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anlaßt, wider die Vorsehung entweder zu murren, oder fie wie verzogene Lieblinge bübisch zu äffen und zu mißbrauchen; eine Hypothese, die uns zum Neide, zum Stolze, zuni Trúbsinn, zum Mißtrauen und zur Traus rigkeit verführt, und uns den klaren Anblick der Dinge, wie sie sind und werden hinweg nimmt solche Dichtung ist kein glücklicher Traum. «

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» Warum wollt ihr, daß der Tiger, die Hyane, der Ubscheulichkeiten wegen, die sie (sogenannte Menschen) an Menschen begehen, erst in einem künftigen (thieris schen) ben leiden, um ihre Verruchtheit, der keine Hölle weit und tief genug ist, durch eine Nache büßen sollen, die keinem von ihren Beleidigten und Unterdrüdten das Mindeste hilft? — Euch thut er das Unrecht; bindet ihn den Tiger (in Menschengestalt), und macht ihn zum Menschen (im edelsten Sinne), so rächet ihr euch aufs Edelste, und bewirkt selbst eine glückliche Metem psychose. Wie? Ihr wollt euch ruhig die Leber fressen lassen, damit eurem Geier in seinem künftigen Leben der Jäger einen Flügel wegschieße, und er Tage lang sich zu Tode martece? Schämt euch eurer niedrigen Trägheit, die sich mit kindischem Wahne täuscht. Paliogen i firt euch selbst, an euren leidenden und leidebringenden Theil so bedarf euch das Schicksal nicht zu paliogenesiren. »

An einem andern Orte *) führt Herder folgendes Gespräch zwischen Theages und Charikles an:

Charitles. Was halten Sie von der Seelenwan. derung der Juden, die die Rabbiner Jbbur 19 nen nen? Sie sagen, daß sich zu einem Menschen mehrere, auch Menschenseelen gesellen können, die ihm insonders

*)*Herders zerstreuete Blätter.

heit zu gewissen Zeiten (wenn nämlich ein freundschaftli cher Geist siehet, daß ers bedarf, und Gott es ihm ere laubt) beistehen, ihu stärken, begeistern, mit und in ihm wohnen. Sie verlassen ihn aber wenn das Geschäft zu

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Ende ist, dazu sie ihm helfen sollten; es sey denn, daß Gott einen Menschen mit diesem Beistande eines frem= den Geistes bis an sein Ende begünstige.

Thrages. Die Dichtung ist löblich. Sie bemerkt, wie ein Mensch so oft ungleich handelt, wie er inson. derheit in spätern Jahren bisweilen so sehr unter sich finkt. Der fremde hilfreiche Geist hat ihn verlassen, und er fist mit dem seinen nackt da. Auch ehrt die Einklei. dung außerordentliche Menschen auf eine schöne Weise Denn welch ein Lob ist es, daß einen Weisen die Seele eines alten Weisen, oder gar mehrere derselben auf einmal beleben! Sie halten aber doch die schöne poetiz tische Einkleidung nicht für physisch - historische Wahr. heit?

Ch. Wer weiß? Die Revolution menschlicher Seelen ist bei allen Völkern allgemein geglaubt worden. Sie haben doch die Frage an Johannes gelesen: » Bist du Elias? Bist du ein Prophet? Sie wissen, wer es sos gar bestätiget und gerade heraus sagte: Er ist Elias. «

Th, Und Sie haben doch den jüngern Helmont de revolutione animarum gelesen? Er hat in 200 Proble= men alle Sprüche und Gründe angebracht, die sich je auf das Wiederkommen der Seelen in menschliche Leiber nach jüdischen Begriffen deuten ließen.

Ch. Ich muß Ihnen sagen, daß mir die jüdische Revolution der Seelen immer gefallen hat: Kennen Sie fie genau?

Th. Ziemlich. Sie behauptet, daß die Seele zweioder dreimal, bei außerordentlichen Fällen mehrmal, ins

Leben wiederkehre, und das vollende, was sie noch nicht vollendet hatte. Sie fest, daß Gott die Perioden, der Welt nach diesen Revolutionen der Seelen eingerichtet ; daß er die Erade des Lichts und der Dämmerung, des Unglücks und der Freuden, ja endlich das Schicksal und die ganze Dauer der Welt darnach bestimmt habe. Die erste Auftrstehung sey eine Revolution folder vollendeten ins Leben wiederkehrenden Seelen. —

Ch as sagen Sie dagegen?

Th. Nichts, als daß ich nichts dafür sagen kann, weil alles entweder poetische Fiction ist, oder im Rathe Gottes ruhet. Die Sprüche wenigstens, die man dafür anführt, ben i en alle nichts.

Th. Urd auch die Vernunftsgründe nichts, die man dafür anführt? Taß Gott z. B. der ohne Ansehen der Person handelt, bei einem Daseyn der Seelen auf der Welt so viel Ansehen der Person beweise; daß der Langmüthige und Gerechte jedem Zeit und Raum zur Buße gebe; daß manchem Menschen, ja unschuldiger Weise der Genuß des Lebens so bitter gemacht, so abgekürzt werde -Sie gingen, mein Freund, über diese Eründe so hinweg, weil Sie, wie ich wohl sagen darf, widrig

Dagegen eingenommen waren, Denken Sie sich aber die Cahe menschlich; nehmen Sie das Schicksal der Mißge bornen, der Ungestalteten, der Armen, der Dummen, ter Krüppel, der entseglich Zurückgeseßten und Beleidig. ten, der jungen Kinder, die das Licht kaum fahen, und fort mußten; nehmen Sie dieß alles zu Herzen, und entweder müssen Sie von ihrer Fortrückung in jene Welt schwache Begriffe haben, oder diesen Personen müssen hier erst Fittige gemacht werden, damit sie andern nur von ferne nachschweben lernen, damit sie einigermaßen nur Erfaz für fatale oder fatal verkürzte Zeiträume in

Dieser Welt erlangen können. An Fortrückung zu einem höhern als dem menschlichen Daseyn ist bei ihnen schwerlich zu gedenken.

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Th. Warum nicht? Niemand gibt, wie Gott gibt, und niemand kann wie Gott ersehen und vergelten. len Geschöpfen gab er das Daseyn aus freier Liebe" Wenn einige zurückgesezt scheinen, hat er nicht örter, Einrichtungen, Welten genug, wo er durch eine Vers pflanzung tauses fach erseßt und belohnt? Ein zu früh gestorbenes Kind, ein Jüngling, der für diese rauhe Erdenklima gleichsam zu zart war alle Nationen ha ben es gefühlt, daß ihn die Götter geliebt *) — und die werth geachtete Pflanze in einen schönen Garten versezt haben. Oder hat Gott etwa kein anderes Räum chen, als diese Erde? Muß er ausjåten, um Play zu gewinnen, und die ausgerissene Pflanze so lange in der Borrathskammer ungeborner Seelen welken und warten. lassen, bis er wieder eine Seele erjage? Wie viele Mens schen sind in jener Welt dadurch glücklich, daß sie hier unglücklich waren.

Ch. Wie kommt's, daß im Alterthume die weise, sten und so weit von einander entlegenen Nationen an der Lehre der Seelenwanderung ́, und zwar an der schlech. testen Lehre des Rückgangs der Wesen, daß der Mensch wieder Thier werde, so lange gefangen haben?

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Th. Es war Kindheit der Welt und ihrer Weisheit über das Schicksal des Menschen. Bei einigen, z. B. Ägyptern, Braminen, vielleicht auch bei Pythagoras selbst, war die Seelenwanderung Kirchenbuße, in einer anschaulichen moralischen Dichtung.

*) Wen die Götter lieben, der stirbt jung.

Horáz

Ch. Sonderbare Kirchenbuße in einer Dichtung!

Th. Gewissermaßen konnten beide damals nicht ohne einander bestehen. Sie wissen, die Weisheit der ältesten. Nationen war bei den Priestern. Wenn diese dem rohen Wolke keine rechten Ideen von der zukünftigen Welt ge= Hen konnten, oder selbst keine hatten: war es nicht gut, daß sie sie auch über die Zukunft nach diesem Leben mit sinnlichen Strafen schreckten? » Du Grausamer wirst zum Tiger, so wie du auch jezt schon eine Tigerseele äuferst; du Unreiner zu einer Sau, du Hoffartiger zum. Pfauen -da mußt du so lange büßen, bis du deiner entweihten Menschheit wieder würdig geachtet werdest. « Solche Anschaulichkeiten mit allem Ansehen der Religion gesagt, wirken ohne Zweifel mehr, als metaphysische Subtilitäten. Jeder sah die Natur des Thieres und das Schicksal desselben vor sich; der Lasterhafte fühlte den. Thiercharakter in sich; und nichts natürlicher, als daß er nun auch das Schicksal des Thiers, das ist, den reellen Übergang in dasselbe befürchtete. Wenn diese Lehre also einmal fest gestellt war, so konnte sie vielleicht von manchen Lastern abziehen, zu manchen Tugenden gewöhnen Wer wollte nicht lieber ein weißer Elephant als eine Sau seyn? Zumal wenn man die Natur und das Schicksal der Thiere mit Augen der Indier und Ägypter, mit je ner stillen Vertraulichkeit, ansiehet, in der die Kindheit der Welt mit den Thieren lebte. Sie glauben doch aber wohl nicht, Charikles, daß uns noch jest diese Lehre nöthig oder angemessen seyn sollte ?

Ch. Manchmal wäre der Glaube an sie vielleicht nicht übel. Wenn der Grausame, der einen armen Hirschen zu Tode quält, in dem Augenblicke von einer Iyms phatischen Ahnung ergriffen, dächte: „so wird es dir gehen! deine Seele soll in den Hirschen fahren, und auch

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