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wird in einem Zeitraume von dreitausend Jahren voll bracht *). Dieser Lehre war auch Josephus **) und Philo zugethan. Der lettere behauptet ansdrücklich, daß die Seelen, die sich aus der Luft in die irdischen Leiber herabgelassen haben, nach dem Tode wieder in den Áther zurückkehren. Einige von ihnen erhalten dann eine beständige Abneigung vor der Materie, und fürchten sich vor einer abermaligen Verbindung mit ihr; andere aber folgen einem dunkeln Triebe, und lassen sich wieder in neue Körper herab **)*.

Mehrere dieser Hypothese zugethanen Philosophen, als z. B. Pythagoras, Jarchas, Apolonius von Tyiana, und Empedokles behaupteten sich deutlich zu erinnern, wie vielmal und wer oder was sie in ihrem mehrmaligen Leben waren. Von Pythagoras erzählt der pontische Heraflides, daß er öfters von sich sagte, er sey ehemals als Athalides geboren, und für den Sohn des Hermes gehalten worden. Hermes habe ihm gesagt, er fónne außer der Unsterblichkeit alles wählen, was er wolle. Er habe nun gebeten, daß er sich sowol im Leben als nach dem Tode an alles möge erinnern können, was sich mit ihm durch seine verschiedene Leben zugetragen habe. Er habe also in seinen Leben alles im Gedächtnisse behalten, und eben dieß Gedächtniß sey ihm auch nach dem Tode verblieben. Einige Zeit nachher sey er als Euserbus wieder ins Leben gekommen, und von Menelaus verwun det worden. Euferbus aber, sagte er, sey einst Athali des gewesen, und habe von Hermes das Geschenk bekoms

*) Herodot, lib. II. 23.

**) Alterth. 18 2; und Kriege 2 12.

***) De conf, ling. p. 331. und an mehreren Stellen.

men, daß er die Seelenwanderung gekannt, wie die Seele nämlich in gewisse und in welche Thiere und Gewächse fie komme, und was die Seele im Hades leide. Nach Euferbs Tode sey seine Seele in Hermotim gekommen. Nach dem Tode des Hermotims sey er der delfische Fischer Pyrrhus geworden. Nach Pyrrhus Tode sey er nun Pythagoras geworden, und erinnere sich nun alles dessen, was mit ihm als Athalides, Euferbus, Hermotin und Pyrrhus vorgegangen sey.

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Aber nicht nur Philosophen der alten und mittlern Zeit haben diesen Wahn, sondern sogar gelehrte Mán ner der neuesten Zeit nehmen die Seelenwanderung, wenn nicht als apodiktisch wahr, doch als wahrscheinlich an. So. B. sagt Lessing *): Warum könnte jeder einzelne Mensch nicht mehr als einmal auf dieser Welt vorhanden fern? Ist diese Hypothese darum so lächerlich, weil sie die älteste ist? weil der menschliche Verstand, ehe ihn die Sophisterei der Schule zerstreut und geschwächt hatte, darauf verfiel? Warum könnte auch Ich nicht hier bes reite einmal alle die Schritte zu meiner Vervollkomm nung gethan haben, welche bloß zeitliche Belohnungen und Strafen bringen können? Und warum nicht ein an deresmal alle die, welche zu thun uns die Aussichten in ewige Belohnungen so mächtig helfen? Warum sollte ich nicht so oft wieder kommen, als ich neue Kenntnisse, neue Fertigkeiten zu erlangen geschickt bin? Bringe ich auf einmal so viel weg, daß es der Mühe wieder zu kommen etwa nicht lohnet ? Oder weil ich es vergesse, daß ich schon da gewesen? Wohl mir, daß ich das vergesse? Die Erinnerung meiner vorigen Zustände würde

*) Lessings Erziehung des Menschengeschlechtes. Berlin 1780 §. 94.

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mir nur einen schlechten Gebrauch des Gegenwärtigen zu machen erlauben. Und was ich für jest vergessen muß. habe ich das auf ewig vergessen? oder weil so viel Zeit für mich verloren gehen würde ? Verloren ? Und was habe ich denn zu versäumen? Ist nicht die ganze Ewigkeit mein? — «

An einem andern Orte *) fagt er: Der Saß, daß die Seelenwanderung gewiß das älteste aller philosophi schen Systeme sey, muß schon ein gutes Vorurtheil da für wirken. Denn die erste und älteste Meinung in spe= culativen Dingen ist immer die wahrscheinlichste; weil der gesunde Menschenverstand darauf verfiel. «

Herder widerlegt ihn **). Nachdem er bewiesen hat, daß zwar diese Hypothese alt, aber nicht wie Les fing meint, als Speculation philosophis cher Köpfe, sondern bloß Wahn sinnlicher Menschen sey; nachdem er dargethan hat, wie die alten Völker den Zustand der Seele nach dem Lode, nach ihren Beschäfti gungen im Leben, nach ihrer Meinung von der Gottheit, und nach ihrem Klima so mannigfaltig als verschiedenartig sich die erwähnten Gegenstände bei ihnen befanden, gemodelt, und daß die Priester in Ägypten und die Brahmanenklasse der Hindus, diese Lehre von der See* lenwanderung ausgebildet, und mit unzähligen Götter mährchen, nach der Organisation ihres Volkes, nach seinem Wahr und Glauben, und seiner Unsicht von der Welt, als Abbuße der in dieser Welt begangenen Sünden verschlungen haben, und nicht nur allein, wie wenig diese Hypothese auf die Moralität wirken kann!

*) Leffings Leben und Nachlaß . Th. S. 77.

**) Postscenien zur Geschichte der Menschheit S. 180 ff.

sondern um wie viel mehr schädlich derselben seen muß, sagt er ) :

» Hinweg mit der Seelenwanderung, als eine Búf, fungs Hypothese!

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Nur für Kinder, für sinn,

liche Menschen kann sie es seyn; und auch für diese

ist sie verderblich, da sie bei einigem Guten das Übelste bewirkt, was dem Menschen bewirkt werden kann, nám, lich sie unter Thierceremonien und Aberglauben, unter dem Joche eitler Furcht, in einem fortwährenden Kreisgange weniger Ideen gefangen zu halten. Das munterste Roß, das sein Leben hindurch mit ver deckten Augen den Mühlengang durchkreisen muß, verliert zulegt, wo nicht ganz seine Besinnung, aber gewiß seine edle Art. «

» Pythagoras, der bei der Einrichtung seiner phis losophischen Gesellschaft die Seelenwanderung als einen alten ägyptischen Glauben mit aufnahm, hatte dabei seiz ne Ursachen. Die "griechischen Fabeln vom Hades und Elysium ketteten die Menschen an die abgestorbenen Sa gen ihrer Urväter aus den sogenannten Heldenzeiten fest an; seinem Plane waren diese entgegen. Wenn er einen Bund der Edeln und Guten zur Men, schen aufklärung und Menschenglückseligkeit stiften wollte, so mußte man aus diesem engen Ideen. kreise alter Familiensagen heraus. Der Mensch mußte sich als Mensch betrachten; unter sich das Thier, über fich die Gottheit. Durch diese Hypothese wird er von der Furcht des Hades entbunden; er hörte auf ein

*) Diese Stelle ist so sinnig gedacht, so schön geschrieben, und so deutlich vorgetragen, daß wir uns nicht enthals ten können, sie in Extenso hier mitzutheilen; ob sie gleich im Bezug auf unsern Plan nur als ein Excurs anzuschen ist.

Knecht der Vorurtheile zu seyn, und sollte gegen seine Nebenmenschen das werden, was Menschen gegen Thiere find, ein Gott, sonst ging er nach seinem Tode wieder zu den Thieren. Wie mehreres andere, gab Pythagoras diese Lehre als Glaube weiter: ein philosophisches System ist meines Wissens, diese Lehre in Griechenland nie geworden. «

» Wie könnte sie es auch werden, da ihr alle Basis fehlt? Niemand weiß, wer er einst war, und ob er einst war, und er soll es auch nach diesem Glaus ben nicht wissen dürfen. Niemand weiß, wohin er ge.. he, und was aus ihm werde. Die Hypothese bekennt also selbs, daß sie Wissenschaft zu seyn nicht begehre. Man duldet aber, wo feine Wissenschaft, Statt findet so manche Hypothese, man duldet sie, weil sie erläutert, weil sie u etwas Gewissern führt, wird man etwa sagen: «

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» Aber was erläuterte, wozu führte diese? Era Täutert sie etwa das Unglück der Elenden, der Gebrechlichen, der Unterdrückten? Nichts weniger. Vielmehr er bittert sie gegen das Schicksal, das so rächt und straft Vergehungen eines vorigen Lebens, die uns die Unwen dung und den Genuß des Gegenwärtigen rauben, und noch dazu unbewußt rauben, ohne daß ein vernünftiger und besonderer Zweck erreicht werde. - Überhaupt ist der Begriff einer rächenden Gottheit, die da rácht ohne zu bessern; ein Unbegriff, ein häßlicher und verächtlicher Gedanke. IInd sehen wir nicht, daß eben Personen, welche die Vorsehung vernachläßiget, ja sogar vers wahrloset zu haben scheint, oft am glücklichsten gedeis hen; andere aber, die sie reich ausstattete, mißrathen?

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<»Eine Hypothese also, die uns das Leben zum blin den Gehorsam oder zur Fallbrücke macht, die uns ver

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