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derjenigen Hardy's, Ryer's und Andrer enthält, giebt über die Bühneneinrichtung jener Zeit nähere Aufschlüsse. Nach ihnen stellte die Decoration etwa so viel einzelne in einem Halbkreis angeordnete Schaupläge dar, gewöhnlich drei, wie es scheint nie über fünf, als das Stück forderte. Enthielt dies aber noch eine darüber hinausgehende Zahl von Ortsveränderungen, so wurden diese durch Verwandlung der Decoration des einen oder andren dieser Schaupläße herbeigeführt, die sich hinter Vorhängen vollzog, da jeder Schauplah durch diese geschlossen werden konnte und nur dann und so lange geöffnet worden zu sein scheint, als das Stück denselben gerade bedingte. So heißt es z. B. in der Bühnenanweisung zu Lisandre et Caliste von Du Ryer (1639) „in der Mitte des Theaters steht das kleine Castell aus der Rue St. Jacques zu Paris, daneben muß man eine Straße darstellen, in welcher die Fleischer wohnen und in der Bude eines der letteren muß ein Fenster angebracht sein, das einem vergitterten Kerkerfenster gegenüberliegt, damit Lisandre mit Caliste sprechen könne. Im ersten Akt muß dies verborgen bleiben und erst im zweiten Akt vorkommen, nach diesem wieder verhüllt werden. Der Vorhang stellt dann einen Palast dar. Auf der einen Seite erhebt sich ein Berg, auf dessen Gipfel eine Einsiedelei steht. Aus einer zweiten Einsiedelei am Fuße des Berges tritt der Eremit hervor. Auf der andern Seite sieht man ein Zimmer, zu dem einige Stufen hinaufführen und in das man von hinten eintreten kann..." Diese Schaupläße waren also keineswegs immer perspectivisch gemalt, sondern zum Theil auch praktikabel, so daß einzelne Scenen nicht blos auf dem allgemeinen Sprechplaze vor ihnen, sondern auch in ihnen stattfanden. Dies geht u. A. aus einer Anweisung in Mesnadière's Poetik hervor welche sich auf die Darstellung von Gefängnissen bezieht: „Le spectacle des prisons étant assez ordinaire parmi les actions tragiques, il faut que l'endroit de la scène, qui répresente les cachots, soit fermé par des clostures, qui puissent vrai - semblablement arrester les prisonniers. Jamais la personne captive ne doit sortir en parlant hors des bornes de sa prison, pour se jetter de ce lieu là sur le devant du théâtre." Corneille kämpfte dagegen wider die Anwendung von Gittern vor den Gefängnissen an. Es ist gewiß daß diese Darstellungsweise in Bezug auf Veranschaulichung der äuHeren Situation ohne allen malerischen, ja ohne künstlerischen Reiz,

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überhaupt war, daß sie dieselbe mehr nur symbolisch andeutete, als den Zuschauer unmittelbar in sie einführte, der in seiner Illusion durch die gerade leeren oder verhüllten Schaupläße fortwährend gestört werden mußte.

Inzwischen drangen die Gelehrten aber immer entschiedener auf die Einheit der Zeit und des Ortes, so daß die Dichter mehr und mehr darauf ausgingen die Handlung auf einen einzigen Schauplaß, wenn auch nicht für das ganze Stück, so doch für jeden einzelnen Akt zu beschränken. Auch lernte man die Bühneneinrichtung der Italiener und deren Vorzüge kennen, so daß man sich bald mit der einfachen, durch Vorhänge verschließbaren Hinterbühne begnügte, hinter welchen die etwa nöthigen Verwandlungen stattfinden konnten. Da die Vorbühne seitlich wahrscheinlich auch nur durch Vorhänge oder Teppiche geschlossen wurde, so bildete die Vorderbühne bei geschlossener Hinterbühne einen ganz nur von Vorhängen oder Teppichen umgrenzten Schauplah, an dem sich die Schauspieler wohl auch, von jeder weiteren Decoration und allem Scenenwechsel absehend, um Kosten zu sparen, genügen ließen.

Es ist irrig, wenn Perrault*) diese lezte Einrichtung für die ursprüngliche der französischen Bühne hält und behauptet, daß erst mit Mairet's Sylvie die gemalten Decorationen auf den Pariser Theatern eingeführt worden seien, da es überhaupt fraglich ist, ob diese Darstellungsweise hier zu irgend einer Zeit allgemein bräuchlich war. Wohl aber dürfte sie in den Theatern der Collèges und in denen der im Lande herumziehenden Truppen die übliche gewesen sein, und sich von hier aus auch zeitweilig auf die Pariser öffentlichen Bühnen mit übertragen haben. Aus dem Manuscripte der Laurent Mahelot und Michel Laurent in der Pariser National-Bibliothek geht unwiderleglich hervor, daß die von ihnen darin verzeichneten Stücke sämmtlich mit gemalten Decorationen der allerdings einfachsten Art und später mit Umgehung von allem Decorationswechsel **) selbst noch da zur Darstellung kamen,

*) In seinem Parallèle des anciens et modernes. Paris 1682.

**) So heißt es z. B. beim Cid: Le théâtre est une chambre à quatre portes. Il faut un fauteuil pour le roi; und bei Cinna: Le théâtre est un palais. Au second acte il faut un fauteuil et deux tabourets; au cinquième il faut un fauteuil et un tabouret à gauche du roi u. s. f. Der Einwurf d'Aubig

wo die Handlung, wie im Cid oder Cinna, eine Verschiedenheit des Schauplazes forderte. Die Theaterdirectoren durften sich der Kostenersparung wegen diese gegen die Wahrscheinlichkeit streitende Vereinfachung erlauben, weil das Publikum auf das Aeußere der Inscene damals noch gar keinen Werth legte.

Immerhin näherte sich aber die Einrichtung der Bühne allmälich der heutigen an, wenn auch nur in der einfachsten, abstractesten Form. Die Scene wurde in der Tiefe durch einen gemalten Hintergrund, an den Seiten aber wahrscheinlich durch Vorhänge abgeschlossen, die in der Nähe des Hintergrunds je einen Zugang freiließen; wenigstens heißt es, daß die Schauspieler stets nur vom Hintergrund aus auftraten, was später schon dadurch bedingt war, daß zu beiden Seiten der Bühne Zuschauer saßen. Man hat öfter gesagt, daß dieser Gebrauch von der ersten Vorstellung des Cid herrührte, bei welcher der Andrang des Publikums ein so großer gewesen sei, daß man nach dieser Auskunft gegriffen habe. Aber weder Mesnadière (1640) noch d'Aubignac in seiner Prâtique du Théâtre (1657) gedenkt dieses Uebelstandes und der mit ihm eingerissenen Mißbräuche; wohl aber Tallémant, der nur kurze Zeit später, als lezterer schrieb. Scarron (1648) sagt nur, daß sich die Autoren zuweilen auf die Bühne geflüchtet hätten und auch Tallémant bezeichnet den Plaß auf der Bühne noch als einen solchen, welcher von jungen Leuten benußt werde, denen die Logen zu theuer seien, die aber doch nicht in's Parterre gehen wollten. Erst später wurde es der Plaz der vornehmen Herren, der Précieux und der Offiziere; doch auch Damen müssen sich zeitweilig hier eingefunden haben, da sie im Jahre 1695 in Boyer's Judith durch ihre hier zur Schau gestellte Empfindsamkeit Furore machten und das Gelächter des Parterres herausforderten. Eine Scene des Stückes hat hiervon den Spottnamen der Scène à mouchoirs erhalten. Der Andrang zu diesen Pläzen war oft ein so großer, daß wie Chappuzeau sagt, die Schauspieler nicht Raum fanden, sich in zweckmäßiger Weise aufstellen zu können. Wir vermögen heute kaum zu begreifen, wie eine derartig gestörte und beengte Vorstellung eine bedeutendere Illusion auszuüben

nac's gegen die Ungereimtheit die Verschwörung in Cinna in das Empfangszimmer des Augustus zu verlegen, trifft also nicht den Dichter, sondern die Theater.

Einfluß der Spanier und Italiener.

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im Stande war; doch ist es wohl zu weit gegangen, wenn man von dieser Gewohnheit, welche eine lebendige Action allerdings ganz unmöglich machte, den declamatorischen Charakter der französischen Bühne hergeleitet hat, da das französische Drama diesen Charakter schon lange vor Einführung dieses Uebelstandes gewonnen hatte.

Ich halte es nicht für unwahrscheinlich, daß diese Einrichtung von Spanien aus, wo sie jedoch lokalen Ursachen entsprang, auf Paris übertragen wurde. Der spanische Einfluß war zu Scarrons Zeiten noch immer sehr groß. Er wuchs später noch durch die Königin Marie Therêse, die, wie wir wissen, sogar für längere Zeit ein spanisches Theater in Paris unterhielt. Größer, besonders auf das Lustspiel, sowie auf die Schauspielkunst, war aber der italienische Einfluß.

Die Erfolge der verschiedenen nach Paris berufenen italienischen Schauspielergesellschaften, die im Zusammenhang standen mit der größeren Verbreitung der italienischen Sprache, erklären dies schon allein. Doch blieb selbst bei ihnen die Sprache noch immer ein Hinderniß, um festen Fuß fassen zu können. Größer noch freilich war das, welches sie in den Privilegien der Schauspieler des Hôtel de Bourgogne fanden, die sich dieser gefährlichen Concurrenz in jeder Weise zu entledigen suchten. Die Gesellschaft der Fedeli unter J. B. Andreini, welche von Marie de Medicis nach Paris berufen worden war, tehrte schon 1618 nach Italien zurück; erschien zwar 1621 aufs Neue, um aber auch jezt und zwar nicht ohne Unterbrechung, nur bis 1625 zu bleiben. Erst 1639 erschien eine neue Truppe, bei welcher der berühmte Schauspieler Tiberio Fiorillo, genannt Scaramuccia war. Auch sie blieb nur wenige Jahre. 1645 wurde dann von Mazarin die erste italienische Operettengesellschaft nach Paris berufen, für die er ein besonderes Theater im Hôtel du Petit Bourbon von dem berühmten Architekten Torelli erbauen und einrichten ließ; was, da Torelli eine feste Anstellung als Hofarchitekt erhielt, für die Entwicklung des Pariser Decorationswesens ebenso epochemachend wurde, wie die Vorstellung der Finta Pazza grundlegend für die Entwicklung der französischen Oper. Aber selbst noch diese Truppe, welche den Titel der grande troupe royale des comédiens italiens erhielt, blieb nur furze Zeit in Paris. Erst der im Jahre 1653 unter Scaramuccia erscheinenden Gesellschaft gelang es dauernd Fuß hier zu fassen, sie kehrte nur einmal für einige Zeit (1659–62) nach Italien zurück.

Auch ihr wurde dies aber nur möglich, weil sie ihre italienischen Spiele allmählich mit Scenen in französischer Sprache vermischte, worin ihr die Schauspieler de la foire vorangegangen waren, welche die Freiheiten der Jahrmärkte von St. Germain und St. Laurent benüßend, inzwischen hervorgetreten waren. Zu ihnen gehörte auch das Theater de Mademoiselle (1661), an dessen Spiße der Schauspieler Dorimon stand und das Théâtre de la troupe du Dauphin (1664), welches längere Zeit von dem Schauspieler Raisin geleitet wurde. Die Italiener hatten 1653 das Theater du petit Bourbon angewiesen erhalten, welches sie von 1658 mit der Molière'schen Truppe zu theilen hatten, diese erhielt die schlechteren Spieltage, wofür sie den Italienern eine jährliche Entschädigung von 1500 Livres zu zahlen hatte, ein Verhältniß, welches schon 1659, durch den oben erwähnten Weggang der Italiener, sein Ende erreichte. Molière erhielt jezt dieses Theater ausschließlich zu seiner Benüßung. Auf kurze Zeit nur jedoch, weil schon im nächsten Jahre, wegen der nöthig gewordenen Erweiterung des Louvre, das Hôtel de Bourbon abgetragen wurde, ohne daß Molière davon auch nur vorher in Kenntniß gesezt worden war. Das leßte beruhte auf einer Intrigue, zu der sich der Intendant der königlichen Gebäude, de Ratibon, hatte gebrauchen lassen. Molière legte natürlich Beschwerde ein, worauf ihm der Saal des Palais royal ange= wiesen wurde, den er sich aber theilweise neu einrichten lassen mußte. Inzwischen erhielt er dadurch einen zugleich zweckmäßigeren und räumlicheren Schauplaß.

Der Saal des Petit Bourbon hatte eine Länge von 108 Fuß auf eine Breite von 48 Fuß. Der Saal des Palais Royal, früher Palais Cardinal genannt, war schon von Richelieu zum Theater eingerichtet worden, jezt aber ziemlich verfallen. Er hatte eine Länge von 126 Fuß auf 63 Fuß Breite. In 27 mäßigen Abstufungen, von nur 4-5 Zoll Höhe erhoben sich die Size der Zuschauer, die ihren räumlichen Abschluß durch zwei Reihen von Logen erhielten. Dieses Theater galt damals für das größte der Welt. Doch faßte es bei weitem nicht die Zuschauerzahl, welche ihm gewöhnlich beigemessen wurde und die sich auf 3-4000 belaufen sollte.

1662 kehrten die Italiener zurück. Molière wurde angewiesen, mit ihnen zu alterniren. Sie traten nun ganz in dasselbe Verhältniß

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