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Worte Davids (Ps. 15, 2) so schön als treffend: »Spreche zum Ewigen: Mein Herr: Du, du bist meine Seligkeit, nichts ist über dich.« Das heißt: meinen größten Lohn meiner guten Handlungen finde ich in der Seligkeit, daß ich dich erkenne. So ist Theorie und Praxis beisammen, und innigst mit einander verbunden, und beide wirken wechselseitig auf einander. Denn gut denken und handeln bewegt zur Erkenntniß Gottes, und Erkenntniß Gottes bewegt zum gut denken und handeln. Man findet zwar diesen Sah in mehreren Commentarien über die heilige Schrift aufgestellt; nirgends aber findet man ihn so deutlich erklärt, und für den Verstand so annehmbar, für das Herz so eindringend und gleichsam anschaulich dargestellt, als in den göttlichen Büchern dez Kabbalah. Wer die Erklärung des Verses (Hiob 4, 17) »Ist etwa der Mensch gerechter, als Gott" in dem Buche Jalkot und andern kabbalistischen Büchern nachliest und beherziget, bei dem wird sich seine magische Kraft unfehlbar außern.

27) Alle Tugenden, alles Schöne, Gute und Ange. nehme, alle edle, wirkliche, oder auch nur denkbare Tugenden müssen bei Gott im höchsten Grade vorhanden seyn; und da, wie oben erwiesen ist, Gott sich in dem Menschen concentrirt, und gleichsam mit ihm sich verähnlichet, um von ihm begriffen werden zu können, so ist es dem Menschen nicht nur erlaubt, sondern sogar für ihn Pflicht, jeden Zug von einer Tugend bei Gott aufzusuchen. Nehmen wir z. B. den kabbalistischen Saz an, daß unter dem Ausdrucke himmlische Begattung Oral, Vereinigung der Geschlechter #2p1a1_727 7102 *) viele

Man sehe hierüber das 1. Buch der Könige (7, 36), und denke nach über den im hebräischen Originale vor=

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Ehe.

Geheimnisse verborgen liegen, so müssen diese Ausdrücke dem Profanen nicht nur ganz unverständlich, sondern sogar obscön erscheinen.. Beherziget man aber, was hier gesagt ist, daß alle Tugenden und Kräfte in ihren höch sten Potenzen in Gott vereiniget sind, so wird dieser im ersten Überblicke dunkel scheinende Saz verständlich. Er will bloß die göttliche Eigenschaft der Liebe in ihrer höchsten Potenz ausdrücken, welche, wenn sie von reiner Art ist, alle Tugenden in sich vereiniget, und bis ins Un endliche fortpflanzt. -Aus Liebe und Vereinigung zweier Individuen verschiedenen Geschlechts entstehet das Verhältniß einer Familie. Welche unzählige Tugenden nun können sich im häuslichen Leben einer guten moralischen Familie entwickeln und äußern, die in andern Verhälts nissen nicht möglich sind! Vater, Mutter und Kinder welche Verschlingungen des Bandes der Liebe! liche Liebe, Waterliebe, Mutterliebe, Kindesliebe, Ge schwisterliebe! Welch unzählige Tugenden, welche edle Charakterzüge lassen sich in dem Bilde einer guten häuslichen Familie anbringen! - Wahrlich! Können alle wahre Tugenden im gesellschaftlichen Leben nur ausgeübt werden, so müssen sie unter dem enger geschlun genen Bande des ehelichen häuslichen und FamilienLebens um so mehr Veranlassung finden, und mit so mehr Kraft und eigener Aufopferung sich äußern können. Könnten oder wollten die Profanen dieses beherzigen, so würden sie wahrlich an manchen Stellen und Ausdrücken in der Kabbalah keinen Anstoß nehmen, sondern sie für das halten, was sie wirklich sind, nämlich energische Kraftausdrücke, wo ein einziges Wort mehr in sich ¿faßt, als sonst durch hunderte der Worte nicht ausgedrückt werden kann.

28) Ist nun jemand bloß um Gotteswillen tugend

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haft, ohne eine andere oder Nebenabsicht, selbst abgese= hen von einer dieß oder jenseitigen Belohnung dabei zu haben, das heißt, weil er dadurch, also durch sich Selbst Gottes Eigenschaften begreifen, ihn kennen und nachahmen will - und was der Mensch durch sich selbst anschaulich verstehet, das verwandelt sich in sein eigenes ch, er empfindet es, worin das eigentliche Wissen bestehet so kann und wird er auch durch diese seine eigene Tugend, zugleich diese Eigenschaft in Gott be= greifen. Je mehr nun ein Mensch diese Tugenden be sigt, um so mehr begreift er von Gott, und um so 'reiner entwickeln sich diese Begriffe in ihm; und je mehre re und reinere Begriffe ein Mensch von Gott hat, um so mehr Vereinigungspunkte mit Gott bieten sich ihm dar, worin eigentlich das Unhangen an Gott bestehet, welches Moses (5. B. M. 10, 20 und an mehreren Stellen) so oft und mit Nachdruck empfiehlt. Daher fagte auch Lea (1. M. 29, 32): Nun wird mein Mann mich lieben, denn ich habe ihm bereits drei Söhne ge= boren.« Das heißt, je mehr Kinder ich gebâre, um so mehr Vereinigungspunkte der Liebe finden sich zwischen meinem Manne und mir. Eben dieses Verhältniß findet auch Statt zwischen Gott und dem Menschen. Je mehr Tugenden der Mensch sich aneignet, mit je mehr Kraft sie in ihm wirken, um so mehrere und festere Vereinigungspunkte der Liebe finden sich zwischen ihm und der Gottheit.

29) Der Glaube ist der Brennpunkt, in welchem alle Strahlen der Tugend sich concentriren, und im Ver. hältnisse der Menge dieser Strahlen ist auch die wechfelseitige Anziehungskraft zwischen Gott und dem Men= schen. Man betrachte einige Prädikate, welche die Kabe balah der Gottheit beilegt, und alle werden denjenigen,

der den wahren Glauben hat, überzeugen, daß diese Bes griffe fich wechselweise erklären, und wer auch nur eis nen vollkommen begreift, jie bereits alle begriffen hat,' und gleichsam mit prophetischem Geiste von Dingen sprechen kann, über die er niemals nachgebacht hat. So 3. B. heißt Gott, oder welches einerlei ist die Schechinah Arɔ, in der Sprache der Kabbalah Em us nah. (Glaube), das will sagen, daß ohne Glau ben keine menschliche Vollkommenheit möglich ist, und um so weniger von Gott etwas begriffen werden kann. Wo hingegen der wahre Glaube ist, da kommen alle ührigen Tugenden und guten Eigenschaften von sich selbst hinzu, indem die Gottheit diesem Menschen sich nähert, um sich ihm immer mehr und mehr begreiflich zu mas chen. Daher sagte auch David (Pf. 145, 18): » Gott ist nahe Allen, die ihn anrufen",(um sich ihnen zu verdeutlichen); Allen, die ihn mit Wahrheit (im wahren Glauben) anrufen. »

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Die Schechinah heißt auch Jirah n (Got tesfurcht): denn ohne diese nügt weder Gesez noch Lehre, und wer die Eigenschaft der Gottesfurcht, das heißt Ehrfurcht vor Gott, nämlich den unbiegsamen Willen, felbst wenn alles, was ihm lieh ist, ja sein eigenes Leben selbst dadurch aufgeopfert werden sollte, nichts zu thun, was dem heiligen Gotteswillen widerspricht, nicht hat, bei dem kann keine gute Eigenschaft Eingang finden, und um so weniger Wurzel fassen, weil Gott zu einem so gearteten Menschen sich nicht herabláßt, um sich ihm kennbar zu machen. Hat ein Mensch diese Eis genschaft nicht, so sind ihm alle Wege zur Erkenntniß Gottes versperrt, und er entfernt sich, oft ihm selbst unmerklich, von der Bahn der Tugend, und von ihr zugleich von Gott. So heißt auch die Schechinah

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Schamor (aufmerksam seyn (Pred. 1, 4), Stimmung, Disposition zu jeder guten Anlage). Diese Vorbereitung, welche eigentlich im unbedingten Glauben an Gott und den Worten der weisen Menschen, als seiner Repräsentanten und Verkündiger bestehet, muß die erste im guten Menschen seyn. Sie ist die unterste Stu= fe,`um 'von ihr allmählig weiter zu kommen, ja selbst den höchsten Gipfel zu erklimmen. Fehlt aber diese erste Stufe, welche die Grundlage zu dem ganzen darauf aufgeführten Gebäude ist, so kann der Mensch unmöglich, auch nur einen einzigen Schritt, weder in der Ers kenntniß Gottes, noch in der daraus fließenden Tugend weiter thun.

Die Kabbalisten drücken oft den Begriff von der Schechin ah mit dem Worte. David aus. Dieses will uns belehren, daß wir die Biographie Davids, des Mannes nach Gottes Herzen, wie ihn die heilige Schrift nennet, und seinen Charakter studieren, seine gute Eigenschaften aufsuchen und nachahmen sollen, und nicht sagen dürfen, daß er gesündiget habe *), denn wer ihn keunt, der kennt auch Gott, darum sagt auch der Prophet (Hof. 4, 5): „Sie werden suchen Jehovah ihren Gott, und David ihren König." Manchmal bedienen sie sich des Ausdruckes Thephilah nhon (Ge= bet) anstatt des Wortes Schechinah. Dieses belehrt uns, daß das Wesentliche des Gebets nicht im bloßen Hersagen der Worte bestehe, die ohnehin Gott weiß, bevor sie in unsern Gedanken entstanden sind; wohl aber

"Daher sagt auch der Thalmud (Trakt. Sabbath): Wer da sagt, daß David gesündiget habe, der irrt; denn er that es bloß, um die Menschen von der Kraft der Buße zu belehren.

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