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Es drängt sich uns daher zunächst die Frage auf, wo wir ihn heute zu suchen haben. Schon seit langer Zeit haben sich die bedeutendsten Geographen mit Lösung dieser Frage beschäf tigt; die Resultate ihrer Forschung sind sehr verschieden ausgefallen. Mannert glaubt das Leukekome des Strabo wiedergefunden zu haben in der Hafenstadt Janbu; Gosselin und Jomard in Moilah, Vincent in dem noch nördlicher gelegenen Hafen Ainune 1). In Uebereinstimmung mit Bochart, D'Anville und Quatremère hat Ritter 2) alle diese Ansichten widerlegt und nachgewiesen, dass in der heutigen arabischen Hafenstadt Hawara das Leukekome des Strabo wiederzuerkennen sei. Nach seiner ausführlichen Erörterung sprechen hauptsächlich folgende Gründe für die Identität der beiden Orte. Das alte Leukekome war bekanntlich eine Stadt der Nabatäer, und noch im 5. Jahrhundert finden wir Hawara als eine den Nabatäern zugehörige Stadt aufgeführt. Dem Namen Hawara, der sowohl im Arabischen als Aramäischen weiss" bedeutet, entspricht durchaus die griechische Benennung Aɛvxn xóun, die eigentlich nur eine Uebersetzung desselben ist. Seetzen berichtet, dass der Stadt Hawara an der Küste die Insel Hassanîjja gegenüber liege, die sich durch ihre weisse Farbe auszeichne; aus diesem Umstande lässt sich die gleiche Bedeutung der beiden Namen herleiten, wie wir darin zugleich einen Beweis für die Identität beider Orte haben. Von Wichtigkeit ist ferner der Bericht des Periplus des Erythr. Meeres. Nach dem Periplus nämlich fing erst im Süden von Leukekome das eigentliche Arabien an, während mit Leukekome selbst das gesicherte Land der Nabatäer mit seinem Karawanenverkehr begann; Leukekome lag also auf der Grenze der nabatäischen und arabischen Bevölkerung. Bei Agatharchides, Ptolemäus und Diodor wird die nun folgende nördliche Küste der Araber die der Thamud genannt, und wirklich stimmt dies mit dem heutigen Namen der im N. O. von Hawara wohnenden Stämme, deren Name Ad und Thamud stets die primitivsten Stämme der Araber im nordwestlichen Arabien gegen die Söhne Abrahams, Lots und Midians bezeichnete. Noch heutigen Tags ist hier bei Hawara eine politische Grenzscheide zwischen den beiden Araberstämmen

1) Ritter, Erdk. XII, 121 ff. 2) ib.

der Bili, die vom Norden bis hierher wohnen und dem zahlreichen Stamme der 'Gohaine, die von hier sich nach Süden ausbreiten. Ausserdem ist nichts natürlicher als dass die arabischen Schiffer ihre beschwerliche Seefahrt möglichst abkürzten und es daher gewiss vorzogen, schon in der südlichsten Hafenstadt der Nabatäer, in Hawara, einen sicheren Landungsort zu finden. So wird also das Leukekome des Strabo keine von Hawara nördlich gelegene Handelsstadt gewesen sein.

Nachdem nun Gallus glücklich oder vielmehr unglücklich Leukekome erreicht hatte, sah er sich durch den traurigen Zustand seines Heeres in die Unmöglichkeit versetzt, seinen Marsch in das Innere von Arabien sogleich anzutreten; der Gesundheitszustand seiner Truppen forderte nothwendig erst eine längere Erholungsfrist. Er konnte dazu keinen geigneteren Ort finden als Leukekome selbst, das in einer gesunden Gegend lag und reichlich mit gutem Quellwasser versehen war. Wegen des hier herrschenden lebhaften Handelsverkehrs war leicht der nöthige Proviant herbeizuschaffen.

So brachte denn Gallus den Sommer des Jahres 730 und den ganzen folgenden Winter in Leukekome zu. Da endlich war der Gesundheitszustand seiner Truppen insoweit wieder ein günstiger geworden, dass er sein unterbrochenes Unternehmen wiederbeginnen konnte. Die Aussichten für eine glückliche Vollendung desselben konnten keine glänzenden sein. Ein kleines Heer von Römern stand jetzt an den Pforten des fernen Ostens, an den Grenzen eines unerforschten, in unermessliche Weite sich hinausdehnenden Landes, dessen Besitz schon lange der Gegenstand ihrer lüsternen Eroberungssucht gewesen war, dessen Inneres aber wohl noch nie der Fuss eines Römers betreten hatte. Ueber die Beschaffenheit und die Verhältnisse des Landes, in das sie jetzt eindringen wollten, fehlte ihnen fast jegliche sichere Kunde; Jemen, ihr eigentliches Ziel, lag für sie in weiter, völlig unbekannter Ferne. Das Land selbst setzte mit seinem heissen Klima, seinen wasserarmen Wüsten und seinen zahlreichen Einwohnern dem Eindringen von Fremdlingen die grössten Hemmnisse entgegen. Bei dieser völligen Unkunde des Landes waren die Römer gänzlich der Leitung des treulosen Sylläus hingegeben und willenlos mussten sie ihr ganzes Schicksal in seine Hände

legen. Unter seiner Führung brach das römische Heer im Frühling des Jahres 731 von Leukekome auf, um in das Innere von Arabien einzudringen.

Die Bestimmung über die Richtung, welche der Zug des Gallus nahm, ist eine der grössten Schwierigkeiten in der Darstellung dieses Unternehmens. Die hierher gehörigen Angaben des Strabo beschränken sich auf die Nennung einiger weniger Orte und Völkerschaften; Dio Cassius macht sogar nur Einen Stamm der Araber namhaft, und die acht Städte, welche Plinius als von Gallus erobert anführt, gewähren uns eigentlich nur für die Bestimmung des Endpunktes der Expedition einigen Anhalt. Man erwäge ferner die Umwandelung, welche die arabischen Benennungen im Munde der Griechen und Römer erlitten haben, und die Verschiedenheit zwischen der alten und der jetzigen Sprache der Araber1). Ist nun schon deshalb die Schwierigkeit einer näheren Bestimmung des von Gallus eingeschlagenen Weges eine sehr bedeutende, so wird dieselbe durch einige andere Umstände noch erhöht. Bei keinem Lande nämlich sind die politischen und geographischen Grenzen der einzelnen Landschaften Jahrhunderte und Jahrtausende hindurch unbestimmter geblieben als bei den Arabern. Den Grund dieser Erscheinung haben wir zum Theil in den Wüsteneien dieses Landes, zum Theil in dem wechselnden Wanderleben der nomadisch umherziehenden Bewohner zu suchen, vor allem aber in den eigenthümlichen Verhältnissen der Staatenbildung im Oriente überhaupt, wie in Arabien insbesondere, wobei das Bedürfniss bestimmter Länderbegrenzung zurücktritt 2). Dazu kommt endlich, dass auch die uns gegenwärtig erschlossene Kenntniss Arabiens noch nicht ausreicht, manche der bei den antiken Schriftstellern genannten Völkerschaften und Orte näher geographisch zu bestimmen. So ist es denn erklärlich, dass grade in diesem Punkte fast alle neueren Geschichtsschreiber, die diesen Gegenstand ihrer Forschung unterzogen, von einander abweichen.

Strabo berichtet über den Anfang des Zuges in das Innere

1) Niebuhr, Beschr. v. Arabien p. 84. 2) Ritter, zur Gesch. des petr. Arabiens, Abh. der Berl. Akademie, 1824.

* von Arabien: „Nachdem Gallus sein Heer marschfertig gemacht hatte und von Leukekome aufgebrochen war, kam er durch Gegenden von solcher Beschaffenheit, dass wegen Hinterlist der Führer das Wasser auf Kameelen mitgeführt werden musste; so erreichte er nach vielen Tagemärschen das Land des Königs Aretas, eines Verwandten des Obodas." Eine unbestimmtere Angabe kann kaum gedacht werden; keine Landschaft, kein Ort ist genannt, und doch ist in diesen Worten mehr als ein Drittheil jenes langen Marsches beschrieben, der zwischen Leukekome und dem Endpunkte des Kriegszuges lag. Fast 70 Tage vergingen, ehe Gallus das Land des Aretas erreichte1).

Es ist zunächst nicht denkbar, dass der Marsch des römischen Heeres von Leukekome aus sofort südlich nach Jemen zu seine Richtung nahm; vielmehr findet hier, wie auch Merivale annimmt, jenes Wort des Strabo seine Anwendung, dass Sylläus die Römer im Kreise herumführte. Es wäre anders nicht möglich, dass Gallus 6 Monate auf jenem Marsche zugebracht hätte, den er nachher in 60 Tagen zurücklegte. Von grösster Wahrscheinlichkeit ist daher die Annahme, dass der Marsch des Heeres von Leukekome aus zunächst in östlicher Richtung vor sich ging. Nicht allein die eben erwähnte Angabe über die Dauer des Marsches spricht dafür, sondern noch andere Gründe berechtigen uns zu dieser Annahme. Von Bedeutung ist hier nämlich die Nachricht des Strabo, das Gallus nach vielen Tagemärschen erst das Gebiet des Königs

1) Strabo bietet diese Angabe zwar nicht, aber sie ergiebt sich nach folgender Rechnung:

In 30 Tagen hatte Gallus das Land des Aretas durchzogen und kam
nach Ararene.

In 50 Tagen gelangte er durch das Land der Nomaden nach Negrana
In 6 Tagen zu dem Flusse, wo die Schlacht Statt fand.

In 20 Tagen etwa nach Mariaba (in 9 Tagemärschen kehrte er näm-
lich von dort ohne Aufenthalt nach Negrana zurück).

Nach 6 Tagen gab er die Belagerung von Mariaba auf und trat den Rückmarsch an.

ehe

Macht 112 Tage. Nach Strabo's Bericht dauerte der Zug 6 Monate, der Rückmarsch angetreten wurde; so kommen immer noch 68 Tage auf jenen Marsch, der zum Lande des Aretas führte.

Aretas erreichte. Aretas (Hârith) war ein sehr üblicher Name nabatäischer Fürsten; so führten zwei Könige der Nabatäer vor Obodas II diesen Namen, und sein nächster Nachfolger war Aretas III 1). Es verdient ferner Beachtung, dass nach Strabo's Bericht Aretas ein Verwandter des Königs Obodas war, und dass die Römer in seinem Lande freundliche Aufnahme fanden. Wenn wir nun erwägen, dass die Nabatäer zu jener Zeit in Frieden und Freundschaft mit den Römern lebten, die Araber hingegen den Römern auf ihrem Zuge überall feindlich entgegentraten, so führt uns besonders jene letztere Bemerkung Strabo's zu der Annahme, dass dieser Aretas über einen Theil des weitverzweigten Nabatäervolkes herrschte. Ist diese Annahme gegründet, so werden wir weiter daraus folgern können, dass das Gebiet desselben im Norden von Arabien lag und dass Sylläus die Römer während der ersten 70 Tage in den nördlichen wüsten Gegenden Arabiens in der Irre umherführte, so dass sie am Ende jener Zeit noch eigentlich nicht südlich über den Landstrich hinausgekommen waren, in dem Leukekome gelegen war. Eine nähere Bestimmung über das Gebiet des Aretas scheint uns nicht möglich, da es an den dazu nöthigen weiteren Anhaltspunkten fehlt. Seemann 2) nennt Aretas einen König der Thamuditen; Merivale (a. a. O.) hingegen bezeichnet die Landschaft El Qâsim in Negd als das Gebiet dieses Königs; doch beiden Behauptungen fehlt es an den nöthigen Beweisen. Die Sitze der alten Thamuditen waren im N. N. W. von Medina, hinter der gewaltigen Gruppe der Radhua-Berge; der Mangel an näheren Angaben und überhaupt die Unbestimmbarkeit der historisch-geographischen Begrenzung bei den Araberstämmen lässt uns hier nicht entscheiden, wie weit sie sich nach Osten hin ausbreiteten. Wäre die Annahme gegründet, dass Aretas König der Thamuditen war, so hätte Sylläus die Römer nach 70 Tagemärschen so ziemlich wieder in die Nähe ihres Ausgangspunktes zurückgeführt. Möglich ist diese Annahme ebenso wohl wie die Merivale's, dass El Qâsim das Gebiet des Aretas gewesen sei. Massgebend und mitbestimmend ist hier nämlich vor allem die Angabe des Strabo, dass die Römer, nachdem sie

1) Nach dem Verzeichniss der nabat. Könige in R. v. L., Geschichte der Araber. 2) Dissert. de rebus gestis Arabum ante Chr. n. 1835.

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