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schulden beider Länder zusammengeworfen und aus der allgemeinen Staatskaffa verzinst, die Generalstaaten, zu denen die Belgier gezogen werden, abwechselnd in einer holländischen und belgischen Stadt gehalten werden, die Dämme jedoch, welche in Holland große Ausgaben machten, aus den Mitteln der betheiligten Bezirke erhalten werden (vgl. Urkunde 1). Durch den Vertrag Wilhelm's mit den vier alliirten Mächten (Eng= land, Destreich, Preußen und Rußland) vom 31. Mai 1815, der auch der wiener Congreßacte als Beilage X. angeschlossen ist, wurde der neue Staat als Königreich der Niederlande anerkannt und zwar in der Erbfolge Wilhelm's von Nassau - Oranien (vergl. Urkunde 2); Fürß Wilhelm hatte sich bereits am 16. März 1815 unter dem Namen Wilhelm I. als König der Niederlande ausrufen lassen. Der wiener Congreß fügte dem Gebiet der Niederlande noch einen Theil von Lüttich bei; ferner erhielt der König das zum Großherzogthum erhobene und dem deutschen Bunde einverleibte Luremburg als eine Entschädigung für die an Preußen abgetretenen deutsch-nassauischen Fürstenthümer NassauDillenburg, Siegen, Hadamar und Dieß. Für Luremburg gilt daher auch die Erbfolgeordnung nach dem nassauischen Erbverein von 1783, nach welchem auch der Linie der Herzoge von Nassau das Erbrecht zusteht, was bei den übrigen Niederlanden nicht der Fall ist. Einen weiteren Zuwachs erhielt das Königreich im zweiten pariser Frieden (20. Nov. 1815) durch einige bisher noch zu Frankreich gehörige Gebietstheile der vormaligen östreichischen Niederlande, nämlich durch das Herzogthum Bouillon und durch einen Landstrich in den Ardennen mit den Festungen Philippeville und Marienburg.

Die Belgier, bei denen sich jest, nach der Befreiung von der französischen Herrschaft, alsbald wieder der durch die langjährige spanische Regierung fest gewurzelte ultramontane und jesuitische Geist Geltung zu verschaffen suchte, waren mit der neuen Verfassung vornehmlich deßhalb unzufrieden, weil sie eine Gleichberechtigung aller Culte aussprach und durch dieselbe also auch alle Protestanten Anwartschaft auf belgische Aemter erhielten. Der Artikel 190 lautete: „Die vollkommene Freiheit aller religiösen Meinungen wird Jedermann garantirt. Art. 191. Allen religiösen Gemeinschaften, welche in dem Königreiche bestehen, ist gleicher Schuß verliehen. Art. 192. Alle Unterthanen des Königs, ohne Unterschied ihres religiösen Glaubens, genießen dieselben bürgerlichen und politischen Rechte und haben gleichen Anspruch auf alle Würden und Aemter." Von den auf den 8. Aug. 1815 zu einer Erklärung über die Verfassung nach Brüssel einberufenen 1603 Notabeln erschienen nur 1223, und von diesen stimmten 527 für, 796 gegen die Verfassung, von lezteren erklärten 126, sie würden der Verfassung ihre Zustimmung gegeben haben, wenn sie nicht eine Gleichberechtigung aller Culte ausspräche. König Wilhelm I. jedoch, gestüßt auf die Bestimmungen der Großmächte, ließ fich durch diesen Widerspruch nicht hindern, der Verfassung an seinem Geburtsfest, den 24. Aug. 1815, die königliche Sanction zu geben und

dieselbe als gültiges Grundgeseß des Reiches einzuführen*). Er erklärte, die einem Theile der belgischen Notabeln wegen der Gleichberechtigung der Confessionen mißliebigen Artikel gründeten sich auf Verträge mit europäischen Mächten, in deren Staaten eine solche Gleichberechtigung ebenfalls stattfinde, ihre Beseitigung würde die ganze Eristenz des neuen Staates in Frage stellen, auch sei kaum ein Zweifel, daß die große Mehrheit der Belgier diesen Artikeln und der gesammten Verfassung nicht entgegen sei, da 527 der Notabeln dafür gestimmt hätten. Die erste allgemeine Ständeversammlung wurde für den 21. Nov. 1815 nach Brüssel berufen; hier wurde die neue Verfassung von König und Ständen beschworen, damit aber der Widerstand der Belgier, ganz besonders des ultramontanen Clerus, nicht beseitigt. Der Bischof von Gent, Fürst v. Broglio, untersagte 1816 seinen Pfarrern, Männern, welche die Constitution beschworen hätten, die Absolution zu ertheilen, und erklärte es für Verrath an der katholischen Kirche, einem protestantischen Souverän das höchste Aufsichtsrecht über den katholischen Religionsunterricht zu gestatten. Da= neben wurden Beschwerden laut über Bevorzugung der Holländer in den höheren Staatsdiensten, da doch Belgien eine Million Einwohner mehr (3,210,700) zähle, als Holland (2,016,157). Auch fand man die Steuern, von denen ein großer Theil für die Marine und Wasserbauten, so wie für die Verzinsung der Staatsschuld in Anspruch genommen wurde, sehr hoch, und ganz besonders verleßte die Verordnung vom 15. Sept. 1819, nach welcher in den südlichen Provinzen der Gebrauch der französischen Sprache eingeschränkt und vom 1. Jan. 1823 an nur noch die flamändisch-holländische als Gerichts- und Schulsprache gelten sollte. Die großen Vortheile, welche Belgien aus seiner Verbindung mit Holland zog, das ihm nicht nur im eigenen Lande, sondern auch in seinen Colonien für seine Landesproducte und Gewerbserzeugnisse einen offenen und gewinnreichen Markt bot, wurden bei den beständigen Anfeindungen, die von den Ultramontanen ausgingen und die Regierung zwangen, auch die freie Presse zu beschränken, ganz übersehen. Vergeblich hoffte der König Wilhelm I. durch das Concordat, welches er, gegen den Rath seiner Minister, am 18. Juni 1827 mit der römischen Gurie abschloß, den katholischen Glerus zufrieden zu stellen; den Ultramontanen genügte dasselbe nicht, die Protestanten fanden eine Verlegung der Verfassung darin, und es kam nicht zum Vollzug. Die Aufhebung des philosophi= schen Collegiums an der theologischen Facultät zu Löwen (1830), welches die Regierung gegründet hatte, um einem duldsameren Geiste unter den jungen katholischen Geistlichen Bahn zu brechen, ermuthigte nur zu

*) Sie findet sich deutsch bei Pölig: europ. Verfassungen, Lpzg. 1832 ff., Band III. p. 166; bei Schubert: Verfassungsurkunden und Grundgefeße der Staaten Europa's, Nordamerika's und Brasilien's, Königsb. 1848 ff., Band II. p. 185. Holländisch: Grondwet voor het Koningrijk der Nederlanden, Haag 1815. 8.

noch entschiedenerer Opposition. Nur mit wenigen Stimmen vermochte die Regierung bei den Generalstaaten von 1830 das Budget durchzubringen; leßtere wurden am 2. Juni 1830 aufgelöst, nachdem sie mit mehr als tausend Bittschriften überschwemmt worden waren, welche sämmt= lich Freiheit des Unterrichts, freie Presse, Geschwornengerichte, gleiche Vertheilung der Aemter zwischen Holländern und Belgiern, Verantwortlichkeit der Minister, Vollziehung des Concordats verlangten.

Als in Paris am 27. Juli 1830 die französische Fulirevolu= tion ausgebrochen war, bereitete sich auch in Belgien ein Volksaufstand vor, der am 25. August 1830 in Brüssel nach dem Schlusse des Theaters, wo man die Stumme von Portici gegeben hatte, zum Ausbruch kam. Die Aufständischen demolirten die Häuser des Justizministers van Maanen, des Polizeidirectors und des Redacteurs des National; es bildete sich eine Communalgarde, welche die brabanter Farben schwarz, roth, gelb aufsteckte. Am 27. und 28. August reisten die Söhne des Königs, der Prinz von Oranien und der Prinz Friederich, nach Antwerpen ab und die holländischen Truppen folgten ihnen. In wenigen Tagen verbreitete sich der Aufstand über alle bedeutenderen Städte des Die Belgier wünschten eine völlige Trennung Belgien's von Holland entweder unter dem gemeinsamen König Wilhelm I., oder unter dem Prinzen von Oranien als besonderem König von Belgien. Der Prinz von Oranien versprach, sich bei seinem Vater für diesen Plan zu verwenden; der König war auch anfangs Willens, dar= auf einzugehen; allein Adressen von Antwerpen und Gent, welche sich gegen eine Trennung aussprachen, veränderten seinen Entschluß. legte die Frage den am 13. Sept. 1830 zu Haag eröffneten Generalstaaten vor, bei welchen sich auch aus Belgien die Deputirten zahlreich eingefunden hatten. Von den belgischen Abgeordneten, denen die Eröffnungsrede des Königs wenig Aussicht zu bieten schien, reisten jedoch mehrere schon in den ersten Tagen wieder ab, unter ihnen der Baron Stassard, welcher in einer Proclamation zu Brüssel erklärte, daß die Forderungen der Belgier auf keine Anerkennung rechnen könnten. Diese Erklärung brachte ganz Belgien wieder in Aufstand; es bildete sich jezt zu Brüssel eine provisorische Regierung, bestehend aus de Potter, van de Weiher, Baron v. Stassard, dem Grafen Felir Merode u. A. Nachdem sich die holländischen Truppen unter dem Commando des Prinzen Friederich vom 21. bis 26. Sept. in und um Brüssel mit den Aufständischen geschlagen, zogen sie sich gegen die holländische Grenze zurück, und die provisorische Regierung erklärte am 4. Oktober Belgien für einen unabhängigen Staat. An demselben Tage ernannte der König den Prinzen von Oranien zum Regenten Belgien's, zugleich befahl er, daß in Belgien nur die französische Sprache als Ge= richtssprache angewandt und die belgischen Verwaltungsstellen nur mit geborenen Belgiern beseßt werden sollten; allein diese versöhnlichen Ver= fügungen machten nur geringen Eindruck, da man sich daneben offen in

Holland zu entschiedenen Maßregeln rüstete und General Chassé, der von den Belgiern in Antwerpen angegriffen worden war, durch das Bombardement dieser Stadt (27. Dkt. 1830) die feindliche Stimmung erhöhte. Der belgische Nationalcongreß, welcher sich am 10. Nov. 1830 in Brüssel versammelt hatte, nahm zwar gegen die Republicaner die constitutionelle, erbmonarchische Regierungsform an, erklärte aber am 24. Nov. 1830 die Ausschließung des Hauses Oranien vom Throne, Lezteres gegen den Willen der Conferenz der fünf Großmächte zu London. Auf den Wunsch des Königs Wilhelm I. waren nämlich die Mächte England, Frankreich, Oestreich, Preußen und Rußland zu Conferenzen in London zusammengetreten, die am 4. Nov. 1830 ihren Anfang nahmen. Schon die ersten Conferenzen entschieden sich für eine Trennung Belgien's von Holland, da die Erfahrung gezeigt habe, daß beide Länder nicht zusammenpassen und auf diese Weise der Zweck ihrer Bildung, die Errichtung eines kräftigen Mittelstaates zwischen Frankreich und England nicht erreicht werde. Holland hatte freilich seine Colonien an Eng land geben müssen und war dafür auf Belgien als Entschädigung hingewiesen worden: das war aber vergessen! Holland sollte nach dem Beschluß der londoner Conferenz auf das Gebiet beschränkt werden, welches der Republik 1790 zugehörte, die übrigen Provinzen, mit Ausnahme Luremburg's, sollten den belgischen Staat bilden, der einen Prinzen aus dem Hause Oranien zum Regenten erhalten müsse. Der König von Holland nahm diese Bestimmungen an, die Belgier nicht. Am 26. Juni 1831 erließ die Conferenz in ihrem 26. Protocolle ein Ultimatum von 18 Artikeln, das den Belgiern eine vortheilhafte Grenzbestimmung gegen Holland einräumte. Nach langen Debatten nahm der belgische Congreß am 9. Juli 1831 diese Artikel an, der König von HolLand aber verwarf sie; denn wiewohl die Holländer die Vereinigung mit Belgien selbst nicht länger wünschten, so bestanden sie doch auf den von der londoner Conferenz anfangs festgesezten Grenzen. Der Prinz von Oranien drang jezt mit einem Heere von 40,000 Mann, in vier Divifionen getheilt, in Belgien ein, schlug die Belgier am 8. August bei Hasselt, am 10. Aug. 1831 bei Löwen, und war eben im Begriff, nach Brüssel vorzurücken, als er sich, auf die Nachricht, daß 40,000 Mann Franzosen unter Gerard im Anzug seien, unter englischer Vermittlung am 12. Aug. 1831 zu einem Waffenstillstand verstand, dem gemäß er sein Heer am 14. August über die Grenze zurückführte. Indessen hatte der belgische Congreß, auf Anrathen des französischen Hofes, den Prinzen Leopold von Sachsen-Coburg, freilich unter Widerstreben des Clerus, am 4. Juni 1831 zum König gewählt, und Leopold die Regierung am 21. Juli 1831 angetreten. Die londoner Conferenz er= ließ am 14. Oktober 1831 ein neues Ultimatum, einen Friedensvertrag, in 24 Artikeln (vergl. Urkunde 3) und erklärte, daß sie einen abermaligen Ausbruch der Feindseligkeiten mit allen ihr zu Gebot stehenden Mitteln verhindern werde. Der König von Belgien unterzeichnete

mit Genehmigung der Stände dieses Protocoll der londoner Conferenz vom 14. Ott. 1831. Dasselbe wurde hierauf auch von den fünf Mächten am 15. Nov. 1831 als verbindend unterschrieben, von den drei nordischen jedoch nur unter dem Vorbehalt einiger Modificationen. Da= gegen verweigerte der König von Holland beharrlich seine Unterschrift, da dieses Protocoll Holland nicht seine alten Grenzen gegen Belgien zugestehe und er, als selbstständiger Souverän eines unabhängigen Staates von der Conferenz nicht zur Abtretung von Gebietstheilen gezwungen werden könne. Nun schloßen England und Frankreich am 27. Okt. 1832 einen Vertrag, Holland mit den Waffen durch einen Angriff zu Land und zur See zur Annahme der im genannten Protocoll niedergelegten 24 Artikel zu zwingen. Da die nordischen Mächte ihre Zustimmung zur Anwendung von Gewalt nicht gaben, so löste sich die londoner Conferenz auf und die Angelegenheit wurde in einem gegenseitigen Notenwechsel weiter verhandelt. Englische und französische Schiffe blokirten die hollän= dischen Häfen, eine französische Armee von 43,000 Mann unter Marschall Gerard belagerte die Citadelle von Antwerpen, welche von den Holländern unter General Chassé zwar tapfer vertheidigt, aber endlich am 24. Dez. 1832 geräumt wurde; dagegen hielt die holländische Flotte bei Vließingen die Schelde gesperrt. Die Franzosen zogen nach der Einnahme der Citadelle wieder aus Belgien ab. Am Anfang des Jahres 1833 übergab der König von Holland der londoner Conferenz einen neuen Vertragsentwurf, bei dessen Anerkennung er sich beruhigen wollte. In Folge dieses Entwurfs kam am 21. Mai 1833 zwischen Holland einerseits und Frankreich und Belgien andererseits ein Präliminarvertrag zu Stande, der zwar die Streitpunkte in Frage ließ, aber gegen das Zugeständniß der Holländer, die Schelde zu öffnen, die Zwangsmaßregeln Eng= land's und Frankreich's gegen Holland aufhob und bis zum Abschluß eines Definitiv-Vertrages den Status quo zwischen Holland und Belgien aner= kannte. Die Hauptdifferenzen bestanden noch in der Entschädigung, welche Holland für die an Belgien abzutretende westliche Hälfte des Großherzog= thums Luremburg aus dem Gebiete des belgischen Limburg erhalten. sollte, und in der Betheiligung Belgien's bei der holländischen Staatsschuld. Wir haben oben bemerkt, daß das Großherzog= thum Luremburg, weil es dem König Wilhelm I. als eine Entschädigung für die an Preußen abgetretenen deutschen nassau-oranischen Fürstenthümer zugetheilt worden war, zu dem Hause Nassau-Oranien in einer näheren Beziehung stand, als die übrigen niederländischen Gebietstheile, und daß sich das Erbrecht auf Luremburg auch auf die Agnaten des herzoglichen Hauses Nassau ausdehnte, was bei den übrigen niederländischen Provinzen nicht der Fall ist. Der König war bereit, das von den Belgiern gebotene Aequivalent des limburger Gebietes gegen die westliche Hälfte des Großherzogthums Luremburg einzutauschen, er verlangte aber, daß dieser limburger Gebietstheil sodann, unabhängig vom deutschen Bund, dem Königreich Holland einverleibt werde. Zur

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