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XLV.

De aquila et pullis suis.

Aquila quando habet pullos. erigit capita sua ad solem. Pullum vero qui irreverberatis radiis intuetur solem, conservat et nutrit. Illum autem qui solem non valet respicere. extra nidum projicit.

Sic dominus pullos habet in ecclesia. Illos autem qui sciunt deum et ea que dei sunt contemplari, conservat et nutrit. Illos autem qui nesciunt conspicere nisi terrena, projicit in tenebras exteriores.

Hermann Oesterley.

Die Pastourelle in der nord- und südfranzösischen Poesie.

Ein Beitrag zur franz. Litteraturg. des M. A. nebst einem Anhange ungedruckter Pastourellen.

Der alte Streit der Provençalen und Nordfranzosen ist noch lange nicht entschieden. Hat man auch aufgehört, über ihren relativen Werth in der Weise zu streiten, wie es Legrand und der Père Papon im vorigen Jahrhundert thaten, hat auch die Theorie Fauriel's so gut wie gar keine Anhänger mehr, der Streit über die poetische Domäne der Dichter des Südens und des Nordens, namentlich über die beiden gemeinsamen Besitzungen, besteht noch fort. Gaston Paris hat erst neuerdings die Existenz einer ganzen Reihe heute verlorner provençalischer Epopeen wahrscheinlich zu machen gesucht, die einem Theile der nordfranzösischen Epopeen zum Vorbilde gedient haben 1). Paul Meyer, der diese Hypothesen mit gewichtigen Gründen bekämpft 2), hat seinerseits die Priorität einer lyrischen Dichtungsart, der saluts d'amour, für die Provençalen nachgewiesen 3). Neuerdings hat Herr Baret, einer jener Fabrikanten von «<œuvres littéraires » 4), mit ebenso viel Suffisanz wie Ungründlichkeit, die Priorität und Erfindung einer anderen lyrischen Dichtungsart, der Pastou

Histoire poétique de Charlemagne pp. 68 – 70; 82 — 83. 3) Recherches sur l'épopée française p. 11-23.

P. Meyer, le salut d'amour etc. 1867 in 8.

4) Es gibt auch (freilich nur wenige) œuvres littéraires im guten Sane, hier aber meinen wir jenes Unkraut, das bei unseren linksheinischen Nachbarn noch immer so üppig aufschiefst, dafs es die Wissenschaft am Fortschreiten hindern würde, wenn nicht die sorg. samen Gärtner der Revue critique so fleifsig ausrodeten. Das Buch des Herrn Baret heifst: Les troubadours et leur influence sur la littérature du midi de l'Europe etc. Paris. 1867 in 8. (vgl. besonders p. 257-274.)

relle, den Provençalen zugesprochen. Wir glauben nicht, dafs einer der besten und ältesten Titel der Franzosen auf den Besitz einer volksthümlichen Lyrik, zugleich die Dichtungsart, in der sich die französische Grazie und Naïvetät am frühesten und vollständigsten manifestirt, den Trouvères so ohne Weiteres abgesprochen werden kann. Durch sorgfältige Prüfung der sämmtlichen Zeugnisse (auf die sich Herr Baret, da er ja ein œuvre littéraire schrieb, natürlich nicht eingelassen) sind wir vielmehr zu einer ganz entgegengesetzten Ansicht gelangt, dafs nämlich das Genre der Pastourellen in Nordfrankreich nicht allein glücklich cultivirt und zu einem hohen Grade der Ausbildung gelangt ist, sondern auch daselbst zu Hause ist.

Diese unsere Ansicht wahrscheinlich zu machen, zugleich auf Grund der Manuscripte die Unbegründetheit des bisher ziemlich allgemein herrschenden Vorurtheils von der Monotonie und mangelnden Varietät dieser Dichtungsart nachzuweisen, sowie eine richtige Characteristik derselben zu liefern, ferner einige Andeutungen über ihre äufsere Form und ihre Geschichte zu bringen, ist der Zweck der nachfolgenden Blätter.

Als Anhang geben wir eine Anzahl unedirter Pastourellen aus einer römischen und drei pariser Handschriften, denen wir bald eine gröfsere Auswahl nachfolgen zu lassen gedenken.

I.

Priorität der nordfranzösischen Pastourellen.

Die meisten Gelehrten Frankreichs von Raynouard ab) haben keinen Anstand genommen, wie für alle anderen lyrischen Dichtungsarten, so auch für die Pastourelle die Provençalen als Muster der Nordfranzosen aufzustellen. Der jüngste Epigone der Fauriel'schen Schule, Herr Eugène Baret, hat mit der Emphase, die ihn characterisirt, und mit der Gründlichkeit, die man von dem

1) Choix etc. II, 229.

Schriftsteller erwarten kann, der ein dickes Buch über die Troubadours und ihren Einflufs schreibt, ohne den Namen Diez zu kennen, diese Frage auf mehreren Seiten weitläufig behandelt.

Er beklagt zunächst, dafs Fauriel, beschäftigt mit einer nebensächlichen Frage (diese Frage ist die <«<malencontreuse question de l'épopée provençale »), dieser den besten Theil eines Sujets geopfert hat, das niemals so behandelt werden wird, wie er selbst es hätte thun können, nämlich die lyrische Poesie der Troubadours. Er betheuert dann, nicht an die Waffen Roland's rühren zu wollen, hält es aber für nöthig, auf eine andere Reihe von Betrachtungen einzugehen, nämlich den Einfluss der Provençalen auf die Litteratur der Nachbarnationen, ein Gegenstand, der niemals im Detail behandelt ist. (Dafs Diez vor mehr als 40 Jahren in einem sogar ins Französische übersetzten Werk weitläufig davon gehandelt hat und vor 5 Jahren die erste portugiesische Kunst- und Hofpoesie zum Gegenstande eines besonderen Werkes gemacht hat, dafs Cavedoni über die Troubadourpoesie am Hofe zu Este geschrieben, weifs er natürlich nicht) 1).

Speciell zu den Nordfranzosen übergehend, erkennt er die Nachahmung der Troubadours bei diesen an zwei allgemeinen Merkmalen, 1) an den zahlreichen Entlehnungen von provençalischen Worten, 2) an der vollständigen Nachahmung fast aller Dichtungsarten der Troubadours. Um die Wahrheit der ersten Behauptung zu erkennen, sagt er, braucht man nur eine Sammlung französischer Dichter des 13. Jahrhunderts aufzuschlagen, z. B. die von Auguis oder die von Leroux de Lincy oder den << recueil récemment publié en Allemagne par M. Matzner » um überrascht zu sein « du grand nombre d'expressions purement provençales». Nun ist aber weder das Werk von Auguis, noch das von Leroux de Lincy, noch das von Mätzner ein «recueil de poëtes français du XIIIe siècle; das von Auguis ist eine Chrestomathie,

1) Vgl. Revue critique, 1867, No. 11 p. 170 Artikel von Paul Meyer.

die bis auf Malherbe herabgeht und in der die Lyrik der Trouvères noch nicht den zehnten Theil des Raumes einnimmt, Leroux de Lincy hat 2 Bände historischer Lieder gesammelt, in denen ebenfalls auf das 12. und 13. Jahrhundert nur wenige Seiten kommen, und Mätzner's in kritischer Beziehung werthvolle Ausgabe von wenigen Liedern aus einer vaticanischen Handschrift nach Keller kann man ebenfalls keine Sammlung der altfranz. Dichter nennen. Zweitens ist es unwahr, dafs man in den nordfranzösischen Liedern von einer grofsen Anzahl rein provençalischer Worte 1) überrascht wird. Es giebt allerdings in den nordfranzösischen Chansonniers, namentlich im berner Codex 2) und in Nr. 20050 (früh. St. Germain 1989) der pariser kaiserl. Bibliothek eine kleine Anzahl provençalischer Lieder, deren Sprache die Schreiber durch Verstümmelung dem nordfranzösischen Idiom anzunähern gesucht haben, aber diese Gedichte sind noch gar nicht herausgegeben. Auch wird sie keiner nordfranzösische Lieder nennen und gewisslich kennt sie Herr Baret gar nicht, da er trotz der grofsthuerischen Behauptung, in seinem Appendice « des pièces rares et inédites » zu geben, für dasselbe keine Handschrift benutzt hat. Mit diesem Inductionsbeweis fallen auch die Schlüsse, die Baret aus ihm gezogen.

Wir gehen zu dem über, was er die «démonstration directe du fait» nennt. Um die Priorität der meisten lyrischen Dichtungsarten der Provençalen vor den entsprechenden altfranzösischen zu beweisen, wählt er das Beispiel der Pastourelle. Es wird gewifs im Allgemeiuen Niemand bestreiten, was überhaupt längst anerkannt ist und keines Beweises mehr bedarf, dafs nämlich die Trouvères in bei weitem dem gröfsten Theile ihrer lyrischen Producte die Schüler der Provençalen gewesen; warum

1) dafs «<expressions » Worte, erkennt man aus dem folgenden

« terminaison » und dem Gegensatze zu «locutions>>.

2) Ueber die im berner Codex befindlichen prov. Lieder vgl. meine Anm. dazu in der vollständigen Ausgabe dieser Handschrift, die im Archiv f. d. Studium der neuern Sprachen" augenblicklich erscheint.

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