Images de page
PDF
ePub
[ocr errors]
[blocks in formation]

1

:

Am 1. des Januar.

Neueste Geschichte der Philosophie. Wer dem Gange der Entwicklung und Ausbil

dung der Philosophie seit Erscheinung der Vernunftkritik von Kant mit Aufmerksamkeit gefolgt ist, wird nicht läugnen können, dass einerseits ein ganz neues, innigeres und tieferes Leben in der Wissenschaft durch jene Kritik angeregt, andrerseits aber das, was dieselbe eigentlich beabsichtete, grösstentheils verfehlt worden. Die Kritik wollte durch eine neue Zergliederung und Ausmessung unsers geistigen Vermögens nicht blos den Dogmatismus, sondern auch deu Skepticismus zum Schweigen bringen, und, wenn nicht selbst ein vollendetes und allgemeingültiges System der Philosophie geben, doch zu einem solchen einen festen u. sichern Grund legen. Aber siehe da! der Dogmatismus war nie anmaassender und hochfliegender in seinen Speculationen, als bald nach Erscheinung jener Kritik; der Skepticismus trat in einer neuen Gestalt hervor und bekämpfte dreist die Kritik selbst; und so schien es der Philosophie überhaupt mehr als je an einer Grundlage zu fehlen, auf die sich ein vollendetes und allgemeingültiges System erbauen liesse. Daher entstand auf dem Gebiete der Philosophie gleichsam ein Krieg Aller gegen Alle, der mit der grössten Hartnäckigkeit und Erbitterung geführt wurde; und wer sich in diesem Kampfe auf wissenschaftliches Leben und Tod mit den Waffen der Vernunft, der Erkenntuiss und der Einsicht, nicht geltend machen konnte, der zog sich hinter die Schanzen des Gefühls, des Glaubens und der Ahnung, zurück, oder warf sich gar verzweiflungsvoll dem Mysticismus und Fanatismus in die Arme. Für den einstigen Geschichtschreiber der Philosophie wird es eben darum eine der schwierigsten Aufgaben seyn, ein treues Gemälde von diesem so gehaltreichen als verwickelten Zeitraume der Geschichte der Philosophie zu geben. Dass jetzt noch nicht ein solches gegeben werden könne, liegt am Tage. Aber Beyträge dazu lassen sich wohl liefern; und einen solchen haben wir kürzlich in folgendem Werke erhalten:

1.

Ueber die Philosophie meiner Zeit. Zur Vermittlung. Von Karl Friedrich Bachmann, Doct. und ordentl. Professor der Philosophie auf der Universität Jena. Jena in der Crökerschen Buchhandl. 1816. VI und 314 S. 8.

1817.

worin

,,Zwey grosse Bewegungen sind es, beyde von durchaus welthistorischer Bedeutung, wodurch die handelnde und denkende Welt unsrer Zeit im Innersten erschüttert worden, die französische Revolution und die grosse Umgestaltung der Philosophie und aller Wissenschaften in Deutschland. Beide haben unser Vaterland im Innersten zerrissen u. die geheimsten Atome desselben aufgeregt, beide aber auch eine andre Wendung genommen, als irgend ein menschlicher Gedanke bestimmen konnte." So beginnt der Verf. die Einleitung zu vorliegendem Werke. Nachdem er hierauf jene beiden Bewegungen in ihrem Gange weiter verglichen hat, bemerkt er, dass man, um mit der Gegenwart sich versöhnen und auf die Zukunft vertrauend blicken zu können, zuvörderst die gegenwärtige Zerrissenheit der Philosophie als nothwendig begreifen und als einen geistigen Prozess ansehen müsse, die herrlichsten Kräfte sich gegenseitig bekämpfen, weil sie sich noch nicht zum Gleichgewichte durchgearbeitet haben. Unser Zeitalter sey das der Ideen, eine Idee aber sey ein lebendiger, schöpferischer, mit unwiderstehlicher Gewalt aus dem Innern sich hervordrängender Begriff, der unbeschadet seiner Einheit in den mannichfaltigsten Werken und Abstufungen sich äussere u. eben durch seine Einheit die Gegensätze wieder ausgleiche. Daher könne sich auch nur in der freiesten Wechselwirkung der Geister und in den manuichfaltigsten Formen die Idee der Wissenschaft würdig und gross gestalten, und Jeder solle, seine volle Individualität behauptend, es fühlen, dass durch Freunde und Feinde Ein unendlicher Geist sich kund thue. So wahr diess in gewisser Hinsicht ist, so möchte doch wohl in manchem Leser sich der Zweifel regen, ob denn wirklich auf dem Gebiete der Wissenschaft, das Streben der Vernunft immer auf das Allgemeingültige, Ewige und über alle Schranken der Zufälligkeit Erhabne gerichtet ist, die Individualität des Forschenden in ihrer Fülle oder, was im Grunde eben so viel ist, in ihrer ganzen Gebundenheit und Beschränktheit sich behaupten dürfe, und ob derjenige, welcher von irgend einer Wahrheit, besonders einer das höhere Leben der Vernunft betreffenden, einer moralisch- religiösen, recht innig und fest überzeugt ist, wohl glauben könne, dass aus den Feinden jener Wahrheit derselbe Geist rede, wie aus den Freunden. Auch dachten schwerlich jene grossen Männer so, wel

Wo

« PrécédentContinuer »