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ses Land gleich, nachdem es sich für die Freiheit erhoben hatte, gerieth, brachten es dahin, daß der Begriff der Freiheit selbst bald in den Hintergrund gedrängt wurde. Von ganz Europa bedroht, mußte es vor allem seine nationelle Selbstständigkeit zu retten suchen, es mußte, wenn es sich erhalten wollte, stärker, mächtiger sein, als es je gewesen, es mußte die ganze Thätigkeit des Volkes zu dem einen Riesenwerk der Selbsterhaltung concentriren, es mußte seiner Executivgewalt Mittel in die Hand geben, wie sie selbst das absolute Königthum nie besessen, wenigstens nie in Anwendung gebracht hat und an die Stelle der Idee der Freiheit, in deren Namen man die Revolution begonnen, trat das Prinzip der Volkssouverainität, welches eine Folge des Prinzipes der Gleichheit ist, in so ferne man dasselbe auf das Recht des einzelnen Bürgers an der Leitung des Staates theilzunehmen bezieht, doch in Hinsicht der Freiheit des Einzelnen nur diejenige Macht bezeichnet, die sie beschränken soll.

Frankreich ist durch viele Umwälzungen hindurch gegangen, ohne sich dieses Irrthumes je bewußt zu werden, ohne je unter dem Namen der Freiheit etwas Anderes als das Prinzip der Volkssouverainität anzustreben. Wie der Convent im Namen des französischen Volkes die Stelle Ludwigs XIV. eingenommen, und die absolute Regierungsgewalt des großen Königs, vor der sich jeder einzelne Wille beugen mußte, nur noch strenger ausgeübt, so hat Napoleon, als er den Convent erseßte, nur den selben Grundsah weiter fortgebildet. Dasselbe thaten nach ihm die durch die Restauration eingeseßten constitutionellen Gewalten, dann die JuliusDynastie, endlich die junge Republik. Der Kampf um Freiheit ist in Frankreich seit einem halben Jahrhundert ein Kampf um die Regierungsgewalt gewesen.

Das übrige Europa hat in dieser Hinsicht seine Begriffe ganz den französischen nachgebildet, und wenn wir nach allem Erlebten nun den wahren Sinn abstrahiren wollen, den man heutzutage der politischen Freiheit beilegt, können wir nur den folgenden finden:

Die politische Freiheit besteht darin, daß es keine Gewalt im Staate gebe, die nicht im Namen des Volkes und wenigstens mittelbar durch dasselbe ausgeübt wird." Frei

heit ist das Recht zu regieren. Jede Verfassung ist um so freier, je mehreren sie dieses Recht gibt, und in je größerem Maße dieses Recht den Einzelnen gewährt wird. Die freieste Verfassung ist aber jene, wo jeder an der Majorität theilnehmen kann, die über die Handlungen jedes Einzelnen zu verfügen hat.

Oder mit andern Worten: Jede Verfassung ist um so freier, je mehr jeder Einzelne regiert, und je mehr er regiert wird."

Man glaube ja nicht, daß ich den Sah so schroff hinstelle, um seine Falschheit anschaulicher zu machen; man sehe, wie der Communismus, diese in ihrer Logik so aufrichtige Sekte, fich das Ideal der politischen Freiheit formulirt hat, und man wird sich überzeugen, daß diese Definition nicht erst aufgestellt zu werden braucht.

Da dasjenige, was man unter dem Namen der politischen Freiheit anstrebt, eigentlich nur die Anwendung des Prinzipes der Gleichheit auf den Staat enthält, so ist der Begriff der Gleichheit, in so ferne blos von Beziehungen des Einzelnen zum Staate die Rede ist, nichts als ein anderes Wort für dieselbe Sache. Wer sich an Distinktionen erfreut, mag die Freiheit jenen Zustand nennen, bei welchem es im Staate keine Gewalt gibt, die nicht im Namen des Volkes und wenigstens mittelbar durch dasselbe ausgeübt wird. Die Gleichheit hingegen kann man darin suchen, daß unter dem Namen des Volkes ein jeder Mensch verstanden werde, und jeder zur Bildung des gemeinsamen Volkswillens in gleichem Maße und auf gleiche Art beitrage.

Ueber den Sinn, welchen man dem Begriffe der Nationalität beilegt, läßt sich nichts Allgemeines sagen, indem das Wort Nation im gewöhnlichen Leben theils zur Bezeichnung solcher Völker, die zu einem Staate vereinigt find, theils solcher, zwischen welchen eine Gemeinsamkeit der Sprache oder Abstammung besteht, gebraucht wird, und man im Namen der Nationalität bald nach einer Vereinigung früher getrennter Theile eines Volkes strebt, bald alles Fremde auszuscheiden oder sich zu assimiliren bemüht ist, und entweder blos die Gleichberechtigung oder die Herrschaft in Anspruch zu nehmen scheint.

Wenn man nun diese herrschenden Begriffe unserer Zeit in dem

Sinne, den man ihnen beilegt, betrachtet, muß man zur Ueberzeugung fommen:

Erstens, daß alle drei zugleich als Ziel verfolgten Begriffe mit sich gegenseitig im Widerspruch stehen;

Zweitens, daß keiner derselben zu realisiren sei, ohne daß zugleich die ganze Form des jezigen Staatslebens zerstört würde;

Drittens, daß auch in dem Falle, als es möglich wäre, diese Begriffe in dem Sinne, den man ihnen beilegt, durchzuführen, die Menschheit darin keine Befriedigung finden könnte.

Wir bitten unsere Leser wegen der trockenen Analyse, zu der wir uns genöthigt sehen, im Voraus um Verzeihung, sie sticht mit der romantischen Art, in der man heutzutage über Politik zu schreiben pflegt, höchst unvortheilhaft ab, und kann mit dem biblischen Schwunge, mit welchem man sich über die Leiden der Menschheit zu ergießen weiß, nicht verglichen werden; doch ich glaube, eben eine trockene Analyse ist es, die man braucht, wenn man mit den verworrenen Begriffen unserer Zeit endlich in's Klare kommen will.

Bweites Kapitel.

Daß die Ideen der Freiheit und Gleichheit mit einander im Widerspruche stehen.

Daß die Ideen der Freiheit und Gleichheit in ihrer absoluten Bedeutung mit einander im Widerspruche stehen, darüber kann wohl kaum ein Zweifel erhoben werden. Die Idee der Gleichheit ist vielleicht ein Postulat der Vernunft oder vielmehr des Gefühles, doch sie ist sicher keine Thatsache, die sich in der Natur findet. Soll sie verwirklicht werden, so ist dieses nur in der bürgerlichen Gesellschaft und nur durch die höchste Beschränkung der Freiheit möglich, indem man der Entwicklung des Ein

zelnen Schranken sezt, um die von der Natur bestehende Verschiedenhett der Begabung auszugleichen. Der zwischen diesen Begriffen in ihrer absoluten Bedeutung bestehende Gegensaß wird auch nicht geläugnet. Jene, die die Realisation einer vollkommenen Gleichheit als das höchste Ziel des Menschen aufgestellt, haben ihn eingesehen und als Ideal des Staates eine Organisation vorgeschlagen, nach welcher die Gesellschaft an dem Einzelnen das Geschäft des Procrustes vollziehen soll, indem sie alles, was über ein gewisses Maß hinausgeht, gewaltsam auf dasselbe reduzirt.

Doch wir wollen uns nicht mit theoretischen Lehrsägen beschäftigen. Nehmen wir die Begriffe von Freiheit und Gleichheit in jenem Sinne, in welchem man dieselben als im Staate anwendbar aufzustellen pflegt; eine ruhige Prüfung des Gegenstandes wird uns zeigen, ob dieselben in dieser Form bei einer praktischen Anwendung nicht gleichfalls in Widerspruch gerathen?

Ehe wir übrigens in die Erörterung dieser Frage eingehen, sei uns eine allgemeine Bemerkung erlaubt.

Durch lange Zeit hat die englische Verfassung als Ideal guter Staatseinrichtungen gegolten. In den meisten Ländern Europa's war die Staatsgewalt nach langen Kämpfen in die Hände absoluter Monarchen gerathen. Die Rechte, die der bewaffnete Adel einst genoß, waren, in so fern sie die königliche Macht beschränken konnten, dem Königthume gegenüber untergegangen, doch um so fester erhielt sich jener Theil derselben, der theils als sogenanntes Ehrenrecht in einer immer erneuten Erniedri gung des Volkes bestand, theils dem Adel gewisse materielle und pekuniäre Vortheile oder einen besondern Gerichtsstand gewährte, wodurch seine privilegielle Stellung gesichert ward. England war von diesen Uebeln zum großen Theile frei. Die königliche Gewalt war seit Jahrhunderten beschränkt. Die Rechte des Einzelnen waren durch feste Institutionen, durch die Habeas corpus Akte, das Hausrecht, die Jury, die freie Presse und das freie Versammlungsrecht gesichert. Die englische Verfassung ist eine freie, jeder Engländer ist vor dem Geseze gleich, und diese Freiheit und Gleichheit stehen nicht nur nicht im Widerspruch, sondern unterstüßen sich gegenseitig, indem die bürgerliche Gleichheit ihre beste Garantie eben in den

freien Institutionen findet, und diese, im Falle sie angegriffen würden, immer auf die Vertheidigung des ganzen Volkes zählen können, da sie ja allen gleiche Güter gewährleisten. Aus dieser Vereinbarung politischer Gleichheit und Freiheit, welche in England besteht, pflegt man nun den Schluß zu ziehen, daß diese Prinzipien auf dem Gebiete praktischer Politik überhaupt nicht im Gegensage stehen.

Der Schluß ist ein ganz irriger.

Das Beispiel Englands hat allerdings einen mächtigen Einfluß auf die Ausbildung aller neuern Staatsverfassungen ausgeübt. Es war durch einige Zeit das Ziel, nach welchem man strebte, doch wenn hiedurch in den äußern Formen gewisse Aehnlichkeiten entstanden sind, welche noch fortbestehen, so ist doch in den Hauptbegriffen, welche den englischen und unsern neuern Institutionen zu Grunde liegen, jede Aehnlichkeit verschwunden. Die Prinzipien, nach deren Realisation wir durch alle neuern Staatsverfassungen streben, sind unter denselben Namen etwas ganz anderes, man könnte fast sagen: das Entgegengesezte dessen, was man in England unter Freiheit und Gleichheit versteht.

Die Wesenheit der Freiheit besteht nach englischen Begriffen darin, daß es keine Gewalt im Staate gebe, die absolut ist. Die königliche Gewalt wird durch das Parlament, wie dieses durch jene, beschränkt. Im Parlament selbst stehen sich Ober- und Unterhaus gegenüber. Und wenn alle diese Gewalten gegen die Freiheit des einzelnen Bürgers verschworen wären, bietet ihm die richterliche Gewalt der Jury, deren Mitglieder das höchste Interesse, die bürgerliche Freiheit zu erhalten haben, Schuß gegen Unterdrückung.

Nach dem Ideal der Freiheit, welches man in Frankreich und überhaupt in neuerer Zeit fast überall aufgestellt hat, soll, ja muß es eine absolute Gewalt im Staate geben. Um seiner höchsten Aufgabe, der der Selbsterhaltung zu genügen, bedarf der Staat- wie Rousseau sich ausdrückt einer allgemeinen Zwangsgewalt, um jedes seiner Glieder so zu stellen, wie es das Wohl des Ganzen erfordert. Er besigt eine absolute Macht über alle die Seinen, und diese bedürfen ihm (dem Staate) gegenüber keiner Garantie, da die Souverainität ja dem Volke selbst ge=

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