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Excurs I.

Die Quellen.

Die Berichte der alten Schriftsteller über den Feldzug des Aelius Gallus beschränken sich auf eine geringe Zahl und auch das, was diese bieten, kann uns schwerlich befriedigen. Wir finden sie: Strabo XVI, 780; Plinius, Hist. nat. VI, 28; Dio Cassius LIII, 29; Josephus, Ant. XV, 9. Alle diese Berichte sind eigentlich nur gelegentliche Erwähnungen jenes Feldzuges, schwache Bruchstücke einer inhaltsreichen Geschichte, der es nicht an ausführlicheren Darstellungen gefehlt hat. Kaum geben sie uns das historische Gerippe jener wichtigen Kriegsunternehmung und so gewähren sie nur einen geringen Ersatz für die verloren gegangenen ausführlichen Darstellungen, unter denen wir vor allem den Verlust des von. Juba verfassten Werkes zu beklagen haben.

Der wichtigste unter den auf uns gekommenen Berichten ist ohne Frage der des Strabo. Diesem war es vergönnt, aus der reichsten Fülle mündlicher Ueberlieferung zu schöpfen, wie denn auch sein Bericht die übrigen an Ausführlichkeit übertrifft. Irrig aber würde die Meinung sein, dass seine Nachrichten so als Massstab und Prüfstein der anderen Ueberlieferungen dienen könnten; wir müssen seinen Bericht vielmehr mit Vorsicht und einem gewissen Misstrauen aufnehmen. Der Standpunkt, den Strabo einnimmt, ist nicht frei von einer bedeutenden Parteilichkeit, die bedingt war durch sein persönliches Verhältniss zu Aelius Gallus. Beide standen, wie Strabo selbst erzählt, in einem innigen Freundschaftsverhältnisse zu einander; Strabo begleitete den Gallus auf seinen Reisen, so z. B. bei der Recognoscirung, die dieser in Aegypten unternahm (II, 118). Aus dem ganzen Berichte Strabo's leuchtet es unzweideutig hervor, dass er auf eine Ehrenrettung seines Freundes ausgeht, indem er das Misslingen jener Unternehmung zum grössten Theil aus der Verrätherei des Sylläus, dann aber auch aus den in der Natur

Arabiens liegenden Schwierigkeiten und Gefahren zu erklären sucht. Gallus war nach ihm durchaus unschuldig an dem unglücklichen Ausgange des Feldzuges. Charakteristisch ist es indess, dass Strabo auch keinen einzigen Zug von Gallus anführt, wonach man diesem nur einiges Feldherrntalent beilegen könnte; und doch würde er dieses gewiss nicht unterlassen haben, wenn die Möglichkeit dazu vorhanden gewesen wäre. Auch im übrigen leidet sein Bericht an manchen Mängeln; die ganze Darstel. lung ist eine unklare, und einen beträchtlichen Theil derselben nehmen die Klagen über die Noth und Beschwerden des Zuges und über die Treulosigkeit der Araber ein. Selbst von augenscheinlichen Unwahrheiten

hält sich Strabo hier nicht frei.

Der Bericht des Plinius beschränkt sich auf die Nennung einiger von Gallus zerstörter Städte; er weicht in dieser Angabe von Strabo ab, indem sich nur drei der genannten Ortschaften bei diesem wiederfinden. Die vielen Quellen, denen Plinius bei Abfassung seines Werkes folgte, hat er zu Anfang selbst angegeben; unter den Werken, welche er zum sechsten Buche nennt, finden wir in der Zahl der nichtrömischen Schriftsteller den Juba vorangestellt. Er citirt den Juba in diesem Buche auch zu wiederholten Malen; augenscheinlich ist er diesem am meisten gefolgt, und wir möchten der Vermuthung Raum geben, dass er ihm seine ganze über den Feldzug des Gallus gegebene Notiz entlehnt hat. Juba hatte nämlich für den Cajus Caesar, der einen Feldzug in den Osten unternahm (733 u. c.) und vor Begier brannte, das glückliche Arabien kennen zu lernen, eine Beschreibung Arabiens verfasst (Plinius XII, 31); hier hatte ohne Zweifel der Feldzug des Gallus eine genaue und ausführliche Darstellung gefunden. Des Plinius Römerstolz verleugnet sich auch in den kurzen Zeilen seines Berichtes nicht, indem er in unwahrer Weise Mariaba, den Endpunkt der Expedition, als eine von Gallus eroberte Stadt aufführt.

Dio's Nachrichten sind fast ganz allgemeiner Natur. Wie die überall bei ihm durchleuchtende ehrenhafte Gesinnung, die Treue und Genauigkeit, mit der er dem Faden der Geschichte nachgeht, auf Wahrhaftigkeit schliessen lassen, so tragen auch seine hier in Frage kommenden Nachrichten den Stempel der Wahrheit und sie bieten uns daher eine sehr werthvolle, berichtigende Ergänzung zu den ausführlicheren, aber zu sehr vom Parteistandpunkte geschriebenen Mittheilungen Strabo's. Dass Dio in einer weit späteren Zeit schrieb, zeigt sich auch hier in seiner ganzen Darstellung; jene den Römerstolz so empfindlich kränkende Niederlage des Gallus war zu seiner Zeit schon weit in die Ferne der Vergangenheit gerückt, man urtheilte offener, wahrer über dieselbe, und so giebt uns Dio zugleich den Reflex der Gesammtanschauung, die sich damals über jenes Ereigniss gebildet hatte.

Die hierher gehörige Mittheilung des Josephus kommt nur für die chronologische Bestimmung des Feldzuges in Betracht.

Wie nun das, was eine Zeit bewegt, auch meistens der Dichtkunst nicht fremd bleibt, so finden wir z. B. auch bei Horaz (Od. I, 29), bei Virgil (Aen. VII, 604 ff.) und an anderen Stellen der alten Dichter einige auf den Zug des Gallus hindeutende Worte; doch theilen uns dieselben nichts Specielles mit und bleiben daher von völlig untergeordnetem Werthe.

Excurs II.

Der Zeitpunkt des Feldzuges.

In Bezug auf die Zeit des Unternehmens sind wir, da uns die römische Münzkunde hier keinen Aufschluss giebt und auch Strabo und Plinius sich jeglicher bestimmteren Andeutung enthalten, zunächst an Dio gewiesen, an dem wir übrigens einen in dieser Beziehung vollgültigen Gewährsmann haben. Dio lässt die Expedition Statt finden in dem 10. Consulate des Augustus, welches dieser mit seinem Collegen Cajus Norbanus noch in Spanien antrat; dieses 10. Consulat des Augustus begann mit dem 1. Januar des Jahres 730 u. c. (24 v. Chr.). Wir haben keinen Grund, die Zuverlässigkeit und Richtigkeit dieser Angabe Dio's zu bezweifeln; vielmehr beachten wir die politische Lage des römischen Staates zu jener Zeit, so stellt sich uns gerade das Jahr 730 als das geeignetste zu diesem Feldzuge dar. Er war doch gewiss von grosser Bedeutung, dass Augustus den Westen des römischen Reichs, der in steter Empörung begriffen schon seit Jahren seine ganze Thätigkeit in Anspruch nahm, erst zur Ruhe brachte, ehe er durch ein so wichtiges Unternehmen, wie der Feldzug des Gallus war, den Osten des Reichs in Bewegung setzte. Jenes hatte er im J. 729 erreicht. Zu Anfang desselben war der Krieg gegen die Cantabrer und Asturer beendet; die Salasser (in den grajischen und pönischen Alpen) waren unterworfen. Der Westen war vollkommen ruhig, ja im ganzen römischen Reiche herrschte Friede; am Ende dieses Jahres wurde der Janustempel geschlossen. Das war offenbar der günstigste Zeitpunkt, die arabische Expedition auszuführen.

Erwägt man dies, so spricht auch Od. I, 35 des Horaz, wo (wie auch alle Ausleger annehmen) unverkennbar auf den Zug des Gallus hingedeutet und dieser als gleichzeitig mit der Unternehmung des Augustus gegen Britannien (im J. 727 od. 728) hingestellt wird, keineswegs gegen die Zeitangabe Dio's. Zunächst sagt uns Horaz hier nämlich nicht, dass das Unternehmen gegen Arabien gleichzeitig mit dem Kriege gegen die

Britten Statt gefunden habe, sondern, dass es Statt finden sollte; was wohl zu beachten. Es ist auch nichts natürlicher, als dass Augustus schon vor dem J. 730 den Feldzug nach Arabien beschloss und die entsprechenden Vorbereitungen traf. Wahrscheinlich wurde er durch die fortwährend im Westen des Reichs wieder ausbrechenden Unruhen bis zu dem Jahre 730 an der Ausführung verhindert. Früherhin hat diese Stelle des Horaz Anlass dazu gegeben, mit Unrecht den Zug des Gallus in das J. 727 oder 728 zu setzen.

Auch nach Joseph. Antiqu. XV, 9 ergiebt sich mit ziemlicher Sicherheit das Jahr 730 als Anfangsjahr des Feldzuges. Josephus erzählt hier eine Begebenheit aus den 13. Regierungsjahre des Herodes (April 729 April 730) und fügt dann hinzu, dass Herodes um jene Zeit (also Ende des J. 729 oder Anfang des J. 730) 500 Mann seiner Leibwächter als Hülfscontingent dem Aelius Gallus zusandte, der an der Nordküste des Rothen Meeres Truppen zusammenzog. (Vgl. Excurs III).

Ziemlich allgemein wird deshalb jetzt das J. 730 als dasjenige festgehalten, in dem der Feldzug nach Arabien seinen Anfang nahm.

Excurs III.

Die Aufeinanderfolge der drei ägyptischen Statthalter: Cornelius Gallus, Cajus Petronius und Aelius Gallus.

Schon Sigm. Jac. Baumgarten macht in der ,,Allgemeinen Welthistorie", Th. XII Anmerk. 90 aufmerksam auf die Unsicherheit, welche in den Angaben über die Aufeinanderfolge der drei obengenannten Statthalter herrsche; es sei nämlich ungewiss, ob auf Cornelius Gallus zunächst Petronius oder Aelius Gallus gefolgt sei. Diese Ungewissheit hat ihren Grund in der Mittheilung Dio's (53, 29), dass Aelius Gallus den Feldzug nach Arabien als Statthalter von Aegypten unternommen habe. Wäre diese Behauptung richtig, so würde sich daraus ergeben, dass auf Cornelius Gallus zunächst Aelius Gallus in der Statthalterschaft gefolgt sei, und diese Annahme tritt alsdann in Widerspruch mit Stellen aus Strabo und Josephus, wenn letztere auch nicht ganz entschieden die Reihenfolge der Statthalter feststellen.

So weit unsere Kunde reicht, ist bis jetzt über diesen Punkt keine gründliche Untersuchung angestellt, und so findet sich denn die Angabe, dass Aelius Gallus als Statthalter von Aegypten gegen die Araber ins Feld gezogen sei, obgleich sie, wie wir sehen werden, unrichtig ist, noch in neueren historischen Werken. Franz in seinem Corpus inscriptionum Graec. hat zwar dieselbe Ordnung der drei genannten Statthalter, wie sie

sich als Ergebniss unserer Prüfung herausgestellt hat, aber er berücksichtigt nicht einmal die widersprechende Angabe Dio's, und doch dürfte diese um so mehr der Beachtung werth sein, da Dio überall mit grosser Treue und Sorgfalt zu Werke geht. Lassen wir uns daher auf eine Untersuchung des Sachverhalts näher ein.

Jenem oben angeführten Worte Dio's gegenüber steht zunächst die Stelle Strabo XVII, 819. Es wird hier zuerst von Cornelius Gallus gesagt: ὁ πρῶτος κατασταθεὶς ἔπαρχος -; dann wird Petronius erwähnt mit den Worten: Πετρωνιός τε ὕστερον schliesslich ist von Aelius Gallus die Rede. Nach dem ganzen Texte des Strabo ist es nun sehr wahrscheinlich, dass er diese drei Statthalter in ihrer wirklichen Reihenfolge aufgeführt hat; mit völliger Entschiedenheit lässt es sich jedoch nicht daraus entnehmen.

Grössere Klarheit über diesen Punkt gewinnen wir erst aus Josephus' Antiq. und zwar aus dem Abschnitt, wo von Herodes d. Gr. die Rede ist. Herodes d. Gr. war bereits im J. 714 zu Rom von Antonius und Octavian zum Könige des jüdischen Volks ernannt (Joseph. Ant. XIV, 14, 5; App. B. C. V, 75; Strabo XVI, 765), aber erst einige Jahre später im J. 717 gelang es ihm, unterstützt von dem Legaten des Antonius, den Thron wirklich einzunehmen (Joseph. Ant. XIV, 15, 14; Dio 49, 22). Es macht nun für unsere Untersuchung keinen Unterschied, ob wir mit Winer (Bibl. Realwörterbuch 3. Aufl. I. p. 482) die Erstürmung von Jerusalem, den Anfangspunkt von Herodes' Regierung, in den Herbst, oder mit Wieseler (Chronol. Synopse der vier Evangelien 1843, p. 50) in den Monat Sivan d. i. Juni und Juli des J. 717 fallen lassen. Der Umstand aber ist hier massgebend, dass Josephus in seinen Zeitangaben dem talmudischen Grundsatze folgt, die Jahre der jüdischen Fürsten von Nisan zu Nisan zu zählen, und zwar dergestalt, dass sogar jeder einzelne Tag vor und nach demselben gleich einem vollen Jahre berechnet wird (Wieseler a. a. O. p. 52 ff.). Auf jeden Fall reicht das erste Regierungsjahr der Herodes bis zum 1. Nisan d. i. 4. April des J. 718. Dass aber Josephus, welcher in der Geschichte jener Zeit nach den Regierungsjahren des Herodes zählt, diese von der wirklichen Thronbesteigung an rechnet, ist bekannt und erhellt schon aus der alleinigen Vergleichung der beiden Stellen Antiq. XV, 10, 3 und Dio 53, 3.

Mit Berücksichtigung des eben Gesagten gewinnen wir nun ziemlich sichere Haltpunkte für die Bestimmung der Aufeinanderfolge jener drei Statthalter. Josephus spricht Ant. XV, 9, 1—2 von einer grossen Theurung, durch welche Judäa im 13. Regierungsjahre des Herodes heimgesucht worden sei. Herodes habe in diesem Nothstande wegen Ankaufs von Getreide zu seinem Freunde Petronius gesandt, dem vom Kaiser die Statthalterschaft von Aegypten verliehen worden. Nun reicht nach obiger

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