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bestehet das Gebet nur in völliger Hingebung aus Liebe zu, und geistiger Vereinigung mit Gott. Das nämliliche Bewandtniß hat es auch mit den Kasteiungen des Körpers, als Fasten und dergleichen, die an und für sich selbst keinen Werth haben, und nur in dem einen Werth bekommen, daß sie unsere gänzliche Hingebung und Aufopferung aus Liebe zu Gott uns versinnlichen sollen.

Oft kommt in der Kabbalah der Begriff von der Schechinah unter dem Ausdrucke Eben moaffu habonim 127 10ND JAN, (ein Stein, den die Baumeister verachtet haben) (Ps. 188, 22) vor. Davon belehren wir uns, daß wer sich der Schechinah náhern will, der muß vorher in einen Grad von Verachs tung kommen, das heißt: Handlungen begehen, wodurch er fich die Verachtung der Menschen, die weder den Grund, noch die Absicht, noch den Zweck des so Han= delnden einzusehen vermögen, zuziehet. Daher stellt uns auch die heilige Schrift oft in der Biographie der Pa= triarchen Züge auf, die mit der strengen Moralität nicht vereinbar sind, als z. B. die Geschichte Jakobs mit seis nem Vater (1. M. 27), die Geschichte des Jehuda mit der Thamar (1. M. 28); die Geschichte Davids mit Bathseba und Urias (2. Sam, 11) u. f. w. Studiert man aber den Charakter dieser übrigens großen Männer, so wird uns der Grund, die Absicht und der Zweck dies fer Handlungen bekannt, und stellt sich uns in ei ner ganz andern Gestalt als demjenigen dar, der diese Handlungen bloß nach dem äußern Wortsinne nimmt. Eben so wird auch die Schechina durch Uni 57 (Arm) ausgedrückt. Der Arme ist von allen verachtet (Spr. 14, 26. Pred. 9, 16). Wer also mit der Schechinah sich vereinigen will, der muß den verachteten Ur

men lieben, ehren, und ihn aus seiner Erniedrigung zu erheben suchen.

› Beherziget_man nun dieses, und noch mehr von dem, was in der Kabbalah vorkommt, so wird man sich deutlich überzeugen, wie man durch Tugend sich der Gottheit nähern, wie der Tugendhafte Gott aus sich selbst erkennen kann, und auf welche Art Gott selbst sich dem Menschen durch den Menschen zu erkennen gibt. - May wird zugleich auch einsehen, daß man von dem Denken und Handeln des Menschen gleichsam algebraisch auf daß Denken und Handeln Gottes schließen, und daher Sachen begreifen kann, von denen alle Philosophen zusammen genommen, mit der scharfsinnigsten Vernunft und dem größten Kraft= und Zeitaufwand, auch die leiseste Uhudung nicht haben Fönnen *).

30) Es ist zu bemerken, daß von jeher immer das Schicksal der Nationen mit ihrer Religion im genauesten Verhältnisse gestanden, und beide stiegen und fielen nach

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*) Der Briefschreiber gibt ein Beispiel: Es ist in der Kabbalah angenommen, daß der Sephiroth zehn sind, wovon die sieben lezten schon jet begreifbar sind, die drei erstern aber es sicher auch einst noch werden – müsz fen. Da nun alles in der Welt in dem Verhältnisse mit den Sephiroth stehet, so weiß ich, so gewiß wie der Tag, daß obgleich gegenwärtig nur sieben Töne in der Musik und sieben Farben in dem Regenbogen bekannt sind, einst wenn die drei obern Sephiroth bekannt werden, zugleich auch noch drei Töne in der Musik_und drei Farben im Regenbogen entdeckt werden müssen. Ich kann zwar, sest er hinzu, von diesem allen so we= nig begreifen, wie der Blindgeborne von der Farbe, aber ich bin dennoch durch die unfehlbare algebraische Weisheit der Kabbalah bis zur Evidenz davon über= jeugt. So lassen sich durch diese göttliche Weisheit (Wunder man nehme ja diesen Ausdruck nicht als hy. perbol) prophezeien und wirken.

gleicher Proportion; das heißt, nachdem bei einer Nation die Religion emporkam oder sank, in eben diesem Verhältnisse schwang sich die Nation auf den Gipfel ihs res Glückes, oder sie ging zu Grunde. Einige Beispiele aus der Geschichte mögen diesen auf die Erfahrung ges gründeten Saß bewähren.

Ägypten war von den ältesten Zeiten an das Reich, worin die geheimen Wissenschaften im Bezug auf - Reli gion blüheten, daselbst war König und Oberpriester in einer Person vereiniget, also Regierungsmacht und Reli® gion in der innigsten Verbindung. Daher begaben auch die größten Philosophen Griechenlands als Pythagoras, Platon, und wer sonst Weisheit erlernen wollte, sich dahin, um in ihren religiösen Mysterien sich einweihen 8 lassen. Ja felbst die heilige Schrift rühmt die Weis heit der Ägypter, indem sie sagt (1. K4, 31): „ Saloz mon war weiser, als die Weisen gyptens." Bes

Fannt ist es zugleich auch, daß der Nilus ihre vorzüge lichste Gottheit war *). Nun wollte Gott die Israeliten erlösen, und die Regierung der Ägypter schwächen, daher drohete er (2. M. 12, 12) an ihre Götter Strafgerichte auszuüben; das heißt, er stürzte zuerst ihre Religion, der Nil ward in Blut verwandelt, und die Ägypter *sahen dessen Ohnmacht als Gottheit, dadurch gerieth die Religion in Verachtung und Verfall, und mit ihr zugleich die Macht der Regierung, daher konnten auch die Israeliten sich um so leichter dieser Macht entziehen, und aus der Sklaverei befreier werden.

*) Plutarch sagt, die ägyptischen Weisen verehrten unter der Gottheit Osiris alle ernährende Feuchtigkeiten überhaupt, und den ihnen so wohlthätigen Nilfluß insbesondere.

Anmerkung des Verfasser 6.

Vor dem politischen Verfalle Babylons finden wir den Verfall und die Berachtung ihrer Religion, das heißt, ihrer Gößenbilder, denen sie eine göttliche Kraft zugeeignet haben, vorhergegangen. Daher kündiget der Prophet Isaias (46, 1) und Jeremias (50 und 51) den Sturz Babylons durch den Stuz ihrer Religion, oder welches einerlei ist, durch den Sturrz ihrer Gößenbilder

an. --

Selbst mit der jüdischen Religion ging es nicht anders. Das Buch der Richter zeigt uns durch mehrere angeführte Daten, daß so oft, während der aristokratischen Priester und Heroenregierung, der Verfall der Religion bei dieser Nation eingetreten ist, zugleich auch fie der Macht der Feinde unterliegen mußten. Als uns ter den legten Königen in Juda und Israel die Relis gion ganz in Verfall geriethführte dieses Ereigniß zugleich den gänzlichen Sturz des Reichs herbei, und die Nation kam in assyrische und babylonische Gefangenschaft. So auch im umgekehrten Verhältnisse. Die Römer stürzten die jüdische Religion, die, wie bekannt, im Tempel Priester- und Opferdienste bestand, durch Zerstörung des Tempels, als Vereinigungspunkt ihrer Re ligion, und mit diesem Begebnisse löste sich die ganze Nationalität der Juden auf *). Dieses sind unumstóßliche Beweise für den genauesten Zusammenhang der Religion mit dem Zustande der bürgerlichen Verfassung Wenn die thalmudische Legende sagt: „Jede Nazion habe ihren Vorgeseßten (Paraklet) im Himmel« **), To

*) Bier", seßt der Verfasser die merkwürdige Bemerkung hinzu, liegt ein tiefes und wichtiges Geheimniß vers borgen, welches dem noch nicht. Ganzeingeweiheten nicht geoffenbaret werden darf. « Sapienti sat.

Anmerk. des Verfassers.

**) Siehe Artikel Kabbalah.

wird darunter jenes himmlische, geistige Wesen verstan. den, welches in ihrer Religion liegt (denn keine ist, wie wir weiter sehen werden, davon ganz entblößt) und das die ganze Nation und ihre Regierung göttlich verehrt. Verläßt diese Nation jenes göttliche Wesen, oder verliert sie die Achtung davor, so geräth nothwendig ihre politische Macht, die mit demselben in genauem Verhältnisse stehet, zugleich auch in Verfall.

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31) Die Ursache, warum die Ausübung des Guten mehr Hindernisse als dem Bösen sich in den Weg dámmen, ist, weil das Böse, um zu seinem Zwecke zu ge langen, den im Wege liegenden Hindernissen mit Ge walt und Zwang entgegen wirkt. Haß z. B. Zorn, Rache, Wollust, Geiß, überhaupt alle Leidenschaften, treiben den Menschen mit einer ungestümen Gewalt an, die alle Widerstände mit unaufhaltsamer Macht nieder. treten. Darum heißt es auch (If. 57, 20): » Die Frev. ler handeln wie (vom Sturme) aufgeregtes Meer, das sich nicht beruhigen kann, und dessen Wogen immer Schlamm und Unrath aufwühlen. Nicht so aber die Vernunft und alle edeln Triebe. Diese bewegen den Menschen nur sanft. Auch bedarf das Gute immer Vorbereitung, Gelegenheit und Überlegung; wo das Böse. hingegen sich dem Menschen aufdringt, ihn mit unauf haltsamer Gewalt dazu anspornt, und ihm nicht Zeit zur Überlegung läßt. Daher kommt es auch, daß das Gute verachteter als das Böse ist, daß z. B. der Abers glaube mehr Anhang als die wahre Religion hat; daß Laster mehr in der Mode sind, als Tugenden; daß die meisten Menschen mehr der Larve der Tugend, als der Tugend selbst huldigen, und daß die Wahrheit ron vies Ien gehaßt ist, weil ihr von Vorurtheilen verwöhntes Auge ihren göttlichen Glanz, ihr himmlisches Licht nicht

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