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Kurden angewendet werden. Die nomadisirenden Stämme werden angehalten werden, sich auf den ihnen Seitens der Regierung einzuräumenden Ländereien niederzulassen.

XII. Kap. Hamidié-Kavallerie. Art. 28. Das Tragen von Waffen und Uniformen Seitens der Hamidié-Kavallerie ausserhalb der Zeit ihrer Einberufung ist verboten. Ausserhalb dieser Zeit stehen die Mitglieder dieses Corps unter der gewöhnlichen Gerichtsbarkeit. Ein militärisches Reglement, welches alle Details des Dienstes der Hamidié-Kavallerie festsetzen wird, soll unverzüglich ausgearbeitet werden.

XIII. Kap. Eigenthumstitel. Art. 29. In jedem Hauptorte eines Vilajets und Sandschaks wird eine Kommission behufs Revision der Eigenthumstitel eingesetzt werden. Die Kommissionen werden aus zwei mohammedanischen und zwei nichtmohammedanischen Mitgliedern bestehen den Vorsitz wird der Direktor des Archivrathes resp. der Vorstand der Abtheilung für Immobilien führen. Die Entscheidungen der Kommissionen werden dem Provincial-, resp. Sandschaks-Verwaltungsrathe unterbreitet werden. Ueberdies werden jährlich vier Delegirte aus Konstantinopel in die Vilajets entsendet werden, um die etwaigen Unregelmässigkeiten in Eigenthums-Angelegenheiten zu untersuchen.

XIV. Kap. Einhebung der Steuern. Art. 30. Zur Vermeidung der Anwendung bewaffneter Gewalt bei der Steuereinhebung werden spezielle Funktionäre, die nicht befugt sind irgend welche Requisition von Lebensmitteln oder Viehfutter vorzunehmen und die auch mit der Geldgebahrung nichts zu thun haben, den Mukhtars und Steuereinnehmern der Ortschaften, welche von den Einwohnern selbst gewählt werden, die Steuerlisten ausfolgen, auf denen die Steuerschuld jedes Einwohners verzeichnet ist. Die Mukhtars und Steuereinnehmer sind ausschliesslich mit der Einhebung der Steuern und deren Abführung in die Staatskassen betraut.

XV. Kap. Zehnten. Art. 31. Die Einhebung der Zehnten wird im Wege der Verpachtung erfolgen. Die Verpachtung en gros wird abgeschafft und durch eine dorfweise Licitation dieses Rechtes für Rechnung der Einwohnerschaft ersetzt werden. Falls sich Schwierigkeiten ergeben sollten, werden die Einwohner bei den Gerichten Beschwerde führen können. Nachdem die Frohndienste abgeschafft wurden, werden die Leistungen in natura und in Geld für

Arbeiten von allgemeiner Nützlichkeit aufrecht erhalten. Das Budget des öffentlichen Unterrichts wird für jedes Vilajet vom UnterrichtsMinisterium festgesetzt. Bei Zwangsverkäufen wegen rückständiger Steuerschulden darf auf die Wohnung des Exekuten, auf das zu seinem Unterhalte nöthige Land, Arbeitsgeräthe, Arbeitsvieh und Samenkorn nicht gegriffen werden.

XVI. Kap. Permanente Kontrollkommission. Art. 32. Auf der hohen Pforte wird eine permanente Kontrollkommission eingesetzt, welche zur Hälfte aus mohammedanischen und zur anderen Hälfte aus nichtmohammedanischen Mitgliedern besteht und mit der Ueberwachung der Durchführung der Reformen beauftragt ist. Die Botschaften werden ihr durch Vermittlung ihrer Dragomane die Informationen, Bemerkungen und Rathschläge zukommen lassen, die sie in Bezug auf die Durchführung der durch die gegenwärtige Akte vorgeschriebenen Reformen und Massregeln für nothwendig erachten. Diese Kommission wird aufgelöst werden, sobald zwischen der hohen Pforte und den Botschaften ein Einverständniss darüber erzielt sein wird, dass sie ihre Aufgabe erfüllt habe.

Die Bestimmungen, welche in dem Promulgationsdekret, von dessen Erlass jedoch bekanntlich Umgang genommen wurde, aufgenommen werden sollten, sind die folgenden:

I. Der Oberkommissär zur Ueberwachung der Durchführung der Reformen. Die kaiserliche Regierung wird einen in jeder Beziehung würdigen Funktionär zum Oberkommissär (Muffetthie) ernennen und denselben an Ort und Stelle entsenden, damit er die Durchführung und Anwendung der Reformen überwache. Im Verhinderungsfalle wird dieser Oberkommissär provisorisch durch einen anderen von Sr. Majestät dem Sultan zu ernennenden mohammedanischen höheren Staatsfunktionär ersetzt werden. Diesem Oberkommissär wird ein nichtmohammedanischer Gehülfe (Muaron) beigegeben.

II. Amnestie. Der von Sr. Majestät dem Sultan unter dem 23. Juli erlassene Amnestie-Akt für die wegen politischer Vergehen verurtheilten Armenier wird auch auf alle jene Armenier ausgedehnt, welche vor diesem Datum Gefängnissstrafen erhalten haben, mit Ausnahme jener, die wegen gemeiner Verbrechen verurtheilt wurden.

III. Rückkehr der Emigranten. Jene Armenier, welche aus der Türkei ausgewiesen wurden oder in das Ausland ausgewandert sind, können, wenn ihre osmanische Unterthanenschaft und ihr gutes Verhalten festgestellt ist, unbehindert nach ihrer Heimat zurückkehren.

IV. Lage der Mohammedaner in den übrigen anatolischen Vilajets. Aehnliche Reformen wie die angeführten sollen in allen Kazas eingeführt werden, wo die nichtmohammedanische Bevölkerung einen beachtenswerthen Prozentsatz der Bevölkerung bildet1).

VI. Russische Erklärung über die Stellung Bulgariens.
(Regierungsanzeiger, 11. Februar 1888.)

«Der Berliner Tractat allein hat als Grundlage für die auf der Balkanhalbinsel im Einverständniss der Mächte bestimmte Ordnung der Dinge zu dienen, und er bietet auch die einzige internationale Garantie gegen etwa in Zukunft stattfindende gefährliche Erschütterungen der jungen Balkanstaaten. Dies ist der Standpunkt der kaiserlichen Regierung, nach welchem sie die bulgarischen Ereignisse seit der Abdankung des ersten Fürsten beurtheilt. Aus Anlass der Ankunft des Prinzen Ferdinand von Sachsen-Coburg in Sofia und der Usurpation der fürstlichen Gewalt entgegen den Bestimmungen des Berliner Tractats hatte die kaiserliche Regierung erklärt, dass sie denselben niemals als legalen Herrscher Bulgariens anzuerkennen gedenke, und sie wiederholte später diese Erklärung nochmals mit der Absicht, die Mächte ihrerseits zu einer Erklärung über die Integrität der Bestimmungen des Berliner Tractats und die Wiedereinführung eines gesetzlichen Zustandes in Bulgarien zu veranlassen. Ohne der Zukunft vorzugreifen und in dem Wunsche, irgend welchen Zweifeln bezüglich ihrer Ziele und Absichten vorzu

1) Zur Erläuterung diene Folgendes: Solche Reformprojekte der Türkei giebt es schon eine ganze Anzahl. Zunächst die im Text mehrfach erwähnten Hattihumajun und Hattischerif von Gülhane. Hattischerif heisst, wörtlich übersetzt: «Erhabenes Schreiben», also ungefähr kaiserliches Edikt, Hattihumajun heisst: «Allgemeines Schreiben» also: General-Edikt. Dann besonders den Essassié Fermani vom 12. Dezember 1875 von Abd ul Aziz und die türkische Verfassung (Kanuni Essassi) von Midhat Pascha vom 26. Dezember 1876. Es sind aber alle bloss auf dem Papier geblieben. Die Sammlung der organischen Gesetze, welche zusammen gewissermassen das moderne Verfassungsrecht des Reiches bilden (ähnlich wie etwa das «Rothe Buch», oder die «Fundamental-Gesetze» von Bern), heisst «Tansimât», übersetzt «die Verord

beugen, hat die kaiserliche Regierung es nicht für nothwendig befunden, ihre Handlungsweise zu verdecken, welche sie fest entschlossen ist in der bulgarischen Frage für den Fall zu verfolgen, dass die Ursache des ungesetzlichen Zustandes in diesem Lande nicht beseitigt werde. Bulgarien verdankt seine Existenz lediglich den Opfern und Anstrengungen Russlands, das schon aus diesem Grunde diesem Lande und Volke in Theilnahme zugethan bleiben wird, und desshalb auch die schweren Prüfungen, welche das Land durchlebt, bedauert und mit Nachsicht beurtheilt. Indem die kaiserliche Regierung sich von allen Vorurtheilen frei weiss, auch von den Parteizwistigkeiten fern bleibt und es eben desswegen mit ihrer Würde unvereinbar hält, sich in die inneren Streitigkeiten des Landes einzumischen, unterlässt sie es zu gleicher Zeit auch, irgend wen für das Vergangene verantwortlich zu machen. Als eine Umkehr zum Besseren kann sie jedoch nur die aufrichtige Reue und Erkenntniss des begangenen Unrechts von Seiten des bulgarischen Volkes und die Wiederherstellung des gesetzlichen Zustandes im Lande anerkennen. Russland wünscht Bulgarien nur Gutes, und nach der Entfernung der jetzigen ungesetzlichen Regierung wird es gern bereit sein, die erste aufrichtige Erklärung Seitens des bulgarischen Volkes und seiner Repräsentanten entgegenzunehmen, die Vergangenheit zu vergessen und sich die Wiedernungen». Die politische Eintheilung des türkischen Reiches ist eine ziemlich unsichere; gegenwärtig wird sie auf 33 Vilajets (Provinzen) angegeben, mit den Unterabtheilungen: Sandschak oder Livalik (Bezirk), Kaza (Distrikt), Karrich (kleinerer Distrikt), Nahié (Landgemeinde). An der Spitze eines Vilajets steht ein Vali, oder ein Generalgouverneur, früher ein Pascha von so und so viel Rossschweifen. Jetzt ist eine Rangeintheilung von Provinzen wichtigerer oder weniger wichtiger Art in 3 Rangklassen vorhanden. Auch die Sandschaks haben Valis und Mutescherifs, die Kazas Kaimakams, die kleineren Distrikte Mudire und die Landgemeinden Mukhtare, oder KodschaBaschis an ihrer Spitze. Neben dem Vali steht seit Mahmud II. ein Provinzial-Verwaltungsrath (Idare-i-Medschlissi), in welchem die verschiedenen Religionsbekenntnisse vertreten sein sollen. Mancherorts giebt es noch, neben diesen eigentlich konstitutionellen Behörden, mit ausserordentlichen Vollmachten ausgerüstete Militärkommandanten und auch erbliche Beys, die eine Art Feudalherrschaft in ihren Gebieten haben, ähnlich der früheren Patrimonialherrschaft, oder den in der bernischen Geschichte bekannten «<Twingherren». Eine eigentliche Vorbildung, oder gar Examen, bedarf es im türkischen Staatsdienst, selbst zu den höchsten Aemtern, nicht und es kommt

herstellung der alten auf wechselseitigem Zutrauen begründeten Beziehungen angelegen sein zu lassen, vorher jedoch nicht. kaiserlichen Regierung liegt auch jede Absicht fern, die Freiheit der Bulgaren zu beschränken, welche ihnen im Berliner Tractate garantirt worden ist, oder sich in die innere Organisation und Verwaltung des Landes zu mischen; sie kann niemals vergessen, dass Bulgarien seine Freiheit in erster Linie Russland verdankt, und sie sieht es daher als ihre Aufgabe an, die Rechte des bulgarischen Volkes zu schützen, aber nicht sie zu beeinträchtigen, wenn nur die Personen, welchen die Geschicke Bulgariens anvertraut sind, ihrerseits auch von diesen Rechten zum wahren Wohle des Landes und in verständiger Weise Gebrauch machen. Die Bulgaren, durch die Erfahrung belehrt, mögen doch endlich zur Einsicht gelangen und allen ehrgeizigen Bestrebungen entsagen, statt dessen aber ihr ganzes Augenmerk auf die Wiederherstellung des gesetzlichen Zustandes im Lande und seine Wohlfahrt richten. Dann wird sich auch jede fremde Einmischung als überflüssig erweisen und die Einsetzung eines Fürsten nach den Bestimmungen des Berliner Vertrages ohne Hindernisse vollziehen. Die kaiserliche Regierung hat seit Beginn der bulgarischen Krisis nicht aufgehört an den hier ausgesprochenen Principien festzuhalten und ihrerseits ein gewaltsames Eingreifen vermieden, und diese Principien werden sie auch in Zukunft leiten.»> vor, dass vollständige Analphabeten, oder blosse Haremskreaturen solche bekleiden. Das Steuerwesen hat noch immer den Charakter eines Tributes, den die einzelnen Provinzen aufbringen müssen und der bis Mahmud II. gewöhnlich von den Gouverneuren selber bezahlt wurde, wogegen dieselben alle Freiheit genossen denselben doppelt oder dreifach der Bevölkerung abzupressen. Jetzt giebt es Steuerpächter und Unterpächter, die aber ebenfalls gewöhnlich mit dem Statthalter in Verbindung stehen und demselben einen guten Theil ihrer Beute abgeben müssen.

Die Landarmee, auf welcher jetzt, wie s. Z. in Wallenstein's Lager, oder 1848/49 in Oesterreich, das Geschick des Reiches beruht, wurde im Jahre 1826 von Mahmud II. modernisirt. Sie besteht jetzt aus einem stehenden Heer, Nizamié (lauter Mohammedanern) und ist, soweit uns bekannt, in 7 Armeekorps, nebst drei weiteren ausserordentlichen Divisionen eingetheilt, wovon dermalen etwa 20,000 Mann in Konstantinopel konzentrirt sind. Daneben besteht noch eine Reserve (oder Landwehr im preussischen Sinne), Redif genannt. Die Marine der Türkei war schon in dem letzten Kriege von 1877/78 ohne genügende Bedeutung und scheint jetzt ganz in Verfall gerathen zu sein.

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