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kant, Namens Petit, brachte sich durch seine Ofenschirme mit Bildern aus dem Beaumarchais’schen Lustspiele in Aufnahme.

Mitten in dem Tumulte dieses Erfolgs schrieb dieser aber seinen Tarare, mit welchem er auf dem Gebiete der Oper eine ähnliche Sensation hervorzubringen gedachte. Beaumarchais verzichtete diesmal auf die musikalische Composition, zu welcher er keinen Geringeren als Gluck ausersehen hatte, der ihm jedoch Salieri empfahl. Dieser übernahm sie denn auch, obschon Beaumarchais es sich zur Bedingung gemacht, daß die Musik der Dichtung untergeordnet erscheinen müsse. Troß der Ungelegenheiten, welche ihm die Affaire Kormann zu dieser Zeit wieder bereitete, fand die Aufführung doch schon am 8. Juni 1787 statt. Der Andrang war kaum minder groß, als bei der ersten Aufführung von la folle journée, aber die Aufnahme kühler, man war mehr erstaunt und verwundert, als hingerissen. Gleichwohl hatte Tarare viele Wiederholungen und erhielt sich mit mehreren Pausen bis 1819 auf der Bühne.*) Das Stück ist hier nur wichtig, weil sich an ihm der Einfluß recht deutlich machen läßt, welchen die Parteien während der Revolution auf das Theater ausübten. Dem Inhalte nach könnte man Tarare das revolutionärste der Beaumarchais'schen Dramen nennen. Ein Tyrann wird gestürzt und der aus der Niedrigkeit emporgestiegene, aber durch Herrschereigenschaften ausgezeichnete Tarare an seine Stelle gesetzt. Auch hier handelte es sich aber nur um denselben, in den beiden vorausgegangenen Stücken schon behandelten Gedanken, daß die geistige Ueberlegenheit, von wie dunkler Herkunft sie sei, über der Geburt stehe und den Rang, den diese sich nicht selten unverdient angemaßt habe, wirklich verdiene. Dies spricht sich aufs deutlichste in folgenden Versen der Dichtung aus:

Mortel, qui que tu sois, prince, brahme ou soldat,
Homme, ta grandeur sur la terre

N'appartient point à ton état,

Elle est toute à ton caractère.

Im Jahre 1790 machte Beaumarchais aus dem Tarare einen konstitutionellen König, wobei er das konstitutionelle Königthum mit einem Seitenblick auf Ludwig XVI. verherrlichte.

*) St. Beuve spricht sogar von einer Wideraufnahme 1821.

Beaumarchais. Tarare.

Nous avons le meilleur des rois,

Jurons de mourir sous ses lois.

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Diese Stelle wurde im Juni d. J. von dem Censor Bailly bereits beanstandet. Im August gab sie Anlaß zu einem furchtbaren Tumult zwischen Aristokraten und Patrioten, so daß die Nationalgarde einschreiten mußte. Doch erhielt sich das Stück bis 10. August 1792. Im Jahre 1795, bei der Wiederaufnahme desselben, wurde in Beaumarchais' Abwesenheit an die Stelle des constitutionellen Königs das die Freiheit bringende Gesez gerückt. Auch 1802 wird es eine neue Metamorphose erlebt haben. 1819 kehrte Tarare zum absoluten Königthum wieder zurück.

Beaumarchais hatte die Revolution so wenig vorausgesehen, er glaubte so fest an eine glückliche Entwicklung der Dinge, daß er im Jahre 1789 auf dem jezt nach ihm benannten Boulevard, einen Prachtbau aufführen ließ, welcher 1663000 fr. verschlang, als ein Wunderwerk des Geschmacks und der Kunst angestaunt wurde, seinen Feinden aber nur zu bald Gelegenheit bot, ihn dem Volk und den extremen Parteien verdächtig zu machen. Zu dieser Zeit schrieb er auch den dritten Theil seiner Figaro - Trilogie: L'autre Tartuffe ou La mère coupable, welcher im folgenden Jahre beendet wurde, und in dem die Heiterkeit, die in den beiden andren Theilen geherrscht, völlig erstorben und die Erfindungskraft des Dichters schon beträchtlich ge= schwächt erscheint. Wenn es darin auch nicht an einzelnen bedeutenden und wirkungsvollen Momenten fehlt, so macht doch das Ganze einen allzu absichtlichen, hier und da sogar einen erquälten, müden Eindruck. Auch fühlt man es diesem dritten Theile allzusehr an, daß er durchaus nicht im Plane und in der Conception der beiden ersten Theile mit lag. Es ist fast keine der in ihnen schon thätig gewesenen Personen wiederzuerkennen, am wenigsten Figaro. Der Dichter griff darin auf das Rührdrama, von welchem er ausging, zurück.

Beaumarchais war durch den Streit mit Colasse, der sich aus dem Prozesse Kormann entwickelt hatte, wieder sehr in der öffentlichen Meinung gefallen. Er hatte wohl das Bedürfniß, sich zu rehabilitiren, doch fehlte es ihm an dem Antriebe, sich seinem Widersacher mit dem alten kecken Uebermuthe entgegenzuwerfen. Es kam ihm daher vor Allem darauf an, sich in einem so moralischen Lichte als möglich

zu zeigen. „Kommt ruft er im Vorwort der mère coupable seinen Landsleuten zu überzeugt euch, daß jeder Mensch, der nicht gleich als elender Bösewicht geboren wurde, damit aufhört, sich zu bessern, sobald nur die Leidenschaften verraucht sind, besonders wenn er das Glück hat, Vater zu sein. Dies euch zu zeigen, ist der hauptsächlichste Zweck meines Stücks." Beaumarchais kannte dies Glück. Er besaß eine Tochter, die er aufs zärtlichste liebte, und die Rücksicht auf sie, trieb ihn wohl auch in die lehrhafte Richtung zurück.

Im Januar 1791 beendet, wurde das Stück von den Schauspielern des Théâtre Français sofort angenommen. Gleichwohl verschob sich die Aufführung. Es war in der Zeit, da die Theater-Privilegien aufgehoben und die Theaterfreiheit proclamirt wurde. Beaumarchais benußte dies, um aufs Neue für die Autorenrechte in den Kampf gegen die Schauspieler zu treten. Dies führte natürlich zu einem Bruche mit diesen, der ihn nöthigte, sein Stück wieder zurückzuziehen. Er übertrug die Aufführung einer kleinen Truppe, welche mit seiner Unterstüßung ein Theater, das Théâtre du Marais, eröffnet hatte. Schwach gespielt, hatte es auch nur einen schwachen Erfolg, der aber einen bedeutenden Aufschwung nahm, als es im Jahre 1797 von den wieder versöhnten Comédiens Français dargestellt wurde.

Das Verhältniß Beaumarchais' zur Revolution kann hier nur berührt werden. Es genügt darauf hinzuweisen, daß er seit 1796, obschon im Auftrage der Regierung in's Ausland gegangen, von dieser als Emigrirter behandelt, sein Vermögen mit Beschlag belegt und seine Frau und Tochter vor Gericht gezogen wurden. Nur durch den Sturz der Terroristen entgingen diese dem Tode. Beaumarchais kehrte am 5. Juli 1796 aus seinem Exil zu seiner Familie zurück, fand aber sein Haus ruinirt, seinen Garten verwüstet, seine Papiere eingezogen, sein Vermögen confiscirt. Auch dieser Glückswechsel beugte ihn nicht. Er rief die alte Kampflust, den alten Unternehmungsgeist in ihm wach. Er errang sich durch seine Vertheidigungsschrift: Mes six époques aufs Neue die Gunst des Publikums, auch gelang es ihm nach und nach einen Theil des ihm geraubten Vermögens zurückzuerkämpfen. Er starb am 9. Mai 1799.

Die Bedeutung von Beaumarchais' Lustspielen, der Fortschritt, der in ihnen sich zeigte, ist in den Wirkungen aufs Tiefste empfunden und zum Theil auch anerkannt worden; eine unmittelbare, ihm einiger

Collin d'Harville. Fabre d'Eglantine.

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maßen ebenbürtige Nachfolge hat Beides aber nicht herbeizuführen. vermocht. Die zwei bedeutendsten Lustspieldichter des neunten Decenniums des 18. Jahrhunderts neben ihm waren Collin d'Harville und Fabre d'Eglantine.

Jean François Collin d'Harville*) wurde am 30. Mai 1755 zu Ménoisins geboren. Nachdem er die Rechte studirt, wendete er sich den Hängen seines Geistes nachgebend, ganz der Schriftstellerei zu. Das Lustspiel L'inconstant (1784) war sein dramatisches Erstlingswerk. Es hatte nur einen getheilten Erfolg; ein voller ward 1788 seinem Optimiste zu Theil. Der Dichter zeichnete seinen eigenen Charakter darin. Die Güte, Milde und Liebenswürdigkeit desselben tritt auch aus seinen Châteaux d'Espagne und Le vieux célibateur gewinnend hervor. Letterer erschien mitten in der Zeit des Terrorismus und bildete dazu einen ergreifenden Gegensatz. Fast all seinen Stücken fehlt es aber an eigentlicher Komik. Es sind Charaktergemälde, die, ohne larmoyant zu werden, Herz und Gemüth zu befriedigen suchen. Sein Optimiste führte einen Bruch zwischen ihm und Fabre d'Eglantine herbei, der ihn in der Vorrede zu seinem Philinte de Molière in einer Weise angriff, die ihn unter den damaligen Verhältnissen leicht aufs Schaffot bringen konnte. Ein Freund Ducis' und Andrieux', wurde er von beiden besungen. Er starb am 24. Februar 1806.

Philippe François Nazaire Fabre, geboren 28. December 1755 zu Carcasonne, legte sich den Namen d'Eglantine nach dem Preise der wilden Rose bei, den er schon früh bei den jeux floraux gewann. Er wendete sich später der Bühne zu, die er als Schauspieler in Genf, Lyon und Brüssel betrat. Nach seiner Uebersiedlung nach Paris, 1785, widmete er sich der Schriftstellerei und der Politik. Sein dramatisches Hauptwerk ist das fünfaktige Verslustspiel: Le Philinte de Molière ou la suite du misanthrope. Er geißelt darin den Egoismus der civilisirten Gesellschaft. Philinte ist hier völlig zum Egoisten geworden. Doch hatten auch seine übrigen Stücke Erfolg, besonders L'intrigue épistolaire (1792), Le convalescent de qualité, Les précepteurs und Le presomptueux ou L'heureux imaginaire. Heute sind sie freilich völlig vergessen. Fabre verfolgte in seinen Stücken die von Diderot und Beaumarchais eingeschlagene Richtung des mora

*) Sein Théâtre, herausgegeben von L. Moland. Paris 1876.

lisirenden Rührdramas, obschon seine eigne Moral die bedenklichsten Lücken zeigte. Er gehörte zu den exaltirtesten Männern der Revolution und stimmte für den Tod Ludwigs XVI. Obschon selber ein Geldspeculant der schlechtesten Sorte und der Bestechung beschuldigt, flagte er als Mitglied des Wohlfahrtsausschusses die Wucherer im Nationalconvent an. Er gehörte zur Partei Danton's und Desmoulin's. Sie desavouirten ihn jedoch, als er in ihren Sturz mit verwickelt, mit ihnen auf demselben Schaffot hingerichtet wurde. (5. April 1794). Seine Oeuvres melées erschienen Paris 1802.

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Wie die beiden vorgenannten Dichter ragten auch noch einige ältere, dem Lustspiel angehörende, in die Revolutionszeit herein; so Nicolas Chamfort*) (1741 —94), welcher schon 1764 mit dem Lustspiel La jeune indienne debutirte und besonders mit dem satirischen Lustspiel Le marchand de Smyrne großen Beifall erhielt. 1776 bestieg er mit Mustapha et Zéangir sogar den Kothurn. Es ist eine nicht ganz unglückliche Nachahmung des Bajazet und der Zaire. Chamfort schrieb auch einen Précis de l'art dramatique ancien et moderne (Paris 1808) und mit dem Abbé de la Porte einen Dictionnaire dramatique (1776). Auch Desfontaines Lavallier (1733 bis 1825) mit seinen Vaudevilles, Paraden und patriotischen Scenen, sowie Carbon de Flins des Oliviers (1757-1806), wegen seiner späteren politischen Gelegenheitsstücke, mag hier genannt werden.

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X.

Das Drama der Revolutions- und der Kaiserzeit.

Ursachen der Revolution.

Politische Bedeutung der Theater. Die Theater

freiheit. Die politischen Glegenheitsstücke und patriotischen Gesäuge. — Kampf der Parteien in den Theatern.

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Die Tragiker: Marie Joseph Chénier; Vincent Arnault; Lemercier; Raynouard. Die Lustspieldichter: Andrieux; Duval; Die kleinen Theater und ihre Spiele. Picard; Pigault Lebrun; Etienne. Das Melodrama: Pixérécourt; Caigniez; Ducange.

Die Revolution, von langer Hand vorbereitet, so daß schon Ludwig XV. in einzelnen Momenten den Zusammensturz der alten ge

*) Ginguené gab 1795 die Werke desselben mit einem biographischen Vorwort heraus. St. Beuve, Causeries du lundi. Bd. 4.

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