Images de page
PDF
ePub

Zeitgenossen und Nachfolger Racine's.

145

Gaspard Abeille (1648-1718) war einer der vielen Abbé's, mit denen die Academie damals gesegnet war *) und von denen nicht wenige wie er an der Krankheit litten, als tragische Dichter berühmt werden zu wollen. Er trat 1674 mit seiner Argélie auf. Sein academischer Lobredner preist aber weislich nur die niemals gedruckten Stücke Sylanus, Danaus und Caton von ihm. Es werden ihm auch die unter dem Namen Thorillière's erschienenen Tragödien mit aufgebürdet.

Von gleichem Werthe sind die Tragödien eines anderen Abbé und Mitglieds der Academie, Charles Claude Genest (16351719), obschon sie nicht nur von dem unvermeidlichen academischen Lobredner, sondern auch von dem freilich kaum zuverlässigeren de Visé in seinem Mercure galant übermäßig gepriesen wurden.

Bedeutend über die Vorgenannten erhebt sich Jean Gilbert Campistron, geboren 1656, gestorben 1738. Er gehörte einer angesehenen Familie von Toulouse an, genoß eine vorzügliche Erziehung, schwang sich zum Generalsecretär der Galeeren empor und wurde Mitglied der französischen Academie und der Academie von Toulouse. Er kam früh nach Paris, lernte den Schauspieler Raisin kennen und wurde hierdurch zur Bühnenschriftstellerei verlockt. Er nahm sich Racine zum Vorbild, der ihn auch geschäßt haben soll. Sein erstes Stück war die Virginie (1683). Größern Erfolg hatten sein Alcibiade (1684), sein Andronique (1685) und besonders seine lezte Tragödie Tiridate (1690). Diese Stücke zeichnen sich besonders durch den gelungenen Aufbau der Handlung aus, doch auch die Ausführung der einzelnen Scene ist zum Theil sehr fein und sorgfältig, besonders in den zärtlichen und pathetischen Situationen. Schwächer ist er in der Charakteristik und in der Versification.

Auch Péchantré (1638-1708) war aus Toulouse, auch er wendete, sich zeitig Paris und der Bühne zu. Der Erfolg seiner ersten Tragödie Géta war viel versprechend, sie bezeichnet aber zugleich den Höhepunkt dieses Dichters und seines doch nur schwachen Talents.

*) Im Jahre 1709 bestanden ihre Mitglieder nach Despois aus 43 Geistlichen. Unter 17 weltlichen Mitgliedern befanden sich 1 Herzog, 3 Marquis, 1 Graf und verschiedene königliche Räthe. Von Berufsschriftstellern finden sich damals nur Boileau, Th. Corneille, Fontenelle, Tourreil, Dacier, de Sach und Campistron verzeichnet.

Brölk, Drama II.

10

Einer der begabtesten und gebildetsten tragischen Dichter am Ausgang des 17. Jahrhunderts war Antoine de la Fosse, Sieur d'Aubigny, geboren 1653 zu Paris, wo er auch 1708 starb. Er machte seine Carrière durch den Marquis de Créqui und den Herzog von Aumont, denen er nacheinander als Secretär diente. Daneben widmete er sich der Dichtung und Schriftstellerei. Sein erstes Stück war die Tragödie Polixène (1696). Es wurde sehr streng beurtheilt; nichts destoweniger erkannte man aber, daß der vor kurzem gestorbene Campistron durch ihn wieder erseßt werden würde. Einen ungleich größeren Erfolg hatte sein 1698 zur Aufführung gekommener Manlius, Er wird ganz allgemein als dasjenige Stück bezeichnet, welches den Arbeiten Racine's, am nächsten steht. Man verübelte aber dem Dichter, daß er zwar seine römische, nicht aber seine englische Quelle genannt, da er verschiedene Motive und Situationen dem Venice preserved des Otway entlehnt hatte. Zwar hat man es dadurch zu entschuldigen versucht, daß dieser selbst erst aus einer französischen Quelle, der Histoire de la conjuration de Venise des Abbé de St. Réal geschöpft hat. Der Erfolg der beiden leßten Werke des Dichters: Thésée (1700) und Corésus et Callirhoé (1703) blieb weit zurück hinter dem seines Manlius. In Corésus et Callirhoé behandelte de la Fosse denselben Stoff, wie Guarini in seinem Pastor fido, jedoch mit ungleich weniger Glück.

Auch die geistlichen Dramen Duché de Vancy's (1668—1704) verdienen Hervorhebung. Sie waren wie Boyer's Judith durch die beiden gleichartigen Meisterwerke Racine's hervorgerufen, die überhaupt eine größere Nachfolge hatten. Sie wurden sowohl in St. Cyr wie in Paris gegeben. Nur der Absalon (1702) aber hatte einen nachhaltigen Erfolg. Duché de Vanch zeichnete sich auch unter den Operndichtern aus.

Ungleich reicher als die Tragödie ist in den lehten Decennien des Jahrhunderts das Lustspiel vertreten. Ehe ich mich dessen Darstellung aber zuwende, wird es nöthig sein, der Entwicklung der französischen Bühne und Schauspielkunst einen flüchtigen Blick zu vergönnen.

[blocks in formation]

Die Entwicklung der Bühne und Schauspielkunft im 17. Jahrhundert.*) Die Troupe royale des Comédiens des Hôtel de Bourgogne. Die Troupe du Marais. Bühneneinrichtung. Zuschauer auf der Bühne. - Einfluß der Italiener auf die Schauspielkunst und das Decorationswesen. Die Theater

[ocr errors]

Ein

Das Theater

[ocr errors]

Ber

de la Foire. Das Theater de Mademoiselle. Das Theater du Dauphin. richtung des Theaters du petit Bourbon. Die Troupe de Monsieur, spätere Troupe du Roi. Entstehung der Ausstattungsstücke und der Oper. Der Marquis von Sourdéac. Der Abbé Perrin. Lambert. Lully. Guénégaud. Uebersiedelung der Molière'schen Truppe in leßteres. einigung mit der Troupe du Marais. Einfluß Lully's. Kampf mit den Theatern de la Foire. Vereinigung der Truppe des Theaters Guénégaud mit der des Hôtel de Bourgogne. Kämpfe mit der Geistlichkeit. Uebersiedelung der Comédiens français nach der Rue neuve des Fossés St. Germain. Schwindendes Theaterinteresse des Königs. Die Comédie française unter der Oberaufsicht der Grande - Dauphine. Die Schauspieler des 17. Jahrhunderts. - Frauen auf der Bühne. Aelteste Farcenspieler. Die Schauspieler unter Mondory und Bellerose.

Floridor.

Die Schauspieler Molière's. Zusammenhang der französischen Schauspielertruppen nach Molière's Tode. - Michel Baron. Melle Champmeslė. Theatersubventionen. Theater

[merged small][merged small][merged small][ocr errors][merged small][ocr errors][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small]

Die Nachrichten, welche bis jezt über die Entwicklung der französischen Bühne seit Gründung des Theâtre du Marais bis zur Ankunft Mondory's daselbst vorliegen, sind noch immer sehr dürftig. Die Schauspieler des Hôtel de Bourgogne hatten in den ersten Jahren der Regierung Ludwigs XIII. die Erlaubniß erlangt, sich die Troupe royale des comédiens nennen zu dürfen. 1615 reichten sie das Gesuch ein, ihnen für alle Zeit die Benutzung des Theaters in jenem Gebäude zuzugestehen und sie fortan von der an die Confrères de la Passion (die sie in einem sehr gehässigen Lichte dar

*) S. Parfait, a. a. O., sowie Memoires pour servir à l'histoire des spectacles de la foire, Paris 1743. - Parfait, Hist, de l'ancien théâtre italien en France. Ludovic Beauchamps, a. a. O. Sand, Masques et Bouffons.

[ocr errors]

Paris 1753.
Celler, Les décors, les costumes et la mise en scène au 17. Siècle, Paris 1869.
Eugène Despois. Le théâtre français sous Louis XIV. Paris 1874.
Ed. Moland. Oeuvres de Molière. Paris 1873. Fournel. Les contemporains
de Molière. Paris 1875.

stellten) bisher geleisteten Vergütung zu befreien. Nur der erste Theil dieses Gesuchs wurde bewilligt. Erst 1677, unter Ludwig XIV., kam auch die in dem zweiten Theil aufgeworfene Frage zu endgiltiger Entscheidung. Das Privileg der Passionsbrüder wurde zwar aufgehoben, die Comédiens aber bedeutet, für die Benüßung des Saals eine Abgabe an das allgemeine Krankenhaus von Paris zu entrichten.

Das Theater des Hôtel de Bourgogne hatte durch die vorgedachte Ernennung eine Art von officiellem Charakter erhalten; wie es denn später auch subventionirt wurde. Die erste bestimmte Nachricht einer Subvention datirt aus dem Jahre 1641. Sie hatte damals die Höhe von 12000 Livres, die sie dann lange behalten zu haben scheint. In diesem Jahre erließ Ludwig XIII. gelegentlich der Adelserneuerung des Schauspielers Floridor, eine Erklärung, in welcher es heißt:,,Nous voulons que l'exercise des comédiens, qui peut innocemment divertir nos peuples de diverses occupations mauvaises, ne puisse leur être imputé à blame, ni préjudicier à leur réputation dans le commerce public." Die troupe royale wurde auch durch den Besuch des Hofes und in den Engagements der Darsteller unterstüßt. Die von Richelieu gegründete Gazette besprach lange nur ihre Darstellungen. Dies gab ihr ein Uebergewicht in der Meinung des Publikums, welches dem Theater du Marais fühlbar wurde, dessen Schauspieler daher im Geheimen meist darnach strebten, Mitglieder des Hôtel de Bourgogne zu werden. Auch scheint es, als ob das Theater du Marais wiederholt genöthigt gewesen wäre, seine Vorstellungen wegen Mangel an Besuch einzustellen. Eine solche Unterbrechung muß auch vor Ankunft Mondory's stattgefunden haben, wobei es geschehen sein mag, daß ein Theil der Schauspieler zum Hôtel de Bourgogne übergegangen war, der andere sein Heil in der Provinz gesucht hatte; die Nachrichten weisen auf beides hin.

Es scheint, daß Mondory 1629 das alte Theater du Marais im Hôtel d'Argent bezog. 1632 befindet sich ein Theater dieses Namens in der Rue Michel-le-Comte. Von hier vertrieben taucht es 1635 in der Rue Vieille du Temple auf. 1634 traten die sechs besten Schauspieler des Marais zu dem Theater des Hôtel de Bourgogne über, wie man sagt, auf Befehl des Königs.*) Dies kann wohl nur

*) Hierauf bezieht sich wohl auch die Mittheilung der Gazette, daß Mon

[blocks in formation]

heißen, daß leßteres den Befehl erhielt, dieselben zu engagiren, denn daß Ludwig XIII., welcher die Rechte der Passionsbrüder geachtet hatte, so willkürlich in die Rechtsverhältnisse des Theaters du Marais eingegriffen haben sollte, ist nicht recht wahrscheinlich. Alles dies mußte dem leztgenannten Theater aber allmählich [die Theaterdichter entfremden. Die Lage des Marais war mithin eine schwierige. Es besaß jedoch in Mondory einen trefflichen Leiter; den Mann der Initiative, welcher die großen schauspielerischen und dramatischen Talente ausfindig zu machen, sie zu sich heranzuziehen und ihnen Bahn zu brechen verstand. Die Concurrenz dieser beiden Theater konnte daher der Entwicklung des Dramas und der Schauspielkunst nur förderlich sein. Sie war ihnen aber auch materiell keineswegs nachtheilig, weil sie das Theaterinteresse in ungewöhnlicher Weise anregte und steigerte.

Seit das Theater auf die Darstellungen von Mysterien hatte verzichten müssen, hatte die Bühne ohne Zweifel große Veränderungen erfahren. Noch mehr wurde dies durch die Einfachheit des in Aufnahme gekommenen regelmäßigen Dramas bedingt, wenn lezteres auch anfänglich den Wechsel der Scene nicht vollständig ausschloß. Jules Benassier*) behauptet, daß die Scene im Theater das Hôtel de Bourgogne nicht mehr als 15 Fuß Breite gehabt, die sich in der Tiefe auf 11 Fuß verjüngt habe. Diese Angabe scheint aber auf keiner sehr zuverlässigen Ueberlieferung zu beruhen.. Wie hätten auf diesem kleinen Raum wohl noch mehrere Reihen Zuschauer zu beiden Seiten der Spieler Plaz finden sollen? Besonders anfänglich mußte die Breite dieser Bühnen viel größer sein, da die Passionsbrüder ja vornehmlich Mysterienspiele auf ihr darstellen wollten. Nach Wegfall dieser Spiele konnte man aber um so eher auf eine Vereinfachung und Verengerung des Schauplazes denken, je einfacher selbst noch diejenigen Stücke wurden, welche den Wechsel der Scene nicht vollkommen ausschlossen. Ein in der Pariser Nationalbibliothek befindliches Manuskript**), welches eine ganze Reihe von Decorationsskizzen der ersten Stücke Corneille's, sowie

dory 1634 die Sophonisbe des Mairet mit seiner Truppe encore ralliée pour cette fois gespielt habe.

*) La comédie française. Paris 1868. Mémoire de plusieurs décorations continué par Michel Laurent en 1673.

. 10.

commencé par Laurent Mahelot

« PrécédentContinuer »