaurus, die aus 67 Abgeordneten sämmtlicher griechischer Provinzen bestand, in 107 Artikeln eine zwar sehr liberale, aber meist völlig unanwendbare Verfassung (das organische Gesez von Epidaurus") gab und Griechenland am Schlusse durch ein öffentliches Manifest vom 15. (27.) Jan. als einen von der Türkei unabhängigen, selbstständigen Staat proclamirte (Ur= kunde 1). Der Kampf wurde auch im Jahre 1822 mit großer Erbitterung fortgeführt; die Griechen waren meist, namentlich zur See, im Vortheile und verbrannten zweimal das türkische Admiralschiff. Am 28. Aug. 1822 erließ das griechische Gouvernement zu Argos eine Er= klärung an die auf dem Congreß von Verona versammelten Monarchen, worin die Griechen die Unterstüßung der Großmächte oder wenigstens vollständige Neutralität derselben verlangen. (Urkunde 2.) Jhr Bevoll= mächtigter, Graf Metaras, wurde jedoch auf dem Congresse nicht zugelassen, vielmehr bedeutet, daß sich sein Volk der Pforte zu unterwesen habe. Die Griechen blieben auf die Privatunterstüßung Europa's beschränkt und seßten auch so, obgleich unter ihren Führern fast beständig Zwiespalt herrschte, nicht ohne Glück den Kampf gegen die türkische Uebermacht fort, bis am 22. Febr. 1825 Ibrahim Pascha mit der ägyptischen Flotte und einem nach europäischer Weise geübten Heere im Peloponnes landete. In dieser bedrängten Lage suchten sie den Schuß England's, dem sie sich als Schußstaat unterwerfen wollten; sie erließen am 2. Aug. 1825 eine Erklärung, nach welcher die griechische Nation,,son independance nationale et son existence politique" freiwillig sous la defense absolue de la Grande-Bretagne stellte. Wenn nun auch England auf diesen Antrag nicht einging, so suchte fortan doch der englische Gesandte in Constantinopel, Lord Stratford Canning, bei der Pforte ernstlich zu Gunsten Griechenland's zu vermitteln. Ein neuer allgemeiner hellenischer Congreß zu Epidaurus (Anfang 1826) zeigte sich bereit, gegen Bewilligung einer unabhängigen Regierung und selbstständigen Militärverwaltung der Pforte tributbar zu bleiben; allein leßtere wies alle vermittelnden Vorschläge der

Gesandten der Großmächte hartnäckig zurück. In demselben Sinne hatte Wellington, der im Februar 1826 nach Petersburg gesandt worden war, um dem Kaiser Nikolaus zu seiner Thronbesteigung Glück zu wünschen, am 4. Apr. 1826 mit der russischen Regierung ein Uebereinkommen zu Stande gebracht, das die Grundlage aller späteren diplomatischen Verhandlungen über die Pacification Griechenlands wurde. Nach diesem Protocoll sollte Griechenland ein zur Türkei gehöriges Land (a dependency of that empire) bilden, der Pforte einen jährlichen für beständig zu firirenden Tribut bezahlen, nur von Autoritäten regiert werden, die es sich selbst erwählte, auf deren Wahl aber die Pforte einen gewissen Einfluß haben sollte, und einer vollkommenen Gewissens und Handelsfreiheit genießen. Um Türken und Griechen auf griechischem Gebiete vollständig zu scheiden, sollten lettere das türkische Grundeigenthum ankaufen. Der lezte Artikel der Convention bestimmte, daß die Höfe von Wien, Paris und Berlin eingeladen werden soll= ten, dieser Uebereinkunft beizutreten; Destreich und Preußen lehnten jedoch jede directe Einmischung in die griechischen Angelegenheiten ab (Urkunde 3). Die Griechen selbst erhielten in dieser Zeit neben anderen Philhellenen besonders an Lord Cochrane und dem General Church tüchtige Anführer, und die Ernennung des vormaligen russischen Ministers, Grafen Capo d'Istrias, zum Präsidenten auf sieben Jahre schien ge= eignet, das Parteiwesen unter den griechischen Anführern endlich niederzuhalten, um so mehr, als Cochrane das Commando der Flotte, Church das der Landarmee übernahm. Am 6. Juli 1827 schlossen England, Frankreich und Rußland zu London einen förmlichen Ver= trag über die Art und Weise, wie sie dem Blutvergießen in Griechenland ein Ende machen wollte (Urkunde 4). Sie boten beiden kriegführenden Parteien ihre Vermittlung an und verlangten einen beiderseitigen Waffenstillstand bis zum Ausgang der Unterhandlungen. Die Griechen sollten den Sultan als ihren Souverain anerkennen und ihm einen jährlichen Tribut bezahlen; dagegen sollten gegen Entschädigung der türkischen Einwohner ein Theil des griechischen Festlandes und gewisse Inseln den Griechen allein überlassen werden. In einem geheimen Artikel machten sich die Großmächte anheischig, gegen diejenige der beiden Parteien, welche innerhalb eines Monats den Waffenstillstand behufs anzuknüpfender Verhandlung nicht eingehen wollte, die entschiedensten Maßregeln zu ge= brauchen und ihre Flotten sogleich in die griechischen Meere abgehen zu lassen. Die Gesandten der drei Mächte überreichten der Pforte am 16. Aug. 1827 ein Ultimatum, worauf leztere zwar keine Antwort ertheilte, aber doch anfing, gelindere Wege einzuschlagen, indem sie Bittschriften angesehener Griechen an den Patriarchen in Constantinopel veranlaßte, damit dieser sich beim Sultan für die Nation verwende. Nachdem der Patriarch seine Bitischrift am 18. Sept. 1827 übergeben, ließ der Sultan schon am 19. Sept. eine Amnestie für die Griechen verkündigen; den Krieg aber seßte er gleichwohl fort. Es erschien eine neue ägyptische

Flotte in den Häfen von Navarin und Modon, welche troß der Warnung der Admirale der drei Mächte (Codrington, de Rigny, Heiden) Truppen ausschiffte und zur Verwüstung des Landes aussandte. Jezt liefen auch die vereinigten Flotten der Großmächte in den Hafen von Navarin ein, und als zwei türkische Schiffe zu feuern anfingen, entspann sich die Seeschlacht von Navarin (20. Okt. 1827), welche mit Vernichtung der türkisch - ägyptischen Flotte endigte. Am 6. Aug. 1828 schloß der Admiral Codrington zu Alexandrien mit Mehemed Ali einen Vertrag ab, nach welchem Ibrahim Pascha die Halbinsel Morea, mit Ausnahme einiger festen Pläße, räumen und die in Aegypten als Sclaven verkauften Griechen frei gegeben werden sollten. Bereits war der General Maison mit französischen Landungstruppen im Anzuge, um den Pascha mit Gewalt aus der Halbinsel zu vertreiben. So wurde also Morea von den Türken gesäubert und jezt von den Franzosen be= seßt. Die londoner Conferenz (22. März 1829) kam noch einmal auf den Plan zurück, Griechenland als ein türkisches Lehen gegen einen jährlichen Tribut an die Pforte selbstständig zu machen; ein Fürst sollte dem Lande vorgeseßt, die Wahl dieses Fürsten vornehmlich von der Pforte bestimmt werden, und das Gebiet Griechenland's sich nicht viel über Morea und auf einige Inseln ausdehnen. England wollte die Türkei, Rußland gegenüber, nicht zu sehr schwächen; allein weder die Pforte, noch der Präsident Capo d'Istrias gingen auf diese Vorschläge ein, und als die Russen bis Adrianopel vorgedrungen waren, die Pforte auch im 10. Artikel des Friedens von Adrianopel (14. Sept. 1829) den Pacificationsverträgen vom 6. Juli 1827 und 22. März 1829 beige= treten war, so ging die londoner Conferenz einen Schritt weiter und erklärte durch Protocoll vom 3. Febr. 1830 Griechenland für einen völlig unabhängigen, tributfreien Staat, der einen besonderen König erhalten sollte. Die Nordgrenze des Reiches wurde in der Art festgesezt, daß sie sich vom Ausflusse des Aspropotamo über Brachori zum Golf von Zeitum ziehen sollte. An demselben Tage wurde dem Prinzen Leopold von Sachsen-Coburg die Souverainetät über das neue Königreich angetragen, die derselbe am 11. Febr. auch annahm. Die Pforte erklärte ihre Beistimmung am 24. Apr. 1830. Prinz Leopold jedoch, der die Uebernahme der Regierung an einige Bedingungen geknüpft hatte, namentlich an eine für die Griechen vortheilhaftere Grenzbestimmung, auch sich unterdessen von der Schwierigkeit seiner Stellung in Griechenland mehr und mehr überzeugte, lehnte die dargebotene Krone schon am 21. Mai 1830 wieder ab. Auf den Wunsch der Großmächte führte nun bis auf Weiteres der bisherige Präsident Capo d'Istrias die Regierung fort. Die damaligen Ereignisse im Westen Europa's (Erpedition nach Algier, Julirevolution, Tod des Königs von England) verseßten die londoner Conferenz in Unthätigkeit und überließen Griechenland seinem Schicksale. Die Finanznoth wurde immer drückender, Capo d'Istrias mußte die Steuern erhöhen und machte sich dadurch unbeliebt; man be=

schuldigte ihn, daß er ehrgeizige Absichten verfolge, seine Verwandtschaft übermäßig begünstige, nur im russischen Interesse handle, fich unrechtmäßige Eingriffe in die Constitution, die Municipálverfassung und das Eigenthum der Bürger erlaube. Die Inseln, Hydra voran, und die Mainoten fielen von der Regierung ab; Miaulis, Maurokordatos, Konduriottis traten an die Spize der Opposition, es kam zu blutigen · Kämpfen; Miaulis bemächtigte sich der im Hafen von Paros abgetakelt liegenden griechischen Flotte und verbrannte sie (13. Aug. 1831); Capo d'Istrias wurde am 9. Okt. 1831 von Constantin und Georg Mauromichalis in Argos meuchlings erschossen. Die (sechste) Nationalversamm= lung zu Argos ernannte am 20. Dez. 1831 Augustin Capo d'Istrias zum provisorischen Präsidenten; die Hydrioten und Mainoten, denen fich jest auch die Rumelioten anschlossen, beharrten in ihrer Opposition; der neue Präsident verlegte die Nationalversammlung nach Nauplia; die Gegner bildeten eine eigene Nationalversammlung zu Berachore; man griff zu den Waffen; die Schußmächte erklärten sich für den Präsidenten, aber gleichwohl legten seine Gegner die Waffen nicht nieder, bis das Conferenzprotocoll vom 8. März 1832 in Nauplia eintraf, welches die Ernennung des Prinzen Otto von Bayern zum König von Griechenland anzeigte und die Einseßung einer neuen, gerechten Regierung verlangte. Augustin Capo d'Istrias legte jezt seine Würde nieder; am 15. Apr. wurde eine neue Regierungscommission erwählt und am 30. Apr. die Nationalversammlung einberufen, welche am 8. Aug. 1832 einstimmig ihre Anerkennung des Prinzen Otto als König von Griechenland aussprach. Der Vertrag der Großmächte Frankreich, Großbritannien und Rußland mit der Krone Bayern über die Ernennung des Prinzen Otto zum König von Griechenland ist datirt vom 7. Mai 1832 (Urkunde 5). Der vierte Artikel sagt, daß Griechenland unter der Garantie der drei Mächte einen unabhängigen, monarchischen Staat bilde; nach Art. 8 soll die Krone, falls der König keinen Erben erhielte, an seinen nachgeborenen Bruder, und falls auch dieser ohne directe Nachkommen mit Tod abginge, an den folgenden Bruder und dessen Erben fallen. Die griechische und bayrische Krone können nie auf einem Haupte vereinigt werden. Nach Art. 11 soll der König Otto im ungeschmälerten Genuß seiner bayrischen Apanagen bleiben. Der Artikel 12 behandelt das Anlehen von 60 Millionen Franken und die Garantie desselben von Seiten der drei Großmächte. Am 30. April 1833 gaben die drei Großmächte in Uebereinstimmung mit der Krone Bayern dem Art. 8 des Vertrags vom 7. Mai 1832 eine nähere Erläuterung dahin, daß sich die Krone nur auf den Mannsstamm nach dem Rechte der Erstgeburt vererbe und auf Frauen erst dann übergehen könne, wenn von den drei Prinzen keine männliche Descendenz vorhanden sein sollte. Auch wurde in dieser Erläuterung festgesezt, daß die griechische Krone niemals mit der eines anderen Reiches auf demselben Regentenhaupte vereinigt werden könne (Urkunde 6). Da

die Mächte in den Verträgen von 1832 über die Confession des griechischen Königs nichts bestimmt hatten, nach der vom König angenommenen griechischen Verfassung aber nur Prinzen der griechisch-katholischen Confession den Thron besteigen können; so haben, um bei einem Thron= wechsel Conflicte zu vermeiden, die Mächte England, Frankreich, Rußland, Griechenland und Bayern am 20. Nov. 1852 zu London einen Tractat abgeschlossen, nach welchem sich der Thron nur auf einen Prinzen griechisch-katholischen Glaubens vererben kann, ein bayrischer Prinz also als Thronfolger die griechische Confession anzunehmen hätte.

Wir geben folgende Urkunden: 1) Die UnabhängigkeitsErklärung der Griechen, gegeben zu Epidaurus am 15. (27.) Januar 1822. Sie findet sich im Moniteur universel Nr. 120 Jahrgang 1822. 2) Die Erklärung des griechischen Gouvernements an den Congreß von Verona vom 28. Aug. 1822, veröffentlicht von den griech. Deputirten, die auf dem Congreß nicht zugelassen wurden, am 2. Juli 1823 zu Ankona (bei Martens nouveau recueil de traités tom. VI.). 3) Die erste Uebereinkunft der beiden Mächte Großbritannien und Rußland bezüglich der griech. Verhältnisse, welche Lord Wellington in Petersburg am 4. Apr. 1826 zu Stande brachte. Sie bildet die Grundlage der folgenden Verhandlungen und findet sich englisch in den Times vom 4. Febr. 1828. Da der französische Tert einem größeren Leserkreise zugänglich ist, so geben wir sie französisch nach der Nr. 37 des Moniteur von 1828. 4) Den Vertrag der Mächte England, Frankreich und Rußland bezüglich der Pacification Griechenland's, unterzeichnet zu London 6. Juli 1827. Dieser Vertrag, den der Moniteur Nr. 197 Jahrg. 1827 und Times 12. Juli 1827 etwas abweichend von der officiellen Abschrift geben, welche dem englischen Parlament vorgelegt wurde, folgt hier nach leßterer Copie bei Martens nouveau recueil tom. VII. p. 465. 5) Den Vertrag zwischen Frankreich, England und Rußland einerseits und Bayern anderseits über die endliche Entscheidung der griechischen Frage und die Wahl des Prinzen Otto von Bayern zum König von Griechenland, unterzeichnet zu London am 7. Mai 1832. Er findet sich in dem Regierungsblatt des Königreichs Bayern vom 6. Dkt. 1832 französisch und deutsch. 6) Den Zusaßartikel zu diesem Vertrag der genannten Mächte, welcher die Erbfolge dahin erläutert, daß Frauen erst nach Aussterben der männlichen Linie der drei für den griechischen Thron bestimmten Prinzen zur Regierung kommen können. Derselbe ist datirt von London, 30. Apr. 1833 (bei Martens nouveau recueil tom. XIII.). Unter den Schriften, welche die Geschichte Griechenland's in diesem Zeitraum behandeln, machen wir hier folgende namhaft. Pouqueville: histoire de la régénération de la Grèce. Paris 1824 und_später; deutsch_von Hornthal. Alex. Souzo: Histoire de la revolution grecque. Paris 1829. James Emerson: the history of modern Greece. London

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